Neu auf Blu-ray/Filmkritik: Teuflisch katholische Probleme: „Das erste Omen“

August 13, 2024

Was tun wir, wenn wir gerade keine Ideen, aber Geld und ein im Moment mehr oder weniger erfolgreiches, mehr oder weniger beliebtes, seit Jahr(zehnt)en etabliertes Franchises haben? Nun, wir können Antworten auf Fragen geben, die bislang niemand wirklich gestellt hat. Bei „Star Wars“ wurde in „Rogue One“ erklärt, wie Rebellen die Informationen beschaffen, mit denen im ersten „Krieg der Sterne“-Film (inzwischen betitelt als „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“) der Todesstern zerstört wird. Diese Frage hat Alan Dean Foster in seinem 1976 erschienenem Filmroman schon in einem Satz beantwortet. Trotzdem war der Film, der diese Antwort nur elaborierte, bei der Kritik und dem Publikum ein Erfolg.

Thomas Harris schrieb, nachdem das Publikum immer mehr über Hannibal Lecter erfahren wollte, „Hannibal Rising“. In dem Thriller erzählt er die Lehr- und Wanderjahre des Killers. Das war der Moment, in dem ich meine Thomas-Harris-Lektüre einstellte. Es interessierte mich einfach nicht.

Und jetzt gibt es „Das erste Omen“. In dem Horrorfilm erzählt Arkasha Stevenson in ihrem Spielfilmdebüt die Vorgeschichte zu Richard Donners Horrorfilmklassiker „Das Omen“. Der Film sorgte 1976 für volle Kassen. In Rom geht Robert Thorn (Gregory Peck), nachdem seine Frau Cathy (Lee Remick) bei der Geburt ihr Baby verliert, auf den Vorschlag eines Priesters ein, ein anderes, zur gleichen Zeit geborenes Baby als sein Baby auszugeben. Bei der Geburt starb die Mutter. Das Baby ist jetzt ein Vollwaise. Das Kind mit dem Namen Damien ist außerdem, wie Thorn Jahre später erfährt, der Sohn des Teufels. Als fünfjähriger Bengel sorgt er in London, wo Thorn inzwischen der Botschafter für die USA ist, für einige schreckliche Todesfälle.

Mehrere Fortsetzungen, eine TV-Serie und ein Remake folgten.

Das erste Omen“ springt zurück in das Jahr 1971 und erzählt, was in den Tagen und Wochen vor dem in „Das Omen“ geschilderten Babytausch geschah. Margaret Daino (Nell Tiger Free) kommt in Rom an. Die Waise wuchs in der US-amerikanischen Provinz in einem katholischen Kinderheim auf. Dort verstand sie sich gut mit Pater Lawrence (Bill Nighy). Er ist inzwischen ein im Vatikan einflussreicher Kardinal.

In wenigen Tagen will die junge Frau eine Nonne werden. Aber in dem in Rom gelegenem, von Schwester Silva (Sonia Braga) und ihren Nonnen drakonisch geführtem Waisenhaus geschehen seltsame Dinge.

Eine Fraktion von Gläubigen hat anscheinend finstere Pläne. Jedenfalls behauptet das Father Brennan (Ralph Ineson); – wer „Das Omen“ gesehen hat, kennt ihn, damals von Patrick Troughton gespielt, aus dem Film als unerbittlichen Warner, der während eines Gewitters vor einer Kirche von einem Blitzableiter aufgespießt wird.

Brennan bittet Margaret um Informationen. Gleichzeitig entführt eine Mitnovizin, mit der sie ihre Übergangswohnung teilt, die Jungfrau in das römische Nachtleben.

Dass Margaret die Geburt von Damien zur sechsten Stunde des sechsten Tages im sechsten Monat des Jahres nicht verhindern kann, ist klar. Schlielßlich erzählt „Das erste Omen“ die unmittelbare Vorgeschichte zu „Das Omen“. Unklar ist allerdings, wer Damiens Mutter ist und welche Kreise in der Kirche warum möchten, dass Damien auf die Welt kommt. Die Erklärung ist bestenfalls halb überzeugend – und weniger überzeugend als die Erklärung in „Immaculate“.

Das erste Omen“ endet so, dass die Möglichkeit für eine Fortsetzung und eine neue Filmreihe besteht, die die bisherigen „Das Omen“-Filme aus einer anderen Perspektive betrachtet. Aus kommerziellen Erwägungen – immerhin ist „Das Omen“ ein eingeführter Name – ist es nachvollziehbar, dass die Produzenten des Franchises muntere weitere „Omen“-Filme machen möchten. Aus künstlerischen Erwägungen – und weil sie den Neustart des „Omen“-Franchise (der letzte Kinofilm ist von 2006, die kurzlebige TV-Serie von 2016) mit einem Prequel beginnen, dessen Ende allseits bekannt ist – werden hier der Kreativität enge Ketten angelegt. So sind auch die Überraschungen nie überraschend.

Das erste Omen“ ist kein schlechter Film, aber ein überflüssiger Film. Dabei geht der Horrorfilm bei der Erweiterung der „Omen“-Mythologie durchaus geschickt vor, in dem er eine Gruppe etabliert, die möchte, dass der Sohn des Teufels geboren wird. Aber der Hauptplot und das Ende ist bekannt. Wir wissen nur nicht, wer die Mutter ist. Das ist dann eine der Überraschungen des Films.

Das größte Problem von „Das erste Omen“ ist, dass vor wenigen Wochen „Immaculate“ startete und Vergleiche zwischen diesen beiden sehr ähnlichen Horrorfilmen unvermeidlich sind. Beide Male geht es um eine aus den USA nach Italien kommende Novizin und, soviel kann ohne Spoiler verraten werden, um eine besondere Schwangerschaft. Beide Male geht es um eine mächtige Institution – die katholische Kirche – und mächtige Männer und ihnen helfende Frauen, die Frauen ihren Willen über ihren Körper aufzwingen und, mehr oder weniger göttlich, schwängern.

Dabei ist „Immaculate“, inszeniert von Michael Mohan, nach einem Drehbuch von Andrew Lobel und mit Sydney Sweeney in der Hauptrolle, der ungleich besserere Horrorfilm. Er badet im Italo-Horror, im Giallo und hat ein im Gedächtnis bleibendes Killer-Ende.

Das erste Omen“ ist dagegen nur die durchaus gut gemachte asexuelle Mainstream-Variante. Stevensons Film ist Horror für die breite Masse, die sich etwas gruseln möchte. „Immaculate“ ist Horror für den Horrorfilmfan.

Das Bonusmaterial der „Das erste Omen“-Blu-ray besteht aus drei kurzen, primär werbliche, wenig informativen Featurettes, die in etwas über achtzehn Minuten angesehen werden können.

Das erste Omen (The First Omen, USA 2024)

Regie: Arkasha Stevenson

Drehbuch: Tim Smith, Arkasha Stevenson, Keith Thomas (nach einer Geschichte von Ben Jacoby, basierend auf von David Seltzer erfundenen Figuren)

mit Nell Tiger Free, Tawfeek Barhom, Sonia Braga, Ralph Ineson, Bill Nighy, Charles Dance, Maria Caballero

Blu-ray

20th Century Fox/Leonine

Bild: 1080p High Definition/1,85:1/16:9

Ton: Deutsch, Englisch, Französisch, Französisch (Kanada), Spanisch (Dolby Digital Plus 7.1, DTS-HD MA 7.1, Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch, Dänisch, Englisch für Hörgeschädigte, Finnisch, Französisch, Französisch (Kanada), Norwegisch, Schwedisch, Spanisch

Bonusmaterial: Die Vision der Regisseurin, Das Mysterium um Margaret, Die Symbollik von „Das erste Omen“

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

DVD ohne Bonusmaterial

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Das erste Omen“

Metacritic über „Das erste Omen“

Rotten Tomatoes über „Das erste Omen“

Wikipedia über „Das erste Omen“ (deutsch, englisch) und das originale „Omen“ (deutsch, englisch)

Bonus: das Kinoplakat


Neu im Kino/Filmkritik: „Shotgun Wedding – Ein knallhartes Team“ gegen einige Piraten

Januar 20, 2023

Ursprünglich war mit einer Shotgun Wedding eine wegen einer ungeplanten Schwangerschaft notwendige Hochzeit gemeint. Der Vater der Braut zwang, so der Volksmund, den Bräutigam mit einer Schrotflinte zum Traualtar. Jedenfalls in den USA.

Mit dieser Bedeutung hat „Shotgun Wedding – Ein knallhartes Team“ nichts zu tun. Darcy und Tom, ein gegensätzliches Paar, bei dem immer unklar bleibt, warum sie sich ineinander verliebten, wollen auf den Philippinen heiraten. Dafür haben sie eine auf einer Insel liegende noble Ferienanlage gemietet.

Vor der Hochzeit gibt es die üblichen kleineren Probleme zwischen den gegensätzlichen Familien von Braut und Bräutigam. Am Hochzeitstag eskalieren die Probleme, weil Piraten die ganze Hochzeitsgesellschaft als Geisel nehmen und vom Vater der Braut gerne einige Millionen US-Dollar Lösegeld hätten.

Nur Darcy (Jennifer Lopez), eine Anwältin, und ihr künftiger Gatte Tom (Josh Duhamel), seit einigen Tagen ein Ex-Baseballspieler, sind im Moment der Geiselnahme anderweitig beschäftigt. Als sie von der Geiselnahme erfahren, beginnen sie sofort ihren Kampf gegen die Bösewichter. Garniert mit einigen witzig gemeinten Wortgefechten und einer erstaunlichen Mißachtung vor der körperlichen Unversehrtheit und dem Leben der Geiselnehmer. Diese werden, ohne mit der Wimper zu zucken, mit Schrotflinten, Handgranaten und anderen Waffen getötet.

Aufgrund unterschiedlicher Auswertungsrechte läuft Jennifer Lopez‘ neueste Komödie bei uns im Kino. In den USA wird Jason Moores Action-RomCom in einigen Tagen ohne eine Kinoauswertung gleich auf Amazon Prime Video veröffentlicht. Und dort, also auf einen kleinen Bildschirm, gehört der vollkommen belanglose Film auch hin. Weder die Action, noch die Witze oder die Wortgefechte überzeugen.

Besser man sieht sich noch einmal „The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“ (The Lost City, USA 2022) an. Da stimmen die Chemie zwischen den Hauptdarstellern Sandra Bullock und Channing Tatum, der Humor und die Action. Außerdem ist Brad Pitt dabei.

Shotgun Wedding – Ein knallhartes Team (Shotgun Wedding, USA 2023)

Regie: Jason Moore

Drehbuch: Mark Hammer, Elizabeth Meriwether

mit Jennifer Lopez, Josh Duhamel, Lenny Kravitz, Jennifer Coolidge, Cheech Marin, Sonia Braga

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Shotgun Wedding“

Metacritic über „Shotgun Wedding“

Rotten Tomatoes über „Shotgun Wedding“

Wikipedia über „Shotgun Wedding“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jason Moores „Sisters“ (Sisters, USA 2015)


DVD-Kritik: „Jesus rolls – Niemand verarscht Jesus“, aber der Dude ist ganz weit weg

April 5, 2021

Jesus Quintana kennen wir als den durchgeknallten Bowler aus „The Big Lebowski“. Jetzt hat er, ungefähr zwanzig Jahre nach seinem ersten und bislang einzigem Auftritt, seinen eigenen Film bekommen. John Turturro, der die Rolle schon seit Ewigkeiten wieder spielen wollte und ungefähr so lange diesen Film (nicht unbedingt mit dieser Story) plante, spielt ihn wieder. Er schrieb auch das Drehbuch und übernahm die Regie.

Diese Dreierbelastung kann jetzt die Vorlage für einen äußerst gelungenen Film – siehe fast das gesamte Werk von Woody Allen – oder ein Desaster sein. In diesem Fall ist es letzteres. Das mag auch daran liegen, dass Jesus ein echter Großkotz ist und er hier ein Umfeld bekommt, um noch großkotziger zu werden. Denn wer soll ihn kontrollieren? Der Regisseur, der ein Drehbuch möglichst wortgetreu verfilmen will? Wohl kaum.

Die Komödie beginnt mit der Entlassung von Jesus Quintana aus dem Gefängnis. Der Direktor (Christopher Walken) gibt ihm einige gute Ratschläge mit auf seinen künftigen Weg.

Vor dem Gefängnis wird er von von seinem Kumpel Petey (Bobby Cannavale) erwartet und sie beginnen ungefähr da, wo sie vor Jesus‘ Knastaufenthalt aufhörten. Sie klauen jedes Auto, das sie sehen, baggern jede Frau an, die sie treffen und zeigen durchgehend einen erschreckenden Mangel an Respekt vor Recht und Gesetz und den Regeln des guten Antstands.

Das alles erzählt Turtorro als eine episodischen Reigen mit vielen kurzen Auftritten bekannter Schauspieler. Dabei sind Audrey Tautou, die zu ihrer Begleiterin wird und damit die dritte Hauptrolle hat, Jon Hamm, Susan Sarandon, Pete Davidson, Sonia Braga, J. B. Smoove, Tim Blake Nelson und Gloria Reuben.

Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass sie beim Dreh viel Spaß hatten. Der überträgt sich allerdings nicht auf den heimischen Bildschirm. Keine Pointe zündet. Keine Entwicklung ist sichtbar, während sich eine austauschbare Episode an die nächste reiht.

Dabei sind die Dialoge recht freizügig und die Schauspieler noch freizügiger. Für einen US-Film ist eine erstaunliche Menge nackter Haut zu sehen. Das und die offenherzige Libertinage des Trios Turturro/Cannavale/Tautou erinnert an europäische Filme. Vor allem aus den siebziger Jahren, als in Betten und der freien Natur im Zuge der sexuellen Befreiung (und Provokation des konservativen Bürgertums) viel nackte Haut gezeigt wurde.

Und wirklich: die Vorlage für „Jesus rolls“ ist Bertrand Bliers Hit „Die Ausgebufften“ (Les Valseuses, Frankreich 1974) mit Gérard Depardieu, Patrick Dewaere und Miou-Miou als freizügiges Trio. Ein Klassiker des französischen Kinos und ein Film, der mir vor Jahren gut gefallen hat.

Den sollte ich mir jetzt mal wieder ansehen.

Von „Jesus rolls“ kann das nicht gesagt werden. Nach knapp achtzig Minuten (ohne Abspann) bleibt die Erkenntnis, dass Jesus weiterhin besser eine Comicfigur auf der Bowlingbahn in „The Big Lebowski“ geblieben wäre. Mehr wollten wir eigentlich nie über ihn wissen. Die Coen-Brüder wussten das. Ihre Mitwirkung an „Jesus rolls“ beschränkte sich darauf, Turturro die Benutzung der von ihnen erfundenen Figur zu erlauben.

Jesus rolls – Niemand verarscht Jesus (The Jesus Rolls, USA 2019)

Regie: John Turturro

Drehbuch: John Turturro (nach dem Film „Les Valseuses“ von Bertrand Blier)

mit John Turturro, Bobby Cannavale, Audrey Tautou, Pete Davidson, Jon Hamm, Susan Sarandon, Sonia Braga, Christopher Walken, J. B. Smoove, Tim Blake Nelson, Gloria Reuben, Michael Badalucco, Nicolas Reyes, Tonino Baliardo

DVD (erscheint am 8. April)

EuroVideo

Bild: 1,85:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte

Bonusmaterial: Trailer

Länge: 82 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Blu-ray identisch. Digital ab 25. März verfügbar.

Hinweise

Moviepilot über „Jesus rolls“

Metacritic über „Jesus rolls“

Rotten Tomatoes über „Jesus rolls“

Wikipedia über „Jesus rolls

Meine Besprechung von John Turturros „Plötzlich Gigolo“ (Fading Gigolo, USA 2013)