Neu im Kino/Filmkritik: Es war einmal ein Mädchen namens „Abigail“, das entführt wurde

April 17, 2024

Vor fünf Jahren – und damit vor ihren beiden „Scream“-Filmen – geriet in ihrer Horrorkomödie „Ready or not“ eine Braut in einem riesigen Anwesen in das bizarre Aufnahmeritual der Familie des Bräutigams. Schnell eskalierte die Filmgeschichte, unter dem Gelächter des Kinopublikums, sehr blutig.

In ihrem neuen Film „Abigail“ wird die titelgebende Abigail, eine zwölfjährige Balletttänzerin, entführt. Bis zur Zahlung des Lösegeldes wird sie von ihren Entführern in einem riesigen, verlassenen Anwesen gefangen gehalten. Schnell eskaliert die Filmgeschichte, unter dem Gelächter des Kinopublikums, sehr blutig.

Denn Abigail ist keine harmlos Zwölfjährige. Ihr Vater ist ein mächtiger Unterweltboss. Er ist so mächtig, dass die sechs Entführer schon bei der Nennung seines Namens, den sie erst nach der Entführung erfahren, Panikattacken bekommen. Das ist nicht das einzige, was sie nicht wissen. Sie kennen sich nur unter Tarnnamen. Sie wissen nichts übereinander. Das wollte der ihnen unbekannte Auftraggeber so. Er stellte sie als Team zusammen und lockte sie mit einer fürstlichen Entlohnung. Auch wenn am Filmanfang gesagt wird, dass sie alle Profis und die besten in ihrem Fach seien, vermutet man als Zuschauer schnell, dass diese sechs Trottel in erster Linie nicht wegen ihrer Fähigkeiten als Verbrecher ausgewählt wurden.

Oh, und Abigail ist keine harmlose Zwölfjährige, sondern ein Vampir.

Mehr soll hier über „Abigail“ nicht verraten werden. Der neue Film von Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett lebt von einigen halbwegs überraschenden Wendungen, der Frage, in welcher Reihenfolge die Entführer sterben werden, seinem Humor und seinem unverkrampften Verhältnis zu spritzendem Blut. In „Abigail“ scheint jeder Mensch eher sechzig als sechs Liter Blut in seinem Körper zu haben.

Der Film selbst beginnt unblutig mit Abigails Entführung, die in nervig vielen Schnitten gezeigt wird. Glücklicherweise reduzieren Bettinelli-Olpin und Gillett nachher das Schnitttempo radikal. In diesem eher langsamen ersten Akt werden auch die Entführer skizzenhaft vorgestellt.

Mit dem Tod von ihrem Fahrer Dean (Angus Cloud in seiner letzten Rolle) endet dieser Teil des Thrillers. In den nächsten Minuten, wenn die Entführer auf der Suche nach Deans Mörder durch die dunklen Gänge der verlassenen Villa streifen, gibt es reichlich Suspense-Momente. Einerseits weil die Entführer Abigail suchen, andererseits weil Abigail gerne mit ihrem Essen spielt.

Danach wird der Horrorthriller zu einer sehr blutigen Schlachtplatte, die Splatter und Gore mit Comedy für Menschen mit einem stabilen Magen munter vermengt und über die Leinwand spritzen lässt.

Das macht „Abigail“ zu einem blutigen Spaß, der gut ins Programm des Fantasy-Filmfests gepasst hätte. Jetzt läuft er einige Monate früher im Kino an.

Abigail (Abigail, USA 2024)

Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett

Drehbuch: Stephen Shields, Guy Busick

mit Melissa Barrera, Dan Stevens, Kathryn Newton, William Catlett, Angus Cloud, Kevin Durand, Alisha Weir, Matthew Goode, Giancarlo Esposito .

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Abigail“

Metacritic über „Abigail“

Rotten Tomatoes über „Abigail“

Wikipedia über „Abigail“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Devil’s Due -Teufelsbrut“ (Devil’s Due, USA 2014)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Ready or Not – Auf die Plätze fertig tot“ (Ready or Not, USA 2019)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Scream“ (Scream, USA 2022)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Scream VI“ (Scream VI, USA 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: Gruselig, „The Hole in the Ground“ im Wald in der Einöde

Mai 2, 2019

Wenn eine Mutter mit ihrem Kind in eine Gegend fährt, in der es mehr Bäume als Fliegen gibt, das neue Haus, eine renovierungsbedürftige Bruchbude, abgelegener als das Overlook-Hotel liegt und alle Farben kränklich blass sind, dann muss man kein Horrorfilmfan sein, um zu wissen, dass die Mutter Sarah O’Neill und ihr achtjähriger Sohn Chris bald höllische Probleme bekommen werden. Das alles hat etwas mit dem titelgebenden „The Hole in the Ground“ zu tun: einem riesigen, im Wald liegendem Erdloch, das einfach so da ist.

Schon vor ihrem Einzug lernen Sarah und Chris ihre neuen Nachbarn, die Bradys, kennen. Sie, glänzend gespielt in einem Kurzauftritt von Aki-Kaurismäki-Schauspielerin Kati Outinen, ist eine verwirrte Person, die sie zu Tode erschreckt. Ihr Mann ist das ruhige Gegenteil. Er sagt ihnen, dass Noreen vor Jahren ihren Sohn ermordete. Sie glaubte, dass ihr Sohn durch einen Doppelgänger ersetzt wurde. Kurz darauf ist sie tot.

Aber nicht nur der bizarre Tod von Noreen – sie wurde mit dem Kopf in der Erde ihres Gartens entdeckt – beunruhigt Sarah. Sie ist nämlich ein seelisches Wrack. Der Grund für den Umzug von ihr und ihrem Sohn ist, dass sie von ihrem Mann seelisch und körperlich misshandelt. Sie hat immer noch Angst vor ihm. Ihr einziger Halt ist ihre Beziehung zu Chris, den sie abgöttisch liebt.

Nachdem er in der Nähe des Erdlochs war, glaubt sie, dass ihr Sohn sich von ihr entfernt. Sie befürchtet, dass er ihr Sohn, sondern ein Doppelgänger,ein Wechselbalg, ist. Aber wie kann sie das beweisen?

In seinem Spielfilmdebüt baut Lee Cronin die Spannung langsam auf. Er verzichtet auf blutige Exzesse. Eine mitten auf der Straße stehende Kati Outinen, ein gut frisierter, gut angezogener, höflicher Junge und die Frage, ob Sarah Wahnvorstellungen hat, tun es auch. Und natürliche etliche Zitate aus Horrorfilmen.

Allerdings gelingt Cronin es in seinem chaotischen dritten Akt nicht, auf die aufgeworfenen Fragen eine befriedigende Antwort zu geben. Es ist, als habe er sich mehr für das Aufzeigen von möglichen Antworten interessiert. So ist Cronins Debüt vor allem eine Talentprobe.

The Hole in the Ground (The Hole in the Ground, Irland/Belgien/Finnland 2019)

Regie: Lee Cronin

Drehbuch: Lee Cronin, Stephen Shields

mit Seána Kerslake, James Quinn Markey, Kati Outinen, James Cosmo, Simone Kirby

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Moviepilot über „The Hole in the Ground“

Metacritic über „The Hole in the Ground“

Rotten Tomatoes über „The Hole in the Ground“

Wikipedia über „The Hole in the Ground“ (deutsch, englisch)