Neu im Kino/Filmkritik: Über Thomas Arslans Noir-Gangsterfilm „Verbrannte Erde“

Juli 18, 2024

Ob man Thomas Arslans neuen Film „Verbrannte Erde“ mag, hängt davon ab, ob man Profigangster wie Richard Starks Parker, der Archetyp des kalten Profigangsters, Garry Dishers Wyatt und Wallace Strobys Crissa Stone mag. Und, ja, das sind drei absolute Lektüreempfehlungen für hier schon exzessiv abgefeierte Serien, die auch in deutschen Übersetzungen gut erhältlich sind. Arslans zweiter Film um den Profiverbrecher Trojan steht knietief in dieser Tradition, filmisch verfeinert mit klassischen französischen Kriminalfilmen, vor allem natürlich denen von Jean-Pierre Melville.

Trojan, wieder adäquat verkörptert von Mišel Matičević, ist die sehr sehr gute filmische Ausgabe dieses Verbrechertyps, den es so wahrscheinlich nur in der Literatur und im Film gibt. Trojan ist ein am liebsten allein arbeitender Profi. Persönliche Gefühle haben bei seiner Arbeit nichts verloren. Gewalt vermeidet er. Probleme gibt es, wenn Amateure mitmachen oder andere Verbrecher ihn reinlegen wollen. Dann beginnt das große Sterben. Nicht weil Trojan zuerst schießt, sondern weil die anderen mit dem Töten beginnen oder eine Situation durch Dummheit, Inkompetenz und Gier so verschlimmern, dass Trojan sich nur mit Gewalt daraus befreien kann. Das war so in „Im Schatten“ und ist jetzt so in „Verbrannte Erde“.

Vor vierzehn Jahren hatte Trojan in Thomas Arslans hochgelobtem Gangsterfilm „Im Schatten“ seinen ersten Auftritt. Nach den Ereignissen verschwand er aus Berlin und verdiente an anderen Orten sein Geld mit Diebstählen. Jetzt hat er finanzielle Probleme. Er kehrt – wie Thomas Arslan, der seit „Im Schatten“ nicht mehr in Berlin drehte – zurück in ein verändertes Berlin. Er versucht alte Kontakte zu reaktivieren. Schließlich vermittelt Rebecca ihm einen vielversprechenden Job. Zusammen mit einem kleinen Team soll er aus dem Museum Dahlem das Gemälde „Frau vor der untergehenden Sonne“ von Caspar David Friedrich klauen. Der präzise geplante Diebstahl gelingt mitten in der Nacht ohne große Probleme, Verletzte oder Tote.

Danach beginnen die Probleme. Der anonyme Auftraggeber will sie nicht bezahlen, sondern bestehlen und ermorden. Dafür hat er einen skrupellosen Killer engagiert.

In „Verbrannte Erde“ bedient Arslan die Anforderungen des Gangsterfilms und der Berliner Schule, die sich, wieder einmal, überraschend gut ergänzen. Kennzeichnend für die Berliner Schule sind die Aufnahmen von Nicht-Orten. Es sind städtische Orte ohne eine Geschichte oder besondere, wiedererkennbare Merkmale, die dem Ort irgendeine Individualität verleihen würden. Tiefgaragen, Brachen, anonyme Wohnsiedlungen, die so in jeder deutschen Mittel- und Großstadt stehen, sind solche Nicht-Orte. Getroffen wird sich auch in billigen Hotels und Schnellimbissen. Trojan und die anderen Gangster sehen maximal unauffällig aus. Sie führen ein Leben in der Anonymität. Sie hinterlassen keine Spuren. Niemand soll sich an sie erinnern.

Es ist eine rein utilitaristische Welt. Und so faszinierend ein Besuch in dieser Welt ist, so ungern möchte man in ihr Leben. Das ist auch der Grund, weshalb Richard Starks Parker einerseits so wichtig für das Genre ist, so hoch angesehen ist und so wenige literarische Nachfolger gefunden hat. Stark (ein Pseudonym des ungemein produktiven Donald E. Westlake) hat eine Figur erfunden und gleichzeitig perfektioniert und an ihre Grenzen getrieben. Andere Autoren, wozu auch Arslan gehört, haben nur noch die Wahl, diese Formel auszufüllen oder zu verwässern. Dann hat der Profi eine Vergangenheit und er ist in ein Netz von familiären und anderen Beziehungen eingebunden. Das tat Wallace Stroby mit seinen vier Crissa-Stone-Romanen. Stone ist verheiratet (ihr Mann sitzt im Gefängnis) und Mutter (ihre Tochter ist bei ihrer Cousine). Solche Bindungen machen sie menschlicher, angreifbarer und für ein Mainstream-Publikum goutierbarer.

In „Verbrannte Erde“ ist Trojan, trotz Bekanntschaften, noch der eiskalte Einzelgänger, der innerhalb von Sekunden spurlos verschwinden kann. Wenn er und seine Kumpanen nicht den versprochenen Lohn für ihnen Diebstahl haben möchten. In Berlin, meistens nach Sonnenuntergang, entwickelt sich mit wenigen, sehr reduzierten Dialogen ein elegant gefilmtes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem unklar ist, wer sich mit wem verbündet und wer überlebt. Und, in diesem Fall, wie Trojan überlebt.

Denn Thomas Arslan plant bereits einen weiteren Gangsterthriller mit Trojan. Deshalb wird „Verbrannte Erde“ als zweiter Film einer Trilogie beworben. Arslan sieht das zum Glück etwas anders. Für ihn sind die Filme keine klassische Trilogie, sondern eine lose Reihe. Im Presseheft sagt er dazu: „Das sind in sich abgeschlossene Filme, die durch die Hauptfigur und seine Tätigkeit verbunden sind.“

Ich freue mich schon darauf und hoffe, dass der dritte Trojan-Film mindestens genausogut wie „Im Schatten“ und „Verbrannte Erde“ wird.

Verbrannte Erde (Deutschland 2024)

Regie: Thomas Arslan

Drehbuch: Thomas Arslan

mit Mišel Matičević, Marie Leuenberger, Alexander Fehling, Tim Seyfi, Marie-Lou Sellem, Katrin Röver, Bilge Bingül

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Verbrannte Erde“

Moviepilot über „Verbrannte Erde“

Rotten Tomatoes über „Verbrannte Erde“ (aktuell noch keine Bewertung)

Wikipedia über „Verbrannte Erde“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Verbrannte Erde“

Meine Besprechung von Thomas Arslans „Helle Nächte“ (Deutschland 2017)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Die Känguru-Verschwörung“ bestätigt die richtige Weltsicht

August 25, 2022

Nach einem gescheiterten romantischen Abendessen im Dunkelrestaurant – Marc-Uwe war etwas unbeholfen und sein Mitbewohner, der ohne eine Einladung dabei war, kommentierte alles süffisant und schaltete im Restaurant das Licht an – hofft Marc-Uwe auf eine zweite Chance bei seiner großen Liebe Maria. Er wettet mit ihr, dass er ihre Mutter aus ihrem verschwörungstheoretischem Wahn wieder in die reale Welt zurückholt. Dabei soll ihm sein Mitbewohner, das Känguru, helfen. Es ist ein echtes Känguru, das bei ihm wohnt, redet, politisiert, klugscheißt und sich durchschnorrt. Die Geschichte ihrer ersten Begegnung wird in „Die Känguru-Chroniken“ erzählt.

Das von Marc-Uwe Kling erfundene Känguru hatte seinen ersten Auftritt 2008 in dem wöchentlichen Podcast „Neues vom Känguru“ beim RBB-Radiosender „Fritz“. Die kurzen Geschichten kamen gut an. Später wurden sie als Bücher veröffentlicht und zu Bestsellern. 2020 kam mit „Die Känguru-Chroniken“ die Verfilmung in die Kinos. Die Komödie war das erste prominenten Opfer der Covid-Pandemie. Denn kurz nach dem erfolgreichen Kinostart schlossen die Kinos. Trotzdem sahen über 800.000 Zuschauer den Film in den Kinos. Er steht auf dem neunten Platz der besucherstärksten Filme des Jahres 2020 in den deutschen Kinos. Da war eine Fortsetzung unvermeidlich. „Die Känguru-Verschwörung“ heißt sie und sie läuft jetzt in den Kinos an.

Wenn der schluffige Kleinkünstler Marc-Uwe die Wette gewinnt, muss Maria ihn zu einem Essen in Paris einladen. Wenn er verliert, muss er Maria und ihrem Sohn seine günstige, große Kreuzberger Mietwohnung überlassen.

Das Känguru kommentiert die Wette durchaus prophetisch mit der rhetorischen Frage: „Bist du wahnsinnig?“

Im folgenden erzählt „Die Känguru-Verschwörung“, wie Marc-Uwe und das Känguru versuchen, Marias Mutter ‚Diesel-Liesel‘ Lisbeth Schlabotnik von ihrem verschwörungstheoretischem Denken abzubringen. Dummerweise ist sie von den verschiedenen Verschwörungstheorien hundertfünfzig Prozent überzeugt und in der Szene der aufstrebende Star. Entsprechend desaströs verläuft für unsere beiden Helden die erste Begegnung mit Diesel-Liesel in Köpenick bei einer Diskussionsveranstaltung über die Klimalüge.

Als nächstes soll sie in Bielefeld auf der „Conspiracy Convention“ vor Adam Krieger, dem großen Star der Szene, auftreten. Das ist für Marc-Uwe und das Känguru die zweite Chance, die Wette zu gewinnen.

Die Story dient Marc-Uwe Kling, der hier neben dem Drehbuch (zusammen mit Jan Cronauer) auch die Regie übernahm, natürlich nur als grober Rahmen für eine enttäuschende Nummernrevue. Die Hauptstory wird immer wieder von Episoden unterbrochen, die mit ihr nichts zu tun haben. Sie bringen sie in keinster Weise voran und könnten ohne einen Verlust aus dem Film herausgeschnitten werden. Das sind ein Kampf mit dem Hauptmann von Köpenick, eine Auseinandersetzung mit einem BVG-Busfahrer, ein Drogentrip und ein Reenactment der Varusschlacht, in das unsere beiden Helden kurz vor Bielefeld hineinstolpern. Die beiden Hauptfiguren variieren teils aus den Känguru-Geschichten altbekannte Gags. Die Witze über Verschwörungstheorien und deren Verfechter sind nicht besonders gelungen. Viel zu oft wiederholen sie nur naheliegende und altbekannte Gags über Verschwörungstheoretiker und ihre abstrusen Theorien. Dazwischen gibt es, an den unpassendsten Stellen, das Alternative-Zitate-Spiel (in dem Zitate verändert oder den falschen Personen zugeordnet werden), und immer wieder, immer in Zeitlupe, Schnick Schnack Schnuck (bzw. Schere, Stein, Papier). Mit diesem Spiel treffen Marc-Uwe und dem Känguru Entscheidungen; wobei Marc-Uwe immer verliert.

Kling führte hier erstmals, durchaus gelungen Regie. Er hat viele Ideen. Er denkt in Filmbildern und es gibt etliche Nebenbei-Gags, die für mich zu den gelungensten Witzen des Films zählen. Allerdings nervt die immergleiche Präsentation von Schnick Schnack Schnuck, das im Film viel zu oft gespielt wird. Die Dialoge sind eher ambitionslos auf dem Niveau einer schlechteren TV-Sketch-Comedy inszeniert. Das Timing ist entsprechend. Und die Schauspieler spielen alle zu ausdruckslos. Das ist zwar angenehmer als ein permanentes Overacting, aber es ist hier einfach zu emotionslos.

Am Ende ist „Die Känguru-Verschwörung“ linksalternatives Wohlfühlkino, das niemanden überfordern oder verunsichern will. Das könnte zum Nachdenken führen.

Zum Filmstart erschien „Der Storyboard-Comic zum Film“. Dafür wurde das Storyboard, also die von Axel Eichhorst vor den Dreharbeiten gezeichnete Visualisierung des Films, die einen genauen Eindruck von dem späteren Film vermittelt, genommen und von Michael Holtschulte (Text), Ralf Marczinczik und Jan Thüring (Layout) für die Buchveröffentlichung bearbeitet. Das jetzt veröffentlichte Storyboard vermittelt einen guten, aber auch eigenständig lesbaren Eindruck von dem Film. Die Zeichnungen wirken immer wie Skizzen, die in erster Linie Anweisungen sind, die den Mitarbeitern am Set die Vision des Regisseurs vermitteln sollen. Die Dialoge und Abläufe sind aus dem Drehbuch und dem Film entnommen.

Die Känguru-Verschwörung (Deutschland 2022)

Regie: Marc-Uwe Kling

Drehbuch: Marc-Uwe Kling, Jan Cronauer

Buch zum Film: Marc-Uwe Kling/Jan Cronauer/Axel Eichhorst: Die Känguru-Verschwörung, 2022

mit Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Petra Kleinert, Michael Ostrowski, Benno Fürmann, Volker Zack, Adnan Maral, Tim Seyfi, Carmen-Maja Antoni, Melanie Straub, Daniel Zillmann, Nils Hohenhövel

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Das Buch zum Film

Marc-Uwe Kling/Jan Cronauer/Axel Eichhorst: Die Känguru-Verschwörung

Ullstein, 2022

296 Seiten

20 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Känguru-Verschwörung“

Moviepilot über „Die Känguru-Verschwörung

Wikipedia über „Die Känguru-Verschwörung“ und über Marc-Uwe Kling

Homepage von Marc-Uwe Kling

Meine Besprechung von Dani Levys Marc-Uwe-Kling-Verfilmung „Die Känguru-Chroniken“ (Deutschland 2020) und der Vorlage(n)

Meine Besprechung von Marc-Uwe Klings „Qualityland“ (2017)

Meine Besprechung von Marc-Uwe Klings „Qualityland 2.0 – Kikis Geheimnis“ (2020)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Die Känguru-Chroniken“ transformieren ins Kino

März 5, 2020

Die erste Begegnung läuft im Film genauso undramatisch wie im Buch ab: ein Känguru klingelt und fragt Marc-Uwe Kling, ob er Eier für einen Eierkuchen habe. Kling, eigentlich Marc-Uwe, gibt sie ihm. Ohne sich über das sprechende Känguru zu wundern. Kurz darauf klingelt das Känguru wieder und fragt nach dem Salz. Marc-Uwe gibt es ihm. Nachdem das Känguru sich alle Zutaten für den Eierkuchen zusammengeschnorrt hat, fällt ihm auf, dass es keinen Herd hat.

Das ist der Beginn einer wundervollen Freundschaft. Im Buch war diese Begegnung schon vor über zehn Jahren. Den ersten Auftritt hatte das Känguru 2008 in dem wöchentlichen Podcast „Neues vom Känguru“ beim RBB-Radiosender „Fritz“. Seitdem schrieb Kling unzählige weitere Känguru-Geschichten, die er in bis heute vier Büchern veröffentlichte. Die Bücher wurden Bestseller. Die Hörbücher ebenso. Da war eine Verfilmung nur eine Frage der Zeit. Wobei die Känguru-Bücher sich gegen eine Verfilmung sperren. Sie bestehen aus kurzen, meist drei- bis vierseitigen Geschichten, die wenig bis überhaupt nicht miteinander verbundenen sind. Einige Figuren tauchen öfter auftauchen, ohne dass sie nennenswert an Tiefe gewinnen. Die Wirtin der Eckkneipe ist die Wirtin der Eckkneipe. Der tumbe Nazi der tumbe Nazi.

Für den Film musste daher eine Geschichte erfunden werden. Und die geht so: Kleinkünstler Marc-Uwe und das Känguru, das, philosophisch gebildet, Besitz ablehnt und sich daher schamlos am Eigentum anderer Menschen vergreift und durchschnorrt, leben gemütlich in Marc-Uwes Kreuzberger Altbauwohnung vor sich hin. Als der großkotzige Großinvestor Jörg Dwigs, gleichzeitig Vorsitzender der „Nationalkonservative Partei für Sicherheit und Verantwortung“ den Kiez durchsanieren und die Baugrube neben Marc-Uwes Haus mit einem edlen Schicki-Micki-Hochhaus zubauen will, ist Widerstand angesagt.

Neben diesem Hauptplot gibt es zahlreiche Episoden, die mehr oder weniger direkt auf bereits bekannten Känguru-Geschichten basieren. Dabei bediente Marc-Uwe Kling, der das Drehbuch schrieb, sich bei allen Känguru-Büchern. So hat Dwigs seinen ersten Auftritt erst im zweiten Känguru-Buch „Das Känguru-Manifest“.

Damit ist schon einmal klar, dass der Humor des Films dem der Vorlagen ähnelt. Diese sind klassische Lesebühnentexte, zu denen alle beifällig nicken können und sich niemand jemals überfordert fühlt. Es sind humorig-harmlose Schnurren. Niemand wird verletzt. Es wird auf konsensfähige Gegner eingeschlagen. Im Buch Nazis und Kapitalisten. Im Film eine AfD-ähnliche Partei und Kapitalisten. Es gibt Beobachtungen aus dem Großstadtleben, die ebenso konsensfähig sind. Eine satirische Zuspitzung oder auch eine Demaskierung des eigenen Milieus erfolgt nicht. Dafür sind die Geschichten durchgehend zu nett und zu oberflächlich. Marc-Uwe Kling will kein Max Goldt, Georg Schramm oder Wiglaf Droste sein.

Auch der Film überfordert niemals. Episodisch wird sich von einer Situation zur nächsten gehangelt. Der Kampf gegen das Bauprojekt bleibt eine erzählerische Krücke mit einem Ende, das sich in dem Moment vielleicht gut anfühlt, aber das Problem nicht löst. Es noch nicht einmal versucht. Dabei spricht der Kampf gegen Mietwucher, Großinvestoren und Gentrifizierung reale Berliner Probleme an, die auch die Probleme von allen Metropolen sind. In Berlin führte das zu einer Volksinitiative, die eine Enteignung von großen Wohnungsgesellschaften, wie Deutsche Wohnen, fordert, und einem Mietendeckel.

Die Anspielungen und Zitate auf und aus anderen Filmen – Ich sage nur, ergänzend zu den schon im Trailer gezeigten Anspielungen, Bud Spencer, „Pulp Fiction“ (die goldene Uhr), „The Big Lebowski“ (der Teppich) – sind überdeutlich und peinlich schlecht zitiert. Der Rest spielt sich in der Kreuzberger Wohlfühlzone der saturierten Kapitalismuskritik und des Verkloppens bierbäuchiger und sehr dummer Nazis ab.

Von Regisseur Dani Levy hätte ich mehr als diesen rundum harmlos-gefälligen Klamauk erwartet.

Fans der Känguru-Geschichten werden sich allerdings genau darüber freuen.

Die Känguru-Chroniken (Deutschland 2020)

Regie: Dani Levy

Drehbuch: Marc-Uwe Kling

LV: Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Chroniken, 2009 (naja, eigentlich eher „lose inspiriert“)

mit Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Adnan Maral, Tim Seyfi,Carmen-Maja Antoni, Bettina Lamprecht, Henry Hübchen, Oscar Strohecker, Volker Zack, Paulus Manker

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Lesehinweis

 

Wer tiefer in die Welt von Marc-Uwe Kling und seinem Mitbewohner einsteigen will, kann zwischen zwei neuen Ausgaben ihrer Abenteuer wählen. Für den schmalen Geldbeutel erschien der erste Band der Känguru-Geschichten im Filmcover. Der Rest entspricht den früheren Ausgaben.

Als Ostergeschenk eignet sich der Sammelband „Die Känguru-Tetralogie“, der alle bislang erschienenen Känguru-Bücher in einem schicken Schuber enthält. Die Bücher haben einen festen Einband. Ansonsten unterscheiden sie sich nicht von früheren Ausgaben.

Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Chroniken

Ullstein, 2020 (mit Filmcover)

272 Seiten

10,99 Euro

Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Tetralogie (Die Känguru-Werke)

Ullstein, 2020

1184 Seiten

36 Euro

enthält

Die Känguru-Chroniken, 2009

Das Känguru-Manifest, 2011

Die Känguru-Offenbarung, 2014

Die Känguru-Apokryphen, 2018

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Känguru-Chroniken“

Moviepilot über „Die Känguru-Chroniken“

Wikipedia über „Die Känguru-Chroniken“

Homepage von Marc-Uwe Kling

Meine Besprechung von Dani Levys „Die Welt der Wunderlichs“ (Deutschland/Schweiz 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Sam Garbarskis neuen Film „Es war einmal in Deutschland…“

April 8, 2017

Frankfurt am Main, 1946: die Stadt liegt in Trümmern. Die amerikanischen Besatzer überprüfen die Nazi-Vergangenheit der Deutschen. Der Jude David Bermann (Moritz Bleibtreu), der die Nazi-Zeit im KZ überlebte, will jetzt, mehr oder weiger schnell, in die USA, das gelobte Land. Dafür braucht er Geld, das er sich mit dem Handel von feinster Wäsche an deutsche Frauen verdienen will. Das hat er schon vor dem Krieg in dem seiner Familie gehörendem, noblen Wäschehaus gemacht.

Allerdings verweigert die US-Militärregierung ihm die Geschäftslizenz. Im Transitlager, in dem er lebt, bequatscht er einen anderen Juden, die Lizenz zu beantragten. Dann scharrt er einige Juden um sich, die mit ihm das Geschäft eröffnen. Als Wäscheverkäufer reisen sie, höchst erfolgreich, durch das vom Krieg zerstörte Land.

Zur gleichen Zeit muss Bermann, was er vor seinen Geschäftspartnern verschweigt, immer wieder in das US-Hauptquartier. Dort verhört ihn US Special Agent Sara Simon (Antje Traue). Sie glaubt, dass Bermann mit den Nazis zusammenarbeitete. Das würde sein Überleben im KZ, seinen Besuch auf dem Obersalzberg und seine beiden Pässe erklären

Also beginnt Bermann ihr seine Geschichte, die wir in Rückblenden sehen, zu erzählen. Und dass der Überlebenskünstler es dabei mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, wissen wir schon bevor er seinen Mund aufmacht.

Es war einmal in Deutschland..“ hat eine schöne Idee – Juden, die nach dem Krieg in Deutschland ihr Glück versuchen -, die auf zwei semi-autobiographischen Romanen von Michael Bergmann (Jahrgang 1945) basiert. Zusammen mit Regisseur Sam Garbarski (Jahrgang 1948) schrieb er das Drehbuch, das aus der schönen Ausgangsidee wenig macht.

Die viel zu ausführlichen Rückblenden in die Nazi-Zeit, in denen Berman Simon von seinen Erlebnissen im KZ und wie er es überlebte, erzählt, stören nur die in der Gegenwart spielende Geschichte. Sie bringen sie nicht voran. Sie steigern auch nicht die Spannung. Schon bei der ersten Begegnung von Bermann und Simon ist klar, dass er ihr irgendetwas vorflunkern und so seinen Hals aus der Schlinge ziehen wird. Schließlich ist Bermann ein Schlawiner. Ein geborener Verkäufer, der aus einer Händlerdynastie stammt. Bis jetzt überlebte er, weil er, immer auch auf seinen eigenen Vorteil bedacht, den Menschen das erzählte, was sie hören wollten.

Entsprechend wenig steht für ihn während des gesamten Films auf dem Spiel. Da hilft es auch nichts, dass Moritz Bleibtreu sich hundertfünfzigprozentig in die Rolle wirft und Bermann als sympathischen Schlawiner, dem man gerne zuhört, porträtiert.

In der Gegenwart verschenkt Garbarski die wenigen Ansätze für ein Sittengemälde des Nachkriegsdeutschlands. Bermanns Verkäufer bleiben, obwohl es ein Ensemblefilm ist, austauschbare Nebenfiguren. Die Verkaufstouren und -gespräche bleiben im anekdotenhaften stecken. Und das gezeigte Kriegs- und Nachkriegsdeutschland hat immer den Flair einer sauber hergerichteten Kulisse.

Garbarski erzählt das alles recht gemütlich-bräsig mit einem biederen Fünfziger-Jahre-Humor, der niemand weh tut und sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügt. Bekanntes wird lediglich bestätigt, während der Film, zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselnd, eine Anekdote an die nächste reiht.

Insofern bewegt sich der neue Film des „Irina Palm“-Regisseurs in den gleichen altmodischen Gewässern wie sein vorheriger Film „Vijay und ich“. Der war ebenfalls mit Moritz Bleibtreu und er war auch damals der Grund, sich den Film anzusehen.

Es war einmal in Deutschland… (Deutschland/Luxemburg/Belgien 2017)

Regie: Sam Garbarski

Drehbuch: Michael Bergmann, in Zusammenarbeit mit Sam Garbarski

LV: Michael Bergmann: Die Teilacher, 2010; Machloikes, 2011

mit Moritz Bleibtreu, Antje Traue, Tim Seyfi, Mark Ivanir, Anatole Taubman, Hans Löw, Pál Mácsai, Václav Jakoubek

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Facebook-Seite zum Film

Filmportal über „Es war einmal in Deutschland…“

Moviepilot über „Es war einmal in Deutschland…“

Meine Besprechung von Sam Garbarskis „Vijay & ich – Meine Frau geht fremd mit mir“ (Vijay and I, Deutschland/Belgien/Luxemburg 2012)