Wahrscheinlich werden alle zusehen wollen, wie ein Haufen Männer hinter einem Ball herrennt, aber es gibt auch
Arte, 20.15
Das unsichtbare Mädchen (Deutschland 2011, Regie: Dominik Graf)
Drehbuch: Friedrich Ani, Ina Jung
Vor elf Jahren verschwand die achtjährige Sina. Obwohl ihre Leiche nie gefunden wird, ist ihr Mörder, ein geistig behinderter junger Mann, schnell gefunden. Als Tanner bei aktuellen Ermittlungen über diesen alten Fall stolpert, zweifelt er immer mehr, ob damals wirklcih der richtige Mann verurteilt wurde.
Gewohnt guter Krimi von Dominik Graf, nach einem Drehbuch von Friedrich Ani und Ina Jung, die für eine Doku über die 2001 spurlos in Oberfranken verschwundene Peggy recherchierte. Ihre Recherchen bildeten die Grundlage für „Das unsichtbare Mädchen“.
mit Elmar Wepper, Ulrich Noethen, Ronald Zehrfeld, Silke Bodenstein, Tim Bergmann
Konditor Mauritz wird ermordet. Seine thailändische Katalog-Frau Sita schweigt und die Kommissare Batic und Leitmayr haben einen neuen Fall.
Dieser Tatort ist unbestritten einer der besten Batic/Leitmayr-Tatorte. Und sie hatten in den Neunzigern wirklich eine Reihe wirklich guter Fälle gehabt!
Mit Udo Wachtveitl, Miro Nemec, Michael Fitz, Barbara-Magdalena Ahrens,Ulrich Noethen, Petra Kleinert, Anna Villadolid
Der Film startete schon im Januar in den Kinos und hier in Berlin läuft „Hannah Arendt“ derzeit immer noch in zwei Kinos. Das gelingt nur wenigen Filmen.
Danach gibt es einige Anmerkungen dazu und ich beschäftige mich mit dem Bonusmaterial.
Die Filmkritik
Hannah Arendt.
Große Philosophin.
Hat „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ und „Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht über die Banalität des Bösen“ geschrieben.
Und wenn Ihr Wissen über Hannah Arendt ungefähr jetzt erschöpft ist, dürfte es ihnen wie mir gehen.
Aber das ist auch keine schlechte Ausgangsposition, um sich Margarethe von Trottas neuen Film anzusehen, der ganz banal „Hannah Arendt“ heißt und vier Jahre aus ihrem Leben als reife Frau erzählt. Es sind die Jahre, in denen die damals hochgeachtete Philosophin in New York lebte, am Brooklyn College in New York lehrte, einen Kreis teils deutschstämmiger Intellektueller um sich gescharrt hatte (entsprechend flüssig wechseln sie in ihren Gesprächen die Sprachen) und sich normalerweise an ihr Alterswerk gemacht hätte, wenn nicht der Mossad 1960 Adolf Eichmann in Argentinien gefangen genommen hätte und der noch junge Staat Israel ihn vor Gericht stellen wollte. Nur vor welches? Eine internationale Gerichtsbarkeit, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht und Deutschland hatte an so einem Prozess überhaupt kein Interesse. Also wurde Eichmann in Jerusalem vor ein Gericht gestellt und die am 14. Oktober 1906 geborene, 1933 nach kurzer Inhaftierung aus Deutschland geflüchtete Jüdin Hannah Arendt, die bis dahin gut in ihren philosophischen Gedankengebäuden lebte, wollte in Israel den Prozess beobachten und darüber schreiben.
Margarethe von Trotta zeigt in ihrem fantastischen Film die Konfrontation der Denkerin mit dem Bürokraten und welche Folgen das für ihr Denken hatte. Dabei bleibt sie anscheinend immer sehr nahe bei den Fakten und dem damaligen Wissen. Denn neuere Forschungen über Eichmann zeichnen ein anderes Bild von ihm. Jedenfalls wollte Eichmann vor Gericht für sein Handeln keine Verantwortung übernehmen. Er habe schließlich nur Befehle befolgt. Und das sagte der unscheinbar-ungelenkte Bürokrat in ebenso bürokratischen und grammatikalisch haarsträubenden Sätzen. Dieser Unterschied zwischen monströsen Taten und unscheinbarer Person brachte Arendt auf ihren weltberühmten Begriff „die Banalität des Bösen“. In der mit zweijähriger Verspätung erschienenen Artikelserie „Eichmann in Jerusalem“ für den „The New Yorker“ und dem darauf basierendem Buch weigerte sie sich, Eichmann, wie man es von ihr erwartet hatte, zu dämonisieren. Stattdessen beschrieb sie ihn, wie sie ihn während des Prozesses erlebte und griff auch die Rolle der Judenräte an.
Sie erhielt hasserfüllte Briefe, wurde von anderen Juden angegriffen und auch Freunde wanden sich von ihr ab. Von Trottas Film endet mit einer Rechtfertigungsrede von Hannah Arendt in einem überfüllten Hörsaal, die gerade in ihrer Sprödigkeit und intellektuellen Schärfe, wie der gesamte Film, beeindruckt.
Die Regisseurin, die vor allem für ihre Porträts starker Frauen, wie „Rosa Luxemburg“, bekannt ist, zeigt Hannah Arendt (glänzend gespielt von Barbara Sukowa) als kantige, teils harsche, immer scharfsinnige Denkerin, die Spaß am intellektuellen Diskurs hatte, heftig streiten konnte und dabei niemals ihre Freundschaften vergaß. So endet mehr als ein lautstarker Disput mit einem „So, und jetzt ist gut. Lasst uns einen Tee trinken!“ und einem kleinmädchenhaftem Lachen.
Sie stand für ihre Überzeugungen, verteidigte sie, hörte aber auch den anderen zu und war bereit ihre Meinung zu ändern, weil sie verstehen und nicht verurteilen wollte. – Und gerade hier zeigt sich in ihrem Charakter und in ihrer fast ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Auseinandersetzung über ihre Texte über Eichmann (zuerst die Zeitungsartikel, später das Buch) die Aktualität des Films, der fragt, ob wir selbst denken wollen, ob wir für unsere Überzeugungen kämpfen wollen und wie wichtig uns Freundschaften sind.
Dabei ist „Hannah Arendt“ kein in blinder Ehrfurcht erstarrendes Heldinnenporträt, sondern ein mitreisendes Stück Kino, das auch einen Einblick in die damalige Ostküsten-Intellektuellenszene und das damalige Denken liefert, mit scharfzüngigen Dialogen, die, aufgrund des Themas und der Charaktere, in Richtung Thesentheater gehen. Denn wenn der „Tribe“, wie der Intellektuellenzirkel, der sich regelmäßig in Hannah Arendts Wohnung traf, miteinander stritt, dann stritten einige der größten Denker des Jahrhunderts miteinander.
Beim zweiten Ansehen fällt mir auf, wie kunstvoll Margarethe von Trotta und ihre Kamerafrau Caroline Champetier (zuletzt „Holy Motors“, „Von Menschen und Göttern“ und „Eine fatale Entscheidung“) das Cinemascope-Format ausnutzen und wie viele Einstellungen sie in der Halbtotale drehen, die natürlich für die große Leinwand gut geeignet ist, ein Gefühl des Raums vermittelt und auch oft mehrere Schauspieler miteinander interagieren lässt. Das ist nicht das banale „Totale“ damit wir wissen, wo die Szene spielt und dann ein Schnitt-Gegenschnitt von Gesichtern. „Hannah Arendt“ ist für die große Leinwand gemacht.
Seit dem Kinostart erhielt der Film beim Deutschen Filmpreis die Auszeichnung „Bester Spielfilm in Silber“ und Barbara Sukowa wurde als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Nominiert waren außerdem die Regie, das Drehbuch, die Maske und die Kostüme. Außerdem erhielt „Hannah Arendt“ den diesjährigen Gilde-Filmpreis als bester Film.
Und bei Rotten Tomatoes ist „Hannah Arendt“ mit einem Frischegrad von 88 Prozent ihr am höchsten bewerteter Film; – wobei Rotten Tomatoes bei nicht-englischsprachigen Filmen nicht besonders aussagekräftig ist und bei älteren Filmen die Bewertung eher der heutigen als der damaligen Bewertung entspricht, weil oft zeitgenössische Bewertungen und nicht-englischsprachige Besprechungen in der Datenbank fehlen. So gibt es für „Das zweite Erwachen der Christa Klages“, „Die bleierne Zeit“ und „Rosa Luxemburg“, weil es nicht genug Kritiken gibt, keine Frischegrade.
Das Bonusmaterial
Auf den ersten Blick sieht das Bonusmaterial nach dem Üblichen aus: Geschnittene Szenen, Hinter den Kulissen, zwei Clips von Premieren und ein Audiokommentar. Es ist aber mehr. Vor allem der Audiokommentar – ein informatives Gespräch zwischen Filmjournalist Robert Fischer und Regisseurin Margathe von Trotta – ist grandios. Hier zeigt sich wieder einmal, dass es eine gute Idee ist, dem Regisseur einen Gesprächspartner an die Hand zu geben. Fischer und von Trotta gehen in ihrem Kommentar, immer wieder ausgehend von den Bildern, aber nicht an ihnen festklebend, vor allem auf die realen Hintergründe und die Dreharbeiten ein. Sie erzählt auch ein wenig von den Reaktionen auf den Film. Hier war sicher der Abstand zwischen Film- und DVD-Premiere hilfreich.
Das „Behind the Scenes“ ist ein Etikettenschwindel. Denn es ist ein fundiertes, informatives und sehr journalistisches halbstündiges „Making of“, das uns fast vollständig von den üblichen „Making of“-Lobhuddeleien verschont, was sicher auch daran liegt, dass vor allem von Trotta und ihre Drehbuchautorn Pamela Katz reden.
Die beiden Premierenberichte „Premiere in Essen“ und „Premiere in Stuttgart“ sind vor allem werblich-unkritische Premierenberichte. Immerhin gibt es bei der „Premiere in Stuttgart“ längere Szenen aus Margarethe von Trottas und Winfried Kretschmanns Gespräch mit dem Publikum.
Die „Deleted Scenes“ bestehen aus einem gestrichenen Szene über einen Verkehrsunfall, den Hannah Arendt hatte, der für die Geschichte des Films nicht wirklich nötig war und der deshalb zu Recht gestrichen wurde.
Oh, und es gibt den Trailer.
Hannah Arendt (Deutschland 2012)
Regie: Margarethe von Trotta
Drehbuch: Pamela Katz, Margarethe von Trotta
mit Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Michael Degen, Victoria Trauttmansdorff, Klaus Pohl, Nicholas Woodeson
–
DVD
NFP/EuroVideo
Bild: 16:9 (2.35:1)
Ton: Deutsch, Englisch (genaugenommen Deutsch und Englisch durcheinander)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Deleted Scenes, Behind the Scenes, Premiere in Essen, Premiere in Essen, Trailer, Audiokommentar, Hörfilmfassung für Blinde, Booklet
Das unsichtbare Mädchen (D 2011, R.: Dominik Graf)
Drehbuch: Friedrich Ani, Ina Jung
Vor elf Jahren verschwand die achtjährige Sina. Obwohl ihre Leiche nie gefunden wird, ist ihr Mörder, ein geistig behinderter junger Mann, schnell gefunden. Als Tanner bei aktuellen Ermittlungen über diesen alten Fall stolpert, zweifelt er immer mehr, ob damals wirklcih der richtige Mann verurteilt wurde.
Gewohnt guter Krimi von Dominik Graf, nach einem Drehbuch von Friedrich Ani und Ina Jung, die für eine Doku über die 2001 spurlos in Oberfranken verschwundene Peggy recherchierte. Ihre Recherchen bildeten die Grundlage für „Das unsichtbare Mädchen“.
mit Elmar Wepper, Ulrich Noethen, Ronald Zehrfeld, Silke Bodenstein, Tim Bergmann
In Münster wird ein Priester ermordet. Während Kommissar Thiel versucht, den Mörder des Leiters des Sankt-Vincenz-Seminars zu finden, mischt sich Gerichtsmediziner Boerne mal wieder, auch mit zwei gebrochenen Armen, ungefragt in die Ermittlung ein.
Gewohnt witziger „Tatort“ des Teams Thiel/Boerne, in dem die Witze Hauptsache und die Mördersuche Nebensache sind.
mit Axel Prahl, Jan Josef Liefers, Friederike Kempter, Christine Urspruch, Mechthild Grossmann, Claus Dieter Clausnitzer, Ulrich Noethen , Rosalie Thomass, Johanna Gastdorf, Wolf-Niklas Schykowski, Marita Breuer