Cover der Woche

August 12, 2025

Der erste Wilsberg-Krimi. Der Rest ist Geschichte zwischen Buchdeckeln und im Fernsehen.


Jürgen Kehrer erzählt von „Wilsberg – Sein erster und sein letzter Fall“

November 10, 2022

In einem Kaufhaus gerät Wilsberg in eine Geiselnahme. Die Geiselnehmer fordern die Freilassung von Frank Knieriem. Er gründete er auf einem Bauernhof einen eigenen Staat, zahlte keine Steuern, hortete Schusswaffen und verletzte bei einer Razzia einen Polizisten schwer.

Georg Wilsberg kennt ihn von früher, Im Oktober 1989 übernahm er als junger Anwalt seine Pflichtverteidigung. Knieriem war angeklagt, seine Freundin erschlagen zu haben. Nachdem er zunächst die Tat gestand, behauptet er jetzt, unschuldig zu sein. Er will, dass Wilsberg einen Freispruch erreicht. Allerdings sind die Beweise für seine Schuld überwältigend.

In seinem neuen Wilsberg-Krimi „Sein erster und sein letzter Fall“ erzählt Jürgen Kehrer parallel von den damaligen und heutigen Ereignissen. Und wie der Buchtitel verrät, soll der 21. Wilsberg-Krimi auch der letzte Wilsberg-Roman sein.

Dabei ist der Titel etwas irreführend. Denn genaugenommen arbeitet Wilsberg bei der Verteidigung von Knieriem als Anwalt. Erst danach wird er Privatdetektiv, Briefmarken- und Münzhändler. Seinen ersten literarischen Auftritt hat er 1990 in „Und die Toten läßt man ruhen“. In schneller Folge schreibt Jürgen Kehrer bis 2007 weitere Romane mit dem sympathischen Privatdetektiv, die alle bei seinen zahlreichen Lesern gut ankommen. Seitdem erschienen nur drei weitere Wilsberg-Romane. Insgesamt hat Kehrer in 32 Jahren 21 Wilsberg-Romane (zwei zusammen mit Petra Würth) und einen Sammelband mit Wilsberg-Kurzgeschichten veröffentlicht.

1995 wird der erste Wilsberg-Roman vom ZDF mit Joachim Król als Wilsberg verfilmt. Drei Jahre später entsteht, ebenfalls für das ZDF, der zweite Wilsberg-TV-Film. Leonard Lansink spielt jetzt den Privatdetektiv. Es ist sein erster von bislang insgesamt 75 im Fernsehen ausgestrahlten Auftritten als Wilsberg. Denn die nächsten TV-Krimis sind schon in Arbeit und ein Ende ist nicht abzusehen. Einige dieser Wilsberg-TV-Krimis basieren auf Wilsberg-Romanen; für einige schrieb Jürgen Kehrer das Drehbuch. Doch insgesamt haben die erfolgreichen TV-Krimis sich von der literarischen Vorlage gelöst. Genau wie die verschiedenen James-Bond-Romane, abgesehen von den wenigen Filmromanen, schon seit Ewigkeiten nichts mehr mit den James-Bond-Filmen zu tun haben.

Wilsberg – Sein erster und sein letzter Fall“ ist ein von Jürgen Kehrer gewohnt flott und unterhaltsam geschriebener Krimi, der uns dieses Mal mit einer ordentlichen Portion End-Achtziger-Zeitkolorit und einem Ausflug nach Westberlin erfreut. Denn Wilsberg muss sich als Anwalt auch um seine anderen Mandanten kümmern. Dies sind Tierschützer, die Hunde aus Forschungslaboren befreien, Punks, die Polizisten mit Mehl bewerfen und beleidigen, und ein Konzertclubbetreiber, der ein Stadtmagazin wegen eines Artikels verklagen möchte. Und dann ist da noch die nette, überaus gut aussehende Studentin, die Wilsberg bei der Suche nach einer Zeugin hilft, die Knieriems Unschuld beweisen könnte.

Das war jetzt vielleicht wirklich Wilsbergs letzter Fall. Aber Jürgen Kehrer kann ja immer noch über all die Fälle schreiben, die Wilsberg in Münster zwischen seinem ersten und seinem letzten Fall lösen musste.

Jürgen Kehrer: Wilsberg – Sein erster und sein letzter Fall

grafit, 2022

240 Seiten

13 Euro

Hinweise

Homepage von Jürgen Kehrer

Wikipedia über Jürgen Kehrer

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Fürchte dich nicht“ (2009)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsbergs Welt“ (2012)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“ (2015)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsberg – Sag niemals Nein“ (2020)

Jürgen Kehrer in der Kriminalakte

 


„Wilsberg – Sag niemals Nein“, sondern ‚Weil es nicht geht‘

Juni 8, 2020

Nein“

(Erste Zeile in „Wilsberg – Sag niemals Nein“)

Ja! Es gibt einen neuen Wilsberg-Roman. Nachdem Jürgen Kehrer in den Neunzigern jedes Jahr einen neuen Wilsberg-Roman veröffentlichte, veröffentlichte er in den letzten Jahren nur noch ungefähr jedes Jahrzehnt einen Wilsberg-Roman, während die „Wilsberg“-Filme im TV, mit Leonard Lansink als Wilsberg, erfolgreich in einer Endlosschleife aus Wiederholungen und neuen Fällen laufen. Dabei hat der TV-Wilsberg sich immer weiter vom Roman-Wilsberg entfernt. In einem inzwischen schon älteren Interview betonte Kehrer, dass es zunehmend schwieriger sei, neben den populären TV-Filmen die Romane als eigenständige Werke zu platzieren.

Jetzt, fünf Jahre nach „Ein bisschen Mord muss sein“, hat er es wieder gewagt. Und, das kann schon jetzt verraten werden, das Warten hat sich gelohnt.

Dieses Mal sucht der etwas glücklose, dafür umso penetrantere in Münster lebende und arbeitende Privatdetektiv Georg Wilsberg nach dem verschwundenen Journalisten Paul Wilkens. Der recherchierte zuletzt eine große Story. Aber niemand hat eine Ahnung, um was es bei der Story gehen könnte.

Wilsberg arbeitet dieses Mal für und im Auftrag von Wilkens minderjähriger Tochter Emma, einem ebenso willensstarkem wie undiplomatischem Teenager. Denn als Emma ihn bat, ihren Vater bei einem Treffen im Wienburgpark heimlich zu beobachten lehnte er ab. Nach dem Treffen ist Wilkens spurlos verschwunden. Im Park findet man neben einer Blutlache sein Smartphone.

Der von Schuldgefühlen geplagte Wilsberg beginnt zu ermitteln. Seine erste Spur führt, durch einen von Emma in einer Jacke ihres Vaters gefundenen Zettel, zu Haus Olfenberge, Weil Wilkens normalerweise im rechtsextremen und Reichsbürger-Milieu recherchierte, vermutet Wilsberg einen solchen Hintergrund bei der verschwiegenen Stiftung und ihrem extrem gut gesichertem, im Wald liegendem Anwesen, das eine Bildungseinrichtung sein soll.

Noch ehe Wilsberg die Stiftung gründlich durchleuchten kann, erhält Emma einen Anruf von ihrem Vater aus Beirut. Wilsberg macht sich auf den Weg in die Millionenstadt. Zunächst ohne sein Wissen fliegt Emma, die ihren Vater abgöttisch verehrt, ebenfalls nach Beirut. Dort wird Wilkens vor ihren Augen erschossen.

Jürgen Kehrer erzählt „Sag niemals Nein“ (Wer denkt bei dem Titel nicht an „Sag niemals nie“?) auf knapp zweihundert Seiten in der gewohnten Wilsberg-Länge flott im leicht schnoddrigen Wilsberg-Sound. Diese Kürze, die sich an der Länge von Pulp-Krimis orientiert, garantiert ein hohes Erzähltempo und die Abwesenheit von länglichen Liebesgeschichten, ärgerlichen Gefühlsdusseleien und uninteressanten Nebengeschichten, die sich meistens um Familienproblemen drehen (Zum Glück lebt Wilsberg allein und hat keine Familie).

Dieses Mal stolpert Wilsberg mehr durch den Fall als dass er selbst aktiv und zielgerichtet ermittelt. Aber das höchst vergnüglich.

Sag niemals Nein“ ist kein das Genre verändernder Roman und auch kein Buch, das die Welt rettet. Dafür rettet es einen Nachmittag.

Da wünscht man sich, dass Jürgen Kehrer sich gleich an das Schreiben seines nächsten Wilsberg-Romans macht.

Nein“

(Letzte Zeile in „Wilsberg – Sag niemals Nein“)

Jürgen Kehrer: Wilsberg – Sag niemals Nein

Grafit, 2020

192 Seiten

12 Euro

Hinweise

Homepage von Jürgen Kehrer

Wikipedia über Jürgen Kehrer

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Fürchte dich nicht“ (2009)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsbergs Welt“ (2012)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“ (2015)

Jürgen Kehrer in der Kriminalakte

 


„Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“, ein bisschen Spaß darf es sein

November 18, 2015

image description

„Der neue Wilsberg“ – ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal schreiben darf. Denn der letzte Wilsberg-Roman „Wilsberg und die dritte Generation“ von Jürgen Kehrer liegt neun Jahre zurück. Danach gab es zwar noch eine Kurzgeschichtensammlung und einen „Wilsberg trifft Pia Petry“-Roman, den Kehrer zusammen mit Petra Würth schrieb; was halt etwas anderes als ein Wilsberg-Roman ist. Und natürlich läuft die beliebte TV-Serie, für die Kehrer auch einige Drehbücher schrieb, immer noch erfolgreich im ZDF. Am Samstag, den 28. November, zeigt das ZDF um 20.15 Uhr den neuen Wilsberg-Krimi „Bittere Pillen“.
Aber insgesamt hatte ich den Eindruck, dass für Jürgen Kehrer das Kapitel „Wilsberg in Romanform“ abgeschlossen ist und er andere Romane, wie die bei rororo erscheinenden Krimis mit Kommissar Bastian Matt und Rechtsmedizinerin Yasi Ana, schreibt.
Und jetzt „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“, der schon auf den ersten Blick mit seinen schlanken 192 Seiten an die früheren Wilsberg-Romane anschließt.
Wilsberg soll für seinen Studienkumpel Wolfram Schniederbecke einen Geldkoffer überbringen. Während des Studiums war Schniederbecke ein Frauenschwarm und Punkmusiker. Heute ist er als Wolf Schatz immer noch ein Seitensprüngen nicht abgeneigter, verheirateter Frauenschwarm und ein erfolgreicher Schlagersänger, der Spielschulden bei einem Russen-Mafiosi hat. Wilsberg übernimmt für ein erkleckliches Honorar den Auftrag. In dem Hotel will allerdings niemand den Koffer in Empfang nehmen.
Als Wilsberg das Hotel verlassen will, sieht er Schatz auf dem Hotelparkplatz in seinem Auto sitzen, das auch gleich in die Luft fliegt. Wilsberg überlebt den Anschlag leicht verletzt und er macht sich mit dem Geld aus dem Staub, bevor die Polizei auftaucht.
Überflüssig zu sagen, dass die Polizei doch einige Stunden später bei ihm anklopft, Hauptkommissarin Bauer und Kommissar Langenbeck überhaupt nicht begeistert sind und Wilsberg herausfinden will, wer Wolf Schatz ermordete.
In „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“ legt Jürgen Kehrer schnell genug falsche Spuren aus, um Georg Wilsberg ordentlich zu beschäftigen und die Handlung bewegt sich zwischen den falschen Spuren und den zahlreichen Rätseln, die oft neue Fragen aufwerfen, angenehm schnell voran. Das ist eine sehr vergnügliche Krimilektüre und eine sehr willkommene Wiederbegegnung mit dem Buch-Wilsberg, die mir allerdings auch etwas zu sehr mit dem Blick auf eine Verfilmung geschrieben ist und sie das in jeder Beziehung schreckliche Schlager-Milieu nur am Rand streift.
Wobei, das muss auch gesagt werden, die definitive Satire auf die heile Welt des Schlagers bereits 1994 als BR-Tatort „…und die Musi spielt dazu“ (Drehbuch: Ortun Erkener, Regie: Hanns-Christian Müller) mit den Kommissaren Ivo Batic und Franz Leitmayr gemacht wurde.

Jürgen Kehrer: Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein
grafit, 2015
192 Seiten
9,99 Euro

Hinweise

Homepage von Jürgen Kehrer

Wikipedia über Jürgen Kehrer

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsberg und die dritte Generation“ (2006)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Fürchte dich nicht“ (2009)

Meine Besprechung von Jürgen Kehrers „Wilsbergs Welt“ (2012)

Jürgen Kehrer in der Kriminalakte