In der im Nordosten der USA liegenden Kleinstadt Maybrook verschwinden in einer Nacht um 2:17 Uhr 17 Kinder. Sie verließen, wie verschiedene Überwachungskameras zeigen, die elterliche Wohnung und liefen in die Nacht. Niemand weiß, wohin sie gelaufen sind. Oder warum.
Sie waren alle in der Schulklasse von Justine Gandy. Nur einer von Justines Schülern ist nicht verschwunden.
Was für eine Prämisse. Was für ein wundervoller Auftakt. „Barbarian“-Regisseur Zach Cregger führt in den ersten Minuten von seinem neuen Horrorfilm „Weapons – Die Stunde des Verschwindens“ sehr gelungen mit einer Kinderstimme im Voice-Over, atmosphärischen Bildern und gleitender Kamera in die Geschichte ein. Danach will man wirklich wissen, warum die Kinder verschwanden und welche Auswirkungen ein solcher plötzlicher und unerklärlicher Verlust von siebzehn Kindern auf eine kleine US-Gemeinde hat.
In den folgenden knapp zwei Stunden (wenn wir die Einführung in die Geschichte und den Abspann weglassen) erzählt Zach Cregger in sechs Kapiteln, die Ereignisse aus der Sicht verschiedener Figuren. Das tut er nicht, wie in „Rashomon“, indem er ein Ereignis aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, sondern weitgehend chronologisch. Ganz selten werden bestimmte Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven gezeigt. Im Zentrum der einzelnen, stilistisch unterschiedlich gestalteten Kapiteln stehen die Lehrerin Justine Gandy, ein Vater, ein Polizist, ein drogensüchtiger Slacker (in der vergnüglichsten Episode des Horrorfilms), der Schuldirektor und Alex Lilly, der einzige Schüler aus Justines Klasse, der in der fraglichen Nacht nicht verschwunden ist.
Bedingt durch diese Struktur ist lange unklar, was die Erklärung für das Verschwinden der Kinder sein könnte. Stattdessen erzählt Cregger aus dem Leben der im Mittelpunkt des Kapitels stehenden Figur. Es geht also um ihre Probleme bei der Arbeit und im Privatleben, ihren Alkohol- und Drogenkonsum und wie sie, – teils -, zu obsessivem und vollkommen unvernünftigem Verhalten tendieren.
Es gibt symbolträchtige Bilder, wie das Bild einer Maschinenpistole mit der Uhrzeit des Verschwindens der Kinder am Nachthimmel, und immer wieder Horrortopoi zitierende Bilder seltsam geschminkter Gesichter und sich seltsam verhaltender Menschen. Es sind Bilder, die Assoziationen auslösen. Mehr nicht. In einem Krimi wären es falsche Fährten.
Es gibt einige Jumpscares, die aber die Geschichte (jedenfalls auf den ersten Blick, manchmal auch rückblickend [ich will ja nichts spoilern]) nicht voranbringen, sondern nur durch die Kombination von plötzlich auftauchenden seltsamen Gesichtern und plötzlichem Musikeinsatz erschrecken. Beispielsweise wenn Justine einen Alptraum hat, aus dem sie erwacht und mit dem nächsten Horrorfilmgesicht konfrontiert wird. Und es gibt eine durchgehende Horrorfilmatmosphäre.
Die Lösung ist dann, angesichts der neugierig machenden Prämisse, ziemlich unbefriedigend. Sie bewegt sich, ohne Erklärungen, im Rahmen der bekannten Horrorfilmkonventionen. Die Bilder, die Handlungen einiger Personen und das Wissen des Horrorfans über, ähem, gewisse Dinge müssen genügen.
„Weapons“ Ist primär eine Versuchsanordnung und eine formale Spielerei zwischen verschiedenen Genres und Stilen. Das ist immer wieder gut und überraschend inszeniert, aber keine Figur trägt durch den gesamten Film. Sie haben, auch wenn sie in den anderen Kapiteln auftauchen, nur ein Kapitel. Es sind miteinander verbundene Kurzgeschichten, die in ihrer Gesamtschau die Geschichte erzählen und sich dabei immer wieder, mehr oder weniger lang, von der Ausgangsfrage entfernen.

Weapons – Die Stunde des Verschwindens (Weapons, USA 2025)
Regie: Zach Cregger
Drehbuch: Zach Cregger
mit Julia Garner, Josh Brolin, Alden Ehrenreich, Austin Abrams, Cary Christopher, Benedict Wong, Amy Madigan
Länge: 129 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Hinweise
Veröffentlicht von AxelB