Nach dem Ende des Fischer Film Almanach 1999 und des Heyne Filmjahrbuch 2005 ist das von der katholischen Zeitschrift „film-dienst“ herausgegebene „Lexikon des internationalen Films“ inzwischen das letzte jährlich erscheinende Filmlexikon.
Das Kernstück des Buches bildet, wenig überraschend, eine kommentierte Aufstellung der 2008 in Deutschland im Kino, DVD und TV uraufgeführten Filme. Dabei scheinen die Macher mit über 2000 Filmen (grober Schätzwert) sich inzwischen wirklich als Komplettisten zu verstehen. Denn neben Spielfilmen, wozu auch restaurierte Stummfilme wie „Die Finanzen des Großherzogs“ gehören, und TV-Filmen (die schon seit längerem aufgenommen werden), werden inzwischen auch zahlreiche spielfilmlange Dokumentarfilme (die meistens im TV ihre Premiere erlebten) und TV-Serienfilme besprochen. So sind „Wilsberg“, „Nachtschicht“, „Mord in bester Gesellschaft“, „Donna Leon“, „Ein starkes Team“, „Inga Lindström“, „Die Landärztin“ (wir wollen ja nicht nur im Krimbereich bleiben), britische Serien, wie „Inspector Barnaby“, „Der Preis des Verbrechens“ und „Waking the Dead“, und die britische Miniserie „Mord auf Seite eins“ (Das Remake von „State of Play“ startet in unseren Kinos am 18. Juni) aufgeführt. Bei vielen Filmen gibt es, teils umfangreiche, Hinweise auf die DVD-Ausstattung und alternative Fassungen. Das ist vor allem bei Horrorfilmen wie „Saw“, die manchmal in mehreren Versionen auf den Markt geworfen werden, sehr sinnvoll.
Weil DVDs (und Blue-rays) inzwischen immer mehr von Filmfans gekauft werden, zeichnet die „film-dienst“-Redaktion außergewöhnlich gut ausgestatteten DVDs mit dem „Silberling“ aus. Die so ausgezeichneten Filme wurden auch in das Lexikon aufgenommen und die verschiedenen DVD-Ausgaben (wie bei „I am Legend“, „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, „Jumper“, „The Dark Knight“ und „Dirty Harry“) werden kritisch vorgestellt. Dabei wurde ausschließlich auf die Qualität der Ausstattung und nicht die des Films geachtet. Denn etliche der gut ausgestatteten Filme haben den „film-dienst“-Kritikern nicht gefallen. So schreiben sie über „Alien vs. Predator 2“ (die Century3 Cinedition erhielt einen Silberling): „uninspirierter Science-Fiction-Horrorfilm, der allenfalls durch seine stümperhafte Dramaturgie und die lausig inszenierten Actionsequenzen auffällt“.
Aber meine Lieblingskritik (jedenfalls bis jetzt) ist zum Uwe-Boll-Film „Far Cry“ (mit Til Schweiger in der Hauptrolle): „Krachlederne Computerspiel-Verfilmung, die mit dem Charme billig heruntergekurbelter B-Filme kokettiert, sich in Wahrheit aber als schlecht gemachter A-Film entpuppt, in dem auch Schauspieler aus der zweiten Reihe hoffnungslos unterfordert sind.“
In ihren Kurzkritiken, damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht, lobt die unabhängige Redaktion auch einige harte Horrorfilme, wie John Carpenters „Pro-Life – Des Teufels Brut“. Insgesamt gelingt es den Kritikern, wie schon seit langem, die Filme treffend und undogmatisch einzuordnen.
Neben den Kurzkritiken gibt es längere Kritiken zu den letztjährigen Lieblingsfilmen der „film-dienst“-Redaktion. Das sind „Gomorrha“, „Happy-Go-Lucky“, „Lornas Schweigen“, „No Country for Old Men“, „Schmetterling und Taucherglocke“, „The Dark Knight“, „Tödliche Entscheidung – Before the Devil knows you’re dead“, „WALL-E“ und „Waltz with Bashir“.
Drei der Redaktionslieblinge waren auch ein „Kinotipp der katholischen Filmkritik“. Diese sind natürlich ebenfalls aufgeführt. Abgeschlossen werden die Listen mit den Preisträgern von wichtigen Festivals und Preisverleihungen, einem umfangreichen Adressenteil und einem Register der Regisseure und Originaltitel (was zum Auffinden der Filme im Filmlexikon vollauf genügt. Für genauere Recherchen gibt es die IMDB).
Außerdem wird, neben einem Rückblick auf das Filmjahr 2008, die Veranstaltung des Verbandes der deutschen Filmkritik zum Verhältnis von Internet- und Zeitungsfilmkritiken dokumentiert. Der Auslöser für die Tagung war die Polemik „Warum wir die Filmkritik brauchen“ von Josef Schnelle in der Berliner Zeitung vom 14. August 2008. In ihr behauptet er, dass eine fundierte Filmkritik nur in Printmedien und nicht im Internet stattfinden könne. Die Aufregung war groß und hatte sich bis zur Tagung schon wieder gelegt. Dennoch sind die Vorträge und Diskussionen sehr lesenswert. Denn die kundigen Referenten fielen nicht in die Schlachtordnung von „wir sind gut – die sind böse“ zurück, sondern sie zeigten, welche Möglichkeiten das Netz bietet und wo die Grenzen sind. Gleichzeitig wurde über die Aufgabe von (Film)Kritik reflektiert.
Schade bei dem umfassenden Kompendium ist nur, dass die 2008 Verstorbenen, abgesehen von einigen Ausnahmen, nicht erwähnt werden und Zahlen über Kinobesuche, DVD-Käufe und Zuschauerquoten, die auch im Internet nur schwer zu finden sind, vollkommen fehlen.
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film-dienst: Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2008
Schüren, 2009
640 Seiten
22,90 Euro
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Hinweis
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