An der amerikanischen Kinokasse war „The Big Lebowski“ von den Coen-Brüdern, nach dem erfolgreichen „Fargo“, 1998 kein großer Erfolg. In Deutschland sahen damals fast 600.000 Menschen den Film; was gar nicht so schlecht ist und im Startmonat schaffte er es sogar in die Top 5.
Nach der Kinoauswertung wurde „The Big Lebowski“ in den USA in bestimmten Kreisen immer beliebter, die DVDs verkauften sich sehr gut, Menschen sahen sich den Film immer wieder an und streuten Weisheiten aus dem Film in ihre Gespräche ein. Nach so einem denkwürdigem Gespräch auf einer Tattoo-Messe entschlossen sich die Autoren von „Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski – Die ganze Welt des Big Lebowski“ ein Lebowski-Fest zu machen. Es war eine spinnerte Idee, die darauf hinauslief, sich eine Bowlingbahn zu mieten, den Film zu zeigen, sich zu verkleiden, zu trinken (bevorzugt White Russian) und einfach eine Menge Spaß zu haben. Es kamen mehr Menschen als erwartet, die Lebowski-Feste wurden immer erfolgreicher und irgendwann begriffen alle, dass „The Big Lebowski“ wirklich ein Kultfilm ist, wie „Easy Rider“, „The Rocky Horror Picture Show“, „Das Leben des Brian“, „Blues Brothers“ und natürlich die legendären Mitternachtsfilme (ein Phänomen, das in Deutschland nie so populär wie in den USA war). Alles Filme, die bei den Kritikern nicht unbedingt beliebt waren, nicht den Massengeschmack trafen („The Big Lebowski“ startete in den USA zeitgleich mit den wesentlich erfolgreicheren Thriller „Auf der Jagd“ und auch „Im Zwielicht“ [dachte nicht, dass dieser Paul-Newman-Film so erfolgreich war] und „Eisige Stille“ [diese Videopremiere ging trotz Jessica Lange vollkommen an mir vorbei] spielten am Eröffnungswochenende mehr Geld ein), aber einen Nerv trafen und immer wieder gesehen werden. Allein, mit Freunden, auf Partys, im Kino. Es sind Filme voller erinnerungswürdiger Sprüche und Weisheiten.
Auch „The Big Lebowski“ gehört in diese Reihe. Die Geschichte ist, wie bei Raymond Chandler, der als Inspiration diente, kaum nacherzählbar, labyrinthisch, voller grandioser Szenen und Sätze und wahrscheinlich bar jeder Logik. Im wesentlichen geht es darum, dass der Dude mit seinem ihm bis dahin unbekannten, stinkreichen, herrischen, querschnittgelähmten Namensvetter verwechselt wird und er in eine undurchsichtige Entführungsgeschichte hineingezogen wird.
Nachdem die Lebowski-Festivals so erfolgreich sind, war es nur eine Frage der Zeit, bis in den USA ein Fanbuch erschien. „Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski“ von den Lebowski-Festival-Organisatoren Bill Green, Ben Peskoe, Will Russell und Scott Shuffitt ist natürlich nicht besonders kritisch gegenüber dem Film. Dafür gibt es Interviews mit vielen Darstellern aus „The Big Lebowski“. Natürlich den Hauptdarstellern Jeff Bridges (der auch das Vorwort schrieb) und John Goodman, wichtigen Nebendarstellern, wie Julianne Moore, John Turturro, Sam Elliott, Philip Seymour Hoffman, David Hudldleston, Tara Reid, Peter Stormare und Jack Kehler (er hat immerhin zwei Szenen: einmal als Vermieter, einmal als Balletttänzer) und Schauspielern, die prägnante, teils stumme Auftritte hatten. Und es spricht für das Können der Coen-Brüder, dass man sich an etliche von ihnen auch noch nach Jahren erinnert, wie John Polito (als Schnüffler), Jimmie Dale Gilmore (im echten Leben ein Musiker, der im Film von John Goodman auf der Bowlingbahn zurechtgewiesen wird), Jesse Flanagan (der den Wagen des Dudes klaute und von John Goodman zusammengestaucht wird), Jerry Haleva (Saddam Hussein in einem Traum des Dudes) und Robin Jones (die Supermarktkassiererin, die ohne mit der Wimper zu zucken einen Scheck vom Dude akzeptiert). Sie erzählen etliche Anekdoten von den Dreharbeiten und wie der Film ihr Leben beeinflusste.
Die „Nerds“ (wie sich die Autoren des Buchs in den Interviews selbstironisch nennen) haben sich auch mit den Menschen unterhalten, die bestimmte Charaktere und Episoden in „The Big Lebowski“ inspirierten, wie dem echten „Dude“ (bürgerlich Jeff Dowd) und Regisseur- und Drehbuchautor John Milius (Ähem, „Apocalypse Now“, „Conan, der Barbar“, „Die rote Flut“ und ein wahrer Waffenfanatiker), der ein Vorbild für den John-Goodman-Charakter Walter Sobchak war, unterhalten. Und sie haben mit einigen Fans des Films, unter anderem „Cracker“-Lead-Gitarrist Johnny Hickman, gesprochen.
Es gibt mehr oder weniger triviale Hintergrundinformationen („Fuck“ wird in der Originalfassung 281 mal gesagt, „Dude“ 160 mal und Walter Sobchak hat immer Unrecht), eine kommentierte Auflistung der Drehorte (soweit bekannt) und einen Rückblick auf die Lebowski-Feste.
„Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski“ ist ein unterhaltsames, reichhaltig mit SW-Bildern von durchwachsener Qualität illustriertes Fanbuch, das einige gute Gründe liefert, sich den Film wieder einmal anzusehen und auf der Seite Lebowski Fest kann man sich die Plakate in Farbe ansehen.
Bill Green/Ben Peskoe/Will Russell/Scott Shuffitt: Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski – Die ganze Welt des Big Lebowski
(übersetzt von Sven Kemmler)
Heyne, 2011
256 Seiten
14,99 Euro
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Originalausgabe
I’m a Lebowski, you’re a Lebowski
Bloomsbury, New York 2007
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Hinweise
You know, for kids! (umfangreiche Seite über die Filme der Coen-Brüder)
Drehbuch „The Big Lebowski“ von Joel & Ethan Coen
Wikipedia über „The Big Lebowski“ (deutsch, englisch)
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