Bretagne: Ein zehnjähriges Mädchen wird erdrosselt und vergewaltigt gefunden. Für die Kommissarin Lesage ist der Hauptverdächtige der erfolglose Zeichenlehrer der Ermordeten. Während sich der Verdächtige immer mehr zurückzieht, beginnt seine Frau für ihn zu kämpfen.
Eine weitere gelungene Zusammenarbeit des Teams Barski/Chabrol. In diesem ruhigen Provinzkrimi geht es um die verschiedenen Formen von Lüge.
Mit Sandrine Bonnaire, Jacques Gamblin, Antoine de Caunes, Valeria Bruni Tedeschi, Bernard Verley, Bulle Ogier
– Jake Hinkson warnt vor unglaublich schlechten Noirs (Das Dumme bei solchen Warnungen ist, dass ich danach wissen will, ob die Filme wirklich so schlecht sind.)
Ein beliebter Sportlehrer in einem Nobelort in Florida weist die sexuellen Avancen einer reichen Schülerin zurück. Danach behauptet sie, er habe sie vergewaltigt. Die Polizei glaubt ihr nicht, bis eine zweite Schülerin den gleichen Vorwurf erhebt.
Und das ist nur eine der ersten überraschenden Wendungen in diesem kleinen Thriller, bei dem die Stars lustvoll ihr Image ausfüllen, gegen es anspielen und sich (und uns) letztendlich fast ständig belügen. Denn in „Wild Things“ ist, unter der Sonne Floridas, nichts so wie es scheint. Eine schöne „Sommernachtsfantasie“.
Mit Kevin Bacon, Matt Dillon, Neve Campbell, Theresa Russell, Denise Richards, Robert Wagner, Bill Murray
In den vorherigen „The Goon“-Sammelbänden von Autor und Zeichner Eric Powell war der Goon ein schlagkräftiger Gangster mit dem Herzen am rechten Fleck, einer Unzahl oft nicht menschlicher Gegner und einer satten Portion Humor. Die eher kurzen Geschichten spielten in einer Retro-Welt, die an die noirischen Hollywood-Krimis und Abenteuerfilme aus den vierziger und fünfziger Jahren erinnerte.
In dem neuesten „The Goon“-Buch „Chinatown und das Geheimnis von Mr. Wicker“ erzählt Eric Powell nur eine Geschichte und besonders witzig ist sie nicht. Eher schon tragisch und auch eine liebevolle Hommage an die klassischen Kriminalfilme der vierziger Jahre, als Chinatown eine exotische Welt voller Geheimnisse und Verbrechen war. Dass es dabei auch um eine Frau ging und dass der Goon in sie verliebt war, versteht sich von selbst. Damals wollte Triaden-Boss Xiang Yao sich in Goons Stadt einnisten und der Goon trifft Isabella, die er noch aus seinen Jugendjahren auf dem Jahrmarkt kennt und die inzwischen für Xiang Yao arbeitet.
Doch der Goon schwelgt nicht nur in Erinnerungen an seine unglückliche Liebe. Denn in der Gegenwart muss er sein Revier gegen den geheimnisvollen Mr. Wicker verteidigen. Und wieder gibt es eine Femme Fatale.
„Chinatown“ ist Powells bislang anspruchsvollste Arbeit. Nachdem in den vorherigen „The Goon“-Geschichten die Lacher im Vordergrund standen (wobei die Witze und die Verknüpfung der verschiedenen Ebenen zwischen Wirklichkeit und Comicwelt und die zahlreichen Anspielungen auf andere Werke, zeigten, dass Powell nicht nur „lustige Kack-Witze“ [Powell über Powells Schaffen] erzählte), erzählt er jetzt eine große, auf mehreren Zeitebenen spielende, fantastisch gezeichnete Geschichte, die uns einiges über Goons Vergangenheit und wie er zu dem Mann wurde, der er heute ist, verrät. Und Eric Powell erhielt für „Chinatown und das Geheimnis des Mr. Wicker“ zwei weitere Eisner-Awards, dem Oscar der Comicbranche.
Wie immer bei Cross Cult gibt es auch beim siebten „The Goon“-Band viel informatives Bonusmaterial. Dieses Mal sind es Vorworte von Eric Powell und David Fincher, der auch in die „The Goon“-Verfilmung involviert ist (Anscheinend ist inzwischen alles drehbereit.), einen ausführlichen, von Eric Powell kommentierten Blick in sein Skizzenbuch für diese „The Goon“-Geschichte und ein sechsseitiges Interview mit Eric Powell.
Eric Powell: The Goon: Chinatown und das Geheimnis des Mr. Wicker (The Goon 7)
Polizeiruf 110: Er sollte tot (D 2006, R.: Dominik Graf)
Drehbuch: Rolf Basedow
Die junge Prostituierte Maria ermordet den Rentner Waller. In dem Verhör will Kommissar Tauber herausfinden, warum sie das tat.
Für sein Drehbuch stützte Rolf Basedow sich auf die Protokolle eines wahren Falles aus Schleswig-Holstein. Und Dominik Graf inszenierte das Zusammentreffen zwischen dem ruppigen, einarmigen Kommissar Tauber und der jungen Mörderin mit seiner gewohnten Meisterschaft.
Dominik Graf und Rolf Basedow sind nach „Sperling und das Loch in der Wand“, „Sperling und der brennende Arm“ und „Hotte im Paradies“ ein erprobtes Team für erstklassige Unterhaltung. Zuletzt arbeiteten sie bei der TV-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ zusammen.
Eben hat mich diese sehr erfreuliche Mail von Christian Bartsch von Turbine Medien, erreicht:
Münster, 12.09.2011: Mit Wirkung zum 6. September 2011 hat die 31. große Strafkammer des Landgericht Frankfurt am Main die allgemeine Beschlagnahme des Films THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (1974) aufgehoben.
Das Gericht reagiert damit auf die Beschwerde der Turbine Classics GmbH, die sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11. August 2010 wehrte. Inhaltlich griff das Gericht in seiner Entscheidung die rechtliche Argumentation von Rechstanwältin Dr. Henrike Maaß von der Kanzlei Eggers Malmendier auf, die Turbine im Beschwerdeverfahren vertreten hat. Das Gericht begründete nun auf zehn Seiten, warum das Tobe Hoopers Werk nicht gegen §131 StGB verstößt und sprach den Titel damit nach 26 Jahren des „Verbots“ vom Vorwurf einer Verherrlichung oder Verharmlosung von grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten beziehungsweise einer die Menschenwürde verletzenden Darstellungsweise frei.
Mit dieser Entscheidung bestätigt das Gericht die Auffassung und das Engagement von Turbine Product & Acquisitions Manager Christian Bartsch, der zusammen mit den beiden Gutachtern Dr. Roland Seim und Prof. Dr. Oliver Jahraus sowie Dr. Henrike Maaß seit 2008 an der Rehabilitierung des Films arbeitet.
THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (TCM) wurde 1982 indiziert, 1985 beschlagnahmt und in der Folge immer wieder eingezogen. Die Folge war ein beispielloser Zensur-Wahnsinn, dem im Fall von TCM mehr als zehn Minuten Material zum Opfer fielen. Erst die Österreich-Veröffentlichung von Turbine im Herbst 2009 präsentierte den Film erstmals komplett neu abgetastet und ungeschnitten mit vollständiger deutscher Synchronisation. Mit dem nun ergangenen Beschluss legte die 31. Strafkammer den Grundstein für ein weiteres Vorgehen, um den Film auch in Deutschland wieder zu vertreiben und einem mündigen Publikum zugänglich zu machen.
Außerdem werden vielleicht die gefühlten Hunderttausend mehr oder weniger geschnittenen (um nicht zu sagen verstümmelten) Versionen des Films vom Markt verschwinden.
Fegefeuer der Eitelkeiten (USA 1990, R.: Brian De Palma)
Drehbuch: Michael Cristofer
LV: Tom Wolfe: The Bonfire of the Vanities, 1987 (Fegefeuer der Eitelkeiten)
Ein Yuppie überfährt nachts einen Afroamerikaner und alle haben endlich die Story ihres Lebens.
Damals zu Unrecht verrissene und geflopte eigenständige Verfilmung eines grandiosen Buches über New York, die Achtziger, Ehrgeiz, Yuppies, Schwarze, Bürgermeister und – in diesem Sumpf niederer Gelüste – ein Richter als moralische Instanz. Noir im Gewand von Satire, Sittenbild und hoher Literatur.
Michael Cristofer schrieb auch das Drehbuch zu „Die Hexen von Eastwick“, zur vor Ewigkeiten geplanten und inzwischen auf unbekannte Zeiten verschobenen Michael Connelly-Verfilmung „Im Schatten des Mondes“ (Void Moon) und zum in Planung befindlichen „The Thomas Crown Affair II“ (wieder mit Pierce Brosnan und basierend auf Eric Amblers „Topkapi“). Außerdem drehte er die Cornell Woolrich-Verfilmung „Original Sin“.
Mit Bruce Willis, Tom Hanks, Melanie Griffith, Kim Cattrall, Morgan Freeman, F. Murray Abraham
Die BBC-Dokumentation „The Ascent of Money“ des Harvard Professors Niall Ferguson erhielt 2009 den International Emmy Award als beste Dokumentation. Nach dem Ansehen der dreistündigen deutschen Fassung „Der Aufstieg des Geldes“ erschließt sich mir nicht die Preisvergabe nicht.
Das kann daran liegen, dass die deutsche Fassung aus vier 45-minütigen Episoden besteht. Die ursprüngliche Fassung bestand aus sechs jeweils gut 50-minütigen Episoden; also gute fünf Stunden. Eine neuere, anders geschnittene Fassung besteht aus vier einstündigen Episoden. Tja, und dann gibt es noch von BBC Germany und DCTP erstellte deutsche Fassung, die auf den vier einstündigen Episoden basiert und diese um ein Viertel kürzte.
In dieser Version ist die Argumentation des Wirtschaftshistorikers Ferguson, ohne solides wirtschaftswissenschaftliches Wissen, ziemlich unverständlich und eher verwirrend als erhellend. Denn ein roter Faden ist kaum auszumachen. Ferguson springt von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück, quer über den gesamten Globus; weshalb er ständig und ohne erkennbaren Mehrwert vor exotischer Kulisse steht. Denn bis auf ganz wenige Ausnahme wurde auf Interviews verzichtet. Stattdessen erzählt der Historiker Anekdoten aus der Geschichte des Geldes und der Börse. Mehr der Börse. Er erzählt von den Rothschilds und wie sie Geld verdienten. Er erzählt von der US-Immobilienkrise, dem Niedergang Argentiniens durch Staatsanleihen, der ökonomischen Verbindung zwischen China und den USA (die er „Chimerica“ nennt) und dem Sinn von Versicherungen.
Aber es bleiben Anekdoten, die einerseits viel Wissen voraussetzen (Wer weiß schon, was Derivate sind? Was Anleihen sind?), andererseits dürften sie alle, die das ökonomische Wissen haben und sich etwas für Wirtschaftsgeschichte interessieren, altbekannt sein.
So verschenkt die deutsche, extrem spartanisch ausgestattete Fassung von „Der Aufstieg des Geldes“ die Möglichkeit, einem breiten Publikum unterhaltsam ökonomische Zusammenhänge zu erklären.
Der Aufstieg des Geldes (The Ascent of Money, GB 2009)
Regie: Adrian Penninck
Drehbuch: Niall Ferguson
LV (wenn man so will): Niall Ferguson: The Ascent of Money, 2008 (Der Aufstieg des Geldes)
Castle: Johanna Beckett/Todsicheres Glück (USA 2010, R.: Tom Wright [Johanna Beckett], Emile Levisetti [Todsicheres Glück])
Drehbuch: Will Beall, Shalisha Francis (beide „Johanna Beckett“), Alexi Hawley, Shalisha Francis (beide „Todsicheres Glück“)
Erfinder: Andrew W. Marlowe
Heute gibt’s endlich neue Folgen mit dem sympathisch-egozentrisch-kindsköpfigem Bestsellerautor Richard Castle, der zusammen mit seiner zwangsverpflichteten Muse, Detective Kate Beckett, die ihm das nötige Hintergrundwissen für seine Krimis liefern soll, Mordfälle in New York aufklärt.
Kabel 1 zeigt die neuen Folgen „Johanna Beckett“ und „Todsicheres Glück“ und, direkt im Anschluss ab 22.10 Uhr, die alten Folgen „Gefrorenes Blut“ und „Voodoo“ – und dann, um 00.05 Uhr, als Wiederholung wieder „Johanna Beckett“ und „Todsicheres Glück“ (um 01.00 Uhr).
Das wird ein kurzweiliger Abend. Kabel 1 will in den kommenden Wochen die letzten zwölf Folgen der dritten „Castle“-Staffel zeigen. In den USA startet demnächst die vierte Staffel der erfolgreichen Crimi-Comedy.
In Deutschland erscheint der erste Nikki-Heat-Roman „Heat Wave“ von Richard Castle im März 2012 bei Cross Cult. Für den Mai ist „Naked Heat“ angekündigt. Wie Richard Castle in Interviews zugibt, ist Nikki Heat die fiktionalisierte Version von Kate Beckett.
mit Nathan Fillion (Richard Castle), Stana Katic (Kate Beckett), Susan Sullivan (Martha Rodgers), Molly C. Quinn (Alexis Castle), Jon Huertas (Javier Esposito), Seamus Dever (Kevin Ryan), Ruben Santiago-Hudson (Captain Roy Montgomery), Tamala Jones (Lanie Parish)
Ich kann es kurz machen: Aki Kaurismäkis neuer Film „Le Havre“ ist nach den etwas enttäuschenden „Lichter der Vorstadt“ (zu knappe Dialoge, zu viel ‚going through the motions‘) wieder ein richtig guter Kaurismäki-Film, der in vielem an den „Mann ohne Vergangenheit“ erinnert.
Die in Le Havre spielende Geschichte ist einfach (ein Schuhputzer hilft einem schwarzen Flüchtlingskind – und bald hilft das ganze Viertel den beiden). Die Dialoge und die Inszenierung sind gewohnt knapp. Die Ausstattung erinnert an französische Filme aus den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre und eigentlich fehlt nur noch, dass Jean Gabin um die Ecke schlendert.
Aber Gabin starb bereits 1976. Dafür ist der Francois-Truffaut-Darsteller Jean-Pierre Léaud als Denunziant dabei.
Und wer will, kann sich an den vielen Querverweisen und Zitaten delektieren. Aber man kann „Le Havre“ auch einfach als in einer Gegenwart, die wie die Vergangenheit aussieht, spielendes Märchen sehen. Immerhin hat Aki Kaurismäki dieses Mal, so hat er mir gegenüber in einem Gespräch betont, gleich drei Happy Ends.
Le Havre (Le Havre, Finnland/Frankreich/Deutschland 2011)
Regie: Aki Kaurismäki
Drehbuch: Aki Kaurismäki
mit André Wilms, Kati Outinen, jean-Pierre Darroussin, Blondin Miguel, Elina Salo, Evelyne Didi, Quoc-Dung Nguyen, Roberto Piazza (aka Little Bob; Denn was wäre ein Kaurismäki-Film ohne Musik?), Jean-Pierre Léaud
Länge: 93 Minuten (Ein Epos! Jedenfalls für Kaurismäki.)
Lord of War – Händler des Todes (USA 2005, R.: Andrew Niccol)
Drehbuch: Andrew Niccol
There are over 550 million firearms in worldwide circulation. That’s one firearm for every twelve people on the planet. The only question is: How do we arm the other 11? (Yuri Orlov)
Einer der wenigen ansehbaren Nicolas-Cage-Filme, die der Schauspieler in diesem Jahrzehnt drehte. Dafür sammelte er in den vergangenen Jahren Razzie-Nominierungen.
In der knalligen Satire „Lord of War – Händler des Todes“ spielt er Yuri Orlov, einen Waffenhändler, der ungefähr jeden Potentaten der Nach-Kalter-Kriegs-Welt mit Waffen beliefert. Der Film erzählt in kurzen Episoden die Geschichte seines märchenhaften Aufstiegs von den Hinterhöfen Little Odessas in die Hinterhöfe der Weltpolitik. Denn mit dem illegalen Waffenhandel kann viel Geld verdient werden.
That was intentional, just to be a little subversive and make almost like a ‘how-to’ film – how to be an arms dealer – and I thought that would be a more interesting way into it than a typical story structure. (Andrew Niccol)
Mit Nicholas Cage, Jared Leto, Bridget Moynahan, Ian Holm, Ethan Hawke
Wiederholung: Freitag, 9. September, 00.35 Uhr (Taggenau! – wegen der FSK-16-Freigabe dürfte dann die Kinoversion laufen)
„Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“ steht auf dem DVD-Cover und man möchte hinzufügen, dass es nach dem Krieg nicht besser wird. Denn „5 Days of War“ ist ein Spielfilm, der großzügig von Georgien gefördert wurde. Das legt, unabhängig von der historischen Wahrheit über den georgischen Fünftagekrieg im August 2008, eine bestimmte Sichtweise nahe und wenn dann nach achtzehn Minuten der Journalist Thomas Anders (Rupert Friend) und sein Kameramann Sebastian Ganz (Richard Coyle) erleben müssen, wie russische Jets eine friedliche und betont folkloristische georgische Hochzeitsfeier zerbomben, muss über die Verteilung der Sympathien kein weiteres Wort mehr verloren werden. Dagegen ist die historische Wahrheit; – nun, deutlich komplexer.
Die Bemühungen von Anders, die Bilder von dem Massaker auf der Hochzeit an einen amerikanischen TV-Sender zu verkaufen, scheitern. Zusammen mit Tatia (Emanuelle Chriqui), die in den USA studierte und seit dem Anschlag ihre Eltern vermisst, machen die beiden Reporter sich mit ihr auf die Suche nach ihrer Familie. Denn eine solche Human-Touch-Geschichte ist verkäuflich. Während ihrer Suche begegnen sie dann mehrfach den russischen Soldaten, besonders der von Colonel Demidov (Rade Serbedzija) geleiteten Einheit, und dokumentieren auch die Hinrichtung einer älteren Frau an einem Flussufer. Die Soldaten entdecken sie und wollen die Aufnahme haben. Anders und Ganz gelingt, mit der Hilfe einer georgischen Spezialeinheit, die Flucht. Aber noch sind sie nicht in Sicherheit – und gerade gegen Ende hat man den Eindruck, dass es den Russen nicht mehr um die Besetzung des Landes, sondern um die Tötung der Journalisten geht.
1986 betrat der finnische Regisseur Renny Harlin mit seinem Debütfilm „Born American“ die internationale Bühne. Der Kalte-Kriegs-Actionfilm, wie ihn Hollywood zu dieser Zeit, zwischen „Die rote Flut“ und „Invasion U. S. A.“ auch nicht anders produzierte, wurde in Finnland wegen hetzerischer Tendenzen verboten. Seitdem dreht Harlin, mit wechselndem kommerziellem Erfolg, in Hollywood Action-Filmen der Prä-Michael-Bay-Schule.
Auch „5 Days of War“ funktioniert in erster Linie als weitgehend austauschbarer Kriegsfilm mit einer sanften Liebesgeschichte. Denn in welchem Land gerade Soldaten, Söldner, Freischärler oder Rebellen Zivilisten ermorden ist für die Filmgeschichte ziemlich egal. In „5 Days of War“ sind es, wie in „Born American“, die Russen – und der georgische Präsident (Andy Garcia) präsentiert sich als eine Art Über-Ghandi.
Der Konflikt zwischen Russland und Georgien, über den wir im Film fast nichts erfahren, ist nur der Hintergrund für die eigentliche, fast schon nebenbei gezeigte Botschaft, dass in einem Krieg immer zuerst die Zivilbevölkerung leidet und dass heute die Medien (was vor allem für das Fernsehen gilt) nur noch an Entertainment interessiert sind. Gerade die Medienkritik ist so unterschwellig, dass sie zuerst kaum auffällt und einigen, wenn Anders und Ganz ihre Bilder am Filmende veröffentlichen, die Pointe entgehen könnte.
Eher schon fällt die zwiespältige Rolle von Kriegsreportern auf. Sie sind am Ort der Katastrophe, aber anstatt zu helfen, filmen sie. Und sie wollen einfach nur, mit möglichst spektakulären Bildern, dokumentieren, ohne Partei zu ergreifen. Inwiefern diese Position überhaupt machbar ist, wird in „5 Days of War“ nicht thematisiert. Denn in dem Film ist allen Kriegsreportern die Politik, verstanden als Verhandlungen zwischen Staatsoberhäuptern, herzlich egal. Ihnen geht es einfach nur um möglichst spektakuläre Bilder.
Und da ist Renny Harlin ihr bester Verbündeter. Denn die Bilder sind für eine nach Hollywood-Maßstäben kleine Produktion beeindruckend. Harlin drehte vor Ort in Georgien, teils in Gebieten, in denen die Gefechte stattgefunden hatten, und, dank der Unterstützung des Militärs, konnte er auf eine beeindruckende Menge an Hubschraubern, Panzern und Statisten zurückgreifen. Entsprechend groß sind die zahlreichen Kriegsszenen geraten und, wenn nicht die vielen schlechten CGI-Effekte wären, müssten sie sich auch nicht vor einer Big-Budget-Produktion verstecken.
„5 Days of War“ ist als Kriegsfilm mit humanistischer Botschaft, sanfter Medienkritik und Hohegesang auf die tapferen Kriegsreporter durchaus gelungen. Als Polit-Thriller ist er dagegen ein ziemliches antikommunistisches Desaster. Und insgesamt ist „5 Days of War“ einer von Renny Harlins besten Filmen. Aber was heißt das schon, bei einem Mann, der mit „Stirb langsam 2“ (guter zweiter Teil), „Cliffhanger“ (mit seinem Freund Sylvester Stallone), „Deep Blue Sea“, „Die Piratenbraut“, „Tödliche Weihnachten“ (beide mit seiner damaligen Frau Geena Davis) und „Mindhunters“ (ebenfalls mit Val Kilmer) vor allem als mehr oder wenig glückloser Zweitverwerter mit Hang zu lärmiger Action aufgefallen ist und der in den vergangenen Jahren insgesamt fünf Razzie-Nominierungen erhielt.
Die DVD
Das Bonusmaterial ist quantitativ mit knapp 45 Minuten überzeugend, qualitativ aber bis auf das gut fünfzehnminütige Interview mit Renny Harlin vernachlässigbar. Emmanuelle Chriqui und Johnathon Schaech geben eher belangloses von sich; Val Kilmer (ich schätze mal zwei bis drei Drehtage) läuft einmal kurz ins Bild. Es gibt fünfzehn Minuten unkommentierte „Behind the Scenes“ und den deutschen Trailer.
5 Days of War (5 Days of War, USA 2010)
Regie: Renny Harlin
Drehbuch: Mikko Alanne (nach einem Drehbuch von David Battle)
mit Rupert Friend, Emmanuelle Chriqui, Richard Coyle, Andy Garcia, Val Kilmer, Dean Cain, Johnathon Schaech, Heather Graham, Rade Serbedzija, Antje Traue
–
DVD
Entertainment One
Bild: 16:9
Ton: Deutsch, Englisch, Französisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch
Bonusmaterial: Cast & Crew Interviews, Behind the Scenes, Trailer
Tatort: Endstation (D 1995, R.: Hagen Mueller-Stahl)
Drehbuch: Günter Lamprecht, Matti Geschonneck
Kommissar Markowitz will sich, auf Bitten eines Anwalts, mit Harald Schäfer unterhalten. Schäfer ist arbeitslos und seine Frau will sich von ihm trennen und das gemeinsame Kind mitnehmen. Als Markowitz mit ihm reden will, dreht er durch und nimmt Markowitz als Geisel.
Das führt dazu, das Markowitz fast während des gesamten Films an eine Heizung gefesselt ist und die Geschichte in einem Zimmer spielt. Trotzdem ist der letzte Markowitz-“Tatort“ ein feiner „Tatort“.
Matti Geschonneck, der die vorherigen Markowitz-“Tatorte“ inszenierte, schrieb dieses Mal nur das Drehbuch.
Tja, damals waren die Berlin-“Tatorte“ wirklich sehenswert und heute sind die acht zwischen 1991 und 1995 entstandenen, selten gezeigten Markowitz-“Tatorte“ eine Chronik Berlin in den Nachwendejahren.
„Endstation“ lief zuletzt vor acht Jahren im TV. Da lohnt sich das Aufnehmen.
mit Günter Lamprecht, Hans Nitschke,Folkert Milster, Hartmut Schreier, Horst Bollmann
Das Buch inspirierte die Krimiserie „Homicide“. Simon war danach auch für „The Wire“ und „Treme“ verantwortlich.
–
Zum Abschluss noch einige TV-Serien-Tipps:
Wochentäglich zeigt Arte um 17.00 Uhr die kultige englische Krimiserie „Simon Templar“ (mit Roger Moore) und JEDERZEIT ONLINE. Wer also die gestrige Auftaktfolge verpasst, hat nichts verpasst, weil er ja in die Mediathek gehen kann.
Montags zeigt ZDFneo um 22.35 Uhr die englische Krimiserie „Luther„. Die BBC hat gerade die dritte Staffel bestellt. Da sieht’s allerdings mit dem Nachsehen der ersten Folge dumm aus.
Polizist Coleman jagt den Nachtclubbesitzer Simon, mit dem er befreundet ist und der Überfälle begeht. Zwischen den beiden Männern steht Simons Freund Cathy.
Nach „Der eiskalte Engel“ und „Vier im roten Kreis“ war „Der Chef“ die dritte Zusammenarbeit von Alain Delon und Jean-Pierre Melville und zum ersten Mal spielte Delon einen Polizisten. Aber weil es Melville in „Der Chef“ auch um die Austauschbarkeit von Gangstern und Polizisten ging, unterschied Delons Rolle sich kaum von seinen vorherigen Rollen als Gangster. Denn Melville räumt Coleman und Simon etwa gleich viel Leinwandzeit ein.
„Melvilles letzter Film (…) ist ein würdiger Abschluss im Werk eines seines Metiers und seiner Liebe zum Kino sicheren Ultra-Professionellen, der die düstersten und unheimlichsten, aber auch ästhetisch vollkommendsten und menschlichsten Filme schuf, die in Frankreich je gedreht worden sind.“ (Hans Gerhold: Un Flic in „Jean-Pierre Melville, Hanser Reihe Film 27, 1982)
„‘Un Flic’ ist vermutlich der kälteste Film Melvilles, und Alain Delon gelingt als Chef-Fahnder Edouard Coleman der Pariser Kriminalpolizei eine brillante Charakterstudie über die Einsamkeit und Isolation des professionellen Menschenjägers.“ (Wolfgang Schweiger: Der Polizeifilm, 1989)
Mit Alain Delon, Catherine Deneuve, Richard Crenna, Riccardo Cucciolla, Michel Conrad
Nach elf Jahren legt Dennis Lehane wieder einen Krimi mit den Privatdetektiven Patrick Kenzie und Anie Gennaro vor. Aber in den vergangenen Jahren änderte sich einiges. Die beiden haben geheiratet und eine vierjährige Tochter. Angie studiert und steht kurz vor ihrer Soziologie-Abschlussprüfung. Patrick bemüht sich um eine Festanstellung in einer großen Detektei, deren Kundschaft aus sehr reichen Kunden besteht. Patricks Gerechtigkeitssinn und sein renitentes Verhalten sind da natürlich ein großes Problem. Und Patrick fragt sich inzwischen immer öfter, ob ihm der Job immer noch gefällt.
Da bittet ihn Beatrice McCready ihre inzwischen sechzehnjährige Nichte Amanda zu suchen. Patrick und Angie hatten, wie wir aus dem auch grandios verfilmten „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ wissen, Amanda bereits vor zwölf Jahren gesucht, gefunden und zurück zu ihrer Mutter gebracht.
Schon damals fragte Patrick sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, indem er Amanda aus einer funktionierenden, Amanda liebenden Familie herausriss und zurück zu ihrer Mutter, einer Alkoholikerin, brachten. Jetzt wird er mit den Konsequenzen seiner Entscheidung konfrontiert. Und er begegnet der fast erwachsenen Amanda, die in verschiedene Verbrechen verwickelt ist und von der Russenmafia gesucht wird.
Und genau diese Frage, ob Patrick sich damals richtig entschied, hat wahrscheinlich auch Dennis Lehane angetrieben, nach über zehn Jahren, in denen er mit Einzelwerken, wie „Mystic River“, „Shutter Island“ und „Im Aufruhr jener Tage“, sehr erfolgreich verschiedene Genrevarianten ausprobierte, wieder eine Geschichte mit den beiden, bei Krimifans beliebten Privatdetektiven zu schreiben, die eine interessante Weiterentwicklung von Robert B. Parkers Privatdetektiv Spenser sind. „Moonlight Mile“ liest sich dann, vor allem auf den ersten Seiten, mit Patrick als Spenser, Bubba als Hawk und Angie als Susan Silverman als Spenser-Pastiche. Dazu tragen auch die vielen Gespräche über Patricks Arbeitsethos, über seine damalige Entscheidung, ob er sie jetzt, mit einem eigenen Kind, wieder so treffen würde, über das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern und umgekehrt, bei. Auch der wenig überraschende Plot, in dem die einzelnen Charaktere sich endlos Geschichten erzählen, erinnert an Parkers Spenser-Romane. Aber während Spenser sich mit Susan über sein Machotum unterhält, unterhalten Patrick und Angie sich bevorzugt über die Erziehung ihrer Tochter.
Das liest sich dann oft wie ein Erziehungsratgeber, angereichert mit etwas elterlichem Stolz auf die eigenen Kinder, dem ein Krimiplot beigegeben wurde, der den Helden eher auf die Zuschauerbank verbannt. Auch am Ende.
Die wichtigsten Erkenntnisse am Ende von „Moonlight Mile“ dürften sein, dass Patrick Kenzie und Anie Gennaro älter, ruhiger und vernünftiger geworden sind und dass die Abstiegsängste des Mittelstandes jetzt auch im Privatdetektivroman angekommen sind.
Um nicht falsch verstanden zu werden: „Moonlight Mile“ ist ein flott zu lesender, schnörkellos geschriebener Krimi und eine willkommenes Wiedersehen mit Patrick Kenzie und Angie Gennaro. Ich hätte mir (immerhin habe ich keine Kinder) nur eine bessere Geschichte dafür gewünscht.
Dennis Lehane: Moonlight Mile
(übersetzt von Andrea Fischer)
Ullstein, 2011
384 Seiten
9,99 Euro
–
Originalausgabe
Moonlight Mile
William Morrow and Company, 2010
–
Die Fälle von Patrick Kenzie und Angela Gennaro
Streng vertraulich (A Drink before the War, 1994)
Absender unbekannt (Darkness, take my Hand, 1996)
In tiefer Trauer (Sacred, 1997)
Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel (Gone, Baby, Gone, 1998)