Während sein jüngerer Bruder Aki Kaurismäki seit Jahren schweigt und immer noch kein neuer Film angekündigt ist, ist sein deutlich unbekannterer Bruder Mika im Moment sehr produktiv. Im Sommer 2020 Jahr lief „Master Cheng in Pohjanjoki“ erfolgreich im Kino. Und jetzt kommt sein neuester Film „Eine Nacht in Helsinki“ in die Kinos. Seine Premiere hatte er bereits am 17. November 2020 auf dem Tallinn Black Nights Film Festival. Danach lief er auf einigen weiteren Festivals.
Kaurismäki drehte den Film, während der Coronavirus-Pandemie, in der von ihm und seinem Bruder Aki betriebenen Corona Bar. Wegen der Pandemie war das Lokal geschlossen. Also konnte es, quasi zur Zwischennutzung, als kostengünstiges Filmset benutzt werden.
Die Geschichte, die Kaurismäki erzählt, ist weitgehend improvisiert. Es gab nur einige Ideen und Vorgaben. Zusammen mit den Schauspielern entwickelte er in Einzelgesprächen die Hintergrundgeschichten zu ihren Figuren. Vor und während des Drehs kannte jeder Schauspieler nur die Geschichte der Figur, die er spielte. Die Dialoge entwickelten sich spontan. Gedreht wurde chronologisch.
Nachdem die drei Hauptfiguren kurz vorgestellt werden, beginnt die eigentliche Handlung in Heikkis Lokal. Der Kneipier isst in seinem Lokal an einem feierlich gedecktem Tisch allein zu Abend. Da klopft Risto an die Tür. Risto arbeitet in der Klinik. Heute ist während seiner Schicht ein Mädchen gestorben. Bevor er nach Hause geht, möchte er noch etwas trinken und dabei seinen Tag verarbeiten. Heikki bietet seinem Stammkunden ein Glas Rotwein an. Sie beginnen sich zu unterhalten.
Da klopft es wieder. Dieses Mal steht Juhani vor der Tür. Heikki und Risto kennen ihn nicht. Aber er bittet Heikki so verzweifelt darum, sein Handy aufladen zu dürfen, dass er ihn hineinlässt und ihm, ganz guter Gastgeber, ein Glas Wein anbietet.
Als Juhani für eine Zigarette das Lokal verlässt, wird er angerufen. Heikki nimmt das Gespräch an und erfährt, dass Juhani von der Polizei gesucht wird. Er hat vor wenigen Stunden einen Mann getötet. Anstatt ihrem ersten Impuls nachzugeben und die Polizei anzurufen, lassen Heikki und Risto sich von Juhani erzählen, wie es zur Tat kam. Beim nächsten Glas Rotwein reden sie schon darüber, ob Juhani das Richtige getan hat.
Später, fast am Ende der Nacht, stößt Ristos Frau zu ihnen. Sie wollte in ihrer Wohnung nicht länger auf Risto warten.
Aber Eeva spielt nur eine Nebenrolle. Denn letztendlich beobachtet Mika Kaurismäki nur drei Männer, die sich in einer Bar über ihr Leben, Gott und die Welt unterhalten und dabei viel Rotwein trinken.
Kaurismäki hat dieses lange Gespräch zwischen den drei Männern immer so inszeniert, dass der Film eindeutig ins Kino gehört. Immer wieder sieht man die große Halle mit den Billardtischen und der Jukebox (Hey, wir sind in Kaurismäki-Land!). Immer wieder stehen die Männer verloren in dem Lokal. Mit zunehmender Vertrautheit rücken sie näher zusammen. Oft zeigt Kaurismäki Heikki, Risto und Juhani zu zweit oder zusammen in einem Bild. Wir sehen, wie sie in dem Moment zueinander stehen und spontan aufeinander reagieren. Denn, wie gesagt, alle Dialoge sind improvisiert.
Zu einer besonderen Nacht wird diese Nacht in Helsinki, weil die drei so unterschiedlichen und doch sehr ähnlichen Männer Heikki, Risto und Juhani in dieser Nacht, ohne Larmoyanz und Selbstmitleid, ihr Leben bilanzieren und über ihr künftiges Leben entscheiden. Es ist ein ruhiges Gespräch über den Sinn des Lebens und den Sinn ihres Lebens. Das ist gleichzeitig so konkret und abstrakt, dass man dem Gespräch gebannt folgt, dabei und danach auch über sein eigenes Leben nachdenken kann und sich wieder so eine Nacht, die erst mit dem Sonnenaufgang endet, wünscht.
Eine Nacht in Helsinki (Yö Armahtaa, Finnland 2020)
Regie: Mika Kaurismäki
Drehbuch: Mika Kaurismäki, Sami Keski-Vähälä
mit Kari Heiskanen, Pertti Sveholm, Timo Torikka, Anu Sinisalo
Länge: 90 Minuten
FSK: ?
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Hinweise
Moviepilot über „Eine Nacht in Helsinki“
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