Neu im Kino/Filmkritik: MCU # 34: „Deadpool & Wolverine“

Juli 24, 2024

Der am meisten erwartete Film des Jahres, der einzige Marvel-Film des Jahres und der Film, der das Marvel Cinematic Universe (MCU) retten soll. Denn nach dem Ende der enorm erfolgreichen 23 Kinofilme umfassenden Infinity-Saga, die 2019 endete, strauchelt Marvel. Viele seit Jahren bei den Fans beliebte Figuren wurden damals in den Ruhestand verabschiedet. Seitdem wurden viele neue Figuren, Gruppen und Welten eingeführt. Überzeugend war kaum einer der Filme und, auch wenn wir jetzt schon mehrere Filme und Streaming-Serien in der „Multiverse-Saga“ sind, wissen wir nach zehn Kinofilmen nur, dass es mehrere Universen (vulgo Multiverse) gibt und dass dieser erzählerische, aus den Marvel-Comics bekannte Kniff im MCU der beherzte Schritt in die absolute erzählerische Beliebigkeit war. Wenn bei den Fans etwas nicht funktioniert, wird es einfach im nächsten Film ignoriert und wenn der Drehbuchautor schlampt, wird einfach das Etikett „Multiverse“ draufgeklebt und alles ist in Ordnung.

Das soll jetzt mit dem dritten „Deadpool“-Film, der auch der erste „Deadpool“-Film im MCU ist, anders werden. Die ersten beiden „Deadpool“-Filme „Deadpool“ (2016, Regie: Tim Miller) und „Deadpool 2“ (2018, Regie: David Leitch) gehörten zum „X-Men“-Franchise. Gespielt wurde „Deadpool“ Wade Wilson, der Söldner mit der großen Klappe, immer von Ryan Reynolds. Wilson verfügt nach einem Experiment über wahnsinnig schnelle Selbstheilungskräfte. Und er ist seitdem so verunstaltet, dass er es vorzieht, in einem Ganzkörperkostüm herumzulaufen. Er ist ein unzuverlässiger, selbstironischer Erzähler, der immer wieder das Publikum direkt anspricht und über aktuelle Filme, andere Superhelden und was ihm so gerade einfällt, kalauert und oft ziemlich vulgär scherzt. Das war in den Comics neu, wurde von den Lesern gut angenommen und für die Filme nicht verändert. Deshalb erhielten die ersten beiden „Deadpool“-Filme in den USA ein R-Rating. Dort dürfen Unter-Siebzehnjährige sich die Filme nur in Begleitung eines Erwachsenen ansehen. Die Filme waren Kassenhits und auch der dritte „Deadpool“-Film sollte diese Freigabe erhalten. Das gelang den Machern. „Deadpool & Wolverine“ erhielt das von den Machern gewünschte R-Rating. In Deutschland ist er, wie die ersten beiden „Deadpool“-Filme, ab 16 Jahre freigegeben.

In dem neuesten „Deadpool“-Film, inszeniert von Shawn Levy („Real Steel“, „Free Guy“) hat Wade Wilson sich als Deadpool zur Ruhe gesetzt. Er lebt ein ruhiges, bürgerliches Leben, bis ihm Mr. Paradox (Matthew Macfadyen) von der Time Variance Authority (TVA) eröffnet, dass aufgrund bestimmter Ereignisse seine Welt bald stirbt. Wilson will das nicht akzeptieren. Er macht sich auf die Suche nach „Wolverine“ Logan (Hugh Jackman), einem quasi unsterblichem Mutanten mit ausfahrbaren, extrem tödlichen Stahlklingen. Eigentlich, also für uns hier auf der Erde-Erde, ist er 2017 in dem grandiosen Abschiedsfilm „Logan“ gestorben. Wolverine-Darsteller Jackman wollte sich nach siebzehn Jahren im X-Men-Universum anderen Projekten widmen. An diesem Filmtod ändert sich auch in „Deadpool & Wolverine“ nichts. Dafür buddelt Deadpool sogar die Leiche von Wolverine aus und unterhält sich mit Logans Skelett.

Aber im Multiverse gibt es genug andere Logans. Wilson muss nur die Welt mit dem für seine Zwecke richtigen Logan finden. Gedacht, getan und, nach langer Suche, gefunden. Gemeinsam, wenn sie sich nicht gerade verprügeln, erschießen und erstechen, was bei zwei Unsterblichen nicht so wahnsinnig zielführend ist, machen sie sich in verschiedenen Welten auf die Suche. In einer Wüstenwelt treffen sie auf Cassandra Nova (Emma Corrin), die telekinetisch und telepathisch begabte Zwillingsschwester von Charles Xavier, dem Gründer der X-Men. Neben Mr. Paradox ist sie – ich zögere sie Bösewichtin zu nennen – die zweite Antagonistin des Films.

Deadpool“ war vor acht Jahren an der Kinokasse ein Überraschungserfolg. Im zweiten und dritten Film und in zahlreichen weiteren Auftritten wurde seitdem das Erfolgsrezept des ersten Films perfektioniert.

Und so bekommen die Fans von Deadpool und Wolverine, der hier sehr in Richtung selbstmitleidige Witzfigur geht, genau das, was sie erwarten, wünschen und in den kommenden Tagen und Wochen begeistert abfeiern werden.

Bei allen anderen ist „Deadpool & Wolverine“ dann eher wie die zehnte Platte einer erfolgreichen Band. Die erste Platte war genial, grandios, bahnbrechend und, wider alle Erwartungen, ein Riesenerfolg. Seitdem wird das Erbe verwaltet mit weiteren Platten, die sich kaum von dem erfolgreichen Debüt unterscheiden. Das ist auch in der neuesten Auflage des alten Rezepts nicht unbedingt schlecht, aber nie auch nur im Ansatz innovativ. Stattdessen gefallen die Macher sich in der Pflege der eigenen Legende. Es gibt zahlreiche Gastauftritte, Selbstzitate, wozu auch Bilder aus früheren Filmen mit Deadpool und Wolverine gehören, Witzeleien über Superheldenfilme, während und vor allem im Finale des Films vielen Deadpools und dem herzigen Hund Dogpool, der gefühlt mehr Leinwandzeit als die beiden Antagonisten des Films hat. Das ist das, was die Herzen der Fans entzückt, während alle anderen ernüchtert feststellen, dass der erste „Deadpool“-Film ungleich besser war.

Auch wenn Deadpool jetzt zum MCU gehört, hat er eigentlich nichts mit den anderen MCU-Filmen zu tun. „Deadpool & Wolverine“ bringt die sowieso still stehende Multiverse-Saga in keinster Weise voran. Er blödelt ein wenig über das Multiverse. Für die Fans von Marvel-Filmen, wozu in diesem Fall ausdrücklich auch Marvel-Filme gehören, die nicht zum MCU gehören, gibt es in dem dritten „Deadpool“-Film viele Anspielungen und Gastauftritte, bei denen oft unklar ist, wie sehr diese Gastauftritte ein Insider-Gag, eine Fortführung einer irgendwann früher begonnenen Geschichte oder eine mehr oder weniger konkrete Vorbereitung für einen neuen Superheldenfilm sind.

Im Abspann werden, sentimentale Gefühle bedienend, Szenen aus den „X-Men“-Filmen und den Dreharbeiten für diese Filme gezeigt. Nach dem Abspann gibt es dann noch eine Szene, die sich mit einem Detail aus „Deadpool & Wolverine“ beschäftigt.

Deadpool & Wolverine (Deadpool & Wolverine, USA 2024)

Regie: Shawn Levy

Drehbuch: Ryan Reynolds, Rhett Reese, Paul Wernick, Zeb Wells, Shawn Levy

LV: Charaktere von Rob Liefeld und Fabian Nicieza

mit Ryan Reynolds, Hugh Jackman, Emma Corrin, Matthew Macfadyen, Morena Baccarin, Rob Delaney, Leslie Uggams, Karan Soni, Jon Favreau, Brianna Hildebrand, Jennifer Garner, Chris Evans, Aaron Stanford, Tyler Mane, Dafne Keen, Wunmi Mosaku

Länge: 128 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

alternativer Titel: Deadpool 3

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Deadpool & Wolverine“

Metacritic über „Deadpool & Wolverine“

Rotten Tomatoes über „Deadpool & Wolverine“

Wikipedia über Deadpool  und über „Deadpool & Wolverine“ (deutsch, englisch)

zu Deadpool-Comics

Meine Besprechung von Victor Gischler (Autor)/Bong Dazo (Zeichner): Deadpool – Der Söldner mit der großen Klappe: Kopfsprung (Band 1 von 2) (Deadpool: Merc with a Mouth 1 – 6: Headtrip, 2009/2010)

Meine Besprechung von Victor Gischler (Autor)/Bong Dazo (Zeichner)/Kyle Baker (Zeichner): Deadpool – Der Söldner mit der großen Klappe (Band 2 von 2) (Deadpool: Merc with a Mouth 7: Are you there? It’s me, Deadpool; Deadpool: Marc with a Mouth 8 – 15: Next Stop: Zombieville, 2010)

Meine Besprechung von Daniel Way (Autor)/ Shawn Crystal (Zeichner)/Paco Medina (Zeichner): Deadpool 1 (Deadpool 13/14: Wave of Mutilation; Deadpool 15: Want you to want me, Part 1: The complete idiot’s guide to metaphers, 2009)

Meine Besprechung von Duane Swierczynski (Autor)/Jason Pearson (Zeichner): Deadpool: Weiber, Wummen & Wade Wilson! (Sonderband 1) (Deadpool: Wade Wilson’s War, Vol. 1 – 4, 2010)

Meine Besprechung von Victor Gischler (Autor)/Rob Liefeld/Whilce Portacio/Philip Bond/Paco Medina/Kyle Baker (Zeichner) „Deadpool Corps (Deadpool Sonderband 2)“(Prelude to Deadpool Corps, Vol. 1 – 5, März 2010)

Meine Besprechung von Victor Gischler (Autor)/Rob Liefeld/Marat Mychaels (Zeichner) “Deadpool Corps 2 (Deadpool Sonderband 3)” (Deadpool Corps 1 – 6, Juni 2010 – November 2010)

Meine Besprechung von Victor Gischler (Autor)Rob Liefeld/Marat Mychaels (Zeichner) “Deadpool Corps 3: You say you want a Revolution (Deadpool Sonderband 4)” (Deadpool Corps 7 – 12: You say you want a Revolution (Part 1 – Part 6), Dezember 2010 – Mai 2011)

Meine Besprechung von Duane Swierczynski (Autor)/Leandro Fernandez (Zeichner): Deadpool: Das Film-Special (X-Men Origins: Deadpool: The Major Motion Picture, 2010)

Meine Besprechung von Cullen Bunn/Ramon Rosanas „Night of the Living Deadpool“ (Night of the Living Deadpool # 1 – 4, März 2014 – Mai 2014)

Meine Besprechung von Cullen Bunn/Nik Virellas „Return of the Living Deadpool“ (Return of the Living Deadpool # 1 – 4, April 2015 – Juli 2015)

Meine Besprechung von „Deadpool: Greatest Hits – Die Deadpool-Anthologie“ (2016, Sammelband mit vielen Deadpool-Geschichten)

Meine Besprechung von Mike Benson/Adam Glass/Laurence Campbells „Deadpool Pulp“ (Deadpool Pulp 1 – 4, 2010/2011)

Meine Besprechung von Christopher Hastings/Salva Espins „Geheimagent Deadpool“ (Secret Agent Deadpool (2018) # 1 – 6, September – November 2018)

zu den Filmen

Meine Besprechung von Tim Millers „Deadpool“ (Deadpool, USA 2016)

Meine Besprehung von David Leitchs „Deadpool 2“ (Deadpool 2, USA 2018)

zu Wolverine (Comics und Filme)

Meine Besprechung von Jason Starrs „Wolverine MAX: Der Beschützer“ (Wolverine MAX – Volume Two, 2013)

Meine Besprechung von Jason Starrs „Wolverine MAX: : Logan Extrem“ (Wolverine MAX 11 – 15: Extreme Logan, Chapter 1 – 5, 2013/2014)

Meine Besprechung von Mark Millar (Autor)/Steve McNivens (Zeichner) „Wolverine: Old Man Logan“ (Old Man Logan, 2008/2009)

Meine Besprechung von Ed Brisson/Mike Deodato Jr. „Old Man Logan: Maestros Rache (Band 6)“ (Days of Anger, Part 1 – 6, Old Man Logan [2016] # 25 – 30, August 2017 – Januar 2018)

Meine Besprechung von Ed Brisson/Mike Deodato Jr. „Old Man Logan: Mond über Madripoor (Band 7)“ (Scarlett Samurai, Part 1 – 3, Old Man Logan [2016] # 31 – 33, Januar – März 2018; Moon over Madripoor, Part 1 – 2, Old Man Logan [2016], # 34 – 35, März – April 2018)

Meine Besprechung von James Mangolds “Wolverine – Weg des Kriegers” (The Wolverine, USA 2013)

Meine Besprechung von James Mangolds „Logan – The Wolverine“ (Logan, USA 2017)

zu Shawn Levy

Meine Besprechung von Shawn Levys „Real Steel“ (Real Steel, USA 2011)

Meine Besprechung von Shawn Levys „Prakti.com“ (The Internship, USA 2013)

Meine Besprechung von Shawn Levys „Sieben verdammt lange Tage“ (This is where I leave you, USA 2014)

Meine Besprechung von Shawn Levys „Free Guy“ (Free Guy, USA 2021)