Neu im Kino/Filmkritik: „Wolf Man“, der Werwolf im Mann in den Wäldern von Oregon

Januar 23, 2025

Ich fand Leigh Whannells neuen Horrorfilm gar nicht so schlecht wie befürchtet. Nach dem Ansehen des nichtssagenden Trailers und den aus dem Ausland kommenden negativen Äußerungen zum Film erwartete ich von „Wolf Man“ nur noch eine Notiz für die Jahresflopliste. Und wurde positiv überrascht.

Das heißt jetzt nicht, dass „Wolf Man“ ein guter Film ist. Es ist eher ein Film, den der Genrefan sich ansieht, dabei, auch wenn es schwerfällt, nicht über Löcher in der Story nachdenkt und sich stattdessen an den Effekten erfreut; soweit sie in der stockdunklen Nacht erkennbar sind. Denn Whannell zeigt in seinem freien Remake des Horrorfilmklassikers „Der Wolfsmensch“ (The Wolf Man, USA 1941, Regie: George Waggner, Lon Chaney Jr. als Werwolf) in schönster „Die Fliege“-David-Cronenberg-Bodyhorror-Tradition die sich über Stunden hinziehende Verwandlung von Blake Lovell in den titelgebenden ‚Wolf Man‘.

Blake (Christopher Abbott) kehrt mit seiner Frau Charlotte (Julia Garner) und ihrer gemeinsamen achtjährigen Tochter Ginger (Matilda Firth), zu der er eine innige Verbindung hat, in das einsam in den Wäldern von Oregon gelegene Elternhaus zurück. Sein schon vor Jahren im Wald verschwundener Vater würde für tot erklärt wurde. Jetzt will Blake das Haus ausräumen und seiner Frau und Tochter die Wälder zeigen, in denen er seine Kindheit verbrachte.

Auf der Hinfahrt verunglücken sie im Wald. Blake wird von etwas gebissen und sie flüchten panisch vor den Dingen, die im Dunkeln im Wald lauern, in das Haus seines Vaters. Dort verbarrikadieren sie sich vor den Angriffen eines oder mehrerer Tiere. So genau kann man das im Dunkeln nicht erkennen. Die Lovells versuchen Hilfe zu holen. Allerdings haben ihre Smartphones keinen Empfang (das soll ein in den USA übliches Problem sein) und auf die Hilferufe via CB-Funk antwortet niemand.

Aber viel schlimmer als die Angriffe aus dem Wald ist, dass Blake sich in ein verwandelt. Er wird zu einem Werwolf mit der tierischen Lust auf Menschenfleisch.

Whannell konzentriert sich auf die Situation zwischen den drei in der Hütte eingeschlossenen Menschen, ihren Fluchtversuchen und den Angriffen aus dem Wald. Das sorgt für eine ordentliche Portion Suspense. Es gibt einige Szenen aus Blakes Perspektive, der immer mehr zum Tier mutiert und sich immer weniger mit Charlotte und Ginger verständigen kann.

Gleichzeitig verzichtet Whannell auf Erklärungen und vieles ist einfach schlecht ausgedacht. So weiß Blake alles und nichts über den Wald und die im Wald lebenden Werwölfe. Halt gerade, wie es für die Szene besser ist. Selbstverständlich verrät er seiner Frau nichts über seine Verwandlung. Das seit Jahren verlassene elterliche Haus ist in jeder Beziehung erstaunlich gut erhalten. Im entscheidenden Moment kann sogar Ginger schneller als die sie verfolgenden Werwölfe laufen. Undsoweiterundsofort. Logisch ist das nicht, aber sonst wäre der Film nach fünf Minuten zu Ende. Ärgerlich ist dieses Hervorzerren der allerältesten Horrorfilmklischees, angesichts des in anderen Szenen durchaus vorhandenen Potentials, dann doch.

Wolf Man (Wolf Man, USA 2025)

Regie: Leigh Whannell

Drehbuch: Leigh Whannell, Corbett Tuck

mit Christopher Abbott, Julia Garner, Sam Jaeger, Matilda Firth, Benedict Hardie, Ben Prendergast, Zac Chandler, Milo Cawthorne

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Wolf Man“

Metacritic über „Wolf Man“

Rotten Tomatoes über „Wolf Man“

Wikipedia über „Wolf Man“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Leigh Whannells „Insidious: Chapter 3 – Jede Geschichte hat einen Anfang“ (Insidious: Chapter 3, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: Der Aussie-Western „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“

November 13, 2022

Das ist ein Film für die Western-Fans, die ja nur alle Jubeljahre ins Kino gehen dürfen, weil einfach nicht mehr Western ins Kino kommen. Im Mittelpunkt von Leah Purcells „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“ steht die titelgebende Molly Johnson. 1893 lebt sie in den Snowy Mountains. Das ist zwar in Australien, aber die Landschaft, die Menschen, ihr Verhalten und die Faustrecht-Regeln passen gut in jeden Western. Ihr Mann ist seit Monaten weg. Er arbeitet, wieder einmal, als Viehtreiber im Hochland und er sollte eigentlich schon wieder zurück sein. Sie hat mehrere Kinder. Ein weiteres ist unterwegs. Und sie verteidigt ihr Stück Land. Deshalb empfängt sie alle Besucher mit einem abweisendem Blick und einem schussbereiten Gewehr in der Hand.

Sobald sie ihnen vertraut, ist sie dann gastfreundlich. Beispielsweise zu dem neuen Polizeichef, der jung und naiv ist. Entsprechend naiv stolpert er kurz nach seiner Ankunft an seinem neuen Arbeitsplatz, einem in der Einsamkeit liegendem Dorf, das wir so aus zahlreichen Western kennen, in eine Mordfall. Ein Aborigine soll in Everton eine sechsköpfige Familie ermordet haben.

Auf seiner Flucht gelangt er in Mollys Haus.

The Drover’s Wife“ ist Leah Purcells feministische Neuinterpretation von Henry Lawsons gleichnamiger Kurzgeschichte; wobei sie genaugenommen die Geschichte, in der es um die Jagd nach einer sich im Haus versteckenden Schlange geht, als Inspiration genommen und um weitere Geschichten und Figuren erweitert hat. Gleichzeitig wirft sie einen Blick auf den damaligen Rassismus.

Purcell, die auch das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle spielt, erzählt Molly Johnsons Geschichte mit fotogenen Landschaftsaufnahmen, die auf einer großen Leinwand gut wirken, und etwas verschachtelt. Denn nur langsam enthüllt sie die Hintergründe für bestimmte Ereignisse und Handlungen. Das tut sie überaus gekonnt.

Allerdings vertraut sie der Intelligenz, Urteilskraft und dem moralischen Bewusstsein des Publikums nicht genug. So hat sie die Figur der Frau des neuen britischen Polizeichefs erfunden. Sie ist jung und überaus feministisch engagiert. In der von ihr herausgegebenen Zeitung schreibt sie wortgewaltig gegen die Unterdrückung der Frau an. Das ist ihre einzige Funktion in der Geschichte: uns zu erklären, was wir sowieso sehen und begreifen.

Noch schlimmer wird es am Filmende. Im Rahmen einer Gerichtsverhandlung gegen Molly Johnson erklärt Purcell wortreich das Unrecht des Urteils gegen Johnson. Dabei genügt schon das Urteil, um zu verstehen, dass dieses Urteil vielleicht den Buchstaben des Gesetzes entspricht, aber trotzdem Unrecht ist.

The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson (The Drover’s Wife: The Legend of Molly Johnson, Australien 2021)

Regie: Leah Purcell

Drehbuch: Leah Purcell

LV: Henry Lawson: The Drover’s Wife, 1892 (Kurzgeschichte)

mit Leah Purcell, Rob Collins Sam Reid, Jessica de Gouw, Benedict Hardie, Malachi Dower-Roberts

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“

Metacritic über „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“

Rotten Tomatoes über „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“

Wikipedia über „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“ (deutsch, englisch)