(Wieder) Neu im Kino/Filmkritik: „Stop Making Sense“, das ist ein Auftritt der Talking Heads

März 20, 2024

Regulär startet die grandios aussehende 4K-Restaurierung von Jonathan Demmes „Stop Making Sense“ erst am 28. März. Aber bereits am 22., 23. und 24. März gibt in zahlreichen Kinos Previews, für die sich bereits einige Tage vorher einige Karten gekauft werden können. Und, ja, es lohnt sich, den Konzertfilm wieder oder erstmals im Kino zu sehen. Nicht umsonst wird „Stop Making Sense“ immer noch, vierzig Jahre nach seiner Premiere, als einer der besten Konzertfilme genannt. Das liegt an der betont minimalistischen Inszenierung. Nichts lenkt von dem Konzert der Talking Heads und seiner ebenso einfachen, wie durchdachten, schlüssigen und überzeugenden Dramaturgie ab. Jonathan Demme verzichtet auf die bei Rockkonzerten immer wieder nervende Kamera, die hektisch wackelt und zoomt als gäbe es kein Morgen und die nur eine Aufgabe erfüllt: vom Spiel der Band abzulenken. Gleiches gilt für die Bilder vom begeistert klatschendem und mitgröhlendem Publikum. In „Stop Making Sense“ ist das Publikum erst am Filmende für einige Sekunden zu sehen. Bis dahin wird nur die Bühne und was auf ihr geschieht, gezeigt. Ohne Brimborium und von der Musik und dem Spiel der Musiker ablenkenden Effekthaschereien.

An drei Abenden im Dezember 1983 nahm „Das Schweigen der Lämmer“-Regisseur Jonathan Demme mit sieben Kameras im Pantages Theater in Hollywood, Los Angeles, die Konzerte der Talking Heads auf. Dabei konzentrierten sich die Kameras an jedem Abend auf einen anderen Teil der Bühnenpräsentation. Deshalb sehen wir in den Totalen von der Bühne keine Kameras auf der Bühne. Damit es beim späteren Zusammenschnitt keine Probleme mit den Outfits der Musiker gab, trugen sie während der Konzerte immer das gleiche Outfit. Bevorzugt nicht reflektierende dunkle oder neutrale Kleidung. Kein Bandmitglied sollte besonders hervorhoben werden und so den Gesamteindruck stören. Für die Abwesenheit von Publikumsbildern gibt es, auch wenn heute unklar ist, ob das von Anfang an so geplant oder eine glückliche Fügung war, eine einfache Erklärung. An einem Abend wurden auch das Publikum aufgenommen. Dafür musste im Saal Licht eingeschaltet werden. In dem beleuchteten Saal und vor den Kameras reagierte das Publikum verhaltener als in den anderen Shows und die Band spielte, so heißt es, ihr vielleicht schlechtestes Konzert.

Es waren also einige Zufälle und technische Notwendigkeiten, die zu dem gelungenen Gesamteindruck beitragen. Dass an mehreren Abende gefilmt wurde, half. Ebenso dass die Talking Heads für dieses Konzert ein ebenso einfaches, wie überzeugendes, in der vorherigen Tour erprobtes Konzept hatten. Mit jedem Song, beginnend mit David Byrnes Solo-Interpretation von „Psycho Killer“, betreten weitere Bandmitglieder die Bühne. Bühnenarbeiter schieben während der einzelnen Songs immer mehr Bühnenteile und Instrumente auf die zunächst leere Bühne. Später verändert sich das Bühnenbild mit minimalen Mitteln. Während des Konzerts werden auf die hintere Wand der Bühne nur einige Bilder projeziert. Das Bühnenlicht setzt einige Akzente. Es gibt eine schon damals schreiend altertümliche Stehlampe. Und David Byrne tritt in einem Big Suit auf.

Dabei fällt in der Physiognomie eine erstaunliche Ähnlichkeit zwischen Band-Mastermind David Byrne und „Oppenheimer“-Schauspieler Cillian Murphy auf. Falls es also demnächst ein Biopic über die Talking Heads gibt, wäre der Hauptdarsteller schon gefunden.

Für die jetzige Kinopräsentation wurde der Film vom Original-Negativ, das seit 1992 unangetastet bei MGM im Filmlager lag, in 4K und Dolby Atmos restauriert. Das Ergebnis überzeugt restlos und die Musik, über die ich jetzt kein Wort verloren habe, ist immer noch grandios.

Stop Making Sense (Stop Making Sense, USA 1984)

Regie: Jonathan Demme

Drehbuch: Jonathan Demme, Talking Heads

mit David Byrne, Chris Frantz, Jerry Harrison, Tina Weymouth, Ednah Holt, Lynn Mabry, Steve Scales, Alex Weir, Bernie Worrell

Länge: 88 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Regulärer Kinostart: 28. März 2024

Die Previews (sortiert nach Ort, Tag, Kino – Mein Tipp: das größte Kino mit dem besten Sound wählen)

Aachen Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Capitol (Cineplex)

Aschaffenburg Freitag, 22.03.2024 20.30 Uhr Casino

Augsburg Samstag, 23.03.2024 21.00 Uhr Liliom

Bayreuth Freitag, 22.03.2024 19.00 Uhr Cineplex

Berlin Freitag, 22.03.2024 21.30 Uhr Babylon Kreuzberg

Berlin Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Cineplex Titania

Berlin Freitag, 22.03.2024 18.00 Uhr Kant-Kino

Berlin Samstag, 23.03.2024 18.00 Uhr Kant-Kino

Berlin Samstag, 23.03.2024 23.00 Uhr Zoo-Palast

Berlin Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Zoo-Palast

Berlin Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Collosseum

Berlin Samstag, 23.03.2024 22.30 Uhr Collosseum

Bochum Samstag, 23.03.2024 21.00 Uhr Metropolis

Bonn Samstag, 23.03.2024 21.00 Uhr Rex

Bremen Freitag, 22.03.2024 20.30 Uhr Schauburg

Bremen Sonntag, 24.03.2024 17.00 Uhr Schauburg

Burghausen Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Quadroscope

Dettelbach Samstag, 23.03.2024 22.45 Uhr Cineplex Cineworld

Dettelbach Freitag, 22.03.2024 18.00 Uhr Cineplex Cineworld

Dresden Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Cineplex Rundkino

Dresden Samstag, 23.03.2024 21.00 Uhr Programmkino Ost

Düsseldorf Freitag, 22.03.2024 21.30 Uhr Cinema

Düsseldorf Samstag, 23.03.2024 21.30 Uhr Cinema

Erding Freitag, 22.03.2024 18.00 Uhr Cineplex

Feuchtwangen Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Regina Kulturkino

Frankfurt Freitag, 22.03.2024 20.30 Uhr Harmonie

Gauting Freitag, 22.03.2024 20.15 Uhr Breitwand

Gelsenkirchen Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Apollo

Halle/Saale Freitag, 22.03.2024 21.00 Uhr Puschkino

Hamburg Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Abaton

Hamburg Freitag, 22.03.2024 20.30 Uhr Astor Hafencity

Hamburg Samstag, 23.03.2024 19.45 Uhr Savoy

Hamburg Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Zeise-Kinos

Hannover Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Apollo

Hannover Samstag, 23.03.2024 22.30 Uhr Apollo

Kassel Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Filmpalast

Kiel Samstag, 23.03.2024 22.30 Uhr Studio Filmtheater

Köln Samstag, 23.03.2024 21.00 Uhr Odeon

Leipzig Samstag, 23.03.2024 21.45 Uhr Kinobar Prager Frühling

Lörrach Freitag, 22.03.2024 19.00 Uhr Cineplex

Lübeck Freitag, 22.03.2024 20.30 Uhr Kommunales Kino

Lübeck Samstag, 23.03.2024 20.30 Uhr Kommunales Kino

Lüneburg Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Filmpalast

Mannheim Freitag, 22.03.2024 19.30 Uhr Cineplex

Marburg Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Cineplex

München Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr City-Kinos

Münster Samstag, 23.03.2024 22.30 Uhr Cinema

Neu-Ulm Freitag, 22.03.2024 19.00 Uhr Dietrich-Theater

Neufahrn Freitag, 22.03.2024 18.00 Uhr Cineplex

Neustadt ad Weinstr Freitag, 22.03.2024 19.30 Uhr Cineplex

Nürnberg Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Casablanca

Oldenburg Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Casablanca

Oldenburg Samstag, 23.03.2024 18.00 Uhr Casablanca

Paderborn Freitag, 22.03.2024 22.00 Uhr Pollux Cineplex

Stuttgart Freitag, 22.03.2024 22.30 Uhr Atelier am Bollwerk

Wiesbaden Freitag, 22.03.2024 00.00 Uhr Thalia-Hollywood

Wuppertal Freitag, 22.03.2024 20.00 Uhr Rex

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Stop Making Sense“

Metacritic über „Stop Making Sense“

Rotten Tomatoes über „Stop Making Sense“

Wikipedia über „Stop Making Sense“ (deutsch, englisch) und die Talking Heads (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jonathan Demmes „Ricki – wie Familie so ist“ (Ricki and the Flash, USA 2015)


TV-Tipp für den 16. März: Beware of Mr. Baker

März 16, 2018

https://www.youtube.com/watch?v=wqrigN8jxj8

Arte, 21.45

Beware of Mr. Baker (Beware of Mr. Baker, USA 2012)

Regie: Jay Bulger

Drehbuch: Jay Bulger

Hochgelobte Doku mit und über Ginger Baker, den Schlagzeuger von „Cream“ (Sixties Supergroup mit E-Gitarrist Eric Clapton und Bassist Jack Bruce), „Blind Faith“ (dito, aber kurzlebiger) und „Ginger Baker’s Air Force“ (auch kurzlebig). Neben zahlreichen Soloplatten trommelte er mehrere Jahre bei „Hawkwind“ und auf zahlreichen Platten von anderen Künstlern. Musikalisch grandios, menschlich nicht so sehr.

mit Ginger Baker, Ginette Baker, Kofi Baker, Leda Baker, Jay Bulger, Brian Auger, Bonnie Bramlett, Jack Bruce, Eric Clapton, Stewart Copeland, Jon Hiseman, Femi Kuti, Bill Laswell, John Lydon, Ron Miles, Carlos Santana, Lars Ulrich, Charlie Watts, Steve Winwood, Bernie Worrell

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Beware of Mr. Baker“

Wikipedia über „Beware of Mr. Baker“ und Ginger Baker (deutsch, englisch)

AllMusic über Ginger Baker


Neu im Kino/Filmkritik: „Ricki – wie Familie so ist“ und wie das Leben so spielt

September 4, 2015

Der deutsche Titel von dem neuen Film, in dem Mery Streep singt (das tut sie in letzter Zeit ja gerne), ist „Ricki – wie Familie so ist“ und er lässt einen dieser netten Filme erwarten, in der eine Familie sich etwas fetzt und etwas herzt und man am Ende, wenn sich die Familie versöhnt, den Kinosaal mit einem feuchten Taschentuch verlässt. Der US-Titel ist „Ricki and the Flash“ und das ist der Name von Rickis Band.
Denn Ricki Rendazzo (Meryl Streep) ist Rocksängerin. So eine richtig scharfe Rockröhre, die mit ihrer Band jeden Abend das heiße Rock’n’Roll-Leben zelebriert. Dass das in einer kleinen, schummerigen Bar in Los Angeles vor einem überschaubarem Publikum geschieht; – na gut, ein „American Girl“ kann halt nicht alles haben. Auch wenn sie, „Wooly Bully“, „Let’s Work together“ mit ihrer Band „Keep playing that Rock and Roll“ macht, „I still haven’t found what I’m looking for“ schmachtet und schließlich ihren Kindern am Filmende versichert „My Love will not let you down“ (Ihr habt Rickis Songs erkannt?). Aber bis dahin geht es durch drei höchstens lose miteinander verknüpfte Kapitel, die mehr Situationsbeschreibungen und Collagen als ausformulierte Geschichten sind.
Ricki erhält von ihrem Ex-Mann Pete (Kevin Kline), ein äußerst wohlhabender Geschäftsmann, der ihre drei Kinder großzog und inzwischen wieder glücklich verheiratet ist, einen Anruf. Ihre Tochter Julie (Mamie Gummer) will sich nach einer gescheiterten Beziehung umbringen. Ricki, die ihre Kinder seit Jahren nicht gesehen hat, fliegt von L. A. nach Indianapolis, Indiana, und versucht ihre Tochter aus ihrer Depression zu befreien, während Petes Frau und Vorbildmutter Maureen (Audra McDonald) gerade ihren todkranken Vater in einer anderen Stadt pflegen muss.
Diese eher humoristische Episode mit Familienzusammenführung und Rock’n’Roll-freigeistigen Lebensweisheiten (auch wenn Ricki einige sehr konservative Ansichten hat) endet mit der Rückkehr von Maureen.
Dann gibt es eine längere Episode, die Ricki und ihre Band und ihr Leben, vor allem die sich stärker entwickelnde Beziehung zu ihrem Gitarristen Greg (Rick Springfield) beschreibt. Jetzt sind ihre Kinder wieder Teil einer vollkommen anderen Welt. Aber in dem entsprechend humorfreiem Liebesdrama gibt es einige weitere live von Ricki and the Flash gespielte Songs.
Und dann geht es wieder, holterdipolter, zurück ans andere Ende der USA. Denn ihr Sohn heiratet und Ricki, die bis jetzt alle Hochzeiten ihrer Kinder (zu denen sie nicht eingeladen war) und auch alle anderen Familientreffen (zu denen sie ebenfalls chronisch nicht eingeladen wurde) verpasste, will dieses Mal als die Mutter des Bräutigams dabei sein, was immerhin zu einigen schön irritierten Blicken der Ostküsten-High-Society führt. Denn so richtig standesgemäß kann sich die Rockerbraut Ricki nicht anziehen.
Das ist von „Das Schweigen der Lämmer“-Regisseur Jonathan Demme immer wieder schön beobachtet und die meisten Szenen entwickeln sich auch immer etwas anders als erwartet. So wie ein Musiker einem bekannten Song eine kleine persönliche Note beifügt. Ein Ohr für Musik hat er auch, was wir seit dem „Talking Heads“-Konzertfilm „Stop Making Sense“ und diversen Filmen mit und über Neil Young wissen. Entsprechend gelungen sind, auch dank Rickis guter Band, die live eingespielten, gut abgehangenen Rockklassiker. Aber „Ricki – wie Familie so ist“ ist auch ein Film, der ohne Anfang und Ende, einfach so mit einigen banalen Lebensweisheiten bis zum sentimental-verlogenen Ende vor sich hin plätschert. Denn nach der ersten und längsten Episode, in der Ricki versucht, eine Mutter zu sein, geht es weiter als ob es kein Spielfilm, sondern mehrere Episoden einer sympathischen, aber auch etwas belanglosen Serie wären.

Ricki - wie Familie so ist - Plakat

Ricki – wie Familie so ist (Ricki and the Flash, USA 2015)
Regie: Jonathan Demme
Drehbuch: Diablo Cody
mit Meryl Streep, Kevin Kline, Mamie Gummer, Audra McDonald, Sebastian Stan, Rick Springfield, Bernie Worrell, Rick Rosas, Joe Vitale (die vier Jungs sind „The Flash“ und über diese Backing-Band kann nicht gemeckert werden)
Länge: 102 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Ricki – wie Familie so ist“
Moviepilot über „Ricki – wie Familie so ist“
Metacritic über „Ricki – wie Familie so ist“
Rotten Tomatoes über „Ricki – wie Familie so ist“
Wikipedia über „Ricki – wie Familie so ist“ (deutsch, englisch)