Neu im Kino/Filmkritik: „Tron: Ares“ kurz im Computer und viel in der echten Welt

Oktober 9, 2025

1982 zeigt „Tron“ dem Kinopublikum, wie es in einem Computer aussieht, bevor Computer die Kinderzimmer (und Büros) eroberten. Cyberpunk, Cyberspace und die Matrix kamen erst später.

Der Film wurde für seine Tricks gelobt, für den Rest kritisiert und wurde seitdem zu einem einflussreichem Kultfilm.

2010 kam die Fortsetzung „Tron: Legacy“ ins Kino. Wieder überzeugten die Bilder. An den Rest erinnert sich niemand.

Das wird mit dem dritten „Tron“-Film, „Tron: Ares“ betitelt, ähnlich sein. Die Story ist nur das kryptische Set-up für eine zweistündige Verfolgungsjagd. Leider handelt es sich um eine äußerst langweilige Verfolgungsjagd, in der keine Figur mehr Tiefe als im Trailer gewinnt und die Hatz eine wenig aufregende Mischung aus Motorradfahren in der neondunklen Nacht und Kloppereien mit austauschbaren, gesichtslosen Handlangern ist.

Also, das Set-up ist wie folgt: Das Computerprogramm Ares (Jared Leto) wurde von Julian Dillinger (Evan Peters), Enkel von „Tron“-Bösewicht Ed Dillinger und amtierender CEO der Dillinger Corporation, erschaffen. Mittels einer fancy Maschine kann es in der realen Welt (auch bekannt als die Welt der Menschen oder die Welt, in der wir leben) Gestalt annehmen. Jetzt soll Ares ENCOM CEO Eve Kim (Greta Lee) finden. Sie besitzt den Code, der es ermöglicht, dass die von Dillinger materialisierten Dinge – Waffen, Panzer und Super-Soldaten – nicht nach 29 Minuten zu schwarzem Staub zerfallen, sondern ewig bestehen.

Und schon beginnt die wilde Jagd durch die nächtliche Stadt mit ihren Neonlichtern. Dabei beginnt Ares über seine Programmierung nachzudenken. Und er muss gegen Athena (Jodie Turner-Smith), ein weiteres Fleisch gewordenes Programm, das den gleichen Befehl erhielt, kämpfen.

Für kurze Unterbrechungen sorgen einige wenige Sekunden mit unverständlich-belanglosen Technogebabbel und etwas Mutter-Sohn-Gerangel. Seine Mutter Elisabeth (Gillian Armstrong) ist mit der von ihrem Sohn gewählten Ausrichtung des Konzerns nicht einverstanden. Das verharrt auf dem Niveau eines 80er-Jahre-Computerspiels. Einen Subtext oder auch nur eine oberflächliche Behandlung aktueller Probleme zwischen Mensch, Computer und Künstlicher Intelligenz sucht man vergebens.

Tron: Ares“ ist nur style over substance. Denn die Bilder sehen unbestritten gut aus. Sie zitieren zwar nur bekannte Bilder, die teils auch während der abendlichen Rush Hour in einer Großstadt aufgenommen oder aus animierten Sequenzen für die abendlichen Nachrichten kopiert werden können. Für diesen Science-Fiction-Film wurden sie hübsch veredelt.

Musikalisch wird das von Trent Reznor und Atticus Ross, die hier auf Wunsch von Disney als Nine Inch Nails firmieren, mit einem ebenso effektivem, wie monotonem und entsprechend austauschbar vor sich hin blubberndem Ambient-Techno-Soundscape untermalt. Das ist meilenweit von den früheren, ungleich gelungeneren Filmarbeiten von Reznor und Ross entfernt. Es hat auch nichts mit der zutiefst beunruhigenden Musik von Nine Inch Nails zu tun. Ihr neuester Soundtrack ist belangloses Comfort-Food für die Ohren.

Nichts in „Tron: Ares“ ist neu, überraschend oder aufregend. Nichts regt zum Nachdenken an, weil der Film bestenfalls halbverdaute Gedanken aus einer fernen Vergangenheit präsentiert, die schon lange überholt sind. An aktuelle Diskurse knüpft er nicht an. Er entwirft – immerhin ist „Tron: Ares“ ein Science-Fiction-Film – auch keine nachdenkenswerte Utopie. Er zeigt nur größere und bessere Waffen, die von einem großen 3D-Drucker hergestellt werden.

Wie die vorherigen beiden „Tron“-Filme ist „Tron: Ares“ style over substance. Die Story ist eine einzeige zweistündige Hatz auf dem Niveau eines 80er-Jahre-Computerspiels. Es fiel mir durchgehend schwer, aufmerksam diesem auf spielfilmlänge gestrecktem, animierten Musikclip zu folgen. „Tron: Ares“ ist ein gut aussehendes Nichts ist, das locker alle möglichen Tiefen der Story weiträumig umfährt.

Am Ende war ich nicht enttäuscht oder verärgert, sondern nur erstaunt, wie präzise Regisseur Joachim Rønning meine geringen Erwartungen erfüllte.

Tron: Ares (Tron: Ares, USA 2025)

Regie: Joachim Rønning

Drehbuch: Jesse Wigutow (nach einer Geschichte von David DiGilio und Jesse Wigutow, basierend auf von Steven Lisberger und Bonnie MacBird erfundenen Figuren)

mit Jared Leto, Greta Lee, Evan Peters, Hasan Minhaj, Jodie Turner-Smith, Arturo Castro, Cameron Monaghan, Gillian Anderson, Jeff Bridges

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Tron: Ares“

Metacritic über „Tron: Ares“

Rotten Tomatoes über „Tron: Ares“

Wikipedia über „Tron: Ares“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Joachim Rønnings „Maleficent: Mächte der Finsternis“ (Maleficent: Mistress of Evil, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: „Shattered – Gefährliche Affäre“, wieder einmal

November 23, 2022

Die ersten Bildern des Thrillers zeigen einen Mann, der vor einer malerischen Berglandschaft Fahrrad fährt. Schon bevor die Kamera zurückfährt und zeigt, dass der Mann auf einem Hometrainer sitzt, dachte ich, dass „Shattered – Gefährliche Affäre“ ein ganz schlechter Film ist.

Die folgenden knapp neunzig Minuten bestätigten in beeindruckender Konsequenz diesen ersten Eindruck.

Der Radfahrer ist Chris Decker. Der Tech-Millionär lebt in Montana, abgeschottet von der Welt, in einem auf einem Hügel liegendem Hightech-Haus. Seine Tage als Privatier verbringt er allein mit seinem Computer.

Als er spätnachts im nahe gelegenem Dorf in einem Supermarkt (yeah, keine hundert Einwohner im Umkreis von hundert Kilometern aber ein 24/7-Supermarkt) eine Kleinigkeit einkauft, trifft er auf Sky. Sie plaudern miteinander. Er verliebt sich in die Schönheit. Nachdem ihm ein Bein gebrochen wurde, bietet sie ihm an, zu ihm zu ziehen und ihm die nächsten Wochen im Haushalt zu helfen.

Das ist selbstverständlich keine gute Idee. Denn Sky will ihn ausrauben und umbringen.

Shattered – Gefährliche Affäre“ ist ein durch und durch vorhersehbarer, formelhafter 08/15-Thriller mit einer kleinen Sexbeigabe, die zu gering ist, um ihn ernsthaft als Erotik-Thriller zu bezeichnen. Erotik-Thriller waren – Ältere erinnern sich mit Schrecken daran – eine in den Neunzigern sehr beliebte Thrillervariante, die nach wenigen gelungenen Werken nur noch dazu diente, Schrottfilme mit etwas nackter Haut und Blut zu verkaufen. Später entstande Filme, die dann direkt auf DVD oder im Fernsehen ausgewertet wurden, waren noch schlechter und belangloser.

Regisseur Luis Prieto verrichtet in seinem neusten Spielfilm Dienst nach Vorschrift. Dabei inszenierte er vorher ein ansehnliches Remake von Nicolas Winding Refn „Pusher“ und den den flotten Thriller „Kidnap“ (mit Halle Berry). Beide Filme sind keine Meisterwerke, aber einen Blick wert und sie machten mich neugierig auf seine weiteren Arbeiten. In den vergangenen Jahren arbeitete Prieto fast ausschließlich für das Fernsehen.

Shattered – Gefährliche Affäre“ markiert nur auf dem Papier seine Rückkehr ins Kino. Denn letztendlich ist der Thriller ein TV-Film, den man irgendwann guckt, wenn man zu faul ist, um die unter einem Kissen liegende Fernbedienung zu suchen.

Shattered – Gefährliche Affäre (Shattered, USA/Deutschland 2022)

Regie: Luis Prieto

Drehbuch: David Loughery

mit Cameron Monaghan, Lilly Krug, John Malkovich, Sasha Luss, Frank Grillo

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Shattered – Gefährliche Affäre“

Moviepilot über „Shattered – Gefährliche Affäre“

Metacritic über „Shattered – Gefährliche Affäre“

Rotten Tomatoes über „Shattered – Gefährliche Affäre“

Wikipedia über „Shattered – Gefährliche Affäre“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Luis Prietos „Pusher“ (Pusher, Großbritannien 2012)