Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Die drei ??? und der Karpatenhund“ in Rocky Beach, Kalifornien

Januar 23, 2025

Nach ihrem Abenteuer in Transsilvanien sind ‚Die drei ???“ Justus Jonas (Julius Weckauf), Peter Shaw (Nevio Wendt) und Bob Andrews (Levi Brandl) wieder zurück in ihrer Heimat Rocky Beach, der in Kalifornien in der Nähe von Los Angeles liegenden Kleinstadt. Dort betreiben die drei ungefähr fünfzehnjährigen Schulfreunde auf einem Schrottplatz in einem ausrangiertem Campinganhänger eine Detektei. Sie übernehmen jeden Fall. Aber die meisten Fälle, wie verschwundene Einhörner und verlegte Brillen, langweilen sie. Das ändert sich, als Fenton Prentice (Ulrich Tukur) sie um Hilfe bittet. Prentice ist Kunsthändler. In seiner Galerie will er demnächst die Werke seines kürzlich verstorbenen Freundes Edward ausstellen. Sein letztes Werk ist der Karpatenhund, ein von einer alten Sage inspirierter Hund aus Kristall.

Seit Edwards Tod wird Prentice nachts in seiner Wohnung von einem schrecklichen Hundejaulen verfolgt. Prentice fragt sich, ob der Fluch des Karpatenhundes ihn heimsucht, in den Wahnsinn und Tod treiben will.

Prentice wohnt im Mulholland View, einem leicht heruntergekommenem Apartmentkomplex, das den Charme alten Hollywoods mit etwas Noir- Atmosphäre und leichtem David-Lynch-Feeling verströmt. Die anderen Mieter sind die neugierige und zänkische Verwalterin des Hauses, Edwards unverkäufliche Dinge zusammenbastelnder Bruder, eine als Kellnerin arbeitende Schauspielerin, eine am Strand mit Akrobatikshows Geld verdienende Schlangenfrau, ein tagsüber am Pool meditierender und in den Tag hineinlebender Supermarktverkäufer und ein viel beschäftigter Börsenmakler.

Weil die drei jugendlichen Detektive nicht an eine übernatürliche Erklärungen glauben, muss einer dieser Mieter für das Heulen des Karpatenhundes verantwortlich sein.

Noch bevor sie mit ihren Ermittlungen richtig beginnen können, wird aus Edwards Atelier der wertvolle Karpatenhund geklaut. Der Dieb kann mit seiner Beute im Mulholland-View-Wohnkomplex entkommen. Jetzt wollen Justus, Peter und Bob auch den Diebstahl aufklären.

Nach dem Europaausflug spielt das zweite Kinoabenteuer mit den aktuellen ‚drei ???‘ – Julius Weckauf, Nevio Wendt und Levi Brandl – in der Gegend, in der sie normalerweise ermitteln. Und dieses Mal benehmen sie sich auch wie drei gute Freunde, die gemeinsam Abenteuer erleben wollen und sich in ihren Fähigkeiten als Detektive vorzüglich ergänzen. Halt genauso wie die Fans der ‚drei ???‘ Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews ihre niemals älter werdenden jugendlichen Ermittler seit 1964, als sie in den USA das erste „Die drei ???“-Buch erschien, kennen und vor allem in Deutschland lieben. Während in den USA die Buchserie mit den nicht alternden Teenager-Detektiven schon vor Jahrzehnten eingestellt wurde, erscheinen in Deutschland, geschrieben von deutschsprachigen Autoren, weitere Romane und auch Hörspiele. Es sind Krimis für Kinder. Und auch Tim Dünschedes „Die drei ??? und der Karpatenhund“ ist ein Krimi für ungefähr zehnjährige Kinder.

Alles in diesem Krimi ist kindgerecht und für Kinder, die sich einen spannenden Krimi ohne elterliche Begleitung ansehen wollen. Die Eltern, wenn sie denn unbedingt mit ins Kino kommen wollen, können ein wenig in Erinnerungen an lang zurückliegende Leseabende mit den drei jungen Detektiven schwelgen und den Film mit der für den Film stark veränderten Roman- und Hörspielvorlage vergleichen. Sie werden auch einige der offensichtlichen Anspielungen auf klassische Hollywood-Kriminal- und Horrorfilme erkennen. Trotzdem ist das kein Film für sie. Es ist auch kein Film für pubertierende Teenager. Justus, Peter und Bob sind zwar in der Pubertät und in desem Film alt genug, um nach US-amerikanischem Recht mit sechzehn Jahren Auto zu fahren (keine Panik, nur kurz am Filmende nach dem Abschluss des Falles), aber sie haben keine Pubertätsprobleme und sie interessieren sich auch überhaupt nicht für Mädchen.

Die drei ??? und der Karpatenhund“ ist ein Film für Kinder, der nicht kindisch ist. Dünschede und Drehbuchautorin Anil Kizilbuga, die auch das Buch für „Die drei ??? – Erbe des Drachen“ schrieb, präsentieren einen ordentlich entwickelter Rätselkrimi mit mehreren Verdächtigen, falschen Spuren, kindgerechter Action und Spannung.

Der dritte Fall mit dem aktuellen Ermittlerteam wurde zusammen mit „Die drei ??? und der Karpatenhund“ gedreht. „Die drei ??? – Toteninsel“ soll in einem Jahr in die Kinos kommen.

Zum Filmstart veröffentlichte der Kosmos-Verlag, wo die „Die drei ???“-Jugendkrimis seit 1968 erscheinen, den von André Marx geschriebenen Roman zum Film. Es ist eine flüssig geschriebene Romanfassung des Films; mit vielen Bildern aus dem Film.

Die drei ??? und der Karpatenhund (Deutschland 2025)

Regie: Tim Dünschede

Drehbuch: Anil Kizilbuga

LV: M. V. Carey: The Mystery of the Invisible Dog, 1975 (Die drei ??? und der Karpatenhund)

Roman zum Film: André Marx: Die drei ??? und der Karpatenhund, 2024

mit Julius Weckauf, Nevio Wendt, Levi Brandl, Ulrich Tukur, Sunnyi Melles, Florian Lukas, Jördis Triebel, Filip Schnack, Philipp Christopher, Bernd Hölscher, Christoph Bach, Siri-Anna Faal, Johannes Nussbaum, Tamara Lopez

Länge: 107 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Das Buch zum Kinofilm

André Marx: Die drei ??? und der Karpatenhund

Kosmos, 2024

192 Seiten

13 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die drei ??? und der Karpatenhund“

Moviepilot über „Die drei ??? und der Karpatenhund“

Kosmos über „Die drei ???“

Wikipedia über „Die drei ???“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Tim Dünschedes „Limbo“ (Deutschland 2019)

Meine Besprechung von Tim Dünschedes „Die drei ??? – Erbe des Drachen“ (Deutschland 2023)


TV-Tipp für den 12. Juni: Das Leben meiner Tochter

Juni 11, 2020

Arte, 20.15

Das Leben meiner Tochter (Deutschland 2019)

Regie: Steffen Weinert

Drehbuch: Steffen Weinert

Die achtjährige Jana hat einen tödlichen Herzfehler. Als nach langem Warten immer noch kein Spenderherz verfügbar ist und Janas Überlebenschancen beständig kleiner werden, bittet Janas Vater Micha illegale Organhändlern um Hilfe.

TV-Premiere. „Das Leben meiner Tochter“ ist ein ambitioniertes Fernsehspiel, das deutlich unter den Möglichkeiten des Themas bleibt.

Ähnlich urteilt das Lexikon des internationalen Films: „zielt (…) etwas zu offensichtlich auf das gesellschaftlich strittige Thema der Organspende und tendiert dadurch eher zum formelhaften Aufklärungsfilm.“

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Christoph Bach, Maggie Valentina Salomon, Alwara Höfels, Barbara Philipp, André M. Hennicke, Marc Zwinz, Erik Madsen, Birge Schade

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Das Leben meiner Tochter“

Moviepilot über „Das Leben meiner Tochter“

Meine Besprechung von Steffen Weinerts „Das Leben meiner Tochter“ (Deutschland 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: „Das Leben meiner Tochter“ und das dringend benötigte Spenderherz

Juni 6, 2019

Während eines Urlaubs in den Bergen bricht die achtjährige Jana zusammen. Im Krankenhaus stellen die Ärzte fest, dass sie eine akute Herzmuskelentzündung hat und dringend ein neues Herz benötigt. Im Schnitt dauert es acht Monate, bis ein passendes Spenderherz gefunden wird. Nach einem Jahr ist Jana immer noch im Krankenhaus. Ihre Chancen zu überleben, schwinden täglich.

Da entdeckt Janas Vater Micha Faber im Internet ein Angebot. In Osteuropa sind die Gesetze laxer. Ein passendes Organ kann schneller besorgt werden. Es kostet nur die Kleinigkeit von 250.000 Euro. Janas Ärztin Dr. Andrea Benesch und Janas Mutter Natalie raten ab. Aber Micha lässt sich mit den illegalen Organhändlern ein.

So ein spannendes Thema, so eine schön zugespitztes moralisches Dilemma und dann ist „Das Leben meiner Tochter“ ein erschreckend leb- und auch spannungsloser Film. Dem Drehbuch gelingt es nämlich nie, die Fabers Dilemma in eine spannende Erzählung zu übertragen. Strukturell ist der strikt chronologisch erzählte Film wie ein Thriller aufgebaut. Aber in den einzelnen Szenen zeigt sich das nicht. Das liegt vor allem an den Dialogen. Sie hören sich durchgängig wie eine erste Fassung an. Das ist bestenfalls Bürokratendeutsch, das in einer Überarbeitung in gesprochene Dialoge hätte übersetzt werden müssen. Aus einem „Hat Janas Zustand sich verbessert?“ wäre ein „Geht es Jana besser?“ oder „Wie geht es Jana?“ geworden. Es sind Sätze, die man aufschreiben, aber nicht sagen kann. Entsprechend emotionslos und distanziert tragen die Schauspieler die Drehbuchsätze dann vor.

Auch die Bilder und die ruhige Inszenierung zielen auf den TV-Bildschirm. Die Ausstattung wirkt durchgehend unpassend. Oder haben in den Alpen die Chefärzte Büros, in denen sie locker ganze Betriebsversammlungen und Partys abhalten können?

Dabei ist das Thema Organspende und illegaler Organhandel wichtig und verdient eine ernsthafte Behandlung. Nur werden in Steffen Weinerts Drama „Das Leben meiner Tochter“ diese Fragen zu oberflächlich behandelt. Wichtige Informationen über den Ablauf von Organspenden und dem Problem des illegalen Organhandels werden kaum geliefert. So warnt Janas Ärztin die Fabers zwar, vor der illegalen Transplantationen und den möglichen strafrechtlichen Folgen. Aber das ist nur eine Szene im Film. Ein späteres Gespräch, das Natalie mit Dr. Benesch führt, wird nur in einem späteren Gespräch mit ihrem Mann in einem Satz erwähnt.

Das Leben meiner Tochter“ ist ein ambitioniertes Fernsehspiel, das deutlich unter den Möglichkeiten des Themas bleibt.

Das Leben meiner Tochter (Deutschland 2019)

Regie: Steffen Weinert

Drehbuch: Steffen Weinert

mit Christoph Bach, Maggie Valentina Salomon, Alwara Höfels, Barbara Philipp, André M. Hennicke, Marc Zwinz, Erik Madsen, Birge Schade

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Das Leben meiner Tochter“

Moviepilot über „Das Leben meiner Tochter“

 


TV-Tipp für den 3. Mai: Einsatz in Hamburg: Rückkehr des Teufels

Mai 3, 2018

ZDFneo, 20.15

Einsatz in Hamburg: Rückkehr des Teufels (Deutschland 2002, Regie: Lars Becker)

Drehbuch: Fabian Thaesler, Lars Becker

Diesen Fall hat Kommissarin Jenny Berlin schnell gelöst: In der Nähe einer in einem Müllcontainer liegenden Frauenleiche wird ein Mann gesehen. Kurz darauf wird er verhaftet. Doch nachdem er sich beim Verhör aus dem Fenster stürzt, zweifelt Berlin. Sie rollt den Fall wieder auf.

Dritter „Einsatz in Hamburg“-Krimi, inszeniert von dem immer zuverlässigen Lars Becker.

Mit Aglaia Szyszkowitz, Hannes Hellmann, Rainer Strecker, Harald Schrott, Christoph Bach, Hans Diehl, Ercan Durmaz, Oliver Franck, Sonja Kirchberger, Jessica Schwarz

Hinweise

Wikipedia über „Einsatz in Hamburg“

Lexikon der deutschen Krimi-Autoren über Lars Becker

Lars Becker in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 4. Mai: Einsatz in Hamburg: Rückkehr des Teufels

Mai 4, 2016

ZDFneo, 20.15

Einsatz in Hamburg: Rückkehr des Teufels (Deutschland 2002, Regie: Lars Becker)

Drehbuch: Fabian Thaesler, Lars Becker

Diesen Fall hat Kommissarin Jenny Berlin schnell gelöst: In der Nähe einer in einem Müllcontainer liegenden Frauenleiche wird ein Mann gesehen. Kurz darauf wird er verhaftet. Doch nachdem er sich beim Verhör aus dem Fenster stürzt, zweifelt Berlin. Sie rollt den Fall wieder auf.

Dritter „Einsatz in Hamburg“-Krimi, inszeniert von dem immer zuverlässigen Lars Becker.

Mit Aglaia Szyszkowitz, Hannes Hellmann, Rainer Strecker, Harald Schrott, Christoph Bach, Hans Diehl, Ercan Durmaz, Oliver Franck, Sonja Kirchberger, Jessica Schwarz

Wiederholung: Sonntag, 8. Mai, 23.15 Uhr

Hinweise

Wikipedia über „Einsatz in Hamburg“

Lexikon der deutschen Krimi-Autoren über Lars Becker

Lars Becker in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 1. Oktober: Finsterworld

Oktober 1, 2015

Arte, 23.15
Finsterworld (Deutschland 2013)
Regie: Frauke Finsterwalder
Drehbuch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht
Perfekte Einstimmung auf die Feierlichkeiten zur Einheit. Denn Frauke Finsterwalder und Christian Kracht toben sich in ihrem Episodenfilm so richtig gemein in deutschen Befindlichkeiten (echten und falschen, alten und neuen) aus. Denn das „Finsterworld“-Deutschland ist ein aus der Zeit gefallenes Deutschland voller gestörter Charaktere, die sich auf die Nerven gehen und die sich letztendlich in ihrer Tristesse gut eingerichtet haben.
Das ist zwar nicht durchgehend gelungen, hat aber erfrischend wenig mit den gängigen deutschen Komödien zu tun; was schon einmal eine gute Sache ist.
mit Johannes Krisch, Michael Maertens, Margit Carstensen, Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld, Corinna Harfouch, Bernhard Schütz, Christoph Bach, Carla Juri, Leonard Scheicher, Jakub Gierszal, Max Pellny, Markus Hering, Dieter Meier

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Finsterworld“
Moviepilot über „Finsterworld“
Wikipedia über „Finsterworld“
Die Zeit: Ijoma Mangold unterhält sich mit Christian Kracht über „Finsterworld“ (10. Oktober 2013)

Meine Besprechung von Frauke Finsterwalders „Finsterworld“ (Deutschland 2013)


TV-Tipp für den 9. November: Dina Foxx – Tödlicher Kontakt

November 9, 2014

ZDFneo, 19.30/23.15
Dina Foxx – Tödlicher Kontakt (Deutschland 2014, Regie: Max Zeitler)
Drehbuch: Max Zeitler, Nina Pourlak, Philipp Zimmermann, Burkhard Althoff, Milena Bonse, Leif Alexis
Dina Foxx ist zurück. Inzwischen lebt sie in Berlin und als ihr Bruder sie an ihrem Geburtstag besucht, ist sie überglücklich. Am nächsten Tag liegt er im Koma. Die Ärzte vermuten eine Überdosis Partydrogen (Hey, wir sind Berlin!). Aber Dina glaubt, dass eine neue Gen-Tomate (die Krebs heilen soll) dafür und für den Tod von vielen Menschen verantwortlich ist. Nur, wie soll sie das beweisen?
2011 war „Wer rettet Dina Foxx?“ ein erfolgreiches TV-Experiment, das auch im Internet fortgesetzt wurde. Jetzt wird die Geschichte fortgesetzt, wobei Dina Foxx nicht mehr von Jessica Richter, sondern von Katharina Schlothauer gespielt wird und es dieses Mal zwei 45-minütige TV-Episoden sind (heute und kommenden Sonntag), die man auch ohne die Netz-Ergänzungen (Webisoden mit viel Christoph Bach, Spiel, Hintergrundinformationen) sehen kann.
Der insgesamt neunzigminütige Krimi ist flott geschnitten und inszeniert für ein jugendliches Publikum, das sich dann auch vielleicht nicht an der teils abstrusen Story und den Klischees stört. Denn langweilig wird es, zwischen den vielen Berlin-Ansichten, nie.
mit Katharina Schlothauer, Christoph Bach, Tomas Sinclair Spencer, Natascha Hockwin, Max Mauff, Marcus Schinkel, Sebastian Hülk, Karin Giegerich
Wiederholungen
ZDF: Montag, 10. November, um 23.55 Uhr
ZDFkultur: Freitag, 14. November, um 20.15 Uhr
Hinweis
ZDF über Dina Foxx


Neu im Kino/Filmkritik: „Shirley – Visionen der Realität“ nach Gemälden von Edward Hopper

September 19, 2014

Edward Hopper war in seinen Gemälden vom Film inspiriert und er inspirierte etliche Filmemacher, aber auf die verwegene Idee, Bilder von Hopper im Film möglichst originalgetreu nachzustellen kam vor Gustav Deutsch noch niemand. Er nahm dreizehn Gemälde und die Filmbilder unterscheiden sich nur in Details von den Originalen. Es sind, in der Reihenfolge der filmischen Präsentation:
Sitzabteil (Chair Car, 1965)
Hotelzimmer (Hotel Room, 1931)
Zimmer in New York (Room in New York, 1940)
Kino in New York (New York Movie, 1939)
Nachts im Büro (Office at Night, 1940)
Hotelhalle (Hotel Lobby, 1943)
Morgensonne (Morning Sun, 1952)
Sonnenlicht auf braunem Sandstein (Sunlight on Brownstone, 1956)
Motel im Westen (Western Motel, 1957)
Exkursion in die Philosophie (Excursion into Philosophy, 1959)
Eine Frau in der Sonne (A Woman in the Sun, 1961)
Pause (Intermission, 1963)
Sonne in einem leeren Raum (Sun in an Empty Room, 1963)
Zu diesen Bildern erzählt Gustav Deutsch, der früher experimentelle Filmanalysen machte, die Geschichte der Schauspielerin Shirley (Stephanie Cumming), die sich zwischen den Dreißigern und den Sechzigern, zwischen Depression, Zweitem Weltkrieg, McCarthy-Ära und Bürgerrechtsbewegung, abspielt. Dabei ist die Historie und Shirleys Geschichte nur die akustische Klammer für die Bildbetrachtungen. Denn während die Kamera sich minimal in und aus den nachgestellten Bildern bewegt, die Schauspieler sich ebenfalls kaum bewegen, hören wir ihre Gedanken. Manchmal auch Gespräche oder Gedanken von anderen Menschen.
Das ist am Anfang ein faszinierendes Spiel mit dem Werk von Hopper, das Gustav Deutsch auf der visuellen Ebene unverändert übernimmt, während die Texte sich, ohne es direkt zu sagen, mit Hoppers Ansichten auseinandersetzen. Denn Hopper war ein Ultra-Konservativer, für den es selbstverständlich war, dass seine Frau ihre Karriere aufgab. Shirley dagegen ist eine Schauspielerin, die Mitglied des Group Theatres und des Living Theatres ist, auch andere Jobs annimmt (als Kartenabreißerin im Kino oder als Bürohilfe), linke Ansichten hat und im Hintergrund, aus dem Radio, wichtge historische Ereignisse angesprochen werden. Außerdem spielen die Segmente immer am 28. oder 29. August, weil am 28. August 1963 der erste große Marsch der Bürgerrechtsbewegung auf Washington war. Martin Luther King hielt dort seine legendäre „I have a Dream“-Rede.
Mit zunehmender Filmzeit wird allerdings auch deutlich, wie monothematisch Hoppers Bilder sind und wie sehr er seinem Stil treu blieb. So ordnete Deutsch die Bilder letztendlich chronologisch. Aber auch bei einer anderen Anordnung wäre nicht aufgefallen, dass die Bilder aus vier Jahrzehnten stammen, in denen große politische, soziale und ökonomische Veränderungen in den USA und der Welt stattfanden. In den Gemälden finden sie keinen Niederschlag.
Es geht in den dreizehn Gemälden immer um Einsamkeit. Fast immer ist Shirley allein oder isoliert von den anderen Charakteren, die ebenso isoliert in den anonymen Räumen sitzen. Es sind Büros, Hotellobbys, Hotelzimmer, Kinosäle und leere Wohnungen, die nichts über ihre Bewohner verraten. Transiträume.
Diese thematische und visuelle Begrenzung des Films zeigt dann auch die Grenzen in Edward Hoppers Werk. Denn letztendlich bewegt sich in ihnen nichts. Es herrscht Stillstand, verbunden mit einer Tendenz zur schön anzusehenden Leere.
Der überraschend zugängliche Experimentalfilm „Shirley – Visionen der Realität“ funktioniert vor allem als Meditation über die Gemälde und als fiktionale Auseinandersetzung mit dem Werk eines Künstlers.
Wobei man auch einfach in aller Ruhe die nachgestellten Bilder bewundern kann.

Shirley - Plakat

Shirley – Visionen der Realität (Österreich 2013)
Regie: Gustav Deutsch
Drehbuch: Gustav Deutsch
mit Stephanie Cumming, Christoph Bach, Florentin Groll, Elfriede Irrall, Tom Hanslmaier
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Shirley – Visionen der Realität“
Moviepilot über „Shirley – Visionen der Realität“
Wikipedia über Edward Hopper


DVD-Kritik: „Finsterworld“ ist Deutschland, ist nicht Deutschland, ist Deutschland,…

Mai 2, 2014

Auch „Finsterworld“, der erste Spielfilm von Frauke Finsterwalder, nach einem Drehbuch von ihr und ihrem Ehemann Christian Kracht, spielt, wie die ganzen romantischen Komödien, in einer Parallelwelt; einem Deutschland, das es so nicht gibt. Aber das „Finsterworld“-Deutschland ist ein aus der Zeit gefallenes Deutschland voller gestörter Charaktere, die sich auf die Nerven gehen und die sich letztendlich in ihrer Tristesse gut eingerichtet haben.
In dem Film gibt es ein Ehepaar, das nur das Negative sieht und ihren Deutschlandhass in kurzweiligen Sentenzen von sich gibt, einen Fußpfleger, der sich im Alterheim in eine Bewohnerin verliebt, einen Polizisten, der in einem Bärenkostüm nach Nähe sucht, eine TV-Reporterin, die in ihren Drei-Minuten-Reportagen gerne große Kunst über das wahre Leben abliefern würde und dabei doch nur um sich selbst kreist, einen Einsiedler, der stumm im Wald lebt, und uniformierte Schüler, die sich während einer Klassenfahrt zu einem Konzentrationslager nicht für das Leid der Ermordeten interessieren.
Weil diese Charaktere teilweise miteinander verwandt sind und sie sich während des Films mehr oder weniger zufällig begegnen, hängen die Geschichten, die eigentlich eher Episoden aus einem beschädigten Land sind, im bewährten „Short Cuts“- oder „Magnolia“-Stil locker miteinander zusammen. Aber letztendlich werden sie nicht durch einen erzählerischen Zusammenhang, sondern durch den durchgehend misantrophischen Blick auf die Charaktere und Deutschland zusammen gehalten.
„Finsterworld“ ist ein, auch in der Inszenierung, durch und durch künstlicher Film, der wenig über Deutschland, aber viel über die Macher und ihren Hass auf Deutschland verrät. Dieser Deutschland-Hass ist allerdings ein unter Linksintellektuellen seit Jahrzehnten so gepflegter Topoi, dass „Finsterworld“ wie ein später Nachfolger des Neuen Deutschen Films und eine Rainer-Werner-Fassbinder-Hommage wirkt.
Deshalb ist es ein aus der Zeit gefallener Film, ohne besonders großen Erkenntnisgewinn, aber durchaus immer wieder spaßig anzusehen. Vor allem wenn Corina Harfouch und Bernhard Schütz als versnobtes, sich prächtig verstehendes Ehepaar ihren Deutschlandhass pflegen. Schütz nennt sie im Presseheft treffend „Manufaktum-Faschisten“.
Oder Sandra Hüller als endlos plappernde, um sich selbst kreisende Dokumentarfilmerin, die mit Michelangelo Antonionis „Liebe 1962“ einen vollkommen verschobenen Referenzrahmen für ihre kurzen TV-Dokus, in denen sie das wahre Leben zeigen will, nennt.
Und Ronald Zehrfeld als ihr Freund und knuffiger Polizist im Bärenkostüm ist natürlich schön anzusehen.
Da braucht es dann keine „Feuchtgebiete“ Carla Juri als Schülerin und „Dutschke“ Christoph Bach als gutwilligen Lehrer, der seine Schüler mit einem KZ-Besuch fortbilden will. Dabei ist er viel zu jung für einen 68er-Lehrer, aber er verkörpert exakt diesen Typus.
Wie gesagt: „Finsterworld“ ist ein aus der Zeit gefallener Film. Ein Film, der einerseits dreißig, vierzig Jahre zu spät kommt, andererseits ein probates Gegengift zu den deutschen Kinokomödien, wie „Irre sind männlich“, „Vaterfreuden“ oder „Der fast perfekte Mann“, ist.

Finsterworld - DVD-Cover

Finsterworld (Deutschland 2013)
Regie: Frauke Finsterwalder
Drehbuch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht
mit Johannes Krisch, Michael Maertens, Margit Carstensen, Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld, Corinna Harfouch, Bernhard Schütz, Christoph Bach, Carla Juri, Leonard Scheicher, Jakub Gierszal, Max Pellny, Markus Hering, Dieter Meier

DVD
Alamode Film
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial (angekündigt): Interview, Making of, Deleted Scenes, Trailer
Länge: 91 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Finsterworld“
Moviepilot über „Finsterworld“
Wikipedia über „Finsterworld“
Die Zeit: Ijoma Mangold unterhält sich mit Christian Kracht über „Finsterworld“ (10. Oktober 2013)


TV-Tipp für den 13. Februar: Carlos – Der Schakal

Februar 13, 2014

Das ist jetzt etwas Hardcore oder für den Recorder

Arte, 21.40 Uhr (Teil 1), 23.20 Uhr (Teil 2), 01.10 Uhr (Teil 3)

Carlos – Der Schakal (Teil 1, Teil 2, Teil 3) (Frankreich/Deutschland 2010, R.: Olivier Assayas)

Drehbuch: Olivier Assayas, Dan Franck

Grandioses Biopic über den Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, genannt „Carlos“ (Édgar Ramirez in der Rolle seines Lebens), in der langen, aber extrem kurzweiligen dreiteiligen TV-Fassung.

mit Édgar Ramírez, Nora von Waldstätten, Alexander Scheer, Christoph Bach, Julia Hummer, Aljoscha Stadelmann, Jule Böwe, Ahmat Kaabour, Udo Samel

Hinweise

Arte über „Carlos – Der Schakal“

Französische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Carlos“

Wikipedia über Illich Ramirez Sánchez (Carlos) (deutsch, englisch)

The Crime Library: Patrick Bellamy über Carlos

Meine Besprechung von Olivier Assayas‘ „Carlos – Der Schakal“ (Kinofassung)
Meine Besprechung von Olivier Assayas‘ „Carlos – Der Schakal“ (Director’s Cut – bzw. die dreiteilige TV-Fassung)

Meine Besprechung von Olvier Assayas‘ „Die wilde Zeit“ (Après Mai, Frankreich 2012) (und der DVD)


TV-Tipp für den 13. Juni: Dutschke

Juni 13, 2013

 

3sat, 22.25

Dutschke (D 2010, R.: Stefan Krohmer)

Drehbuch: Daniel Nocke

LV: Gretchen Dutschke: Wir hatten ein barbarisch, schönes Leben, 1996

Hochgelobtes Biopic über Rudi Dutschke und die wilden Jahre in Westberlin um 1968.

Ein ernsthafter, respektabler, in seinen Details nachdenklich stimmender Film auf der Höhe der Möglichkeiten des Genres.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Christoph Bach, Emily Cox, Pasquale Aleardi, Matthias Koeberlin

Hinweise

Filmportal über „Dutschke“

Wikipedia über „Dutsche“ und Rudi Dutschke