Neu im Kino/Filmkritik: Filme ohne Bienen: „Im letzten Sommer“, „Animalia“, „Baby to go“, „15 Jahre“, „The Royal Hotel“

Januar 12, 2024

Beginnen wir den Überblick über die aktuellen Filmstarts (abgesehen von dem Imkerfilm) mit einem Remake, gehen dann in die Zukunft und reisen über Deutschland nach Australien.

Zehn Jahre nach ihrem letzten Film kehrt Catherine Breillat mit „Im letzten Sommer“ in die Kinos zurück. Sie erzählt die Liebesgeschichte zwischen der ungefähr fünfzigjährigen erfolgreichen Anwältin Anne (Léa Drucker) und dem siebzehnjährigen Théo (Samuel Kircher, Debüt). Théo ist der Sohn ihres Mannes aus erster Ehe. Sie gehören zur Bourgeoisie, haben zwei Mädchen adoptiert und leben ein glückliches und sorgloses Leben. Mit ihrer Affäre setzt Anne das alles aufs Spiel.

Im letzten Sommer“ ist das französische Eins-zu-eins-Remake von May el-Toukhys „Königin“ (Dronningen, Dänemark/Schweden 2019). Wie bei anderen aktuellen Remakes sind die Änderungen so gering, dass es zu einer Frage des persönlichen Geschmacks wird, welche Fassung einem besser gefällt. Und welche Schauspieler man für attraktiver hält. Also Trine Dyrholm im Original als Verführerin oder Léa Drucker. Gustav Lindh im Original als verführten und verführenden Teenager oder Samuel Kircher, der stark an Timothée Chalamet erinnert.

Größere Änderungen gibt es im dritten Akt. Sie ändern aber nichts daran, dass das Remake so nah am Original ist, dass niemand, der das Original kennt, sich das Remake ansehen muss. Es ist, als ob man einen Film, zugegebenen einen guten Film, der interessante moralische Fragen aufwirft und keine seiner Figuren verurteilt, zum zweiten Mal sieht.

Samuel Kircher erhielt die Rolle auf Empfehlung seines Bruders Paul. Der war ursprünglich für die Rolle des Siebzehnjährigen vorgesehen, aber veränderte Drehpläne verhinderten das. Er spielt jetzt in „Animalia“ eine Hauptrolle.

Im letzten Sommer (L’été dernier, Frankreich 2023)

Regie: Catherine Breillat

Drehbuch: Catherine Breillat, Pascal Bonitzer (Mithilfe) (basierend auf dem Drehbuch zu „Königin“ [Dronningen] von May el-Toukhy und Maren Louise Käehne)

mit Léa Drucker, Samuel Kircher, Olivier Rabourdin, Clotilde Courau, Serena Hu, Angela Chen

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Im letzten Sommer“

AlloCiné über „Im letzten Sommer“

Metacritic über „Im letzten Sommer“

Rotten Tomatoes über „Im letzten Sommer“

Wikipedia über „Im letzten Sommer“ (deutsch, englisch, französisch)

Animalia“ hatte seine Premiere in Cannes beim Filmfestival. In Deutschland lief Thomas Cailleys neuer Film beim letzten Fantasy Filmfest als Centerpiece. Und damit dürfte klar sein, in welche Richtung der Film geht.

In der nahen Zukunft verwandeln einige Menschen sich langsam in Tiere. Zuerst sind die Veränderungen kaum zu bemerken. Später wird aus einem Arm ein Flügel und das Sprechvermögen nimmt ab. WiesoWeshalbWarum es zu diesen Mutationen kommt, ist unklar. Aber es kann jeden treffen und der Umgang mit diesen mutierten Menschen ist schwierig. Das spüren auch der sechzehnjährige Emile (Paul Kircher) und sein Vater Francois (Roman Duris). Denn Emiles Mutter verwandelt sich in ein Tier und soll ein ein extra für die mutierten errichtetes Zentrum gebracht werden. Dort soll sie geheilt werden. Francois will in ihrer Nähe bleiben. Deshalb zieht er mit seinem Sohn um in die Provinz. Auf dem Weg zum Zentrum verunglückt der Transporter und die Passagiere flüchten in den Wald.

Während die Polizei die Flüchtlinge sucht, versuchen Francois und Emile sich in ihrem neuen Wohnort einzurichten. Francois will, während er zunehmend verzweifelt in den Wäldern seine Frau sucht, als liebender Vater und Ehemann das Richtige tun. Emilie sucht und findet neue Freunde. Da bemerkt Emilie Veränderungen bei sich. Auch er wird zu einem Tier mutieren.

Animalia“ ist ein atmosphärischer Hybrid aus Science-Fiction-, Horror- und Coming-of-Age-Film, der aus einem Minimum an Erklärungen das Maximum herausholt. Er konzentriert sich dabei auf die Vater-Sohn-Geschichte und wie sie, einzeln und gemeinsam, versuchen, mit den Veränderungen umzugehen.

Animalia (Le règne animal, Frankreich 2023)

Regie: Thomas Cailley

Drehbuch: Thomas Cailley, Pauline Munier

mit Romain Duris, Paul Kircher, Adèle Exarchopoulos, Tom Mercier, Billie Blain, Xavier Aubert, Saadia Bentaïeb, Gabriel Caballero

Länge: 128 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (mit Eltern ab 6 Jahren erlaubt [Uhuh])

Hinweise

Moviepilot über „Animalia“

AlloCiné über „Animalia

Rotten Tomatoes über „Animalia“

Metacritic über „Animalia“

Wikipedia über „Animalia“ (deutsch, englisch, französisch)

Bleiben wir in der Zukunft und wenden uns dem Probelm der Schwangerschaft zu. Obwohl das, wenn wir uns Sophie Barthes „Baby to go“ ansehen, kein Problem mehr ist. Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor) leben in New York in einer luxuriösen und hochmodernen Wohnung. Es ist ein Biologe, der an das Natürliche glaubt und möglichst viel von der Natur bewahren möchte. Sie ist eine aufstrebende Managerin in einem Tech-Unternehmen. Sie möchte ein Kind und ist erfreut, als sie einen der wenigen Plätze in einer Geburtsklinik bekommt. Dort könnte sie, mit einem künstlichem Brutkasten, Pod genannt, ein Kind bekommen ohne auf ihre Arbeit verzichten zu müssen. Den Pod könnte sie wie eine Babybauch-Attrappe umschnallen, sich dann wie eine normale schwangere Frau fühlen und eine innige Beziehung zu ihrem Baby aufbauen. Begleitet würde sie bei ihrer Schwangerschaft von der Künstlichen Intelligenz der Firma, die sie so anleiten würde, dass ihre Schwangerschaft für ihr Kind optimal verläuft. Auch Alvy könnte den Pod tragen und so schon vor der Geburt eine Verbindung zu seinem Kind aufbauen.

Aber Alvy würde eine natürliche Schwangerschaft bevorzugen.

Barthes‘ Idee mit den Pods für künstliche und glückliche Schwangerschaften ist bestehend. Den daraus entstehenden Konflikt zwischen künstlicher und natürlicher Schwangerschaft formuliert sie schön aus. Sie entwirft dabei, immer mild satirisch überspitzt, eine durchaus glaubwürdige Zukunft. Aber nach einem guten Auftakt wird der Film im zweiten Akt, wenn Alvy der künstlichen Schwangerschaft zustimmt, immer zäher bis hin zu einem schwachen Ende. Und so fühlt sich diese Science-Fiction-Satire trotz guter Ideen, guter Inszenierung, guten Schauspielern und liebevoller Ausstattung fast schon wie eine Zeitverschwendung an.

Baby to go (The Pod Generation, Großbritannien 2023)

Regie: Sophie Barthes

Drehbuch: Sophie Barthes

mit Emilia Clarke, Chiwetel Ejiofor, Vinette Robinson, Rosalie Craig, Jean-Marc Barr, Jelle De Beule

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

ursprünglich als „The Pod Generation angekündigt

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Baby to go“

Metacritic über „Baby to go“

Rotten Tomatoes über „Baby to go“

Wikipedia über „Baby to go“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Sophie Barthes‘ „Madame Bovary“ (Madame Bovary, USA/Deutschland/Belgien 2014)

Siebzehn Jahre nach „4 Minuten“ erzählt Chris Kraus die Geschichte von Jenny von Loeben (Hannah Herzsprung) weiter. Die begnadete Pianistin saß fünfzehn Jahre für einen Mord, den sie nicht begangen hat, im Gefängnis. Ihr damaliger Freund war der Täter.

Inzwischen ist ihre Jugendliebe als Gimmiemore (Albrrecht Schuch) bekannt. Aus dem Punker wurde ein erfolgreicher Schlagersänger und er ist Jury-Mitglied einer quotenträchtigen TV-Talentshow, in dem behinderte Musiker gegeneinander antreten.

Die immer noch äußerst unberechenbare und aggressive Jenny will sich an ihm rächen. Zusammen mit einem aus Syrien geflüchteten Musiker, der dort seine Hand, aber nicht seine postivie Lebenseinstellung verlor, beteiligt sie sich an der Talentshow.

Die Story von „15 Jahre“ ist eine wüste Kolportage, die einfach alles in die Geschichte packt, was gerade aktuell ist, einen guten Film oder eine gute Szene abgeben könnte. Dass vieles dabei nicht besonders glaubwürdig und wahrscheinlich ist, nimmt Chris Kraus sehenden Auges in Kauf. Die Schauspieler – Hannah Herzsprung als beständig ausflippende und um sich schlagende Pianistin, Albrecht Schuch als Parodie eines aalglatten TV-Talentshow-Jurors mit atemberaubend schlecht sitzender Perücke – werfen sich lustvoll in die unwahrscheinliche Geschichte und Chris Kraus inszeniert das kraftvoll als Rachefantasie voller physisch und psychisch Versehrter. Das Ergebnis ist halb großartiges Kino, das weder kunstvolles Arthauskino noch banales Kommerzkino ist und nie langweilt.

15 Jahre (Deutschland 2023)

Regie: Chris Kraus

Drehbuch: Chris Kraus

mit Hannah Herzsprung, Hassan Akkouch, Albrecht Schuch, Christian Friedel, Adele Neuhauser, Stefanie Reinsperger, Katharina Schüttler, Désirée Nosbusch

Länge: 144 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „15 Jahre“

Moviepilot über „15 Jahre“

Wikipedia über „15 Jahre“

Meine Besprechung von Chris Kraus‘ „Die Blumen von gestern“ (Deutschland 2016)

Nach Australien geht es mit den beiden Rucksacktouristinnen Hanna (Julia Garner) und Liv (Jessica Henwick). Als sie in Sydney ihren letzten Cent verfeiert haben, nehmen sie einen Job als Bedienung in dem titelgebenden „The Royal Hotel“ an. Dieses Hotel liegt im australischen Outback in der Nähe einer abgelegenen Bergbausiedlung. Es ist ein heruntergekommener Schuppen, in dem billiger Alkohol an die prollige Kundschaft, – Einheimische, Bergarbeiter und Quartalssäufer -, verkauft wird. Billy (Hugo Weaving), der Besitzer der Kneipe, heuert immer wieder arbeitssuchende Rucksacktouritinnen an. Für einige Wochen arbeiten sie als billige Arbeitskräfte im „Royal Hotel“.

Kitty Green erzählt vor allem, wie Hanna und Liv in der Kneipe arbeiten und die Kunden kennen lernen. Dabei sind sie immer wieder verstört von der australischen Saufen-bis-zum-umfallen-Trinkkultur und dem sexistischen und primitiven Verhalten der Gäste.

Viel mehr passiert bis zum Ende nicht. Es gibt keine Charakterentwicklung und keine Story, sondern nur die intensive, aber nicht sonderlich in die Tiefe gehende Beschreibung einer Situation und eines Ortes. Denn über die Trinker erfahren wir nur das, was sie in der Kneipe tun. Und das erschöpft sich im trinken und reden. Ein Film wie die Lektüre einer Feldstudie.

Die Inspiration für Kitty Green war Peter Gleesons Dokumentarfilm „Hotel Coolgardie“, den sie ziemlich genau nachstellte.

The Royal Hotel (The Royal Hotel, USA 2023)

Regie: Kitty Green

Drehbuch: Kitty Green, Oscar Redding (inspiriert von dem Dokumentarfilm „Hotel Coolgardie“)

mit Julia Garner, Jessica Henwick, Toby Wallace, Hugo Weaving, Ursula Yovich, Daniel Henshall, James Frecheville, Herbert Nordrum

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Royal Hotel“

Metacritic über „The Royal Hotel“

Rotten Tomatoes über „The Royal Hotel“

Wikipedia über „The Royal Hotel“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Skin“ – die wahre Geschichte eines Ausstiegs

Oktober 5, 2019

Ziemlich am Anfang des Films deutet Daryle Lamont Jenkins, Gründer des One People’s Project, auf ein Bild von Bryon ‚Babs‘ Widner und sagt, dieser hundertfünfzigprozentig überzeugte Neonazi werde aus der Szene aussteigen und sie würden ihm dabei helfen. In dem Moment halten alle anderen die Prognose für ausgemachten Quatsch, der noch nicht einmal Wunschdenken genannt werden kann. Auch Widner denkt überhaupt nicht daran auszusteigen.

In dem Moment ist Widner eine treibende Kraft in der US-Skinhead-Szene, ein überzeugter Neonazi und ständig gewaltbereit. Außerdem ist sein gesamter Körper und sein Gesicht mit Tätowierungen übersät. Er ist erkennbarer als der sprichwörtliche ‚bunte Hund‘. Er ist Mitbegründer des Vinlanders Social Club, einer rassistischen Vereinigung, die 2010 vom Phoenix Police Department und der Anti-Defamation League (ADF) zerschlagen wurde. Eine besonders enge Beziehung hat Widner zu seinen Zieheltern ‚Ma‘ Sharen und ‚Pa‘ Fred Krager, die ihn als ihren Thronfolger sehen. Sie sind keine richtigen Eltern, sondern letztendlich die Führer eines Kults. Sie indoktrinieren, betreiben Gehirnwäsche und verlangen bedingungslosen Gehorsam. Widner hat damit keine Probleme.

Als er 2009 während des Nordic Fest der Neonazis die dreifache Mutter Julie Price kennenlernt und sich in sie verliebt, beginnt er über sein Leben nachzudenken.

Als der Israeli Guy Nattiv, Enkel von vier Holocaust-Überlebenden, nach seinem ersten US-Filmprojekt suchte, stieß er auf eine Reportage über Widners Ausstieg aus der Neonaziszene und der sich über 630 Tage und 612 Sitzungen hinziehenden Tattoo-Entfernung. Diese Tattoo-Entfernung, die in Ausschnitten während des gesamten Films gezeigt wird, zieht sich als Leitmotiv durch den Film.

Nach Gesprächen mit Widner, Jenkins und anderen Beteiligten schrieb und inszenierte Nattiv den Film, der nah an der Wirklichkeit bleibt und definitiv nicht zum Werbevideo für die Neonaziszene und die White Supremacy-Anhänger taugt.

Jamie Bell spielt Widner, Danielle Macdonald seine Freundin Julie, Vera Farmiga ‚Ma‘, Bill Camp ‚Pa‘ und Mike Colter den Bürgerrechtsaktivisten Jenkins. Gerade von Farmiga als Mutter, die für ihre Ziele über Leichen geht, und Colter, der Widner bei dem Ausstieg hilft, hätte man gerne mehr gesehen. Bei Farmiga wegen ihres Spiels. Bei Colter wegen seiner Rolle. So geht das ganze Ausstiegsprozedere im Film letztendlich in einem Gespräch in einem Diner über die Bühne.

Auch über das Gedankengebäude der Suprematisten, die an die Vorherrschaft der weißen Rasse glauben, und wie sie ihre Botschaft verbreiten, erfährt man im Film wenig. Darüber, wie sie junge, elternlose Menschen beeinflussen und von sich abhängig machen, erfährt man mehr.

Nattiv konzentriert sich, mit einigen künstlerischen Freiheiten, auf Widner und seine Beziehung zu seinen Zieheltern und zu seiner neuen Freundin.

Allerdings geschieht Widners Ausstieg im Film etwas zu mühelos. Da verliebt Widner sich in eine aus einem ähnlichen Umfeld kommende Frau. Sie ziehen zusammen. Er verlässt seine alte Familie, Freunde und Lebensstil.

In der Realität spielte Widners Glaube, zu dem er durch Julie und ihre Eltern fand, eine große Rolle und die Erkenntnis, dass die Weißen doch nicht die Herrenrasse sind: „I just knew so many white people that were just such scumbags that I couldn’t say, ‚Okay, every white person is somewhat superior than every black person,‘ when, you know, I’m seeing complete opposite. Kind of realized the only thing I had achieved in my life was a bunch of scars, a legal record, and halfway cirrhosis of the liver. That’s it. I’ve achieved nothing else in life. Nothing positive. I was actually literally trying to drink myself to death. I was just looking for a way out. I was done. I had given up on life. I had given up on everything. I was just done.“

Skin“ ist ein sehenswertes Drama. Auch wenn gerade die, die sich den Film unbedingt ansehen sollten, sich diesen Film nicht ansehen wollen. Durch seinen gelungenen Ausstieg zeigt Widner, dass ihre fundamentalen Prinzipien, vor allem der Glaube an die Unveränderbarkeit des einzelnen Menschen und die Überlegenheit der eigenen Rasse, falsch sind.

Skin (Skin, USA 2018)

Regie: Guy Nattiv

Drehbuch: Guy Nattiv

mit Jamie Bell, Danielle Macdonald, Bill Camp, Vera Farmiga, Mike Colter, Daniel Henshall, Louisa Krause, Mary Stuart Masterson

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Skin“

Metacritic über „Skin“

Rotten Tomatoes über „Skin“

Wikipedia über „Skin“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Skin“

History vs. Hollywood über „Skin“


TV-Tipp für den 5. September: Der Babadook

September 5, 2018

Tele 5, 22.05

Der Babadook (The Babadook, Australien 2014)

Regie: Jennifer Kent

Drehbuch: Jennifer Kent

Die alleinerziehende Amelia liest ihrem siebenjährigem, extrem verhaltensauffälligem Sohn Samuel das gruselige Kinderbuch „Mister Babadook“ vor – und dann klopft der Unhold an die Tür.

Jennifer Kent inszeniert in ihrem Horrorfilm die vertraute Geschichte vielschichtig, voller Anspielungen und mit neuen Facetten. Dafür gab es sehr viel, absolut berechtigtes Lob.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung des Meisterwerks.

mit Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall, Hayley McElhinney, Barbara West, Ben Winspear

Wiederholung: Samstag, 8. September, 00.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Der Babadook“
Moviepilot über „Der Babadook“
Metacritic über „Der Babadook“
Rotten Tomatoes über „Der Babadook“ (Frischegrad: 98 Prozent)
Wikipedia über „Der Babadook“ 

Meine Besprechung von Jennifer Kents „Der Babadook“ (The Babadook, Australien 2014)


TV-Tipp für den 13. September: Der Babadook

September 13, 2017

Tele 5, 22.10

Der Babadook (The Babadook, Australien 2014)

Regie: Jennifer Kent

Drehbuch: Jennifer Kent

Die alleinerziehende Amelia liest ihrem siebenjährigem, extrem verhaltensauffälligem Sohn Samuel das gruselige Kinderbuch „Mister Babadook“ vor – und dann klopft der Unhold an die Tür.

TV-Premiere eines Horrorfilms mit vertraute Geschichte, die Jennifer Kent allerdings vielschichtig und voller Anspielungen inszenierte. Dafür gab es sehr viel, absolut berechtigtes Lob.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung des Meisterwerks.

mit Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall, Hayley McElhinney, Barbara West, Ben Winspear

Wiederholung: Donnerstag, 14. September, 23.40 Uhr

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Der Babadook“
Moviepilot über „Der Babadook“
Metacritic über „Der Babadook“
Rotten Tomatoes über „Der Babadook“ (Frischegrad: 98 Prozent)
Wikipedia über „Der Babadook“ 

Meine Besprechung von Jennifer Kents „Der Babadook“ (The Babadook, Australien 2014)


Neu auf Netflix/Filmkritik: „Okja“, der Film über den Cannes sich ärgerte

Juli 6, 2017

 

Okja“, der neue Film von „Snowpiercer“-Regisseur Bong Joon Ho, lief dieses Jahr in Cannes im Wettbewerb und er wurde – Filmfestivals haben in ihrer Gruppendynamik etwas von Musikfestivals – mit Buhrufen begrüßt. Jury-Präsident Pedro Almodóvar sagte zum Festivalauftakt, dass er sich nicht vorstellen könne, eine Film auszuzeichnen, der nicht auf der großen Leinwand laufe. Es gab eine Diskussion über die Regeln für eine Teilnahme am Cannes Filmfestival.

Wir erfuhren, dass in Frankreich Filme, erst 36 Monate (3 Jahre!) nach dem Kinostart als VoD ausgewertet werden dürfen.

Für das Cannes-Filmfestival wurden die Regeln geändert. Ab nächstem Jahr müssen Filme, die im Wettbewerb gezeigt werden, einen Kinostart in Frankreich haben.

Der Grund für diese Aufregung war, dass „Okja“ von Netflix produziert wurde und der Streamingdienst zum ersten Mal am Festival teilnahm. Und wie alle Netflix-Produktionen wird auch „Okja“ nicht im Kino, sondern nur auf Netflix gezeigt. Leider. Denn „Okja“ ist ein guter Film.

Okja ist ein elefantengroßes Schwein, das in den abgelegenen Bergen von Südkorea aufwächst. Es gehört zu einer Gruppe von gentechnisch modifizierten Schweinen, die vor zehn Jahren von Lucy Mirando (Tilda Swinton) an verschiedene Orte auf dem Globus verteilt wurden. So soll herausgefunden werden, was in jeder Beziehung die optimalen Bedingungen für die Aufzucht eines Schweins mit sind. Es ist ein Projekt der Mirando Coprporation, das den Menschen mit einer sentimentalen Geschichte gentechnisch verändertes Fleisch schmackhaft machen soll. Nach zehn Jahren soll das schönste Schwein prämiert und der staunenden Öffentlichkeit präsentiert werden.

Jetzt ist es soweit und Mija (An Seo Hyun) erfährt, dass ihr bester Freund Okja sie verlassen muss – und als Schnitzel enden wird. Um sie zu retten verfolgt sie sie um die halbe Welt bis nach New York.

In dem Moment ist die Freundschaft zwischen Mija und Okja fest etabliert. Gerade am Anfang, wenn die zwei durch den Wald toben, erinnern die Bilder in ihrer Verspieltheit und Warmherzigkeit an, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, Walt Disneys „Elliot, der Drache“ (ein sehr loses Remake des Trickfilms „Elliot, das Schmunzelmonster“); einem anderen Film über die Freundschaft zwischen einem Kind und einem sehr großem Tier, das es eigentlich nicht geben dürfte. Man könnte auch jeden anderen Film über die unzertrennliche Freundschaft zwischen einem Kind und einem Tier nennen.

Bong Joon Ho erzählt Mija und Okjas Geschichte als einen kindgerechten Abenteuerfilm für die ganze Familie, der mit eindeutigen Bildern von der Massentierhaltung endet. Spätestens in dem Moment beginnt man über seine Ernährung nachzudenken.

Die Fronten zwischen Gut und Böse sind eindeutig verteilt, aber Bong Joon Ho und sein Co-Drehbuchautor Jon Ronson (der auch die Vorlagen für „Männer, die auf Ziegen starren“ und „Frank“ schrieb) verurteilen und dämonisieren niemand, während sie die Massentierhaltung und genetische Experimente (Okja ist nur deshalb so groß, damit sie besonders viel Fleisch liefern kann) eindeutig ablehnen.

Während des Films gibt es zahlreiche satirische Spitzen gegen das Fernsehen, Unterkategorie Tierdokus, internationale Konzerne, die Fleischindustrie und radikale Tierschützer. Die lustvoll übertrieben spielenden Schauspielern wie Jake Gyllenhaal (als TV-Tierdokumoderator), Paul Dano (als Anführer der friedlichen „Animal Liberation Front“ [ALF]) und Tilda Swinton (als Firmenchefin, die ihrer Firma ein neues Image verpassen will) genießen erkennbar ihre Rollen. Swinton spielte schon in „Snowpiercer“ einen hemmungslos überzeichneten Charakter. In „Okja“ ist sie eine Firmenchefin, die gleichzeitig schutzbedürftig, visionär, eiskalt, berechnend und auch etwas dumm,aber sehr von ihren Plänen überzeugt ist. Und Paul Dano als Sprecher der friedlich-radikalen, nicht vor Straftaten zurückschreckende Tierschützer ist ein wirklich netter Kerl. Wenn auch etwas realitätsfern; – was aber für fast alle Erwachsenen in dem Film gilt.

Nach „Snowpiercer“ ist Bong Joon Ho mit „Okja“ eine weitere zum Nachdenken anregende, treffsichere und pointierte Satire und Gesellschaftskritik gelungen. Dieses Mal auch und vor allem für ein jüngeres Publikum. „Snowpiercer“ hat ja nicht umsonst eine FSK-16-Freigabe erhalten.

P. S.: In den USA läuft der Film in einigen Kinos. Vielleicht gelingt es einigen deutschen Kinos, den Film zu zeigen. Denn „Okja“ ist ein Film für die große Leinwand. Zur Not auch in einem Open-Air-Kino.

Okja (Okja, USA/Südkorea 2017)

Regie: Bong Joon Ho

Drehbuch: Bong Joon Ho, Jon Ronson (nach einer Geschichte von Bong Joon Ho)

mit Tilda Swinton, Paul Dano, An Seo Hyun, Byun Heebong, Steven Yeun, Lily Collins, Yoon Je Moon, Shirley Henderson, Daniel Henshall, Devon Bostick, Woo Shik Choi, Giancarlo Esposito, Jake Gyllenhaal

Länge: 120 Minuten

FSK: ? (Neflix meint „not for kids“)

Hinweise

Netflix über „Okja“

Moviepilot über „Okja“

Metacritic über „Okja“

Rotten Tomatoes über „Okja“

Wikipedia über „Okja“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Bong Joon-hos „Snowpiercer (Snowpiercer, Südkorea/USA/Frankreich 2013)

Die Cannes-Pressekonferenz

Ein TIFF-Skype-Gespräch mit dem Regisseur


Neu im Kino/Filmkritik: „Der Babadook“ lässt dich nicht los

Mai 7, 2015

Immer wieder wird nach Innovationen gerufen. Und dann sieht man einen Film wie „Der Babadook“, der einfach nur, mit kleinen Variationen, eine bekannte Geschichte erzählt und man freut sich über einen herrlich altmodischen Horrorfilm.
Seit dem Unfalltod ihres Mannes vor fast sieben Jahren erzieht die introvertierte Krankenschwester Amelia (Essie Davis) ihren, höflich formuliert, schwer erziehbaren Sohn Samuel (Noah Wiseman). Eines Tages entdeckt Samuel in seinem Zimmer das aus dem Nichts aufgetauchte Kinderbuch „Mister Babadook“. Er glaubt, dass der Babadook das Monster aus seinen Träumen ist. Amelia hält das für Quatsch, aber, wie es in dem Buch steht: wenn man den Babadook gerufen hat, kommt er und raubt einem zuerst den Schlaf.
Dass Amelia jetzt das Buch und den Babadook, der sich immer mehr in ihr Leben einmischt, nicht los wird, dürfte niemand überraschen.
Aber wie Jennifer Kent in ihrem Debütfilm diese Geschichte erzählt, schon. Auf der einen Seite folgt sie sehr traditions- und stilbewusst den Genreregeln. Der Babadook scheint direkt aus einem expressionistischem deutschen Stummfilmhorrorfilm entsprungen zu sein. Die sich auf die dunklen Töne fokussierende Farbpalette erinnert an die alten SW-Horrorfilme. Die Ausstattung ist artifiziell, zeitlos und hat immer die Patina von vergangenen, besseren Zeiten. Allein das verschafft dem Film von Genrefans schon lobende Worte. Immerhin ist die Zahl der guten Horrorfilme überschaubar, während schlechte Horrorfilme, vor allem im Found-Footage- oder Torture-Porn-Subgenre, sich wie Schmeißfliegen vermehren.
Gleichzeitig erzählt Kent im Gewand eines Horrorfilms von einem problematischen Abhängigkeitsverhältnis. Amelia und Samuel brauchen sich gegenseitig. Samuel kann ein lieber Junge sein, der sich liebevoll um seine Mutter kümmert, die den Tod ihres Mannes immer noch nicht verarbeitet hat. Ihr Mann starb bei einem Autounfall auf dem Weg zum Krankenhaus. Die schwangere Amelia und ihr Kind Samuel überlebten. Bis heute hat sie diesen Verlust nicht überwunden und Samuel weiß, dass bei seiner Geburt sein Vater starb. Eine traumatischere Mutter-Sohn-Beziehung kann es wohl kaum geben.
Kent erzählt auch von den Folgen des Verdrängen. Denn selbstverständlich symbolisiert der Babadook auch Amelias erfolglosen Bemühungen, den Tod ihres Mannes zu verdrängen. Aber das Verdrängte kommt irgendwann zurück. Eben diese emotionale Reise von Amelia verleiht dem Film eine zuletzt im Horrorfilm selten gesehene Tiefe.
Dabei erzählen Horrorfilme und Horrorgeschichten immer von unseren Ängsten und dem was wir und die Gesellschaft unterdrücken oder verdrängen.
Laut IMDB erhielt der Film bis jetzt 37 Preise und 51 Nominierungen, was für einen kleinen Independent-Film aus Australien enorm ist und eigentlich alles über seine Qualitäten sagt. Essie Davis (derzeit die 20-Jahre-Krimiserie „Miss Fisher’s Murder Mysteries“ [Miss Fishers mysteriöse Mordfälle]) erhielt für ihre überragende Interpretation der psychisch kranken und überforderten Mutter etliche Preise.
Stephen King, der ja gerne Bücher und Filme von Kollegen lobt, und William Friedkin, der das seltener tut, waren ebenfalls begeistert von „Der Babadook“ und für BBC-Filmkritiker Mark Kermode ist „Der Babadook“ der beste Film des letzten Jahres.
Hm, bei so viel Lob, sollte ich vielleicht jetzt, in bester Alfred-Hitchcock-Tradition sagen: „Es ist nur ein Film.“
Aber ein verdammt guter, äußerst stilbewusster, gut gespielter Horrorfilm, der Schocks mit einer emotionalen Geschichte verbindet. Ja, „you can’t get rid of The Babadook“.

Der Babadook - Plakat

Der Babadook (The Babadook, Australien 2014)
Regie: Jennifer Kent
Drehbuch: Jennifer Kent
mit Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall, Hayley McElhinney, Barbara West, Ben Winspear
Länge: 94 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Der Babadook“
Moviepilot über „Der Babadook“
Metacritic über „Der Babadook“
Rotten Tomatoes über „Der Babadook“ (Frischegrad: 98 Prozent)
Wikipedia über „Der Babadook“ 

Ein Interview mit Jennifer Kent über den Film

und eines mit Jennifer Kent und Essie Davie