Neu im Kino/Filmkritik Über die Robert-Littell-Verfilmung „The Amateur“

April 10, 2025

Charlie Heller (Rami Malek) arbeitet bei der CIA und er ist das komplette Gegenteil von so taffen Agenten wie James Bond (okay, Brite), Jason Bourne (okay, entlassen) und Ethan Hunt (hm, nie so richtig beim CIA angestellt), sondern ein Dechiffrierexperte. Er sitzt in der CIA-Zentrale im Keller, starrt Computerbildschirme an, entschlüsselt Dokumente und versucht aus Informationskrümeln ein Bild zu erstellen, das dann die Grundlage für die Einsätze von den im Feld arbeitenden Agenten ist. Privat ist er ein introvertierter Tüftler, der auch beim Zusammenschrauben eines alten Flugzeugs eine Krawatte trägt, die er nicht beschmutzt. Er ist glücklich verheiratet. Sarah ist die Liebe seines Lebens.

Als sie in London während einer Tagung bei einem Attentat erschossen wird und seine Vorgesetzten ihn mit höflichen Floskeln abspeisen, beginnt er die Mörder seiner Frau auf eigene Faust zu verfolgen. Dabei verfügt er, wie ein kurzzeitiger Ausbildungsversuch bei dem CIA-Ausbilder Henderson (Laurence Fishburne) zeigt, über keinerlei Fähigkeiten, die ein Spezialagent benötigt. So trifft er mit einer Pistole sein Ziel, wenn er unmittelbar vor ihm steht. Halbwegs.

Aber Heller ist schlau. Er ist nicht der Jäger, der seiner Beute hinterherläuft, sondern er stellt ihr Fallen und lässt sie in diese hineinlaufen.

The Amateur“ ist die zweite Verfilmung von Robert Littells im Original 1981 erschienenem Agententhriller. Die erste Verfilmung war 1981 von Charles Jarrott mit John Savage als Charlie Heller. Sie ist inzwischen weitgehend vergessen.

Eine zweite Verfilmung war in Hollywood seit Jahren im Gespräch. Schließlich ist die Geschichte von dem schlauen Normalbürger auf Rachemission ein guter Filmstoff. 2006 sollte Hugh Jackman die Hauptrolle übernehmen. Jetzt spielt Rami Malek die Hauptrolle.

James Hawes übernahm die Regie. Zu seinen früheren Arbeiten gehören die Pilotfolge von „DCI Banks“ und Episoden für „Black Mirror“, „Snowpiercer“ und „Slow Horses“.

Das Drehbuch ist von Ken Nolan und Gary Spinelli und etlichen weiteren nicht genannten Autoren, wie Evan Katz (er war 2006 mit dem Schreiben des Drehbuchs beauftragt), Scott Z. Burns, Scott Frank, Robert Littell und Patrick Ness. Wie groß ihr Einfluss auf das jetzt verfilmte Drehbuch ist, ist unklar, aber klar ist, dass „The Amateur“ lange in der Entwicklungshölle feststeckte.

Nolan, der auch das Drehbuch für die auf Robert Littells gleichnamigem Roman basierende TV-Miniserie „The Company“ (über die CIA während des Kalten Krieges) schrieb und der aktuell an mindestens einer weiteren Robert-Littell-Verfilmung arbeitet, und Spinelli (u. a. „Barry Seal – Only in America“) verlegten die im Kalten Krieg spielende Rachegeschichte in die Gegenwart. Hawes verfilmte sie als durch Europa globetrottenden, angenehm altmodischen Agenten- und Rachethriller mit arg vorhersehbarer Geschichte. Letztendlich arbeitet Heller einfach die Liste der Täter ab.

Die Terroristen, die für den Tod von Hellers Frau verantwortlich sind, sind keine ideologisch überzeugten Täter, sondern von einem unbekanntem und unbekannt bleibendem Auftraggeber angeheuerte skrupellose Söldner, die ihre Dienste meistbietend verkaufen. Während ihr Motiv Geld ist, sind die Motive der Auftraggeber unklar. Entsprechend politikfrei ist der gesamte Film.

Nach Sarahs Tod geht es um Trauer, Rache und, vor allem, wie ein schlauer Mann Bösewichter tötet. Nach seiner ersten Tat wollen sie ihn töten. Das macht für ihn in der Theorie die Jagd gefährlicher. Seine Vorgesetzten wollen ihn von weiteren Morden abhalten. Während die Bösewichter nur dazu da sind, von Heller umgebracht zu werden, sind seine Vorgesetzten, weil wir mehr über ihre Motive erfahren, etwas weniger eindimensional.

Action gibt es wenig. Schließlich ist Heller kein Nahkämpfer. Der Anti-James-Bond lockt seine Gegner in Fallen und bringt sie anderweitig um. Teils spektakulär und mit hohem Sachschaden, aber ohne Unschuldige zu verletzen.

Das ist dann, wie die Romanvorlage, näher an John le Carré als an Ian Fleming.

The Amateur (The Amateur, USA 2025)

Regie: James Hawes

Drehbuch: Ken Nolan, Gary Spinelli

LV: Robert Littell: The Amateur, 1981 (Sein oder Nichtsein…)

mit Rami Malek, Laurence Fishburne, Rachel Brosnahan, Caitríona Balfe, Jon Bernthal, Michael Stuhlbarg, Holt McCallany, Julianne Nicholson, Adrian Martinez, Danny Sapani

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Amateur“

Metacritic über „The Amateur“

Rotten Tomatoes über „The Amateur“

Wikipedia über „The Amateur“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Hawes‘ „Inspector Banks – Mord in Yorkshire: Die komplette erste Staffel`“ (DCI Banks, Großbritannien 2010/2011)

Meine Besprechung von John Hawes‘ „Der Verdacht des Mr. Whicher: Der Mord von Road Hill House“ (The Suspicions of Mr Whicher: The Murder at Road Hill House, Großbritannien 2011)

Meine Besprechung von James Hawes‘ „One Life – Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (One Life, Großbritannien 2023)

Meine Besprechung von Robert Littels „Zufallscode“/“Der Gastprofessor“ (The Visiting Professor, 1993)

Meine Besprechung von Robert Littells „ Philby – Porträt des Spions als junger Mann“ (Philby: Portrait de l’espion en jeune homme, 2011)


TV-Tipp für den 28. Februar: Barry Seal – Only in America

Februar 27, 2024

Kabel 1, 20.15

Barry Seal – Only in America (American Made, USA 2017)

Regie: Doug Liman

Drehbuch: Gary Spinelli

In den Siebzigern rekrutiert CIA-Mann Monty Shafer den TWA-Piloten Barry Seal (Tom Cruise) für verdeckte Operationen in Südamerika. Das sympathische Schlitzohr unternimmt zunächst Aufklärungsflüge. Später liefert er Waffen an südamerikanische Guerilla-Kämpfer. Gleichzeitig importiert er für die Kartelle Drogen in die USA. Dabei verdient er viel Geld und gerät zwischen die Fronten.

Lockere Actionkomödie, die alle Tiefen der wahren Geschichte ignoriert. Oder in den Worten von Doug Liman: „amüsanten Schwindel, der auf einer wahren Begebenheit basiert“.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tom Cruise, Domhnall Gleeson, Sarah Wright Olsen, E. Roger Mitchell, Jesse Plemons, Lola Kirke, Alejandro Edda, Benito Martinez, Caleb Landry Jones, Jayma Mays

Hinweise

Moviepilot über „Barry Seal – Only in America“

Metacritic über „Barry Seal – Only in America“

Rotten Tomatoes über „Barry Seal – Only in America“

Wikipedia über „Barry Seal – Only in America“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Doug Limans „Edge of Tomorrow“ (Edge of Tomorrow, USA 2014) und der DVD

Meine Besprechung von Doug Limans „Barry Seal – Only in America“ (American Made, USA 2017)

Meine Besprechung von Doug Limans “Chaos Walking“ (Chaos Walking, USA 2021)


Neu im Kino/Filmkritik: Tom Cruise ist „Barry Seal – Only in America“ und Südamerika

September 8, 2017

Barry Seal ist in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein TWA-Pilot mit einem Nebengeschäft, das ihn für eine Erpressung von Monty Shafer empfänglich macht. Der CIA-Agent bietet Seal eine Scheinfirma und ein Flugzeug an, mit dem er in Südamerika Bilder von Rebellenlagern schießen soll. Seal ist begeistert von der neuen, aufregenden Aufgabe und dem Flugzeug. In den frühen Achtzigern überfliegt er die im Dschungel liegenden Lager in einer so geringen Flughöhe, dass die US-amerikanischen Dienste seine Bilder lieben und südamerikanische Drogenhändler auf ihn aufmerksam werden. Sie bitten ihn darum, einige Drogen in die USA zu importieren. Auch dieses Angebot des Medellin-Kartells kann Seal nicht ablehnen.

Und aus den USA importiert er, auf Wunsch der CIA (die natürlich jedes Wissen darüber leugnen wird), Waffen nach Südamerika. Schnell expandiert sein Geschäft und er hat keine Ahnung, was er mit dem ganzen Geld, das er verdient, tun soll.

Barry Seal – Only in America“ ist der neue Tom-Cruise-Film. Inszeniert von Doug Liman, der Cruise schon in dem SF-Thriller „Edge of Tomorrow“ gelungen in Szene setzte. Jetzt inszeniert er eine Action-Comedy, die in ihrer kurzweiligen Verknüpfung von Action, Comedy und etwas Sentiment an die Actionkomödien der siebziger und achtziger Jahre erinnert. Historische Hintergründe – immerhin gab es Barry Seal wirklich und er war auch in all die damaligen Skandale, mit der Iran-Contra-Affäre als Höhepunkt, verwickelt – werden gestreift, aber nicht weiter vertieft.

Limans Film ist, wie Roger Spottiswoodes „Air America“ (USA 1990) über die gleichnamige CIA-Fluglinie, die während des Vietnam-Krieges in Südostasien das tat, was Barry Seal einige Jahre später in Südamerika tat, unterhaltsam, aber auch arg oberflächlich.

Liman, Drehbuchautor Gary Spinelli (der die Geschichte ursprünglich als Drama aufschrieb) und Hauptdarsteller Tom Cruise wollen in „Barry Seal“ überhaupt nicht in die Tiefen des Stoffes hervorstoßen oder die problematischen Seiten der Geschichte erörtern. Liman nennt seinen Film absolut zutreffend einen „amüsanten Schwindel, der auf einer wahren Begebenheit basiert“, sich aber seine Freiheiten nimmt.

Es ist eine leichte Komödie, in der große Jungs ihren Spaß haben, wenn sie mit den kleinen Maschinen in Baumwipfelhöhe über den Dschungel fliegen, wild herumballern und die Obrigkeiten narren. Dass Barry Seal und seine Piloten Verbrecher sind und dass erst durch die Geschäfte der Geheimdienste Drogen in ungeahntem Ausmaß in die USA importiert und Waffen nach Südamerika exportiert wurden, vergisst man dabei leicht. Auch weil Tom Cruise Barry Seal als sympathischen, flugbegeisterten Sonnyboy, treuen Ehemann und liebevollen Vater spielt, der von viel böseren Menschen umgeben ist.

Barry Seal – Only in America (American Made, USA 2017)

Regie: Doug Liman

Drehbuch: Gary Spinelli

mit Tom Cruise, Domhnall Gleeson, Sarah Wright Olsen, E. Roger Mitchell, Jesse Plemons, Lola Kirke, Alejandro Edda, Benito Martinez, Caleb Landry Jones, Jayma Mays

Länge: 115 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Barry Seal – Only in America“

Metacritic über „Barry Seal – Only in America“

Rotten Tomatoes über „Barry Seal – Only in America“

Wikipedia über „Barry Seal – Only in America“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Doug Limans „Edge of Tomorrow“ (Edge of Tomorrow, USA 2014) und der DVD