Neu im Kino/Filmkritik: „Top Gun: Maverick“ ist zurück im Cockpit

Mai 25, 2022

Ein Blick in alte Tabellen kann erhellend, vergnüglich und, weil es in ihnen so viel zu entdecken gibt, auch zeitraubend sein. So war „Top Gun“ in Deutschland gar nicht so erfolgreich. In einer Liste der Kassenhits der achtziger Jahre in Deutschland steht der Film mit 4.265.434 Besuchern auf dem 23. Platz. Hinter „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, aber noch vor „Rambo II“, „Beverly Hills Cop“ und „Ghostbusters“. In seinem Startjahr 1986 landete er hinter „Im Namen der Rose“ und „Jenseits von Afrika“ auf dem dritten Platz,

Aber in den USA war „Top Gun“ der erfolgreichste Film des Kinojahres. Er war auch weltweit unglaublich erfolgreich. Er spielte, bei einem Budget von 15 Millionen US-Dollar (damals war das noch mehr Geld als heute), über 350 Millionen US-Dollar ein. Die Songs liefen überall. Und selbstverständlich war der von Tony Scott inszenierte Film stilbildend. Einige Karrieren erhielten den entscheidenden Schub. Vor allem die von Tom Cruise. Seitdem hat er ein Abo auf Kassenhits, die auch immer gutes und gutgemachtes Unterhaltungskino für das breite Publikum sind.

Top Gun“ selbst war und ist patriotisches Erbauungskino, in denen die Bilder und die Musik wichtiger als die bestenfalls banale Story sind. Es ist ein Werbefilm für’s Militär, der damals 150-prozentig den Zeitgeist der Reagan-Ära traf.

Ein kritikloses Hohelied auf das Militär ist jetzt auch „Top Gun: Maverick“ – und trotzdem macht der Film Spaß. Das liegt vor allem an Tom Cruise, der sich erkennbar freut, mit dem Motorrad zu fahren und die verschiedenen Flugzeuge auszuprobieren. Er ist wie ein Kind im Spielzeugladen, das alles, aber wirklich alles, ausprobieren darf. Und seine „Ich habe die beste Zeit meines Lebens“-Energie überträgt sich bruchlos in den Kinosaal und trägt über all die Schwächen des Drehbuchs hinweg.

Die funktionale Story wiederholt einfach die Geschichte von „Top Gun“. Nur dass dieses Mal nicht die jungen Piloten, sondern Tom Cruise als Pete „Maverick“ Mitchell im Mittelpunkt steht. Er soll aus einer Gruppe junger, sehr talentierter Piloten die Piloten auswählen, die sich im Training für eine gefährliche und eigentliche unmögliche Mission qualifizieren. Es ist eine klassische Selbstmordmission. Einer der Piloten ist Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller), der Sohn von Mavericks ehemaligen Kameraden Nick „Goose“ Bradshaw.

Maverick, der viel lieber fliegen als unterrichten würde, sieht es als seine Aufgabe an, die jungen Piloten so gut zu trainieren, dass sie die Mission überleben werden. Die im Film nur höchst rudimentär skizzierte Mission besteht darin, an einem abgelegenem Ort eine gut geschützte, in den Bergen liegende, geheime, unterirdische Anlage durch Gebirgsschluchten anzufliegen und eine Bombe in einen kleinen Schacht zu werfen. Die Bombe würde dann die Anlage, die demnächst waffenfähiges Uran herstellen kann, zerstören. Es ist ein Flugzeugangriff, der dem Angriff auf den Todesstern in „Krieg der Sterne“ ähnelt. Und der abseits jeder Logik ist. Denn warum sollte es nicht möglich sein, eine Rakete oder Drohne zur Anlage zu lenken oder die Anlage mit Agenten zu infiltrieren oder mit einem Computervirus lahmzulegen? Gut; jede dieser Lösungen würde den Film sofort beenden. Und das würde uns um einige atemberaubende Flugaufnahmen, Motorradfahren, Sonnenuntergänge (auch in „Top Gun: Maverick“ ist die Welt wie in „Top Gun“ ein einziger golddurchfluteter Sonnenuntergang) und mehrere gutaussehende junge Männer und Tom Cruise beim Volleyballspielen am Strand bringen.

Inszeniert wurde der Actionfilm von Joseph Kosinski. Bekannt wurde er mit „Tron: Legacy“. Danach inszenierte er mit Tom Cruise den Science-Fiction-Film „Oblivion“. In „Top Gun: Maverick“ bedient er sich optisch bei dem Original-“Top Gun“-Film. Das beginnt mit der an die achtziger Jahre erinnernden Schrift, die uns das Top-Gun-Programm erklärt. Danach werden wie damals die Namen der Hauptdarsteller, des Kameramanns, des Komponisten (neben Hans Zimmer ist Originalkomponist Harold Faltermeyer dabei), der Drehbuchautoren, des Regisseurs und der Produzenten (Jerry Bruckheimer ist wieder dabei) eingeblendet. Dazu singt Kenny Loggins wieder von der „Danger Zone“ (Menschen, die ein bestimmtes Alter haben, können mitsummen) und es gibt ein im Gegenlicht choreographiertes Bilderballett von auf einem Flugzeugträger startenden und landenden Jets, winkenden Piloten und Soldaten, die sie einweisen. Und so geht es weiter. Die Bilder erinnern durchgehend an „Top Gun“. Die Musik ist ein Übermaß an 80er-Jahre-Rock- und Popmusik. Die Story bedient gelungen die Erinnerungen an „Top Gun“. Nur dass dieses Mal, wie schon der Titel verrät, eindeutig Maverick im Mittelpunkt steht. Alle anderen Schauspieler bleiben Staffage, die man nur anhand ihrer Gesichter unterscheiden kann. Mehr erfahren wir nicht über sie. Und Maverick ist immer noch der Mann, der er vor fast vierzig Jahren war. Auch heute will er einfach nur Flugzeuge fliegen und Motorrad fahren. Er ist nicht verheiratet. Er lebt allein. Er hat keine Kinder. Er ist immer noch der Zwanzigjährige, der für niemanden Verantwortung hat und der zu Frauen nur flüchtige Beziehungen hat. Im Gegensatz zu seinem Freund Tom „Iceman“ Kazansky, der inzwischen ein verheirateter Vier-Sterne-General ist. Val Kilmer hat hier einen kurzen Auftritt.

Doch wegen der Story geht wahrscheinlich niemand in diesen Film. Es sind die Actionszenen, die überaus gelungen sind. Atemberaubend sind die Bilder der Jets beim Training in der Wüste und beim Einsatz in den verschneiten Bergen, wenn sie durch die engen Schluchten rasen und gegeneinander kämpfen. Die Schauspieler absolvierten diese Aufnahmen in fliegenden Jets und wir sehen, welchen Belastungen sie beim Dreh ausgesetzt waren. Das ist der Realismus, der in den CGI-geschwängerten Bombastschlachten der aktuellen Superheldenfilme fehlt.

Genau diese Bilder sind der Grund, sich den Film im Kino auf einer großen Leinwand anzusehen. „Top Gun: Maverick“ ist feinstes Blockbuster-Kino – und ein vom Militär unterstützter Propagandafilm für die Luftwaffe, die niemals auch nur ansatzweise kritisch betrachtet wird.

Top Gun: Maverick (Top Gun: Maverick, USA 2022)

Regie: Joseph Kosinski

Drehbuch: Ehren Kruger, Eric Warren Singer, Christopher McQuarrie (nach einer Geschichte von Peter Craig und Justin Marks, basierend auf Figuren von Jim Cash und Jack Epps, Jr.)

mit Tom Cruise, Miles Teller, Jennifer Connelly, Jon Hamm, Glen Powell, Lewis Pullman, Charles Parnell, Bashir Salahuddin, Monica Barbaro, Jay Ellis, Danny Ramirez, Greg Tarzan Davis, Ed Harris, Val Kilmer

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Top Gun: Maverick“

Metacritic über „Top Gun: Maverick“

Rotten Tomatoes über „Top Gun: Maverick“

Wikipedia über „Top Gun: Maverick“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Joseph Kosinskis „Oblivion“ (Oblivion, USA 2013)

Meine Besprechung von Joseph Kosinskis „No Way Out – Gegen die Flammen“ (Only the Brave, USA 2017)


Neu im Kino/Filmkritik: Wie komme ich aus dem „Escape Room“?

März 1, 2019

Sechs Menschen nehmen eine Einladung für ein Spiel an. Sie kennen sich nicht und sie wären sich wahrscheinlich niemals begegnet. Aber jetzt sind sie in einem Escape Room und, wie es die Spielregeln vorschreiben, müssen sie in diesem und vielleicht noch einigen weiteren Räumen nach Zeichen und Gegenständen suchen, die ihnen eine Flucht aus dem Raum ermöglichen. Es ist ein Spiel, das weltweit gespielt wird. Normalerweise ohne einen tödlichen Ausgang.

Aber in diesem Fall hat der unbekannte Spielmeister tödlichen Fallen gestellt. Das Ziel seines Spiels scheint es zu sein, alle Teilnehmenden zu töten und sie dabei mit ihren schlimmsten Erlebnisse zu konfrontieren.

Das führt dazu, dass die Teilnehmenden durch verschiedene, teils sehr prächtige und ungewöhnliche Räume stolpern müssen, ehe sie sterben. Jeder dieser Räume hat für einen der Teilnehmer eine besondere Bedeutung. Manchmal überlebt er seinen Raum, aber in dem nächsten Raum sind weitere tödliche Fallen. Zu den optisch ungewöhnlichsten Räumen dieses Spiels gehört sicher eine auf dem Kopf stehende Bar. Andere Räume sind eine Hütte an einem vereisten See, ein Krankenhaus und eine Bibliothek.

Mit der Bibliothek beginnt Adam Robitels Horrorfilm „Escape Room“. Ein Spielteilnehmer versucht aus ihr zu entkommen und er entziffert atemberaubend schnell die kryptischen Hinweise. Bevor er von den sich auf ihn zu bewegenden Wänden der Bibliothek zerquetscht wird, springt der Film zurück in die Vergangenheit. In dem Moment kennen wir allerdings schon einen (oder den?) letzten Überlebenden des Spiel.

In der Rückblende geht es dann darum, wie die sechs Spielteilnehmer sich von Raum zu Raum bewegen, manchmal den Fallen entkommen, manchmal sterben. Das erinnert an Vincenzo Natalis „Cube“ (Kanada 1997). In dem stilprägenden Horrorthriller erwachten sechs Personen, ebenfalls vier Männer und zwei Frauen, in einem Raum, aus dem sie versuchten zu entkommen. Nur um in den nächsten Raum zu gelangen. Während „Cube“ durchgängig als Metapher funktioniert, versucht „Escape Room“ es am Ende mit einer scheinbar realistischen, aber vollkommen idiotischen Erklärung, die die Hintergründe des Spiels erklärt und auf eine Fortsetzung spekuliert.

Diese ist auch schon für April 2020 angekündigt. Adam Robitel soll wieder Regie führen und Bragi Schut wieder das Drehbuch schreiben. Ob sie dann einfach die Geschichte von „Escape Room“ in anderen Räumen mit anderen Todeskandidaten wiederholen oder eine vollkommen neue Geschichte erzählen, ist noch unklar. Die Gefängnisausbruchsserie „Prison Break“ könnte da ein Vorbild sein. Während in der ersten Staffel erzählt wird, wie die Jungs aus dem Gefängnis ausbrechen, erzählt die zweite Staffel, wie sie durch die USA von der Polizei gejagt werden.

Das spannende B-Picture „Escape Room“ erzählt, abgesehen von den Räumen, durch die die sympathischen Schauspieler hetzen, nichts, was man nicht schon in unzähligen Filmen gesehen hat, in denen eine nur scheinbar zufällig zusammengewürfelte Gruppe Menschen, mehr oder weniger freiwillig, in einem Raum eingesperrt ist, aus ihm entkommen will und sie der Reihe nach getötet werden. Dieser oberflächliche Thrill funktioniert auch hier.

Escape Room (Escape Room, USA 2019)

Regie: Adam Robitel

Drehbuch: Bragi Schut, Maria Melnik (nach einer Geschichte von Bragi Schut)

mit Taylor Russell, Logan Miller, Deborah Ann Woll, Jay Ellis, Tyler Labine, Nik Dodani

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Escape Room“

Metacritic über „Escape Room“

Rotten Tomatoes über „Escape Room“

Wikipedia über „Escape Room“