Neu im Kino/Filmkritik: „Top Gun: Maverick“ ist zurück im Cockpit

Mai 25, 2022

Ein Blick in alte Tabellen kann erhellend, vergnüglich und, weil es in ihnen so viel zu entdecken gibt, auch zeitraubend sein. So war „Top Gun“ in Deutschland gar nicht so erfolgreich. In einer Liste der Kassenhits der achtziger Jahre in Deutschland steht der Film mit 4.265.434 Besuchern auf dem 23. Platz. Hinter „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, aber noch vor „Rambo II“, „Beverly Hills Cop“ und „Ghostbusters“. In seinem Startjahr 1986 landete er hinter „Im Namen der Rose“ und „Jenseits von Afrika“ auf dem dritten Platz,

Aber in den USA war „Top Gun“ der erfolgreichste Film des Kinojahres. Er war auch weltweit unglaublich erfolgreich. Er spielte, bei einem Budget von 15 Millionen US-Dollar (damals war das noch mehr Geld als heute), über 350 Millionen US-Dollar ein. Die Songs liefen überall. Und selbstverständlich war der von Tony Scott inszenierte Film stilbildend. Einige Karrieren erhielten den entscheidenden Schub. Vor allem die von Tom Cruise. Seitdem hat er ein Abo auf Kassenhits, die auch immer gutes und gutgemachtes Unterhaltungskino für das breite Publikum sind.

Top Gun“ selbst war und ist patriotisches Erbauungskino, in denen die Bilder und die Musik wichtiger als die bestenfalls banale Story sind. Es ist ein Werbefilm für’s Militär, der damals 150-prozentig den Zeitgeist der Reagan-Ära traf.

Ein kritikloses Hohelied auf das Militär ist jetzt auch „Top Gun: Maverick“ – und trotzdem macht der Film Spaß. Das liegt vor allem an Tom Cruise, der sich erkennbar freut, mit dem Motorrad zu fahren und die verschiedenen Flugzeuge auszuprobieren. Er ist wie ein Kind im Spielzeugladen, das alles, aber wirklich alles, ausprobieren darf. Und seine „Ich habe die beste Zeit meines Lebens“-Energie überträgt sich bruchlos in den Kinosaal und trägt über all die Schwächen des Drehbuchs hinweg.

Die funktionale Story wiederholt einfach die Geschichte von „Top Gun“. Nur dass dieses Mal nicht die jungen Piloten, sondern Tom Cruise als Pete „Maverick“ Mitchell im Mittelpunkt steht. Er soll aus einer Gruppe junger, sehr talentierter Piloten die Piloten auswählen, die sich im Training für eine gefährliche und eigentliche unmögliche Mission qualifizieren. Es ist eine klassische Selbstmordmission. Einer der Piloten ist Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller), der Sohn von Mavericks ehemaligen Kameraden Nick „Goose“ Bradshaw.

Maverick, der viel lieber fliegen als unterrichten würde, sieht es als seine Aufgabe an, die jungen Piloten so gut zu trainieren, dass sie die Mission überleben werden. Die im Film nur höchst rudimentär skizzierte Mission besteht darin, an einem abgelegenem Ort eine gut geschützte, in den Bergen liegende, geheime, unterirdische Anlage durch Gebirgsschluchten anzufliegen und eine Bombe in einen kleinen Schacht zu werfen. Die Bombe würde dann die Anlage, die demnächst waffenfähiges Uran herstellen kann, zerstören. Es ist ein Flugzeugangriff, der dem Angriff auf den Todesstern in „Krieg der Sterne“ ähnelt. Und der abseits jeder Logik ist. Denn warum sollte es nicht möglich sein, eine Rakete oder Drohne zur Anlage zu lenken oder die Anlage mit Agenten zu infiltrieren oder mit einem Computervirus lahmzulegen? Gut; jede dieser Lösungen würde den Film sofort beenden. Und das würde uns um einige atemberaubende Flugaufnahmen, Motorradfahren, Sonnenuntergänge (auch in „Top Gun: Maverick“ ist die Welt wie in „Top Gun“ ein einziger golddurchfluteter Sonnenuntergang) und mehrere gutaussehende junge Männer und Tom Cruise beim Volleyballspielen am Strand bringen.

Inszeniert wurde der Actionfilm von Joseph Kosinski. Bekannt wurde er mit „Tron: Legacy“. Danach inszenierte er mit Tom Cruise den Science-Fiction-Film „Oblivion“. In „Top Gun: Maverick“ bedient er sich optisch bei dem Original-“Top Gun“-Film. Das beginnt mit der an die achtziger Jahre erinnernden Schrift, die uns das Top-Gun-Programm erklärt. Danach werden wie damals die Namen der Hauptdarsteller, des Kameramanns, des Komponisten (neben Hans Zimmer ist Originalkomponist Harold Faltermeyer dabei), der Drehbuchautoren, des Regisseurs und der Produzenten (Jerry Bruckheimer ist wieder dabei) eingeblendet. Dazu singt Kenny Loggins wieder von der „Danger Zone“ (Menschen, die ein bestimmtes Alter haben, können mitsummen) und es gibt ein im Gegenlicht choreographiertes Bilderballett von auf einem Flugzeugträger startenden und landenden Jets, winkenden Piloten und Soldaten, die sie einweisen. Und so geht es weiter. Die Bilder erinnern durchgehend an „Top Gun“. Die Musik ist ein Übermaß an 80er-Jahre-Rock- und Popmusik. Die Story bedient gelungen die Erinnerungen an „Top Gun“. Nur dass dieses Mal, wie schon der Titel verrät, eindeutig Maverick im Mittelpunkt steht. Alle anderen Schauspieler bleiben Staffage, die man nur anhand ihrer Gesichter unterscheiden kann. Mehr erfahren wir nicht über sie. Und Maverick ist immer noch der Mann, der er vor fast vierzig Jahren war. Auch heute will er einfach nur Flugzeuge fliegen und Motorrad fahren. Er ist nicht verheiratet. Er lebt allein. Er hat keine Kinder. Er ist immer noch der Zwanzigjährige, der für niemanden Verantwortung hat und der zu Frauen nur flüchtige Beziehungen hat. Im Gegensatz zu seinem Freund Tom „Iceman“ Kazansky, der inzwischen ein verheirateter Vier-Sterne-General ist. Val Kilmer hat hier einen kurzen Auftritt.

Doch wegen der Story geht wahrscheinlich niemand in diesen Film. Es sind die Actionszenen, die überaus gelungen sind. Atemberaubend sind die Bilder der Jets beim Training in der Wüste und beim Einsatz in den verschneiten Bergen, wenn sie durch die engen Schluchten rasen und gegeneinander kämpfen. Die Schauspieler absolvierten diese Aufnahmen in fliegenden Jets und wir sehen, welchen Belastungen sie beim Dreh ausgesetzt waren. Das ist der Realismus, der in den CGI-geschwängerten Bombastschlachten der aktuellen Superheldenfilme fehlt.

Genau diese Bilder sind der Grund, sich den Film im Kino auf einer großen Leinwand anzusehen. „Top Gun: Maverick“ ist feinstes Blockbuster-Kino – und ein vom Militär unterstützter Propagandafilm für die Luftwaffe, die niemals auch nur ansatzweise kritisch betrachtet wird.

Top Gun: Maverick (Top Gun: Maverick, USA 2022)

Regie: Joseph Kosinski

Drehbuch: Ehren Kruger, Eric Warren Singer, Christopher McQuarrie (nach einer Geschichte von Peter Craig und Justin Marks, basierend auf Figuren von Jim Cash und Jack Epps, Jr.)

mit Tom Cruise, Miles Teller, Jennifer Connelly, Jon Hamm, Glen Powell, Lewis Pullman, Charles Parnell, Bashir Salahuddin, Monica Barbaro, Jay Ellis, Danny Ramirez, Greg Tarzan Davis, Ed Harris, Val Kilmer

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Top Gun: Maverick“

Metacritic über „Top Gun: Maverick“

Rotten Tomatoes über „Top Gun: Maverick“

Wikipedia über „Top Gun: Maverick“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Joseph Kosinskis „Oblivion“ (Oblivion, USA 2013)

Meine Besprechung von Joseph Kosinskis „No Way Out – Gegen die Flammen“ (Only the Brave, USA 2017)


TV-Tipp für den 14. Februar: The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer

Februar 13, 2021

Tele 5, 00.55

The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer (The Hot Spot, USA 1990)

Regie: Dennis Hopper

Drehbuch: Nona Tyson, Charles Williams

LV: Charles Williams: Hell hath no fury, The Hot Spot, 1953 (Bis dass der Mord euch scheidet, Spiel mit dem Feuer, The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer)

Aus dem Nichts taucht Harry Maddox in einem texanischen Provinzkaff auf. Er will nur die örtliche Bank überfallen. Aber nachdem er mit zwei Frauen ein Verhältnis beginnt, gerät sein einfacher Plan aus dem Ruder.

Schwüler Film Noir mit einem glänzenden Soundtrack (Miles Davis, John Lee Hooker) und grandios aufspielenden Schauspielern. Eine gelungene Liebeserklärung an die Klassiker.

Mit Don Johnson, Virginia Madsen, Jennifer Connelly, Charles Martin Smith, William Sadler, Jerry Hardin

Hinweise

Rotten Tomatoes über „The Hot Spot“

Wikipedia über „The Hot Spot“ (deutsch, englisch)

Wikipedia über Charles Williams


TV-Tipp fürden 12. Januar: Nach eigenen Regeln

Januar 12, 2020

Tele 5, 22.30

Nach eigenen Regeln (Mulholland Falls, USA 1996)

Regie: Lee Tamahori

Drehbuch: Pete Dexter (nach einer Geschichte von Pete Dexter und Floyd Mutrux)

LA, fünfziger Jahre: Cop Hoover und seine Einheit sorgen wenig zimperlich für Ordnung. Als eine Bekannte von Hoover ermordet wird, stoßen sie auf einen politischen Skandal.

Natürlich erinnert vieles an die Schwarze Serie und „Chinatown“. Aber trotzdem ist „Nach eigenen Regeln“ ein unterhaltsames Period-Picture mit Starbesetzung.

Mit Nick Nolte, Chazz Palminteri, Melanie Griffith, Michael Madsen, Chris Penn, Treat Williams, Jennifer Connelly, Daniel Baldwin, Andrew McCarthy, John Malkovich, Ed Lauter, Aaron Neville (Musiker), Bruce Dern (ungenannt), Louise Fletcher (ungenannt), Rob Lowe (ungenannt), William L. Petersen (ungenannt)

Wiederholung: Dienstag, 14. Januar, 02.35 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über“Nach eigenen Regeln“

Wikipedia über „Nach eigenen Regeln“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Lee Tamahoris „Mahana – Eine Maori-Saga“ (Mahana, Neuseeland/Australien 2016)

Meine Besprechung von Pete Dexters „Paperboy“ (The Paperboy, 1995) (und Lee Daniels‘ Verfilmung)


Neu im Kino/Filmkritik: „Alita: Battle Angel“ in einer fremden Welt

Februar 14, 2019

Die Spielfilme von Robert Rodriguez waren bislang brutale, satirisch überhöhte Thriller, wie sein grandioser No-Budget-Einstand „El Mariachi“, seine grandiose Frank-Miller-Verfilmung „Sin City“ und seine grandiose ultrabrutale Exploitation-Satire „Machete“, und die „Spy Kids“-Kinderfilme. Sein neuester Film, fünf Jahre nach dem überflüssigen „Sin City: A Dame to kill for“, ist ein weiterer Kinderfilm.

Naja, fast.

Denn „Alita: Battle Angel“ richtet sich vor allem an ein pubertierendes Publikum, überwältigt die Teenager mit grandiosen Bildern, die nach der größtmöglichen Leinwand schreien, und unterfordert sie mit seiner Geschichte, die letztendlich nur eine zweistündige Ouvertüre ist. Fortsetzung ungewiss.

Die Filmgeschichte spielt im 26. Jahrhundert in Iron City. Die Erde ist seit einem dreihundert Jahre zurückliegendem Krieg eine gut aussehende Müllkippe. Iron City erinnert an eine südländische Multikulti-Metropole, in der die Gebäude heimelig mittelalterlich, die Technik cyberpunkig modern ist. Am Himmel schwebt die Wolkenstadt Zalem. In dem Luftschiff leben die Reichen. Heißt es. Denn bis auf einen austauschbaren Kommandostand sehen wir nichts von Zalem.

Diese Welt sieht ein wenig wie die saubere Version von „District 9“ aus und die Struktur der Gesellschaft erinnert an „Elysium“. Wobei, historisch betrachtet, zuerst „Alita: Battle Angel“ da war. Denn der Spielfilm basiert auf einem erfolgreichen Manga von Yukito Kishiro, der in Japan ab 1991 erschien und der später auch ins Deutsche übersetzt wurde. James „Terminator“ Cameron sicherte sich früh die Rechte. Schon seit fast zwanzig Jahren plante er die Verfilmung, aber weil er inzwischen mit seinen „Avatar“-Filmen ausgelastet ist, gab er die Regie an Robert Rodriguez ab. Der inszenierte den Film, der mehr oder weniger auf den ersten vier Bänden des Mangas basiert, für seine Verhältnisse sehr konservativ. Er sah sich als Vollender von Camerons Vision. Deshalb wollte er den Film so drehen, wie Cameron ihn wahrscheinlich gedreht hätte. Den einzigen Exzess, den er sich dieses Mal erlaubt, ist die visuelle Gestaltung der Welt. Mehr oder weniger der gesamte Film entstand letztendlich am Computer, aber auch auf der riesigen IMAX-Leinwand (über vierzig Minuten wurden speziell für das IMAX-Format formatiert) wirkt die sehr detailfreudig gezeichnete Welt sehr real.

Bei einem seiner Suchen nach verwertbaren Dingen entdeckt Ido (Christoph Waltz) auf dem Schrottplatz, wo der Schrott von Zalem abgeworfen wird, den schwer ramponierten, aber noch funktionstüchtigen Teilkörper eines Cyborgs. Der Cyborg-Doktor nimmt den Schatz mit und repariert ihn. Er verpasst ihm einen weiblichen Körper.

Als sie aufwacht, kann Alita (Rosa Salazar) sich zunächst an nichts erinnern, aber sie kann gut kämpfen. Während sie ihre Fähigkeiten entdeckt und sich langsam an ihre Vergangenheit und ihr Leben vor einigen Jahrhunderten erinnert, befreundet sie sich mit einer Gruppe Jugendlicher. Und sie verliebt sich in Hugo (Keean Johnson) einen sympathischen Jugendlichen mit Desperado-Attitüde, der auch in einige halbseidene Geschäfte verwickelt ist. Er will nach Zalem, weil er sich dort ein besseres Leben erhofft. Sie will nach Zalem, weil sie sich dort weitere Informationen über ihre Vergangenheit erhofft.

Der Weg in die Wolkenstadt führt über die Teilnahme an einem Wettbewerb, der anscheinend direkt aus „Rollerball“ geklaut wurde: auf einer Rennbahn müssen die Teilnehmenden sich gegenseitig besiegen und einen Ball ins Ziel bringen. Regeln gibt es nicht. Organisiert werden diese, die Massen von der Realität ablenkenden Motorball-Wettbewerbe von Vector (Mahershala Ali) und Idos Ex-Frau Chiren (Jennifer Connelly).

Am Ende haben wir überzeugende Schauspieler und Spezialeffekte, eine angenehm ruhig-altmodische Inszenierung, die einen geruhsam in die Welt von Alita sinken lässt und eine Geschichte, die einfach nicht vom Fleck kommt. Denn fast alles ist ein für diesen Film unwichtiges Setup.

Es ist daher auch eine Welt, in der man niemals das Gefühl hat, man müsse unbedingt in sie zurückkehren. Dafür sind die Charaktere, von denen etliche das Filmende nicht erleben, zu eindimensional und die Idee, dass man über einen archaischen Wettbewerb in die Welt der Reichen aufsteigen kann, zu idiotisch. Vor allem, weil in dem Film mehrmals betont wird, dass das bis jetzt noch niemand gelungen ist und auch gezeigt wird, warum das im Rahmen des Wettbewerbs auch niemand gelingen wird.

Am Ende ist „Alita: Battle Angel“ eine visuell beeindruckende Produktpräsentation, in der es darum geht, zu zeigen, was alles am Computer gemacht werden kann. Eine mitreisende Geschichte gehört nicht dazu.

Alita: Battle Angel (Alita: Battle Angel, USA 2019)

Regie: Robert Rodriguez

Drehbuch: James Cameron, Laeta Kalogridis, Robert Rodriguez

LV (basierend auf): Yukito Kishiro: Gunnm (Manga-Serie, ab 1991)

mit Rosa Salazar, Christoph Waltz, Jennifer Connelly, Mahershala Ali, Ed Skrein, Jackie Earle Haley, Keean Johnson, Jeff Fahey, Casper Van Dien

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Alita: Battle Angel“

Metacritic über „Alita: Battle Angel“

Rotten Tomatoes über „Alita: Battle Angel“

Wikipedia über „Alita: Battle Angel“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Frank Miller/Robert Rodriguez‘ „Sin City 2: A Dame to kill for (Frank Miller’s Sin City: A Dame to kill for, USA 2014)

 


Neu im Kino/Filmkritik: „No Way Out – Gegen die Flammen“kämpfen die „Granite Mountain Hotshots“

Mai 6, 2018

Hach, das ist wieder ein deutscher Titel, der für Verwirrung sorgen wird. Also: „No Way Out – Gegen die Flammen“ ist ein Film über Feuerbekämpfer, der nichts, aber auch absolut nichts mit dem Kevin-Costner-Thriller „No Way Out – Es gibt kein Zurück“ zu tun hat. Außerdem ist der Originaltitel von „No Way Out – Gegen die Flammen“ „Only the Brave“. Aber die Werbeabteilung hat sich sicher etwas dabei gedacht. Und gegen Flammen müssen die „Granite Mountain Hotshots“ kämpfen.

In den USA erreichten die Feuerbekämpfer am 30. Juni 2013 traurige Berühmtheit. Mit anderen Feuerwehrmännern bekämpften sie nahe der Kleinstadt Yarnell Hill, Arizona einen durch einen Blitzschlag verursachten Brand. Es war ein Routine-Einsatz, bei dem die Flammen, aufgrund starker Windböen, unvorhergesehene Wege einschlugen und das Feuer sich schneller als gedacht bewegte. Neunzehn der aus zwanzig Männern bestehenden Hotshot-Einheit starben in den Flammen. Es war der größte Verlust von Feuerwehrmännern nach 9/11.

Kurz nach dem Unglück schrieb Sean Flynn für die „GQ“ die Reportage „No Exit“. Sie war die Grundlage für Joseph Kosinskis beeindruckendes Drama „No Way Out – Gegen die Flammen“. Er erzählt die Geschichte der „Granite Mountain Hotshots“, der ersten kommunalen Hotshot-Einheit. Normalerweise unterstehen sie Bundesbehörden. Aktuell gibt es in den USA 107 Hotshot-Crews. Jede Einheit besteht aus 20 Feuerwehrleuten. Die Hotshots sind Feuerbekämpfer, die vor allem deshalb als Eliteeinheit bezeichnet werden, weil sie in den USA tagelang gegen die riesigen Brandherde kämpfen. Dabei geht es vor allem um das Schlagen von Schneisen und Anlegen von Hindernissen, die das Feuer in geordnete Bahnen lenken. Auch gezielte Brände gehören dazu. Es ist harte, körperliche Arbeit, die meistens von jungen Männern durchgeführt wird. In der mehrere Monate dauernden Brandsaison sind sie fast ununterbrochen unterwegs.

In „No Way Out“ wird die Geschichte der „Granite Mountain Hotshots“ chronologisch erzählt. Vor ihrer Hotshot-Zertifizierung ist die von Eric Marsh (Josh Brolin) geleitete Einheit die Feuerwehr der Kleinstadt Prescott, Arizona, die vor allem ihren Ort vor Feuer beschützt. Vor ihrer Hotshot-Zertifizierung 2008 trainieren sie jahrelang, erfüllen die Anforderungen für eine Zertifizierung und werden erfolgreich geprüft. Es ist ein hartes Verfahren für eine harte und gefährliche Arbeit.

Im Verlauf des über zweistündigen Films lernen wir die Feuerwehrleute und ihre Familien kennen. Vor allem Eric Marsh und Brandon ‚Donut‘ McDonough (Miles Teller) stehen im Mittelpunkt. McDonough hatte vorher eine lange Karriere als vorbestrafter Junkie hinter sich. Die Einheit ist für ihn die letzte Chance auf ein Leben, das sich vollkommen von seinem Junkie-Leben unterscheidet. Wir begleiten die Feuerwehrmänner auf verschiedenen Einsätzen, die vor allem auf der großen Leinwand ihre gesamte Wirkung entfalten.

Kosinski („Tron: Legacy“, „Oblivion“) erzählt diese Geschichte ganz traditionell als eine sich über mehrere Jahre erstreckende, für den Film etwas komprimierte Chronik. Es ist schnörkelloses, klassisches Hollywood-Erzählkino. Chronologisch werden Episoden aus dem Berufs- und Privatleben der Feuerwehrmänner erzählt, bis es zu dem katastrophalen letzten Einsatz kommt. Den inszeniert Kosinski dann auch so, dass schon von der ersten Minute an – wenn die „Granite Mountain Hotshots“ noch an einen Routine-Einsatz glauben – als einen Einsatz, der in einer Katastrophe enden wird.

No Way Out“ ist ein würdiges Denkmal für diese Einheit.

No Way Out – Gegen die Flammen (Only the Brave, USA 2017)

Regie: Joseph Kosinski

Drehbuch: Ken Nolan, Eric Warren Singer

LV: Sean Flynn: No Exit (GQ, 27. September 2013, Reportage)

mit Josh Brolin, Miles Teller, Jeff Bridges, Taylor Kitsch, Jennifer Connelly, James Badge Dale, Andie MacDowell, Alex Russell, Ben Hardy, Scott Haze, Geoff Stults

Länge: 134 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „No Way Out“

Metacritic über „No Way Out“

Rotten Tomatoes über „No Way Out“

Wikipedia über „No Way Out“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood sucht in den Flammen nach den Fakten

GQ: Sean Flynn: No Exit

Meine Besprechung von Joseph Kosinskis „Oblivion“ (Oblivion, USA 2013)

Ein etwas überfülltes Gespräch mit Brandon McDonough (dem überlebenden Mitglied der Granite Mountain Hotshots), den Schauspielern und dem Regisseur in der Build-Gesprächsreihe


TV-Tipp für den 28. Februar: The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer

Februar 28, 2016

Tele 5, 20.15

The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer (USA 1990, Regie: Dennis Hopper)

Drehbuch: Nona Tyson, Charles Williams

LV: Charles Williams: Hell hath no fury, The Hot Spot, 1953 (Bis dass der Mord euch scheidet, Spiel mit dem Feuer, The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer)

Aus dem Nichts taucht Harry Maddox in einem texanischen Provinzkaff auf. Er will nur die Bank überfallen. Aber nachdem er mit zwei Frauen ein Verhältnis beginnt, gerät sein einfacher Plan aus dem Ruder.

Schwüler Film Noir mit einem glänzenden Soundtrack (Miles Davis, John Lee Hooker) und grandios aufspielenden Schauspielern. Eine gelungene Liebeserklärung an die Klassiker.

Mit Don Johnson, Virginia Madsen, Jennifer Connelly, Charles Martin Smith, William Sadler, Jerry Hardin

Wiederholung: Montag, 29. Februar, 02.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „The Hot Spot“

Wikipedia über „The Hot Spot“ (deutsch, englisch)

Wikipedia über Charles Williams

Mysteryfile: Bill Crider über Charles Williams

NoirZine: Ed Lynskey über Charles Williams


Neu im Kino/Filmkritik: Darren Aronofskys Bibelfilm „Noah“

April 3, 2014

Die Geschichte von Noah dürfte bekannt sein: Noah hat eine Vision vom Weltuntergang – er baut eine Arche – die Flut kommt, die Tiere und die wenigen Menschen in der Arche überleben – nach der Sintflut ist die Welt gerettet.
Für einen abendfüllenden Film muss diese kurze Geschichte aus der Bibel natürlich etwas ausgebaut werden und Darren Aronofsky erschien da der perfekte Regisseur. Seine vorherigen Filme „Pi“, „Requiem for a Dream“, „The Fountain“ (okay, der war nicht gut), „The Wrestler“ und „Black Swan“ waren Kritikererfolge, die von einem zunehmend größeren Publikum gesehen wurden. Und dann war er in den vergangenen Jahren immer wieder im Gespräch für einen Big-Budget-Hollywoodfilm.
Nun, mit „Noah“ hat er jetzt diesen Big-Budget-Film gedreht, der gleichzeitig eine überlange Big-Budget-Katastrophe ist. Das beginnt schon mit den grottenschlechten 3D-Effekten und endet bei der vollkommen behämmerten Idee der „Wächter“, Aronofskys Interpretation der Nephelim genannten Riesen, die das Land Kanaan bevölkerten. Diese Steinmonster sehen wie die urzeitliche Version der Transformers aus; – wo ist Michael Bay, wenn man ihn braucht?
Die Geschichte selbst funktioniert vorne und hinten nicht, was auch daran liegt, dass der von Russell Crowe gespielte Protagonist Noah, je länger der Film dauert, immer mehr als durchgeknallter, religiöser Fanatiker, Diktator und Massenmörder erscheint, dessen Taten zunehmend irrational und wahnsinnig werden, bis hin zum geplanten Mord an einem Baby, während seine Familie stumm ausharrt und nichts, aber auch absolut nichts gegen ihn unternimmt.
Davor zimmert Noah, mit seiner Familie und den Steinmonstern, während Methusalem durch das Bild irrlichtert, friedlich und ungestört von anderen Menschen die Arche. Es wird zwar etwas vom sündigen Treiben der Menschen, das ja der Grund für die Sintflut ist, gesagt, aber nicht gezeigt. Wenn dann andere Menschen in großer Zahl auftauchen, ist es kurz vor der Sintflut und das Lager der Menschen wirkt auch eher wie ein leicht unorganisiertes Flüchtlingslager mit erhöhtem Alkoholkonsum als wie den Sündenpfuhl Sodom und Gomorrha. Kurz: es ist nicht ersichtlich, warum diese Menschen alle sterben sollen. Auch ihr Anführer Tubal-Kain (Ray Winstone) wirkt, obwohl er böse sein soll, sympathischer als Noah. Denn während Noah alle Menschen in den Tod schicken will, möchte Tubal-Kain die Menschen retten. Ein durchaus nachvollziehbares Motiv, vor allem wenn wir uns an das „Du sollst nicht töten“-Gebot erinnern.
In diesem Moment hätte Aronofsky Noahs Handeln nicht nur aufgrund einer vielleicht falsch interpretierten Vision, nach der er von Gott den Autrag erhalten hat, sondern auch rational und emotional nachvollziehbar machen müssen.
Es gelingt ihm nicht. Auch nicht in dem überlangen Ende, wenn nach der Sintflut noch einmal alles erklärt wird, obwohl die Geschichte doch vorbei ist.
„Noah“ ist in jeder Beziehung eine riesengroße, mit gut 140 Minuten viel zu lang geratene Enttäuschung, konventionell inszeniert, ohne Überraschungen und mit viel CGI.

Noah - Plakat

Noah (Noah, USA 2014)
Regie: Darren Aronofsky
Drehbuch: Darren Aronofsky, Ari Handel
mit Russell Crowe, Jennifer Connelly, Ray Winstone, Emma Watson, Sir Anthony Hopkins, Logan Lerman, Douglas Booth und – im Original – den Stimmen von Frank Langella, Mark Margolis und Nick Nolte
Länge: 138 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Noah“
Moviepilot über „Noah“
Metacritic über „Noah“
Rotten Tomatoes über „Noah“
Wikipedia über „Noah“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Darren Aronofskys “Black Swan” (Black Swan, 2010)

Darren Aronofsky in der Kriminalakte

 


Neu im Kino/Filmkritik: Akiva Goldsmans Mark-Helprin-Verfilmung „Winter’s Tale“

Februar 13, 2014

Als Mark Helprins Roman „Winter’s Tale“ 1983 erschien, war die von ihm gezeichnete fantastische Welt vielleicht wirklich neu und überraschend. Denn in ihr kämpfen, wie wir aus Akiva Goldsmans Verfilmung lernen, in New York nicht nur Menschen gegeneinander, sondern auch der Teufel und, hm, Gott sind in irgendeinen Kampf involviert und Visionen und das Licht spielen eine entscheidende, aber unklare Rolle. Kurz, das Inventar eines heute handelsüblichen Fantasy- oder Superheldenfilms für – je nach Vorlage – schmachtende Teenager oder actionhungrige Fanboys ist vorhanden. „Winter’s Tale“ ist da die – ziemlich missglückte – Ausgabe für romantikverrückte Frauen.

Immerhin hat Colin Farrell die Hauptrolle übernommen. Er spielt den Waisen Peter Lake, der 1895 von seinen Eltern, denen die Einreise in die USA verweigert wurde, in einem Modellboot im Gewässer vor Manhattan ausgesetzt wurde. 1916 ist er ein Dieb, der aus nie richtig geklärten Gründen von dem Gangsterboss Pearly Soames (Russell Crowe), der ihn aufzog, verfolgt wird.

Bei einem seiner Einbrüche trifft Lake Beverly Penn (Jessica Brown Findlay), eine an der Schwindsucht tödlich erkrankte Schönheit, und sie verlieben sich sofort ineinander. Aufgrund ihrer Krankheit hat sie ein enormes Bedürfnis nach Kälte, das sie unter anderem stillt, indem sie fast unbekleidet und barfuß durch den Schnee wandelt.

Diese Liebesgeschichte spielt vor dem Hintergrund eines Kampfes zwischen Engel und Dämonen. Denn Pearly Soames ist ein Vertreter des Teufels in New York (und nur dort) und Peter Lake hat als Verbündeten einen weißen Schimmel. Nein, das ist jetzt keine plumpe Tautologie, sondern erfasst ungefähr die Subtilität des Films.

Der Kampf zwischen Lake und Soames endet, nach einer jahrzehntelangen Unterbrechung, 2014, in der Gegenwart, und spätestens hier werden starke Anforderungen an die „suspension of disbelief“ gestellt. Denn – ohne etwas von der Geschichte zu verraten (da gibt es in Punkto Visionen noch mindestens ein Problem) – wenn eine junge, alleinerziehende Reporterin herausfindet, dass Lake bereits vor einem Jahrhundert quicklebendig war, ist sie ungefähr so erstaunt wie ich, wenn ich eine Pizza Salami bestelle und eine Pizza Salami erhalte. Überboten wird ihre Reaktion nur noch von Beverlys Schwester Willa (Eva Marie Saint). Sie lernte Lake als kleines Mädchen kennen, leitet als deutlich über Hundertjährige immer noch die Zeitung, erkennt Lake sofort und ist darüber überhaupt nicht erstaunt, weil es viele unerklärliche Dinge gibt.

Akiva Goldsman (Oscar für „A beautiful Mind“, Razzie-Nominierung für „Batman & Robin“) kredenzt nach fünf TV-Serienfilme, unter anderem vier Folgen „Fringe“, in seinem Spielfilmdebüt einen ziemlich erhaben daherkommenden, schlecht inszenierten Kitsch. Denn es gehört schon einiges dazu, dass durchaus gute Schauspieler wie Colin Farrell (der als gut Vierzigjährige doch etwas alt für einen Zwanzigjährigen ist), Russell Crowe und Will Smith (als Luzifer ist er immerhin für einen Lacher gut) mit einem grenzdebilen Blick stoisch durch die Kulisse schlurfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass – immerhin hat Goldsman ja die Bücher für einige veritable Blockbuster, wie „I, Robot“, „The Da Vinci Code – Sakrileg“, „I am Legend“ und „Illuminati“ geschrieben und die waren immerhin gutes Handwerk – Goldsman die Geschichte von „Winter’s Tale“ auf drei Zeitebenen beginnt und eine Myriade von Charakteren einführt, die später vollkommen bedeutungslos sind. Das erschwert den Einstieg in den Film unnötig. Der mythische Überbau, mit einem irritierendem Voice-Over, funktioniert auch nie und damit funktioniert auch der dritte, in der Gegenwart spielende Akt nicht.

Die Bilder und Tricks kolportieren nur das sattsam Bekannte. So sehen die gefletschten Zähne von Will Smith nicht anders aus als die Zähne der „30 Days of Night“-Vampire. Für eine „Fringe“-TV-Folge ist das okay, aber für einen abendfüllenden Spielfilm zu wenig.

Auch wenn die Musik von Hans Zimmer und Rupert Gregson-Williams ist.

Jedenfalls, und damit kommen wir zum Positiven, erscheint nach „Winter’s Tale“ der unterschätzte „Cloud Atlas“ als ein formvollendetes Meisterwerk

Winter's Tale - Plakat

Winter’s Tale (Winter’s Tale, USA 2014)

Regie: Akiva Goldsman

Drehbuch: Akiva Goldsman

LV: Mark Helprin: Winter’s Tale, 1983 (Wintermärchen)

mit Colin Farrell, Jessica Brown Findlay, Jennifer Connelly, Russell Crowe, William Hurt, Ripley Sobo, Mckayla Twiggs, Matt Bomer, Will Smith, Eva Marie Saint

Länge: 117 Minuten (laut FSK, aber sie fühlten sich eher nach der offiziellen Angabe von 129 Minuten an)

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Winter’s Tale“

Moviepilot über „Winter’s Tale“

Metacritic über „Winter’s Tale“

Rotten Tomatoes über „Winter’s Tale“

Wikipedia über „Winter’s Tale“ (deutsch, englisch)

Homepage von Mark Helprin

Tor: Chris Lough über den Roman (danach hätte die Verfilmung noch schlimmer oder vollkommen campy sein können)


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