Der Pakt der Wölfe(Le Pacte des loups, Frankreich 2001)
Regie: Christophe Gans
Drehbuch: Stéphane Cabel, Christophe Gans
1766: Im Auftrag des Königs soll Grégoire de Fronsac in der südfranzösischen Provinz eine Frauen und Kinder tötende Bestie zur Strecke bringen. Die abergläubischen Einheimischen glauben, dass es sich um einen Wolf handelt. De Fronsac glaubt das nicht.
In jeder Beziehung herrlich freidrehender Fantasythriller. Ein großartiger, abstrus-absurder Spaß.
Während Rapid Eye Movies sich für seine monatliche „Zeitlos“-Reihe durch die unbekannteren Gefilde des asiatischen Kinos wühlt, kann Studiocanal/Arthaus für seine ebenfalls monatliche „Best of Cinema“-Reihe in seinem reichhaltigen Fundus zwischen Mainstream, Arthaus und allem, was dazwischen liegt und uns in den vergangenen Jahrzehnten schöne Kinoabende bescherte, wühlen.
Für den Januar, genaugenommen am Dienstag, den 2. Januar 2024, gibt es Christophe Gans‘ „Pakt der Wölfe“ im Director’s Cut in der 4K-Restaurierung, die 2022 in Cannes uraufgeführt wurde. Danach erschien sie auf DVD/Blu-ray und wird jetzt erstmals in unseren Kinos gezeigt.
1767 tötet in der südfranzösischen Provinz ein unbekanntes Tier Menschen. Der König schickt Grégoire de Fronsac (Samuel Le Bihan) in die Provinz, in der der Adel und die Kirche eine geschlossne Trutzburg gegen die Moderne und die sich andeutende Französische Revolution sind.
De Fronsac soll das Monster gefangen nehmen und zum Hof des Königs bringen. Während die Einheimischen glauben, dass ein Wolf die Menschen tötet, glaubt de Fronsac nicht daran.
De Fronsac ist ein Abenteurer, Frauenheld und Wissenschaftler, der an die modernen Methoden der Wissenschaft glaubt. Er ist eine Mischung aus Alexander von Humboldt, Constable Ichabod Crane (Johnny Depp) aus „Sleepy Hollow“ und Sherlock Holmes. Begleitet wird er von Mani (Mark Dacascos), einem schweigsamen Indianer mit Kung-Fu-Kenntnissen, die er an renitenten Einheimischen ausprobiert. Danach liegen sie im Matsch. Außerdem ist de Fronsacs Blutsbruder ein begnadeter Fährtenleser und Fallensteller.
Christophe Gans und Stéphane Cabel haben eine vollkommen krude Geschichte erfunden, die sie mit dem heiligen Ernst und Pathos einer wahren historischen Chronik erzählen. Das beginnt damit, dass der Aristokrat Thomas d’Apcher, der de Fronsac und Mani bei der Jagd nach der Bestie half, zwanzig Jahre später seine Erinnerungen (vulgo die Filmgeschichte) aufschreibt, während vor seiner Haustür die Fackelträger der Französischen Revolution warten, und endet mit dem Wissen, dass die Filmgeschichte von wahren Ereignissen inspiriert ist – Von 1764 bis 1767 tötete die ‚Bestie von Gévaudan‘ in der südfranzösischen Provinz über hundert Menschen. Die Bestie wurde nie gefunden. – und etliche Filmfiguren, für Historiker mehr oder weniger einfach erkennbar, auf historisch verbürgten Persönlichkeiten beruhen.
Dazwischen gibt es ein Gebräu aus Sex (in ungefähr jeder denkbaren Konstellation), Gewalt (dito), einem Kung-Fu-Indianer und einem schrecklich aussehendem Monster, das es nur auf Frauen und Kinder abgesehen hat. Jedenfalls normalerweise. Das beansprucht nie die Glaubwürdigkeit eines auch nur halbwegs historisch verbürgten, auf wahren Ereignissen basierenden Spielfilms, sondern von Anfang an die Glaubwürdigkeit einer Fantasy-Geschichte, die bei Christophe Gans nicht in Richtung Horror, sondern in Richtung Action (und Sex und Gewalt) abbiegt und sich dabei wenig um so etwas wie stilistische Geschlossenheit kümmert.
Mit dem richtigen Mindset ist seine Schauermär ein großartiger, abstrus-absurder Spaß.
Das sahen auch damalige Kritiker so:
„satte 143 Minuten fulminanten Mummenschanz in einer im besten Sinne des Wortes fantastischen Mischung aus Historienfilm, Actionreißer, Verschwörungsdrama, Western und Gruselklamotte.“ (Zitty 17/2001)
„opulente Rätselmär (…) Ein surrealistischer Kostümfilm mit rasanten Martial-Arts-Einlagen, ein Monstermärchen mit Anleihen aus Western und Eastern.“ (tip 4/2002)
„unbekümmert-dreisten Mischung aus ‚Im Namen der Rose‘ und ‚Fantomas‘, Jean-Jacques Rosseau und James Bond, aus Esoterik und Erotik entzieht sich der Film allen Kategorien seriöser Bewertung. Die Plotkonstruktion ist (…) kompletter Unsinn.“ (Claus Löser, Berliner Zeitung 14. 2. 2002)
„vor allem in der optischen Gestaltung aufwändige, düstere und weitgehend spannende Mischung aus Fantasy-, Horror- und Kriminalfilm im Gewand eines Mantel- und Degenabenteuers.“ (Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2002)
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„Pakt der Wölfe“ läuft am Dienstag, den 2. Januar 2024, im Rahmen der „Best of Cinema“-Reihe im Kino. Spätere Vorstellungen sind möglich, aber selten.
Pakt der Wölfe – Director’s Cut (Le Pacte des loups, Frankreich 2001)
Regie: Christophe Gans
Drehbuch: Stéphane Cabel, Christophe Gans
mit Samuel Le Bihan, Vincent Cassel, Émilie Dequenne, Monica Bellucci, Jérémie Renier, Mark Dacascos, Jean Yanne, Jacques Perrin, Bernard Fresson
Wir werden nicht zusammen alt(Nous ne villirons pas ensemble, Frankreich/Italien 1972)
Regie: Maurice Pialat
Drehbuch: Maurice Pialat (nach seinem Roman)
Selten gezeigtes Drama von Maurice Pialat über eine jahrelange, schwierige Beziehung zwischen einer jungen Frau und einem verheirateten, gewalttätigem Regisseur.
Jean Yanne erhielt für sein Spiel in Cannes den Preis als bester Darsteller.
„Ein nüchterner, überzeugender Bericht, der psychologische Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen beleuchtet.“ (Lexikon des internationalen Films)
Zu Pialats späteren und bekannteren Werken gehören „Der Loulou“ (Loulou, 1980), „Der Bulle von Paris“ (Police, 1985), „Die Sonne Satans“ (Sous le soleil de Satan, 1987) und „Van Gogh“ (1991).
Anschließend, um 21.55 Uhr, zeigt Arte die brandneue knapp einstündige Doku „Maurice Pialat – Außenseiter der französischen Filmwelt“.
Das Biest muß sterben (Que la bête meure, Frankreich/Italien 1969)
Regie: Claude Chabrol
Drehbuch: Paul Gégauff, Claude Chabrol
LV: Nicholas Blake: The Beast must die, 1938 (Mein Verbrechen)
Ein unbekannter Raser überfährt in einem bretonischen Dorf den neunjährigen Sohn des Kinderbuchautors Charles Thénier. Weil die Polizei den Täter nicht überführt, beginnt Thénier ihn auf eigene Faust zu suchen. Anschließend will er ihn umbringen.
Ein schon lange nicht mehr gezeigter Chabrol-Klassiker, der damals einen bemerkenswerten Film nach dem nächsten drehte.
Klassisch sind auch die ersten Zeilen von Blakes Roman: “Ich will einen Menschen töten. Ich weiß nicht, wie er heißt, ich weiß nicht, wo er wohnt, ich habe keine Ahnung, wie er aussieht. Aber ich werde ihn finden und ihn töten.”
mit Michel Duchaussoy, Caroline Cellier, Jean Yanne, Maurice Pialat
Vor Einbruch der Nacht (Juste avant la nuit, Frankreich 1971)
Regie: Claude Chabrol
Drehbuch: Claude Chabrol
LV: Edward Atiyah: The thin line, 1951 (später Murder, my Love)
Bei einem SM-Spiel tötet Charles Masson seine Geliebte. Er gesteht die Tat seiner Frau und dem Mann seiner Geliebten. Der ist zugleich sein bester Freund. Beide raten ihm davon ab, zur Polizei zu gehen. Aber kann Masson mit seiner Schuld leben?
Chabrol rechnet mal wieder mit der Moral der Bourgeoisie ab. Ein mehr als selten gezeigter Chabrol-Klassiker.
Masson „ist ein Gefangener seiner eigenen Welt, der er letztlich zum Opfer fällt. Chabrol inszeniert dies mit der analytisch-sezierenden Brillanz eines Chirurgen, er nutzt die Kamera und ihre Bewegungen über ihren ästhetischen Aspekt hinaus zur psychologischen Beweisführung. Darin ist er seinem Vorbild Alfred Hitchcock sehr nahe.“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms, 1985/1993)
mit Michel Bouquet, Stéphane Audran, Jean Carmet, Francois Périer, Henri Attal
Arte, 22.50 Hanna K. (Frankreich/Israel 1983, Regie: Constantin Costa-Gavras)
Drehbuch: Franco Solinas, Constantin Costa-Gavras
Die israelische Anwältin Hanna Kaufman soll den illegal ins Land gekommenen, unter Terrorverdacht stehenden Palästinenser Selim Bakri verteidigen. Er behauptet allerdings, keinen Anschlag geplant zu haben, sondern er will nur das illegal beschlagnahmte Haus seiner Eltern wieder haben. Hanna fragt sich, ob Selim die Wahrheit sagt.
Die deutsche Premiere erlebte „Hanna K.“ am 12. Oktober 1990 in der ARD und der „Fischer Film Almanach“ schrieb damals: „In der emotionalen Betroffenheit unabhängiger Frauen (…) werden politische und gesellschaftliche Probleme in allen Facetten ihrer Widersprüchlichkeit greifbar. Im Engagement der Protagonistinnen treffen sich die Argumente aller beteiligten Parteien. Ihr Entscheidungskonflikt zwingt auch den Zuschauer zu Identifikation und Stellungnahme.“
Das Lexikon des internationalen Films meint: „Melodram vor dem Hintergrund der oft tabuisierten israelischen Besiedlungspolitik, in dessen Verlauf das Private das Politische überlagert. Eindrücklich und ohne Klischees werden die Probleme einer Frau gezeigt, die versucht, gegen gesellschaftliche Normen und die Widerstände der offiziellen Politik ihren eigenen Weg zu gehen.“
Costa-Gavras zeigte in einem Film erstmals die palästinensische Seite des Konflikts, viele Kritiker warfen ihm sofort eine Anti-israelische Haltung vor, in den USA wurde der Film kaum besprochen und er verschwand dort und in anderen Ländern rasend schnell aus den Kinos. In die deutschen Kinos kam er überhaupt nicht. Da scheint Costa-Gavras einige Jahre zu früh gewesen zu sein.
mit Jill Clayburgh, Jean Yanne, Gabriel Byrne, Mohammed Bakri, David Clennon Hinweise Arte über die Costa-Gavras-Filmreihe Rotten Tomatoes über „Hanna K.“
Wikipedia über „Hanna K.“ (englisch, französisch)