Kunstauktionator Simon versteckt während eines Überfalls ein wertvolles Goya-Gemälde. Weil er durch einen Schlag auf den Kopf sein Gedächtnis verloren hat und die Gangster das Gemälde unbedingt wollen, soll eine Hypnotiseurin bei der Wiederbeschaffung helfen.
Nichts, aber auch wirklich nichts ist so, wie es scheint.
Herrlich vertrackter Noir von Danny Boyle, der für meinen Geschmack schon etwas zu vertrackt wird.
mit Salma Hayek, Vincent Cassel, John C. Reilly, Toby Jones, Shirley Henderson, Hayley Carmichachel, Stacy Martin, Bebe Cave, Christian Lees, Jonah Lees, Alba Rohrwacher, Massimo Ceccherini, Guillaume Delaunay
Einfach das Ende der Welt(Just la fin du monde, Kanada/Frankreich 2016)
Regie: Xavier Dolan
Drehbuch: Xavier Dolan
LV: Jean-Luc Lagarce: Juste la fin du monde, 1990 (Theaterstück)
Schriftsteller Louis besucht nach zwölf Jahren wieder seine Familie. Er will ihnen von seiner tödlichen Krankheit erzählen. Aber sie sind, lautstark und hochemotional, mit ihren Streitigkeiten beschäftigt.
TV-Premiere. Intensives, nichts erklärendes Drama über eine zerrüttete Familie, furios im Gefühlsüberschwang von Xavier Dolan mit internationaler Starbesetzung inszeniert.
Dolans neuester Film „Matthias & Maxime“ soll nach einigen pandemiebedingten Verschiebungen, Ende Juli anlaufen.
mit Nathalie Baye, Marion Cotillard, Gaspard Ulliel, Vincent Cassel, Léa Seydoux
mit Salma Hayek, Vincent Cassel, John C. Reilly, Toby Jones, Shirley Henderson, Hayley Carmichachel, Stacy Martin, Bebe Cave, Christian Lees, Jonah Lees, Alba Rohrwacher, Massimo Ceccherini, Guillaume Delaunay
Wiederholung: Montag, 22. April, 02.20 Uhr (Taggenau!)
Drehbuch: Paul Greengrass, Christopher Rouse (nach Charakteren von Robert Ludlum)
Jason Bourne ist zurück. Und wieder hat er Ärger mit seinem alten Arbeitgeber. Der CIA.
Wer noch keinen Film mit Jason Bourne gesehen hat, wird begeistert sein. Wer die anderen Bourne-Filme kennt, wird vor allem ein Recycling bekannter Ideen, Situationen und Abläufe sehen.
Nach einem Skiunfall bilanziert Tony (Emmanuelle Bercot) in einer Reha-Klinik ihre jahrelange, äußerst stürmische Beziehung zu Georgio (Vincent Cassel).
TV-Premiere der feinfühligen Charakterstudie über eine extrem schwierige Beziehung.
mit Salma Hayek, Vincent Cassel, John C. Reilly, Toby Jones, Shirley Henderson, Hayley Carmichachel, Stacy Martin, Bebe Cave, Christian Lees, Jonah Lees, Alba Rohrwacher, Massimo Ceccherini, Guillaume Delaunay
TV-Premiere eines Skandalfilms über eine Rache und eine Vergewaltigung, bei dem vor allem über eine neunminütige Vergewaltigungsszene gesprochen wurde. „Diese Wahrnehmung verkürzt den Film auf ungerechte Weise. Tatsächlich handelt es sich sowohl um einen zwar überaus drastischen, aber ernst zu nehmenden Kommentar über filmische Dramaturgie als auch um eine durchaus moralisch fundierte Äußerung zur Phänomenologie zwischenmenschlicher Gewalt.“ (Lexikon des internationalen Films)
Anders: „Jenseits de exzessiv beschriebenen Gewalt bleibt ein Gefühl der Leere zurück.“ (epd-Film)
Der Film ist „frei ab 18 Jahre“.
mit Monica Bellucci, Vincent Cassel, Albert Dupontel, Jo Prestia
Russland, 1953, zu Stalins Lebzeiten: der Geheimdienstler Leo Demidow wird in die tiefste Provinz verbannt. Dort stolpert er über einen Mordfall, der einem Mordfall in Moskau ähnelt. Soll es im Arbeiter- und Bauernstaat einen Serienmörder geben?
Letztendlich und gerade wegen der beteiligten Personen enttäuschende Verfilmung von Tom Rob Smiths mit mehreren Preisen ausgezeichnetem Thriller, die in Teilen besser (vor allem an Anfang) und in Teilen (vor allem am Ende) schlechter als der Roman ist. Dabei war ich von dem Roman auch nicht so wahnsinnig begeistert.
Kunstauktionator Simon versteckt während eines Überfalls ein wertvolles Goya-Gemälde. Weil er durch einen Schlag auf den Kopf sein Gedächtnis verloren hat und die Gangster das Gemälde unbedingt wollen, soll eine Hypnotiseurin bei der Wiederbeschaffung helfen.
Nichts, aber auch wirklich nichts ist so, wie es scheint.
Herrlich vertrackter Noir von Danny Boyle, der für meinen Geschmack schon etwas zu vertrackt wird.
Am 16. Februar startet bei uns Danny Boyles neuer Film „T2 Trainspotting“, der – yep, richtig geraten – nach zwanzig Jahren die Geschichte von „Trainspotting“ weitererzählt und wir erfahren, was aus den „Trainspotting“-Jungs wurde. Denn: the boys are back in town.
Der Trailer sieht gut aus. Die ersten Besprechungen tendieren, gebremst begeistert, zum Daumen nach oben. Jedenfalls erreicht der Film bei „Rotten Tomatoes“ derzeit einen Frischegrad von 79 %. :
Der Film basiert, wahrscheinlich sehr, sehr lose auf Irvine Welshs „Porno“. Schließlich schrieb Welsch den Roman, der die Geschichte von „Trainspotting“ weiter erzählt, bereits 2002 und sie spielt zehn Jahre nach seinem 1993 publiziertem Debütroman „Trainspotting“. In dem Roman versuchen die Jungs in der Zeit vor Facebook und YouPorn ihr Glück in der Pornoindustrie und, nun, einiges verläuft anders als geplant.
Was genau schief läuft, könnt ihr in der Neuausgabe des Romans nachlesen.
Irvine Welsh: Porno
(übersetzt von Clara Drechsler und Harald Hellmann)
3sat, 23.30 Eine dunkle Begierde (A dangereous method, Deutschland/Kanada/Großbritannien/Schweiz 2011)
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Christopher Hampton (nach dem Roman „A dangerous method“ von John Kerr und dem Theaterstück „The talking cure“ von Christopher Hampton)
Auf Tatsachen basierender Film über die Beziehung zwischen C. G. Jung, seiner Patientin Sabina Spielrein (die später eine geachtete Psychologin wird) und Sigmund Freud. Ein toller Schauspielerfilm, der aber mehr wie eine besonders gute Arte-Produktion und weniger wie ein David-Cronenberg-Film wirkt.
mit Viggo Mortensen, Keira Knightley, Michael Fassbender, Vincent Cassel, Sarah Gadon, André Hennicke, Arndt Schwerin-Sohnrey, Anna Thalbach Hinweise
Wenn „Jason Bourne“ meine erste Begegnung mit Jason Bourne wäre, wäre ich begeistert.
Aber es ist die vierte. Und dann gab es noch „Das Bourne Vermächtnis“ mit Jeremy Renner als Bourne-Ersatz Aaron Cross.
Jetzt sind Matt Damon, der den CIA-Killer ohne Gedächtnis dreimal spielte, und Paul Greengrass, der Damon zweimal als Bourne inszenierte, zurück in der Welt von Jason Bourne. Fast zehn Jahre nach dem dritten Bourne-Film „Das Bourne Ultimatum“ kehren sie zu dem Agenten, der von seinem ehemaligen Arbeitgeber gejagt wird, zurück und letztendlich erzählen sie die gleiche Geschichte noch einmal. Mit viel Action, wenigen Dialogen, pulsierender Musik, nahtlosen Schnitten und einer Wackelkamera, die damals das Genre hin zu einem quasi-dokumentarischen Stil revolutionierte und eben für diese jede Filmschul-Regel missachtende Kameraarbeit kritisiert wurde. Das ändert nichts daran, dass Greengrass ein Meister dieses oft kopierten, in dieser Perfektion und Eleganz fast nie erreichten Stils ist.
In ihrem neuesten Film „Jason Bourne“ ist alles wie vor zehn Jahren und wenn „Jason Bourne“ 2009 (oder so) in die Kinos gekommen wäre, wäre er sicher als okaye bis grandiose Fortsetzung durchgegangen. Aber nach einer gut zehnjährigen Pause ist „Jason Bourne“ einfach nur eine Wiederholung des allseits bekannten, mit ein, zwei im Nichts verlaufenden Anpassungen an den Zeitgeist, die in der Post-Snowden-Zeit altbacken sind.
Anscheinend verbrachte Jason Bourne die letzten zwölf Jahre („Das Bourne Ultimatum“ spielt 2004) mit der Teilnahme an Undergrund-Faustkämpfen. Seine Gegner schlägt er umstandslos K. O..
In Athen trifft er Nicky Parsons (Julia Stiles). Sie hat aus dem CIA-Computer Daten über Geheimprojekte geklaut. Eines ist Treadstone, das CIA-Projekt, an dem Bourne teilnahm. Eines ist Iron Hand, ein brandneues, noch größeres, bedrohlicheres und geheimeres Projekt als Treadstone. In diesem Projekt geht es um eine Hintertür in einem populärem Computerprogramm (irgendetwas zwischen ganz vielen Apps, die miteinander verknüpft werden, und Facebook), das aber nur die Funktion eines MacGuffins hat und dazu dient, alle wichtigen Figuren nach Las Vegas zu bringen zu dem internationalen EXOCON-Kongress, auf dem sich Hacker, Überwachungs- und Cyber-Security-Industrie treffen.
Dabei beginnen die Probleme für Jason Bourne schon in Athen. Kaum hat er Nicky getroffen, will die CIA ihn schon umbringen. Dieses Mal wird die CIA von CIA-Chef Robert Dewey (Tommy Lee Jones) und der jungen, ehrgeizigen Computeranalystin Heather Lee (Alicia Vikander) verkörpert. Der eiskalte CIA-Killer Asset (Vincent Cassel) (Asset? Als CIA-Tarnname? Wirklich? Wie soll ich das übersetzen? Aktivposten? Spion?) soll Bourne und Nicky töten. In dem Getümmel zwischen Demonstranten und Polizisten kann er nur Nicky erschießen. Bourne kann am Ende dieser atemberaubenden Actionszene mit dem USB-Stick mit den Daten über die CIA-Geheimprojekte flüchten. Zuerst nach Berlin. Dann nach London und nach Las Vegas. Asset verfolgt ihn, Leichen stapeln sich (in London eine Handvoll Toter). Jede Plausibilität geht in einem Meer von Action unter. Denn das Chaos, das Asset und der CIA bei der Verfolgung von Jason Bourne anrichten, ist unglaublich. Jedenfalls wenn man unauffällig operieren möchte.
Bei dieser Hatz um den halben Globus erfährt Bourne, wie sein Vater in Treadstone involviert war und warum er sterben musste.
Und Heather Lee glaubt, nachdem sie ein psychologisches Gutachten über Bourne gelesen hat, dass Bourne eigentlich wieder zurück in den Schoß der CIA will. Das ist, immerhin ist Jason Bourne kein Jack Bauer, ein psychologisch durchgehend unplausibler Handlungsstrang. Denn warum sollte Bourne wieder zu dem Unternehmen zurückkehren, das ihn unter allen Umständen töten will?
„Jason Bourne“ ist ein einziges Déjà Vu, das bei den bekannten Teilen oft langweilt (weil wir das alles in den vorherigen Bourne-Filmen schon besser und glaubwürdiger gesehen haben), bei den Aktualisierungen, wie dem neuen CIA-Projekt, hinter der Wirklichkeit zurückbleibt und in diesen Momenten politisch naiv von einem Geheimprojekt redet, während die CIA und die NSA aus ihrer Gier nach unseren Daten keinen Hehl machen. Das gilt, ihr müsst nur eine aktuelle Tageszeitung aufschlagen, auch für Sicherheitspolitiker und Geheimdienstchefs aus anderen Ländern. In der Post-Snowden-Ära sind diese Fakten über die globale Geheimdienstüberwachung in großen Teilen bekannt. Die Zusammenarbeit zwischen Firmen und Geheimdiensten auf mehr oder weniger gesetzlicher Grundlage ist auch bekannt. Die Sicherheitspolitiker und -behörden äußern offen ihre Überwachungswünsche und der Kampf dagegen wird ebenfalls in der Öffentlichkeit ausgetragen.
Aber diese Aktualisierung ist nur ein Seitenstrang in Jason Bournes mehr oder weniger stringent betriebener Suche nach dem Mörder seines Vaters, der – Überraschung! – in der CIA sitzt. Sowieso wird die CIA hier endgültig zu einer Organisation, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist (nicht unwahrscheinlich) und vor allem eigene Mitarbeiter tötet. Das ist dann in der Häufung von inzwischen fünf Filmen, die im Bourne-Universum spielen, doch arg unglaubwürdig.
Das gilt auch für die Action, die nach dem atemberaubenden Auftakt in Griechenland, eine gewisse Routine nicht verleugnen kann und sich im Lauf des Films zunehmend in überbordende Kollateralschäden flüchtet. Schon in London werden am helllichten Tag innerhalb weniger Minuten in einem Gebäudekomplex eine Handvoll Menschen, die wahrscheinlich alle einen US-Pass und teils wichtige Jobs hatten, ermordet – und niemand soll sich dafür interessieren? In Las Vegas wird das, als Teil eines längeren Action-Set-Pieces, mit einer Dutzende Autos und Gebäude zerstörender Autoverfolgungsjagd auf einer Hauptstraße überboten. Da wandelt Jason Bourne durchaus spektakulär auf den Spuren von James Bond. Aber was in der James-Bond-Welt in Ordnung ist, funktioniert in der Jason-Bourne-Welt, in der der Held und seine Gegner sich möglichst unauffällig durch die Welt bewegen, nicht.
Diese Rückkehr von Paul Greengrass und Matt Damon in die Welt von Jason Bourne ist – zugegeben – unterhaltsam, rasant und durchaus überraschend inszeniert; wenn man die anderen Bourne-Filme nicht kennt. Aber sie fügt den vorherigen Filmen nichts wesentliches bei und als Zeitdiagnose wirkt er schon heute hoffnungslos veraltet.
Jason Bourne (Jason Bourne, USA 2016)
Regie: Paul Greengrass
Drehbuch: Paul Greengrass, Christopher Rouse (nach Charakteren von Robert Ludlum)
mit Matt Damon, Alicia Vikander, Tommy Lee Jones, Riz Ahmed, Vincent Cassel, Ato Essandoh, Bill Camp, Julia Stiles, Stephan Kunken, Gregg Henry
Jason Bourne trat erstmals 1980 in dem Roman „Die Bourne-Identität“ von Robert Ludlum auf. Er schrieb zu Lebzeiten noch zwei weitere Romane mit Jason Bourne, der bei ihm ein Vietnam-Veteran war. Für die Filme mit Matt Damon als Jason Bourne wurde das geändert. Neben vielen anderen Details.
Seit 2004 schrieb Eric Van Lustbader zehn weitere Jason-Bourne-Romane, die, auch wenn auf dem aktuellen Buchcover Jason Bourne Matt Damon ähnelt, unabhängig von den Filmen sind.
Mit „Die Bourne-Herrschaft“ ist jetzt sein neunter Bourne-Roman auf Deutsch erschienen. In dem Thriller wird Jason Bourne, der als Doppelgänger eines syrischen Ministers bei einem Gipfeltreffen teilnahm, von dem Terroristen El Ghadan enttarnt und erpresst, den Präsidenten der USA innerhalb der nächsten sieben Tage umzubringen. Wenn Bourne das nicht gelingt, wird El Ghadan Bournes Freundin und deren kleine Tochter töten.
Klingt nach einem Pageturner für die nächste lange Zugfahrt oder den Strandkorb.
–
Eric Van Lustbader/Robert Ludlum: Die Bourne-Herrschaft
Tony (Emmanuelle Bercot) muss nach einem schweren Skiunfall in einer malerisch abgelegenen Reha-Klinik wieder Laufen lernen. Während dieser Heilungsprozess seine langsamen Fortschritte macht, erinnert sie sich an ihre ebenso stürmische, wie turbulente jahrelange Beziehung zu Georgio (Vincent Cassel). Die unfallbedingte Ruhepause verschafft ihr die Zeit, eine Bilanz ihres bisherigen Lebens zu ziehen und die sieht in dieser Beziehung nicht besonders gut aus.
Die gut situierte Anwältin lernte Georgio vor zehn Jahren in einer Bar kennen und war von dem extrovertierten Dandy und Frauenschwarm fasziniert. Vor allem, weil der Restaurantbesitzer sich auch für sie interessiert. Und dann überzeugt der notorisch ungebundene Lebemann und Nachtmensch nicht nur im Bett, sondern auch mit seinen Fähigkeiten als Hausmann in der Küche.
Dummerweise sind, wie Tony sich in der Reha bewusst wird, genau die Dinge, wegen denen sie sich in Georgio verliebte, auch die Dinge, die eben auch gegen eine harmonische Beziehung sprechen. Vor allem, wie sie es gerne hätte, eine langfristig bürgerliche, harmonische Beziehung mit Haus und Kind.
Maïwenn (zuletzt „Poliezei“) inszenierte ihre feinfühlige, niemand verurteilenden Charakterstudie immer nah an dem Liebespaar und ihrer ebenso turbulenten, wie auch von Anfang an problematischen Beziehung, in der jeder in dem Anderen etwas sieht, was er nicht hat und genau deshalb begehrt. Allerdings, und das merkt Tony im Lauf der Jahre und auch als Mutter des von Georgio sehnlich gewünschten Kindes, kann und will sich keiner von beiden wirklich verändern. Immer wieder verfallen sie in ihr altes Verhalten. Immer wieder begeht vor allem sie die gleichen Fehler, was dem Film, auch wegen der gewählten Struktur, etwas zirkuläres verschafft.
Schnell muss man sich als Zuschauer entscheiden, wie sehr man mit Tony mitgeht. Denn dass Georgio nicht der häusliche Traumprinz ist und auch niemals sein wird, ist schon bei ihrer ersten Begegnung offensichtlich. Auch wenn sie es anders sieht und nicht auf gutgemeinte Ratschläge hören will.
Mein Ein, mein Alles (Mon Roi, Frankreich 2015)
Regie: Maïwenn
Drehbuch: Maïwenn, Etienne Comar
mit Vincent Cassel, Emmanuelle Bercot, Louis Garrel, Isild Le Besco, Chrystèle Saint-Louis Augustin, Patrick Raynal
Tödliche Versprechen – Eastern Promises (Großbritannien/USA/Kanada 2007, Regie: David Cronenberg)
Drehbuch: Steven Knight
Eine Hebamme gerät zwischen die Fronten der Russenmafia. Denn sie besitzt ein Tagebuch, das einige Verbrecher belastet. Ein Killer soll sie umbringen.
Hartes, in London spielendes, top besetztes Gangsterdrama von David Cronenberg.
Steven Knight schrieb unter anderem das Oscar- und BAFTA-nominierte und mit dem Edgar Allan Poe-Preis ausgezeichnete Drehbuch zum Stephen Frears-Film „Kleine schmutzige Tricks“ (Dirty Pretty Things, GB 2002).
„Eastern Promises“, wurde, oft in den Kategorien, bester Film, beste Regie, beste Hauptrolle und bestes Drehbuch, für zahlreiche Preise nominiert und erhielt auch einige. Knights Drehbuch war für den Edgar nominiert.
mit Viggo Mortensen, Naomi Watts, Armin Müller-Stahl, Vincent Cassel
Wiederholung: Donnerstag, 9. Dezember, Eins Plus, 22.15 Uhr
Heute sind Märchen Kindergeschichten. Gute-Nacht-Geschichten, die nachmittags im Fernsehen gezeigt werden und deren Ursprung, nämlich eine Erzählung für Erwachsene zu sein, heute kaum noch feststellbar ist.
Matteo Garrone, der das realistische Gangsterepos „Gomorrah“ inszenierte, drehte jetzt mit „Das Märchen der Märchen“ einen Film, der garantiert nicht für Kinder geeignet ist. Auch wenn die FSK ihn ab 12 Jahre freigegeben hat, richtet sich dieser Märchenfilm an ein erwachsenes Publikum, das die Anspielungen und Märchenmotive, die hier vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden, gerne wieder erkennt. Inspiriert ist der Film von Giambattista Basiles Geschichtensammlung „Il Racconto dei Racconti“ („Das Märchen der Märchen“ bzw. „Das Pentameron“). Basile sammelte – wie wir es von Giovanni Boccaccios „Das Dekameron“ (Decamerone, das zwischen 1349 und 1353 geschrieben wurde), einer Sammlung von hundert Novellen, kennen – fünfzig Märchen, die er in eine Rahmenhandlung, in der sich eine Gruppe von Menschen in fünf Tagen 49 Geschichten erzählte, einbettete. „Il Racconto dei Racconti“ erschien 1634/1636 und ist eines der großen Märchenbücher, das, weil es im neapolitanischen Dialekt geschrieben ist, lange unbekannt blieb und später von den Brüdern Grimm als Grundlage für ihre Märchensammlung genommen wurde.
Garrone wählte für seinen Film „Das Märchen der Märchen“ drei Geschichten aus, über deren Anfang und Ende gestritten werden kann. Er erzählt von einer Königin (Salma Hayek), die alles tun würde, um einen Sohn zu gebären. Dafür schickt sie ihren Mann in den Tod. Und nach der Geburt – gleichzeitig gebar eine Dienstmagd einen identischen Zwilling – ist die Geschichte noch nicht vorbei. In der zweiten Geschichte verliebt der König von Strongcliff (Vincent Cassel) sich in eine liebreizende Frau, die bis jetzt seinem Sextrieb entgehen konnten. Was er nicht ahnt, ist, dass sie, die sich seinen Avancen entzieht und ihr Gesicht verbirgt, nicht jung und schön, sondern alt und hässlich ist. Und dabei kriegt der König, wenn er bei einer Frau auch nur eine Falte sieht, Panickattacken. In der dritten Geschichte sucht der König von Highhills (Toby Jones) mit einem Ratespiel einen Gemahl für seine Tochter Violet (Bebe Cave). Der künftige Bräutigam ist ein riesiger, ungeschlachteter Unhold, der sie auch gleich über seine Schulter wirft und in seine Höhle verschleppt.
Diese in verschiedenen, aber benachbarten Königreichen spielenden Hauptgeschichten ergänzt Garrone um viele kürzere Episoden und er erzählt sie nicht hintereinander (obwohl ich seine solche Schnitffassung gerne sehen würde), sondern parallel und auch eher distanziert, was dem Film ein schleppendes Tempo verleiht und mit zunehmender Laufzeit bemerkt man, dass der Film primär eine Sammlung von nur lose miteinander verbundenen Episoden ist. Weshalb einige Charaktere plötzlich aus dem Film verschwinden und andere Charaktere, die für den gesamten Film letztendlich eine große Bedeutung haben, wie die Königstochter Violet, erst sehr spät auftauchen. Es gibt nicht, wie bei anderen Ensemblefilmen, einen den gesamten Film tragenden Charakter. Eher schon betrachtet man alle Personen gleich distanziert. Es gibt ein eigentümliches Missverhältnis zwischen Nebencharakteren, deren Gefühle man versteht und die manchmal nur ein, zwei Szenen oder eine große, äußerst berührende Szene haben, und den Hauptcharakteren, die dagegen schon zu einer eindimensionalen Parodie mutieren. Das gilt vor allem für den sexsüchtigen König von Strongcliff (Vincent Cassel), der nur mit schönen, jungen Frauen Sex haben will, dem wir zum ersten Mal nach einem solchen Gelage begegnen und der dem Begriff „Oberflächlichkeit“ eine neue Dimension verleiht. Er ist wahrlich nicht der Märchenprinz, sondern eher ein notgeiler, alternder Vampir.
Auffallend bei allen Geschichten ist, wie sehr die bekannten Märchenkonventionen gegen den Strich gebürstet werden. Als habe Garrone sich gefragt „Was würde Disney tun?“ und dann das Gegenteil getan. Daher ist auch in jeder Szene eine ungebremste sexuelle Lust spürbar und alle sind von niederen Trieben und Obsessionen beherrscht. Das gilt für den König von Highhill (Toby Jones), der sich nur für einen einen schweinemäßig riesigen Floh, den er in seinem Gemach füttert, interessiert. Seine Tochter ist ihm dagegen herzlich egal.
Oder für die Königin von Longtrellis (Salma Hayek), die sich unbedingt einen Erben wünscht, dafür ihren Mann in den Kampf mit einem Seeungeheuer schickt und anschließend das blutig pulsierende Herz des Ungeheuers genußvoll verspeist; – wobei wir uns fragen, wer hier das wirkliche Ungeheuer ist. Denn den durch das Ungeheuer verursachten Tod ihres Mannes betrauert sie nur pflichtschuldig.
Ebenso auffallend ist, dass bei Garrone die Frauen das starke Geschlecht sind und sie auch sympathischer sind, während die Männer ausgemachte Trottel sind, mit denen man keinen Funken Mitleid hat. In diesem Anti-Disney-Kosmos gibt es dann auch keinen Traumprinz und die Prinzessin muss die Dinge selbst in die Hand nehmen.
Seine düsteren Märchen bettet Garrone in eine vom Barock inspirierte Fantasywelt, die in ihrer Opulenz verzaubert. Auch dank der prächtigen Ausstattung und den handgemachten Tricks. Das erinnert dann an die vor Jahrzehnten in Cinecittà entstandenen Filme, irgendwo zwischen Fellinis Pracht und dem Trash der Sandalenfilme.
Wer den Roman „Kind 44“ von Tom Rob Smith kennt, ist in den ersten Minuten von „Kind 44“ positiv überrascht. Drehbuchautor Richard Price raffte und veränderte den Anfang so, dass die Geschichte schneller beginnt und, wer den Roman gelesen hat, sieht die ersten Minuten als eine kluge Vorschau auf die kommenden Ereignisse, bis hin zum Motiv des Mörders.
Zuerst erfahren wir einiges über Leo Demidow (Tom Hardy), das später wichtig wird: wie er aus seinem Elternhaus flüchtet, in einem Waisenhaus aufwächst, im Zweiten Weltkrieg kämpft und in Berlin für das bekannte Russischer-Soldat-hält-auf-einem Gebäude-vor-der-zerstörten-Stadt-die-Fahne-hoch-Bild poussieren muss. Seine Kampfgefährten sind Wassili (Joel Kinnaman) und Alexei Andrejew (Fares Fares). Jetzt, acht Jahre nach dem Kriegsende, sind sie seine Kollegen beim Staatssicherheitsdienst,
Auch das fröhliche Abendessen mit seinen Kollegen und ihren Frauen zeigt, dass die Ehe zwischen Leo und Raisa Demidow (Noomi Rapace) nicht glücklich ist. Er unterdrückt sie und sie lächelt notgedrungen schweigend zu seinen Ausführungen über ihre erste Begegnung. Sein Balzen war, und das zeigt diese Szene ohne dass sie es sagen muss, für sie eine Bedrohung ihres Lebens. Sie heiratete ihn, weil sie Angst vor ihm hatte und immer noch hat.
Aber dann scheitert der Film an seiner eigenen Unentschlossenheit und die Bedeutung der ersten Szenen erschließt sich eigentlich nur den Menschen, die den Roman kennen. Für alle anderen ist es vor allem eine okaye und sogar etwas längliche Einführung des Helden. Denn für die sich im folgenden eher nebenbei entwickelnde Serienkillerjagd sind seine Jugendjahre und seine Kriegserlebnisse unwichtig. Da hätte die Verfolgung eines Mannes, der der Spionage verdächtig ist, gereicht, um den Protagonisten, seine Fähigkeiten als Ermittler (sehr groß) und seine Wertesystem (sehr akzeptabel) zu etablieren. Außerdem lernen wir in diesen Minuten auch Wassili kennen. Wassili ist ein Antagonist von Demidow; er ist der Mann, der Demidow aus verschiedenen Gründen, vernichten will, indem er das System für seine Interessen benutzt. Der zweite Gegner von Demidow ist natürlich der Mörder, der fast fünfzig Kinder ermordete. Im Film ist, wie im Buch, allerdings unklar, wer der Hauptgegner von Demidow ist. Im Film führt das dazu, dass die Geschichte nicht mehr funktioniert. Storytechnisch blockieren sich die beiden Gegner. Die Geschichte wird nicht spannender, sondern langweiliger.
Dabei folgen Price, ein geachteter Roman- („The Wanderers“) und Drehbuchautor („Die Farbe des Geldes“, „Clockers“), und Daniel Espinosa („Easy Money“, „Safe House“) weitgehend der Romanhandlung: Geheimdienstoffizier Leo Demidow soll seinen Untergebenen Andrejew und dessen Familie vom Unfalltod ihres Sohnes überzeugen. Demidow erhält zwar Hinweise, dass es, wie Andrejew behauptet, ein Mord war. Er sieht sich sogar die Leiche an. Aber er verfolgt die Spuren nicht weiter. Denn im kommunistischen Paradies gibt es keine Verbrechen und damit auch keine Morde.
Nach diesem Auftakt wird der Serienmörderplot auch im Film erst einmal lange Zeit nicht weiter verfolgt. Stattdessen nimmt Demidows Privatleben einen beträchtlichen Raum ein. Denn er soll herausfinden, ob seine Frau eine feindliche Agentin ist. Als er dies nach umfangreichen Ermittlungen vor seinen Vorgesetzten verneint, werden beide nach Wualsk, einer abgelegenen Industriestadt, versetzt. Dort ist General Nesterow (Gary Oldman) sein Vorgesetzter. Ein guter Polizist, der allerdings bei weitem nicht so brillant wie Demidow ist. Deshalb wird er später auch zu Demidows Dr. Watson.
In Wualsk stößt Demidow auf einen weiteren Mord an einem Kind. Jetzt packt ihn das schlechte Gewissen. Er und Nesterow beginnen mit ihren Ermittlungen, die sie im Geheimen durchführen müssen, weil in der Sowjetunion der totalitären Stalinära reine Willkür herrschte und ihr erste Fehler sie in das nächste Gulag befördern könnte.
Diesen Serienkillerplot schleift der Film, wie der Roman, eher mit, weshalb der gesamte Mittelteil des Films über weite Strecken auf der Stelle tritt.
Anstatt kluger Verdichtungen, Verkürzungen, Dramatisierungen und einer Konzentration auf einen Hauptplot (und damit einen klar konturierten Konflikt) geht der Film in die Breite, ohne dass wir etwas substantiell neues über die Charaktere erfahren oder sich die Handlung erkennbar voranbewegen würde. Es wirkt, als habe Richard Price die Lust an seiner Geschichte verloren und sich nicht mehr darum gekümmert, ob sie in sich schlüssig ist.
Dazu kommt die im Film psychologisch kaum begründete Beziehung zwischen Leo und Raisa Demidowa. Für sie ist es eine Zwangsehe. Das gesteht sie ihm auch während der Zugfahrt nach Wualsk. Er ist natürlich entsetzt darüber, dass sie ihn nicht als galanten Liebhaber, sondern als Monster wahrnimmt. Vor allem, nachdem er jetzt sogar für sie seine Karriere geopfert hat. Aber dann wird sie, weil das Drehbuch es so will, zu seiner Verbündeten, hilft ihm bei der Aufklärung der Mordserie und begibt sich mehrmals freiwillig für ihn, den Mann, den sie hasst, der ihr Leben verpfuschte und der sie unterdrückt, in Lebensgefahr. Die Demidowas sind halt ein echtes Powerpaar.
Daniel Espinosa nimmt sich fast hundertvierzig Minuten Zeit, um seine Geschichte zu erzählen. Und dennoch wirkt der Film in seiner eigentümlichen Mischung aus Plot-Stillstand und kryptischer Erzählweise (Warum hilft Raisa ihrem Ehemann?) doch wie ein auf Kinolänge zusammengeschnittener TV-Mehrteiler, bei dem die falschen Szenen entfernt wurden.
Wenn es am Ende zur Konfrontation zwischen Demidow und dem Serienmörder kommt, wird der Kampf von einem Kellerzimmer in eine Schlammgrube im Wald verlegt; was kein großes Problem wäre, wenn dadurch nicht das Set-Up der ersten Minuten vollkommen verschenkt wäre. Ein Kreis, der sich auch optisch hätte schließen können, schließt sich nicht. Dafür gibt es eine Runde Schlammcatchen zwischen dem Mörder und dem Ehepaar Demidow.
Spontan fällt mir kein anderer hochkarätig besetzter und produzierter Mainstreamfilm ein, der sein Potential so grundlos und umfassend verschenkt.
Kind 44 (Child 44, CZ/GB/RO/USA 2015)
Regie: Daniel Espinosa
Drehbuch: Richard Price LV: Tom Rob Smith: Child 44, 2008 (Kind 44)
mit Tom Hardy, Gary Oldman, Noomi Rapace, Joel Kinnaman, Paddy Considine, Jason Clarke, Vincent Cassel, Fares Fares, Charles Dance, Josef Altin
Länge: 138 Mnuten
FSK: ab 16 Jahre
– Die Vorlage
Arte, 20.15 Eine dunkle Begierde (A dangereous method, Deutschland/Kanada/Großbritannien/Schweiz 2011)
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Christopher Hampton (nach dem Roman „A dangerous method“ von John Kerr und dem Theaterstück „The talking cure“ von Christopher Hampton)
Auf Tatsachen basierender Film über die Beziehung zwischen C. G. Jung, seiner Patientin Sabina Spielrein (die später eine geachtete Psychologin wird) und Sigmund Freud. Ein toller Schauspielerfilm, der aber mehr wie eine besonders gute Arte-Produktion und weniger wie ein David-Cronenberg-Film wirkt.
Sein neuester Film „Maps to the Stars“ erscheint am 23. Februar (Verleih) und am 3. März (Verkauf) auf Blu-ray und DVD. Als Bonusmaterial sind Interviews mit David Cronenberg, Julianne Moore, Mia Wasikowska, John Cusack, Robert Pattinson, Olivia Williams, Evan Bird, Bruce Wagner, Martin Katz; B-Roll; Trailer; Audiodeskription und Untertitel für Hörgeschädigte angekündigt.
mit Viggo Mortensen, Keira Knightley, Michael Fassbender, Vincent Cassel, Sarah Gadon, André Hennicke, Arndt Schwerin-Sohnrey, Anna Thalbach Wiederholung: Freitag, 30. Januar, 00.15 Uhr (Taggenau!)
Die Geschichte, also das Märchen von der Schönheit, die von einem Monster auf einem Schloss gefangen gehalten wird, die wahren, inneren Werte des Biestes erkennt und sich in das feingeistig Wesen verliebt, dürfte bekannt sein. Entweder das Märchen oder eine seiner zahlreichen Variationen in verschiedenen Medien. Unter Cineasten erfährt dabei die Version von Jean Cocteau, der die Geschichte 1946 mit Jean Marais als dem Biest verfilmte, die größte Wertschätzung. Auch Christophe Gans‘ „Die Schöne und das Biest“ orientiert sich an Cocteaus Film „Die Schöne und das Tier“, ist aber dennoch eigenständig als buntes, CGI-gesättigtes Märchenspektakel, das sich am Anfang viel Zeit nimmt, um Belle (Léa Seydoux) im Kreis ihrer Familie zu zeigen. Sie ist die Tochter eines vermögenden Kaufmanns (André Dussolier), der, nachdem seine mit Fracht gefüllten Schiffe untergehen, alles verliert und verarmt mit seinen sechs Kindern aufs Land ziehen muss. Während für Belles statusbedachten Schwestern das die ultimative Schmach ist, gefällt es Belle auf dem Land in der freien Natur, abseits der gesellschaftlichen Verpflichtungen.
Eines Tages bricht ihr Vater auf, um in der Stadt einen ihrer Brüder zu finden. Auf dem Rückweg verirrt er sich im winterlichen Wald und entdeckt ein Schloss. Er bedient sich an der reichhaltig gedeckten Tafel und bricht für Belle eine Rose ab. Dafür verurteilt ihn der Hausherr, das titelgebende Biest (Vincent Cassel), zum Tod. Der Kaufmann darf vorher noch einmal seine Familie sehen.
Seine Tochter Belle, die sich, weil sie sich als Reisemitbringsel eine Rose wünschte, für das Schicksal ihrer Familie verantwortlich fühlt, bricht auf zu dem Schloss in den sicheren Tod.
Aber der Schlossherr tötet sie nicht. Er ist eine verfluchte Seele, die erst erlöst werden kann, wenn er eine Frau findet, die ihn wirklich liebt.
Wer diese Frau ist, ist natürlich schon vor der ersten Begegnung zwischen Belle und dem Biest, das sich lange vor ihr versteckt, offensichtlich. Dennoch verliebt Belle sich in Christophe Gans Interpretation des schon mehrmals verfilmten Märchen viel zu schnell in das Biest; fast so, als würde sie nur eine Fluchtmöglichkeit aus ihrer Familie suchen und sich dafür in den ersten Mann verlieben, der ihr dabei helfen kann. Auch wenn ihre Flucht in einem goldenem Käfig endet. Deshalb ist diese fast schon nebenbei behandelte Liebesgeschichte als Geschichte einer großen, reinen, sich langsam entwickelden Liebe auch unglaubwürdig.
Belles Familie, vor allem natürlich die Geschichte ihrer rapiden Verarmung und die Dynamik innerhalb der Familie, nimmt im Vergleich zum titelgebenden Liebespaar viel Zeit in Anspruch, weshalb es auch fast bis zur Filmmitte dauert, bis Belle und das Biest sich zum ersten Mal treffen.
Noch länger dauert es, bis wir endlich Vincent Cassels Gesicht sehen. Die meiste Zeit ist er unter der computergenerierten, ziemlich künstlich aussehenden und wenig beeindruckenden Biest-Maske nicht erkennbar, außer an seinen Bewegungen und seiner Stimme, die in der Synchronisation auch wegfällt. In den Rückblenden, in denen erzählt wird, wie der Prinz, der ein begeisterter Jäger war und eine goldene Hirschkuh töten wollte, wegen seiner Jagdtrophäe zum Biest wurde, ist Cassel in seiner ganzen Pracht zu sehen.
Gedreht wurde „Die Schöne und das Biest“ in den Babelsberg Studios. Die prächtige Kulisse stammt aus dem Computer, was dem Film einen märchenhaft irrationalen Look verschafft, der irgendwo zwischen CGI, Gemälde und alten Studiokulissen ist.
Doch so schön die Ausstattung auch ist, so störend sind die Effekte im Finale, das dann die Märchenwelt zugunsten einem konventionellen CGI-Aktionfinale verlässt. Das hat man schon tausendmal gesehen.
Lächerlich und vollkommen unpassend sind die computergenerierten Tadums, kleine Hunde-ähnliche Tiere mit großen Augen und überlangen Schlappohren, die einfach nur lächerliche und vollkommen überflüssige Trickfiguren aus einem anderen Film sind.
Aber trotz aller Kritik hat mir „Die Schöne und das Biest“ deutlich besser als erwartet gefallen und gerade Kindern dürfte der Film, der als Bilderbuch beginnt und endet, gefallen. Für Erwachsene ist dann doch alles zu märchenhaft-eindeutig. Die Guten sind zu gut, die Bösen zu böse, die Prinzessin und Belle zu schön und Belles Schwestern zu zickig-schnöselig.
Peter Uehling nannte den Film in seiner „Berlinale“-Kritik durchaus treffend „eine große Buttercremetorte mit Sahne und einem quietschsüßem Vanilla Latte“. So etwas muss man, wie einen Mädchen-Kindergeburtstag einfach mögen – oder die Flucht ergreifen.
Drehbuch: Mark Heyman, Andres Heinz, John McLaughlin
Eine junge Ballerina, die immer perfekt sein will, erhält die Chance ihres Lebens: sie soll den Weißen und den Schwarzen Schwan in dem Tschaikowski-Ballett „Schwanensee“ spielen. Für die Rolle des Schwarzen Schwans muss sie auch ihre eigene dunkle Seite erforschen und kann dabei immer weniger zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden.
Toller psychologischer Ballett-Horrorthriller, bei dem Spiegel und Spiegelungen in jeder Beziehungen und Szene wichtig sind. Der Einfluss von Roman Polanski ist unübersehbar. Besonders natürlich von seinen beiden Psycho-Horrorfilmen „Ekel“ (mit Catherine Deneuve) und, weniger deutlich, „Der Mieter“ (mit Roman Polanski).
Nachdem „The Wrestler“ ein Achtungserfolg beim Mainstream-Publikum (oder dem breiten Arthouse-Publikum war), gelang Independent-Liebling Darren Aronofsky mit dem Wereswan-Movie „Black Swan“ jetzt der große Durchbruch, wie erfreuliche Einspielergebnisse, ein begeistertes Publikum und ein Preisregen beweisen.
Dass Danny Boyle ein einmal gefundenes Erfolgsrezept immer wieder wiederholt, kannman ihm wahrlich nicht vorwerfen. Nach „Trainspotting“ verließ er die Welt der drogengeschwängerten Arbeiterklassepubs, nach „28 Tage später“ drehte er keinen weiteren Horrorfilm und nach „Slumdog Millionaire“, für den er den Regie-Oscar erhielt, gab es kein weiteres romantisches Melodrama. Letztendlich ist die einzige Konstante in Danny Boyles Werk der Wechsel zwischen den verschiedenen Genres. Und so ist sein neuester Spielfilm „Trance – Gefährliche Erinnerung“ das Gegenteil zu seinem vorherigen Spielfilm „127 Hours“ und, während er die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in London konzipierte und inszenierte, seine Entspannungsübung. Denn Boyle drehte den Film vor der Olympiade und schnitt ihn erst danach.
„Trance“ ist ein verzwickter Noir mit einer Eröffnung, die, wie Danny Boyles Eröffnungssequenz von „Trainspotting“, gut als eigenständiger Kurzfilm funktioniert. Aber in „Trance“ ist diese Eröffnungssequenz, ein Musterbeispiel für ökonomisches Erzählen, nur die Eröffnung zu einem komplexen Spiel mit vielen Überraschungen und unvorhersehbaren Wendungen. Die erste ist, dass Boyle danach den Tonfall wechselt und eine ganz andere Geschichte erzählt.
In den ersten Minuten erzählt Kunstauktionator Simon (James McAvoy), wie schwer es ist, ein Gemälde zu stehlen, warum die meisten Diebstähle schiefgehen und was für einen grandiosen Plan er sich ausgedacht hat. Der Plan, während einer Auktion das surreale Ölgemälde „Flug der Hexen“ von Francisco de Goya zu stehlen, funktioniert auch. Jedenfalls bis er von dem gemeinsamen Plan mit Franck (Vincent Cassel), dem smarten und skrupellosen Boss einer kleinen Gangsterbande, abweicht und durch einem heftigen Schlag auf seinen Kopf sein Gedächtnis verliert.
Während Simon von seinen Arbeitgebern als großer Held gefeiert wird, will Franck unbedingt das wertvolle Gemälde haben. Dummerweise kann Simon sich nicht mehr, auch nicht als er gefoltert wird, an das Versteck erinnern. Also schickt Franck ihn zu einer Hypnotiseurin. Simon sucht sich zufällig Elizabeth (Rosario Dawson) aus. Er verliebt sich sofort in die Schönheit, die etwas seltsam auf ihn reagiert. Das kann aber, obwohl er sich mit falschem Namen und einer offensichtlich erfundenen Geschichte bei ihr vorstellt, auch an seiner Medienprominenz liegen. Verdächtig schnell erklärt sie sich, gegen einen Teil der Beute, bereit, den Gangstern bei der Suche nach dem Gemälde zu helfen.
Und spätestens ab diesem Moment sind wir in einem zunehmend unüberschaubarem Spiegelkabinett, in dem nicht nur jeder jeden betrügt und auf seinen eigenen Vorteil schaut, sondern auch noch jeder mehrere verborgene Absichten und Hintergedanken hat und sie sich gegenseitig nach bestem Wissen und Gewissen manipulieren.
Die Drehbuchautoren Joe Ahearne, der bereits die erste Version von „Trance“ schrieb und 2001 als TV-Film verfilmte, und John Hodge, der bereits mehrmals mit Danny Boyle zusammenarbeitete, und Regisseur Danny Boyle entwerfen hier in eleganten Bildern und pointierten Schnitten ein vielschichtiges Vexierspiel, bei dem man sich auf nichts verlassen kann – bis es dann im dritten Akt viel zu viele Wendungen und Überraschungen gibt.
Denn wenn innerhalb weniger Minuten zum – gefühlt – fünften Mal enthüllt wird, dass doch alles ganz anders ist und die Protagonisten dabei wechselweise in Hypnose oder gerade nicht in Hypnose waren, und damit die letzte Szene dann doch ein Traum war oder vielleicht doch nicht, verliert man auch das Interesse an den Charakteren und der Geschichte. In diesen Minuten war es Machern anscheinend wichtiger, das Publikum im Minutentakt mit vollkommen überraschenden Enthüllungen zu überraschen, anstatt es emotional mitzunehmen oder wirklich auf die Schlüssigkeit der Geschichte zu achten. Das ist dann die Welt der kalten Versuchsanordnungen, in denen Forscher beliebig Dinge und Spielregeln verändern, und nicht die des Noirs, in der der Held zunehmend den Kontakt zu seinem bisherigen Leben verliert und sich immer mehr in Schuld verstrickt.
Trance – Gefährliche Erinnerung (Trance, GB 2013)
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Joe Ahearne, John Hodge
mit James McAvoy, Vincent Cassel, Rosario Dawson, Danny Sapani, Matt Cross, Wahab Sheikh, Mark Poltimore