TV-Tipp für den 22. Mai: High Tension

Mai 21, 2024

Tele 5, 00.05

High Tension (Haute Tension, Frankreich 2003)

Regie: Alexandre Aja

Drehbuch: Alexandre Aja, Grégory Levasseur

Die Studentinnen Alex und Marie wollen sich auf dem Land bei Alex‘ Eltern auf eine Prüfung vorbereiten. Schon am ersten Abend massakriert ein Sadist Alex‘ Familie und entführt sie. Marie will sie retten.

TV-Premiere. „Spannender, visuell höchst drastischer Psychothriller mit Horrorelementen“ (Lexikon des internationalen Films), der in Deutschland keine Jugendfreigabe erhielt, in verschiedenen Fassungen erschien und bis März 2023 auf der Liste der jugendgefährdenden Medien stand. Danach erschien er ungeschnitten auf DVD – und könnte jetzt auch ungeschnitten im Fernsehen laufen.

Für den Franzosen Alexandre Aja war der ultrabrutale Horrorfilm, sein zweiter Spielfilm, der Durchbruch. In Hollywood drehte er die Horrorfilme „The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen“, „Mirrors“, „Piranha 3D“, „Horns“ (nach dem Roman von Joe Hill) und „Crawl“.

mit Cécile de France, Maïwenn, Philippe Nahon, Franck Khalfoun, Andrei Finti, Oana Pellea

Wiederholung: Samstag, 25. Mai, 01.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „High Tension“

Wikipedia über „High Tension“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alexandre Ajas „Crawl“ (Crawl, USA 2019)


TV-Tipp für den 20. Oktober: Publlic Enemy No. 1 – Mordinstinkt

Oktober 19, 2023

3sat, 22.15

Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt (Mesrine: L’Instinct de mort, Frankreich/Kanada/Italien 2008)

Regie: Jean-François Richet

Drehbuch: Abdel Raouf Dafri, Jean-François Richet

LV: Jacques Mesrine: L’instinct de mort, 1977 (Der Todestrieb)

Zweiteiliges Biopic über Jacques Mesrine (1936 – 1979), einen im benachbarten Frankreich heute immer noch legendären Verbrecher. Im ersten Teil von „Public Enemy No. 1“ (ein sehr deutscher Titel) erfahren wir, wie Jacques Mesrine nach seiner Rückkehr aus dem Algerienkrieg 1959 den Respekt von Gangsterboss Guido gewinnt, in der Kriminellenhierarchie aufsteigt, nach Kanada fliehen muss, inhaftiert wird und aus einem Hochsicherheitsgefängnis flieht.

Im zweiten Teil „Todestrieb“, der am kommenden Freitag, den 27. Oktober, um 22.25 Uhr gezeigt wird, erfahren wir dann, wie die Geschichte weitergeht.

In Frankreich war „Public Enemy No. 1“ ein mit drei Césars ausgezeichneter Kinohit. Cassel und Richet, der zuletzt das Remake von „Assault on Precint 13“ drehte, erhielten je eine Trophäe. Vincent Cassels Leistung, der für Darstellung mehrere Preise erhielt, wird noch bemerkenswerter, wenn man weiß, dass der Film chronologisch rückwärts gedreht wurde. So konnte er während des Drehs Gewicht verlieren, während er im Film immer älter und schwerer wird.

mit Vincent Cassel, Cécile de France, Gérard Depardieu, Gilles Lellouche, Roy Dupuis, Ludivine Sagnier

Hinweise

AlloCiné über „Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“ 

Rotten Tomatoes über „Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“ 

Wikipedia über „Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“ (deutsch, englisch, französisch) und über Jacques Mesrine (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Jean-François Richets „Plane“ (Plane, USA/Großbritannien 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: Eine Liebe „Wild wie das Meer“

September 24, 2023

Chiara (Cécile de France) ist Mitte Vierzig, seit neunzehn Jahren glücklich mit Antoine Saint-Jean (Grégoire Monsaingeon) verheiratet und eine Zugezogene auf der kleinen Insel vor der französischen Atlantikküste. Trotzdem ist sie allgemein beliebt und anerkannt. Zusammen mit Antoine arbeitet sie als Fischerin. Ab und an nehmen sie einen Lehrling auf. So auch jetzt. Maxence (Félix Lefebvre) heißt er. Gut sieht er aus und er kommt aus einem guten Haus. Am ersten Abend fragen sich Chiara und Antoine, wie lange der verwöhnte Maxence durchhält.

Er hält durch. Und verdient sich so zunächst Chiaras Respekt. Später verlieben sie sich ineinander.

Als ihr Mann Monate für zwei Wochen wegen Verhandlungen im Rahmen des Brexit nach London muss, haben sie eine sturmfreie Bude.

Wenige Wochen nach Carine Tardieus „Im Herzen jung“ (mit Fanny Ardant, Melvil Poupaud und ebenfalls Cécile de France) verliebt sich in „Wild wie das Meer“ wieder ein junger Mann in eine ältere Frau. In, nach drei Kurzfilmen, Heloise Pelloquets Langfilmdebüt „Wild wie das Meer“ fällt der Film allerdings überzeugender aus. Während „Im Herzen jung“ sich kaum von einer vernachlässigbaren TV-Kitschromanze unterscheidet, erzählt Pelloquets ihre Liebesgeschichte aus Chiaras Perspektive und sie erzählt letztendlich die Geschichte einer Befreiung. Wobei etwas unklar bleibt, was ihr an ihrem Leben nicht gefällt. Außerdem interessiert sich Pelloquet für das Leben im Dorf und für die Arbeit der Fischer. Fast schon dokumentarisch beobachtet sie das Ehepaar Saint-Jean beim Einhohlen der Fische und dem späteren Verkauf.

Die Liebesgeschichte entwickelt sich anfangs sehr langsam. Zum ersten Mal küssen sich Chiara und Maxence in der Filmmitte. Und dann geht alles sehr sehr schnell. Denn selbstverständlich weiß schnell das gesamte Dorf von dem Verhältnis.

Wild wie das Meer (La passagère, Frankreich 2022)

Regie: Héloïse Pelloquet

Drehbuch: Rémi Brachet, Héloïse Pelloquet

mit Cécile de France, Grégoire Monsaingeon, Félix Lefebvre, Imane Laurence, Jean-Pierre Couton, Ghislaine Girard, Caroline Ferrus, Gauvain Pontoizeau

Länge: 94 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Wild wie das Meer“

AlloCiné über „Wild wie das Meer“

Rotten Tomatoes über „Wild wie das Meer“

Wikipedia über „Wild wie das Meer


Neu im Kino/Filmkritik: Fanny Ardant ist „Im Herzen jung“

August 3, 2023

Ein Mann liebt eine Frau. Zu einem Problem für ihre Mitmenschen wird das in „Im Herzen jung“, weil sie Siebzig und er in den Vierzigern ist. Oh, und er ist glücklich verheiratet mit mehreren Kindern.

Carine Tardieu erzählt diese Liebesgeschichte, top besetzt mit Fanny Ardant, Melvil Poupaud und Cécile de France als betrogene Ehefrau, feinfühlig, aber auch auf dem Niveau einer beliebigen TV-Romanze.

Mehr fällt mir, nach langem Nachdenken und einem wiederholten Blick in meine umfangreicheren Notizen, zu dieser „Love Story“ nicht ein.

Im Herzen jung (Les jeunes amants, Frankreich/Belgien 2021)

Regie: Carine Tardieu

Drehbuch: Agnès de Sacy, Carine Tardieu, Sólveig Anspach

mit Fanny Ardant, Melvil Poupaud, Cécile de France, Florence Loiret-Caille, Sharif Andoura, Sarah Henochsberg, Martin Laurent

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCiné über „Im Herzen jung“

Moviepilot über „Im Herzen jung“

Rotten Tomatoes über „Im Herzen jung“

Wikipedia über „Im Herzen jung“ (deutschfranzösisch)


TV-Tipp für den 31. Juli: La Belle Saison – Eine Sommerliebe

Juli 30, 2023

One, 20.15

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Wiederholung: Freitag, 11. August, 23.00 Uhr

Hinweise

Moviepilot über „La belle saison“

Rotten Tomatoes über „La belle saison“

Wikipedia über „La belle saison“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Catherine Corsinis „In den besten Händen“ (La Fracture, Frankreich 2021)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Über Honoré de Balzacs „Verlorene Illusionen“

Dezember 24, 2022

Verlorene Illusionen“ ist ein guter, nämlich ein Erwartungen weckender Titel. Honoré de Balzac nannte so seine in den frühen zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts spielende Chronik des Lebens in der Provinz und in der Hauptstadt Paris.

Der Roman ist ein Klassiker, der trotz seiner filmtauglichen Handlung, bisher nur zweimal verfilmt wurde. Einmal 1966 als TV-Miniserie. Und jetzt als Spielfilm. Regisseur und Drehbuchautor Xavier Giannoli veränderte für seine Verfilmung selbstverständlich einiges an der Vorlage, die in der aktuellen Ausgabe deutlich über achthundert engbedruckte Seiten umfasst. Die größten Unterschiede sind, dass Giannoli von den drei Büchern des Romans das letzte Buch, „Die Leiden des Erfinders“, nicht verfilmte und das erste, „Die zwei Dichter“, in der ersten viertel Stunde seines Films, stark gekürzt, erzählt. Das führt dazu, dass aus der Geschichte von Lucien Chardon bzw. Lucien de Rubempré und seinem Schwager David Séchard die Geschichte von Lucien de Rubempré wird und sich der Film auf sein Leben in Paris konzentriert. Dort ist er, wie das zweite Buch ironisch betitelt ist, „Ein großer Mann vom Land in Paris“.

Es gibt durch diese Kürzung einige teils notwendige, teils die Filmgeschichte runder machende Änderungen. Und Nathan d’Anastazio erzählt Luciens Geschichte. Nathan ist ein Schriftsteller, der Luciens Auf- und Abstieg in Paris beobachtet.

In der Provinzstadt Angoulême arbeitet Lucien in der kleinen Druckerei von David. In seiner Freizeit dichtet er. Seine Gedichte trägt er bei Empfängen von Louise de Bargeton vor. Dabei verliebt der junge Schöngeist sich in die Hausherrin. Beide leiden sie an der provinziellen Enge. Sie flüchten nach Paris, der Stadt in der alles viel besser sein soll. Kurz nach ihrer Ankunft trennen sie sich. Die Standes- und Altersunterschiede zwischen dem jungen, bürgerlichem Dichter und der älteren Adligen Louise de Bargeton sind zu groß.

Danach stürzt Lucien sich in das Pariser Leben. Als sein ursprünglicher Plan, seine Gedichte zu veröffentlichten und der neue Star der Literatur zu werden, scheitert, wird er zum Kulturkritiker. Der Journalist Étienne Lousteau weist ihn in das Handwerk ein. Lucien lernt Bücher und Aufführunge hoch- und niederzuschreiben; je nachdem, wie es gerade gefordert ist. Er verdient viel Geld. Er wird gefeiert. Er verliebt sich in die gleichaltrige Schauspielerin Coralie.

Dass dieses Glück nicht lange halten wird und Lucien wieder absteigen wird, verrät schon der Titel „Verlorene Illusionen“.

Honoré de Balzac schrieb „Verlorene Illusionen“ zwischen 1837 und 1843 und veröffentlichte den Roman ursprünglich in drei voneinander getrennten Büchern, die auch getrennt gelesen werden können. Zusammen mit de Balzacs anderen Romanen ergeben sie in seinem Großwerk „Die menschliche Komödie“ ein breites Sittengemälde des damaligen Frankreichs. In „Verlorene Illusionen“ beschäftigt er sich, wenn David und die von ihm betriebene Druckerei im Mittelpunkt stehen, das ist vor allem in „Die Leiden des Erfinders“ der Fall, intensiv mit dem Druckereigewerbe und dem Handel mit Schuldscheinen, an denen Anwälte und Banken prächtig verdienen. Im zweiten Band „Ein großer Mann vom Land in Paris“ steht dann das damalige Zeitungsgewerbe im Vordergrund. Beides kannte de Balzac aus eigener Erfahrung und beide Male rechnet er gnadenlos mit den damaligen Gepflogenheiten ab. Der Roman selbst ist im damaligen, heute nur noch schwer lesbarem Stil geschrieben. Die Handlung selbst wird immer wieder von teils seitenlangen Beschreibungen unterbrochen, in denen de Balzac sich über den damaligen Journalismus, das Druckerhandwerk und den Handel mit Schuldscheinen auslässt. Das ist dann ziemlich länglich. Deutlich interessanter sind die Beschreibungen der Sitten und liebevoll gepflegten Standesunterschieden in der Provinz und der Hauptstadt. Sie erklären auch, warum Lucien unbedingt den adligen Namen seiner Mutter annehmen möchte.

Xavier Giannoli kann vieles von de Balzacs ausführlichen Beschreibungen schnell in Bilder übersetzen. Anstatt langer Beschreibungen verschiedener Zimmer und was welche Kleidung über einen aussagt, zeigt er es einfach. Da verrät ein skeptischer Blick alles notwenige. Anderes lässt er, wie gesagt, weg. Die Darstellung des damaligen Journalismus und wie Zeitungen und Bücher gemacht wurden, die im zweiten Buch der „Verlorenen Illusionen“ einen großen Teil der Lesezeit einnimmt, nimmt auch einen großen Teil der Filmzeit ein. Das damalige Gebaren der Zeitungsmacher, die skrupellos Meinungen und Stimmungen manipulierten, und alles als Geschäft betrachteten, ist erschreckend aktuell. 

Der Film selbst überzeugt als Mediensatire und prächtig ausgestattetes Sittengemälde.

Erzählerisch wird das arg konventionell und brav präsentiert.

In Venedig hatte das satirische Drama 2021 seine Premiere. Danach hatte es in Frankreich eine knappe Million Kinozuschauer und erhielt sieben Césars. Unter anderem als Bester Film, für das beste Drehbuch, die beste Kamera, die besten Köstüme und Lucien-Darsteller Benjamin Voisin wurde als vielsprechendster Schauspieler ausgezeichnet. Nominiert war das Werk in acht weiteren Kategorien, unter anderem für die Regie.

Verlorene Illusionen (Illusions perdues, Frankreich 2021)

Regie: Xavier Giannoli

Drehbuch: Xavier Giannoli, Jacques Fieschi

LV: Honoré de Balzac: Illusions perdues, 1843 (Verlorene Illusionen)

mit Benjamin Voisin, Cécile de France, Vincent Lacoste, Xavier Dolan, Salomé Dewaels, Jeanne Balibar, Gérard Depardieu, André Marcon, Louis-Do Lencquesaing, Jean-Francois Stévenin

Länge: 150 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage (in der Neuübersetzung)

Honoré de Balzac: Verlorene Illusionen – Roman aus der Provinz

(übersetzt von Melanie Walz)

dtv, 2017

960 Seiten

18,90 Euro

Erstausgabe dieser Übesetzung

Carl Hanser Verlag, 2014

Originalausgabe

Illusions perdues

1843

Hinweise

Homepage zum Film

AlloCiné über „Verlorene Illusionen“

Moviepilot über „Verlorene Illusionen“

Metacritic über „Verlorene Illusionen“

Rotten Tomatoes über „Verlorene Illusionen“

Wikipedia über „Verlorene Illusionen“ (deutsch, englisch, französisch) und die Vorlage (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Honoré de Balzacs „Verlorene Illusionen“ (in der aktuellen Übersetzung)


TV-Tipp für den 24. März: La belle saison – Eine Sommerliebe

März 23, 2022

RBB, 23.50

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

Vorfreude: Catherine Corsinis neuer Film, das intensive, in einer Nacht in einem Krankenhaus spielende Drama „In den besten Händen“, startet am 21. April 2022. Absolut sehenswert! Die Besprechung gibt es zum Kinostart.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Hinweise

Moviepilot über „La belle saison“

Rotten Tomatoes über „La belle saison“

Wikipedia über „La belle saison“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray


Neu im Kino/Filmkritik: Wes Anderson inszeniert einige Reportagen aus dem „The French Dispatch“

Oktober 22, 2021

Kurz gesagt: der neue Film von Wes Anderson ist der neue Film von Wes Anderson und er hat alles das, was man von einem Wes-Anderson-Film erwartet.

Damit hätten wir die Frage, ob der Film sehenswert ist, oder nicht, geklärt.

Jedenfalls für die Menschen, die seit Ewigkeiten auf „The French Dispatch“, Andersons Liebesklärung an „The New Yorker“, warteten, die Covid-bedingten Startterminverschiebungen geduldig ertrugen, immer auf einen Kinostart hofften (begleitet von zahlreichen Gebeten) und die sich selbstverständlich an seine vorherigen Filme erinnern. Seit seinem dritten Film „The Royal Tenenbaums“ produziert der Autorenfilmer auch seine Werke, die, bei allen Unterschieden, immer einen unverkennbaren Stil haben. Das gilt für seine starbesetzten Realfilme, wie „The Darjeeling Limited“, „Moonrise Kingdom“ und „The Grand Budapest Hotel“, und für seiine Trickfilme, wie „Fantastic Mr. Fox“ und „Isle of Dogs“. „The French Dispatch“ ist wieder ein Realfilm, wieder mit vielen bekannten Schauspielern und wieder mit zahlreichen Anspielungen. Dieses Mal auf die Welt des französischen Films, Frankreich und den alten Magazinjournalismus.

Der titelgebende „The French Dispatch“, also genaugenommen „The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun‘, ist ein amerikanisches Magazin, das in Frankreich erscheint, immer ein Liebhaberprojekt des Verlegers war und ist. Wenn es zu einem Konflikt zwischen der Länge des journalistischen Textes und den Anzeigen kommt, dann wirft er einige Anzeigen raus. Nachdem der hochgeschätzte Gründer und Verleger Arthur Howitzer, Jr. (Bill Murray) stirbt, stirbt auch das Magazin. In seinem Film blättert Wes Anderson durch die letzte Ausgabe und der so entstandene Film ist dann eine Ansammlung von garantiert erfundenen Reportagen aus der sehr französischen Stadt Ennui-sur-Blasé (erfunden, gedreht wurde in Angoulême) in einer fiktiven Zeitlinie, die immer wie ein französischer Film aus den fünfziger/sechziger Jahren aussieht.

In der ersten und kürzesten Reportage radelt der Reisereporter Herbsaint Sazerac (Owen Wilson) durch die verrufensten Ecken der Stadt und zeigt sie im Wandel der Zeit.

In „Das Beton-Meisterwerk“ schreibt und spricht die Kunstkritikerin J. K. L. Berensen (Tilda Swinton) über den Künstler Moses Rosenthaler (Benicio Del Toro) und sein Werk. Der geistesgestörte, inhaftierte Maler ist ein Genie. Jedenfalls für die Kunstwelt, die ungeduldig auf sein neuestes Werk wartet, das im Gefängnis der Welt präsentiert werden soll. Werk und Ablauf der Präsentation entsprechen dann nicht den Erwartungen einer normalen Vernissage.

Korrekturen eines Manifests“ ist eine Reportage über politikbewegte Studenten und damit auch eine Satire und Hommage an die 68er und die Nouvelle Vague, vor allem natürlich an die in den Sechzigern entstandenen legendären Filme von Jean-Luc Godard. Lucinda Krementz (Frances McDormand) berichtet über die revolutionären Umtriebe der Studierenden und sie hilft Zeffirelli B (Timothée Chalamet), dem charismatischem Anführer der Studenten, entgegen aller journalistischer Ethik, aber befeuert von der Liebe, bei der Formulierung eines Manifests. Oder genauer gesagt: sie redigiert es, während sie gemeinsam im Bett und Bad sind.

Das private Speisezimmer des Polizeichefs“ ist die sich in jedem gutem Magazin befindende Kriminalgeschichte. In dieser ziemlich noiren Reportage erzählt Roebuck Wright (Jeffrey Wright), der eigentlich nur ein Porträt über den Koch des Kommissars von Ennui-sur-Blasé schreiben wollte, von der Entführung des Sohnes des Kommissars und sich daraus ergebenden Verwicklungen.

Gerahmt werden diese Reportagen von einem Blick in die Redaktionsräume des „French Dispatch“, eines Magazins, das es heute so nicht mehr gibt und auch so wahrscheinlich niemals gab, aber in dem alle eine große, seltsame Familie waren.

Alle Geschichten sind starbesetzte Liebeserklärungen an Frankreich, das französische Kino, das Kino und das Erzählen von Geschichten aus sicherer ironischer Distanz. Die Episodenstruktur, die natürlich dem Blättern in einem Magazin entspricht, verhindert eine traditionelle Spannungsdramaturgie. Aber die interessierte Wes Anderson noch nie. Ihn interessierte immer das verspielte Spielen mit Versatzstücken, Brechungen und Anspielungen in seinem ganz eigenem Kosmos.

The French Dispatch“ ist ganz großes und großartiges Kino für den kulturinteressierten Bürger, Cineast und, weil wir dieses Mal in einem aus Filmen sehr vertrautem Nachkriegsfrankreich sind, Bourgeois.

The French Dispatch (The French Dispatch, USA/Deutschland 2021)

Regie: Wes Anderson

Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Originalgeschichte von Wes Anderson, Roman Coppola, Hugo Guiness und Jason Schwartzman)

mit Benicio Del Toro, Adrien Brody, Tilda Swinton, Léa Seydoux, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Lyna Khoudri, Jeffrey Wright, Mathieu Amalric, Stephen Park, Bill Murray, Owen Wilson, Christoph Waltz, Edward Norton, Jason Schwartzman, Liev Schreiber, Elisabeth Moss, Willem Dafoe, Lois Smith, Saoirse Ronan, Cécile de France, Guillaume Gallienne, Tony Revolori, Rupert Friend, Henry Winkler, Bob Balaban, Hippolyte Girardot, Anjelica Huston (Erzählerin)

(Ich empfehle im Kino ausdrücklich den Verzicht auf etwaige Trinkspiele.)

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Filmportal über „The French Dispatch“

Moviepilot über „The French Dispatch“

Metacritic über „The French Dispatch“

Rotten Tomatoes über „The French Dispatch“

Wikipedia über „The French Dispatch“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“ (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Wes Andersons „Isle of Dogs – Ataris Reise“ (Isle of Dogs, USA 2018)


TV-Tipp für den 18. Mai: La Belle Saison – Eine Sommerliebe

Mai 17, 2021

WDR, 23.40

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Hinweise

Moviepilot über „La belle saison“

Rotten Tomatoes über „La belle saison“

Wikipedia über „La belle saison“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray


TV-Tipp für den 22. April: Die Möbius-Affäre

April 21, 2021

Servus TV, 22.05

Die Möbius-Affäre (Möbius, Frankreich 2013)

Regie: Éric Rochant

Drehbuch: Éric Rochant

Der russische Top-Spion Grégory Lioubov soll in Monaco einem Oligarchen das Handwerk legen. Er hofft, über eine eine amerikanische Finanzexpertin an die benötigten Informationen zu kommen. Dummerweise wird sie auch vom US-Geheimdienst erpresst – und schon sind wir in einem Agententhriller, in dem jeder jeden betrügt, aber die Gewissheiten des Kalten Krieges vorbei sind.

„Die Möbius-Affäre“ ist ein altmodischer, elegant erzählter Spionagethriller, der, wie ein Finanzderivat, etwas zu sehr im luftleeren Raum hängt. Warum sage ich in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jean Dujardin, Cécile de France, Tim Roth, Émilie Dequenne, Wendell Pierce, Aleksey Gorbunov

Wiederholung: Freitag, 23. April, 02.55 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über “Die Möbius-Affäre”

Wikipedia über „Die Möbius-Affäre“ (englisch, französisch)

Meine Besprechung von Éric Rochants „Die Möbius-Affäre“ (Möbius, Frankreich 2013)


TV-Tipp für den 6. März: La Belle Saison – Eine Sommerliebe

März 5, 2021

MDR, 23.05

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Hinweise

Moviepilot über „La belle saison“

Rotten Tomatoes über „La belle saison“

Wikipedia über „La belle saison“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray


Neu im Kino/Filmkritik: Schamanentum und Abschiednehmen in „Eine größere Welt“

Juli 9, 2020

2007: Corine Sombrun (Cécile de France) ist kaum in der Lage, ihre Arbeit als Toningenieurin zu tun. Zu sehr hadert sie noch mit dem Tod ihres Mannes. Um sie abzulenken, gibt ihr Chef ihr einen einfachen Auftrag: sie soll für einen Dokumentarfilmreihe über Formen der Spiritualität atmosphärische Hintergrundgeräusche aufnehmen. Corine macht sich auf den Weg in die Mongolei, um dort das ländliche Leben und Gesänge der Schamanen aufnehmen.

Bei einer Geisterbeschwörung gerät sie in einen Trancezustand. Danach eröffnet die Schamanin Oyun ihr, dass sie eine sehr seltene Gabe habe und als Schamanin ausgebildet werden müsse.

Corine hält das selbstverständlich für ausgemachten Quatsch. Aber zurück in Paris lassen sie die Erlebnisse in der Mongolei nicht los.

Sie kehrt zurück in die Mongolei. Um sich als Schamanin ausbilden zu lassen. Und um wieder mit ihrem Mann in Kontakt zu treten. Denn als Schamanin kann sie mit den Toten reden.

Wie die Geschichte ausgeht ist bekannt. Denn Corine Sombrun schrieb anschließend das Buch „Mon initiation chez les chamanes“ (Mein Leben als Schamanin) darüber, das jetzt frei verfilmt wurde. Der unbefangene Zuschauer wird darüber und was nach der im Film gezeigten Ausbildung zur Schamanin geschah, erst am Ende informiert. Dabei macht es schon einen Unterschied, ob man „Eine größere Welt“ primär als erfundenes Drama oder als Biopic sieht; – wobei ein Biopic natürlich auch und in erster Linie als Drama funktionieren muss. Sonst hätten die Macher einen Dokumentarfilm machen können.

Im Fall von „Eine größere Welt“ entschieden Regisseurin Fabienne Berthaud und ihre Co-Autoren Claire Barré sich dafür, Corine Sombruns Geschichte vor allem als Selbstfindungsdrama mit Schamanen-Beigabe zu erzählen. Im Mittelpunkt steht Corines Wunsch, noch einmal ihren Mann zu treffen. Mit schamanischen Praktiken könnte es ihr gelingen. Und wenn sie dafür zu einer Schamanin werden muss, dann ist es so.

Das angenehme an diesem Blickwinkel ist, dass das Schamanentum und schamanische Praktiken nur ein Mittel zum Zweck sind. Der ganze religiös-esoterische Schwurbel, der mit dem Thema verbunden ist und zu oft unerträglich predigenden Filmen führt, bleibt damit eine Nebensache.

Trotzdem setzt sich „Eine größere Welt“ ziemlich unbekümmert zwischen die Stühle, indem verschiedene, sich eigentlich ausschließende Erklärungen und Interpretationen der Welt gleichberechtigt nebeneinander gestellt werden. Berthaud favorisiert über weite Strecken die psychologische Erklärung, in der Corine das Schamanentum benutzt, um an ihr Ziel (eine Begegnung mit ihrem Mann) zu kommen. Die religiöse Erklärung, dass das Schamanentum ein Brauch ist, der wirklich und wahrhaftig Gespräche mit Geistern eröffnet, wird später wichtiger. Und am Ende, im Abspann, wenn Berthaud uns darüber informiert, dass Corinne nach ihrer Ausbildung als Schamanin sich mit Wissenschaftlern zusammentat, um herauszufinden, was während schamanischer Riten im Kopf geschieht, gibt es die wissenschaftlich-rationale Erklärung. Sombrun initiierte die erste wissenschaftliche Studie über Trancezustände mongolischer Schamane und ein Forschungsprogramm, das sich mit selbstinduzierter, kontrollierter Trance beschäftigt. Inzwischen wird überlegt Trancezustände in der Psychiatrie als Behandlungsmethode einzusetzen. Diese wissenschaftliche Erklärung versperrt – gottseidank! in letzter Minute – die religiös-esoterische Erklärung, wie wir sie aus Faith-based-Movies kennen. Allerdings wurde diese Erklärung im vorherigen Film nicht vorbereitet. Zwar geht Corine nach ihrer ersten Reise in die Mongolei zu einem Arzt und lässt sich auch ausführlich untersuchen, aber die verschriebenen Tabletten nimmt sie nicht ein. In den Momenten wird sogar eine anti-wissenschaftliche Interpretation, also dass es keine rationale, sondern nur eine mythische Erklärung für das Schamanentum gibt, nahegelegt. Und Corinne ist keine Wissenschaftlerin, sondern eine Frau, die als Toningenieurin im Musik- und Kunstbereich arbeitet. Entsprechend unvermittelt kommen die Informationen über die von ihr initiierten medizinischen Forschungen.

Eine größere Welt“ ist ein leicht sperriges Selbstfindungsdrama mit einer gewohnt überzeugenden Cécile de France und, wenn der Film im ersten und letzten Drittel in der Mongolei ist, schönen Landschaftsaufnahmen. Dafür fuhren Fabienne Berthaud und ihr Team, wie Jahre vorher Corine Sombrun, in die Mongolei.

Eine größere Welt (Un monde plus grand, Frankreich/Belgien 2019)

Regie: Fabienne Berthaud

Drehbuch: Fabienne Berthaud, Claire Barré

LV: Corine Sombrun: Mon initiation chez les chamanes, 2004 (Mein Leben mit den Schamanen)

mit Cécile de France, Narantsetseg Dash, Tserendarizav Dashnyam, Ludivine Sagnier, Arieh Worthalter, Steven Laureys, Catherine Saleé

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Eine größere Welt“

AlloCiné über „Eine größere Welt“

Rotten Tomatoes über „Eine größere Welt“

Wikipedia über „Eine größere Welt“ (deutsch, französisch)

Homepage von Corine Sombrun


TV-Tipp für den 4. März: Eine Sommerliebe

März 3, 2020

Arte, 20.15

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Wiederholung: Montag, 9. März, 01.05 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „La belle saison“

Rotten Tomatoes über „La belle saison“

Wikipedia über „La belle saison“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray


TV-Tipp für den 16. Januar: La belle saison – Eine Sommerliebe

Januar 16, 2020

3sat, 22.25

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „La belle saison“

Rotten Tomatoes über „La belle saison“

Wikipedia über „La belle saison“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray


Neu im Kino/Filmkritik: „Rebellinnen – Leg‘ dich nicht mit ihnen an!“, es könnte tödlich enden

Juli 12, 2019

Den Tod hat…nun, sagen wir es mal so: Jean-Mis Tod ist eine Verkettung unglücklicher Umstände, bei der die scharfe Kante einer Spindtür in der Umkleidekabine der örtlichen Fisch-Konservenfabrik zu seiner Entmannung führt. Anschließend fällt er eine Treppe hinunter und verletzt sich dabei tödlich. Pech halt. Die an dem Abend zum Putzen eingeteilten Arbeiterinnen – die nach fünfzehn Jahren wieder in das ärmliche nordfranzösische Provinzkaff Boulogne-sur-Mer zurückgekommene Schönheitskönigin Sandra (Cécile de France mit konsequent angepisstem Gesichtsausdruck), ihre ehemalige Klassenkameradin Marilyn (Audrey Lamy), inzwischen alleinerziehende Mutter mit erhöhtem Konsum illegaler Drogen und Ex-Geliebte von Jean-Mi, und Nadine (Yolande Moreau), die ihre Mutter sein könnte – vergessen ihren Plan, den Notruf zu wählen, als sie bei ihrem Chef Jean-Mi eine Tasche voller Geld entdecken. Die drei Damen denken an ihre prekäre finanzielle Lage, ahnen, dass Jean-Mi das Geld gestohlen hat und wollen es jetzt behalten. Dafür muss Jean-Mi verschwinden – in Fischdosen.

Dummerweise wird das Geld doch vermisst. Der örtliche Gangster Simon (Simon Abkarian) benötigt das Geld für ein Geschäft mit der ziemlich mordlustigen belgischen Drogenmafia. Genaugenommen ist es sein Geld und Jean-Mi sollte nur darauf aufpassen.

Außerdem schnüffelt die Polizei bei der Suche nach dem spurlos verschwundenen Jean-Mi in der Fisch-Konservenfabrik herum. Immerhin ist der ermittelnde Kommissar (Samuel Joey) ein fescher Bursche, der wegen eines Korruptionsverfahrens in die Provinz versetzt wurde. In dem Moment hat Sandra schon eine heiße Nacht mit ihm erlebt. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.

Rebelllinnen“-Regisseur Allan Mauduit arbeitete vor seinem Solo-Regiedebüt lange für das Fernsehen. Er entwickelte die bei uns anscheinend nie gezeigte Comedy-Serie „Kaboul Kitchen“. Bei seinem ersten Kinofilm, der schwarzen Komödie „Vilaine“, teilte er sich mit Jean-Patrick Benes die Regie. Später wollte er Iain Levisons „Betriebsbedingt gekündigt“ verfilmen. Aber die Filmrechte für den Kriminalroman über einen Arbeitslosen, der zum Auftragskiller wird, waren bereits vergeben. Währenddessen fragte Mauduit sich, als er eine Thunfischdose in der Hand hielt, wie viele Thunfischdosen man wohl brauche, um eine Leiche in ihnen zu verteilen.

Viele. Sehr viele. Und danach können die Dosen mit dem besonderen Inhalt nicht einfach verkauft werden. Sie müssen entsorgt werden, ohne dass ein Verdacht auf das Damentrio fällt, das im Kampf gegen Verbrecher und Polizisten über sich hinauswächst.

Schon milieubedingt ist „Rebellinnen – Leg‘ dich nicht mit ihnen an!“ nichts für Feingeister. Sandra, Nadine und Marilyn sind Arbeiterinnen mit einfachen Bedürfnissen und, beim Lösen der teilweise von ihnen verursachten Probleme, pragmatisch-einfachen Methoden. Mauduit inszenierte, ohne wohlfeile ironische Brechungen, eine tiefschwarze Komödie über ein Damentrio, das nach einem kurzen Zögern nicht mehr vor Gewalt gegen Männer zurückschreckt. Wobei diese Männer ihre Strafe verdient haben.

Wenn sie bekommen, was sie verdienen.

Rebellinnen – Leg‘ dich nicht mit ihnen an! (Rebelles, Frankreich 2019)

Regie: Allan Mauduit

Drehbuch: Allan Mauduit, Jérémie Guez

mit Cécile de France, Yolande Moreau, Audrey Lamy, Simon Abkarian, Samuel Jouy, Béatrice Agenin, Patrick Ridremont

Länge: 88 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

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TV-Tipp für den 8. April: La belle saison – Eine Sommerliebe

April 8, 2019

WDR, 23.20

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.

TV-Premiere: eine wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

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Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015) und der Blu-ray


DVD-Kritik: „La belle Saison – Eine Sommerliebe“ hält auch im Winter warm

Oktober 19, 2016

Zum Kinostart schrieb ich ziemlich begeistert:

Frankreich, 1971: In Paris feiern die 68er noch fröhlich die Revolution. In der Provinz kümmern sich die Bauern um ihre alltäglichen Probleme. Da ist eine Liebesheirat nett, aber letztendlich muss halt ein Hof bewirtet werden und das ist wichtiger als irgendwelche romantischen Vorstellungen von Liebe.

Auch Delphine (Izïa Higelin) weiß das. Aber sie ist lesbisch und zieht nach Paris.

Dort trifft sie Carole (Cécile de France), die mit anderen Frauen in einer überdrehten Spaß-Aktion gegen normalchauvinistische Männer protestiert. Damals, das muss wahrscheinlich heute extra betont werden, war ein Klaps auf den Po einer wildfremden Frau nichts, worüber sich diese Frau aufregen sollte. Jedenfalls solange es ein Mann tat. Als die Frauengruppe um Carole es bei wildfremden, anzugtragenden Männern tut, halten die Betroffenen es für ein mehr als unverschämtes Verhalten.

Anschließend lädt Carole Delphine, die ihr spontan gegen einen dieser Männer half, zu einem Treffen der Frauengruppe in der Universität ein. Delphine kommt – und wir erleben die erste, sehr angenehme Überraschung. Delphine, die Frau vom Land, ist der aktive Teil, während die hippe, politisch engagierte Carole noch in einer heterosexuellen Beziehung lebt und erst langsam von ihren Gefühlen überzeugt werden muss.

Die glücklichen Tage in Paris enden, als Delphines Vater einen Schlaganfall hat, von dem er sich nicht mehr erholt. Sie kehrt zurück auf den elterlichen Hof, bewirtet ihn mit ihrer Mutter (Noémie Lvovsky) und steht, in der zweiten Hälfte des Films, vor der Frage, was sie tun soll: den Hof übernehmen und ein bürgerliches Leben führen oder sich zu ihrer Liebe bekennen und für immer den Hof, das Dorf und die Gemeinschaft, in der sie groß wurde, verlassen. Oder, – immerhin ist Carole, zunächst nur für den Sommer, bei ihr -, vielleicht muss Delphine sich nicht zwischen diesen beiden Lebensentwürfen entscheiden.

In ihrem neuesten Film „La belle saison – Eine Sommerliebe“ entfaltet Catherine Corsini („Die Affäre“ mit Kristin Scott Thomas) ihre Liebesgeschichte vor einem satten Siebziger-Jahre-Zeitkolorit, in dem Konventionen hinterfragt und für eine bessere Gesellschaft gekämpft wurde. Dabei konzentriert sie sich auf wenige Charaktere und ihre Konflikte, die sie facettenreich auslotet. Oft zeigt sie in nur einem Satz oder einer Geste, in welchen Traditionen und Konventionen die Menschen, vor allem natürlich Delphine, ihre Freundin und ihre Mutter, stecken.

Vor den damaligen gesellschaftlichen Umbrüchen, die erst mit einer Verzögerung in der Provinz ankamen, entfaltet sich die Liebesgeschichte zwischen Carole und Delphine, die sich zwischen Liebe und Beruf entscheiden muss. In der durchaus freizügig erzählten Liebesgeschichte werden immer wieder die Erwartungen des Zuschauers gebrochen und die Erzählkonventionen über die Geschichte der großen, wahren und einzigen Liebe so weit gegen den Strich gebürstet, dass die Geschichte von „La belle saison“ absolut realistisch wirkt. Damals und heute.

 

Das Bonusmaterial wirkt auf den ersten Blick enttäuschend. Es gibt nur „Interviews“ und „Deleted Scenes“. Auf den zweiten Blick, beim Ansehen, überzeugen die gut fünfzig Minuten allerdings restlos.

Hinter „Interviews“ verbirgt sich ein am 27. Oktober 2015 aufgenommenes, sehr informatives, gut halbstündiges Gespräch mit Regisseurin Catherine Orsini und Produzentin Elisabeth Perez, in dem sie auf verschiedene Hintergründe zum Film eingehen. Das Interview wird mit Fotos von den Dreharbeiten illustriert.

Die „Deleted Scenes“, ebenfalls eine gute halbe Stunde, sind eine Mischung aus geschnittenen Szenen, erweiterten Fassungen und Alternativfassungen, die die Filmgeschichte vertiefen, ohne ihr etwas wesentlich Neues hinzuzufügen.

Aber spätestens danach will man sich „La belle saison“ wieder ansehen, in die damalige Zeit eintauchen und wieder diese kurze, heftige, hemmungslose, herzerwärmende und wahrhaftige Sommerliebe erleben.

La belle saison - Plakat

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Blu-ray

Alamode Film

Bild: 2,35:1 (1080p)

Ton: Deutsch, Französisch (DTS-HD 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Interviews, Deleted Scenes, Trailer, Wendecover

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Meine Besprechung von Catherine Orsinis „La belle saison – Eine Sommerliebe“ (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „La belle saison – Eine Sommerliebe“, ein schöner Film

Mai 9, 2016

Frankreich, 1971: In Paris feiern die 68er noch fröhlich die Revolution. In der Provinz kümmern sich die Bauern um ihre alltäglichen Probleme. Da ist eine Liebesheirat nett, aber letztendlich muss halt ein Hof bewirtet werden und das ist wichtiger als irgendwelche romantischen Vorstellungen von Liebe.

Auch Delphine (Izïa Higelin) weiß das. Aber sie ist lesbisch und zieht nach Paris.

Dort trifft sie Carole (Cécile de France), die mit anderen Frauen in einer überdrehten Spaß-Aktion gegen normalchauvinistische Männer protestiert. Damals, das muss wahrscheinlich heute extra betont werden, war ein Klaps auf den Po einer wildfremden Frau nichts, worüber sich diese Frau aufregen sollte. Jedenfalls solange es ein Mann tat. Als die Frauengruppe um Carole es bei wildfremden, anzugtragenden Männern tut, halten die Betroffenen es für ein mehr als unverschämtes Verhalten.

Anschließend lädt Carole Delphine, die ihr spontan gegen einen dieser Männer half, zu einem Treffen der Frauengruppe in der Universität ein. Delphine kommt – und wir erleben die erste, sehr angenehme Überraschung. Delphine, die Frau vom Land, ist der aktive Teil, während die hippe, politisch engagierte Carole noch in einer heterosexuellen Beziehung lebt und erst langsam von ihren Gefühlen überzeugt werden muss.

Die glücklichen Tage in Paris enden, als Delphines Vater einen Schlaganfall hat, von dem er sich nicht mehr erholt. Sie kehrt zurück auf den elterlichen Hof, bewirtet ihn mit ihrer Mutter (Noémie Lvovsky) und steht, in der zweiten Hälfte des Films, vor der Frage, was sie tun soll: den Hof übernehmen und ein bürgerliches Leben führen oder sich zu ihrer Liebe bekennen und für immer den Hof, das Dorf und die Gemeinschaft, in der sie groß wurde, verlassen. Oder, – immerhin ist Carole, zunächst nur für den Sommer, bei ihr -, vielleicht muss Delphine sich nicht zwischen diesen beiden Lebensentwürfen entscheiden.

In ihrem neuesten Film „La belle saison – Eine Sommerliebe“ entfaltet Catherine Corsini („Die Affäre“ mit Kristin Scott Thomas) ihre Liebesgeschichte vor einem satten Siebziger-Jahre-Zeitkolorit, in dem Konventionen hinterfragt und für eine bessere Gesellschaft gekämpft wurde. Dabei konzentriert sie sich auf wenige Charaktere und ihre Konflikte, die sie facettenreich auslotet. Oft zeigt sie in nur einem Satz oder einer Geste, in welchen Traditionen und Konventionen die Menschen, vor allem natürlich Delphine, ihre Freundin und ihre Mutter, stecken.

Vor den damaligen gesellschaftlichen Umbrüchen, die erst mit einer Verzögerung in der Provinz ankamen, entfaltet sich die Liebesgeschichte zwischen Carole und Delphine, die sich zwischen Liebe und Beruf entscheiden muss. In der durchaus freizügig erzählten Liebesgeschichte werden immer wieder die Erwartungen des Zuschauers gebrochen und die Erzählkonventionen über die Geschichte der großen, wahren und einzigen Liebe so weit gegen den Strich gebürstet, dass die Geschichte von „La belle saison“ absolut realistisch wirkt. Damals und heute.

La belle saison - Plakat

La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)

Regie: Catherine Corsini

Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss

mit Cécile de France, Izïa Higelin, Noémi Lvovsky, Kévin Azais, Laetitia Dosch, Benjamin Bellecour

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Wikipedia über „La belle saison“ (englisch, französisch)


TV-Tipp für den 7. September: Die Möbius-Affäre

September 7, 2015

Servus TV, 23.55
Die Möbius-Affäre (Möbius, Frankreich 2013)
Regie: Éric Rochant
Drehbuch: Éric Rochant
Der russische Top-Spion Grégory Lioubov soll in Monaco einem Oligarchen das Handwerk legen. Er hofft, über eine eine amerikanische Finanzexpertin an die benötigten Informationen zu kommen. Dummerweise wird sie auch vom US-Geheimdienst erpresst – und schon sind wir in einem Agententhriller, in dem jeder jeden betrügt, aber die Gewissheiten des Kalten Krieges vorbei sind.
„Die Möbius-Affäre“ ist ein altmodischer, elegant erzählter Spionagethriller, der, wie ein Finanzderivat, etwas zu sehr im luftleeren Raum hängt. Warum sage ich in meiner ausführlichen Besprechung.
mit Jean Dujardin, Cécile de France, Tim Roth, Émilie Dequenne, Wendell Pierce, Aleksey Gorbunov

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Film-Zeit über „Die Möbius-Affäre“

Rotten Tomatoes über “Die Möbius-Affäre”

Wikipedia über „Die Möbius-Affäre“ (englisch, französisch)

Meine Besprechung von Éric Rochants „Die Möbius-Affäre“ (Möbius, Frankreich 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Möbius-Affäre“ oder Doppelbödig ist das Agentenleben

August 1, 2013

Er war „OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“. Er war, Oscar-prämiert, George Valentin, „The Artist“. Jetzt ist Jean Dujardin Grégory Lioubov in Éric Rochants ziemlich gelungenem, romantischen Polit-Thriller „Die Möbius-Affäre“.

Der russische Top-Spion Lioubov soll in Monaco mit seinem undercover operierendem Team den Oligarchen Ivan Rostovski (Tim Roth) überführen. Dieser hat sein Vermögen wohl irgendwie mit krummen Geschäften erzielt und ist immer noch in mehr oder weniger illegale Geschäfte verwickelt. So genau wird das in dem Film nie erklärt.

Lioubov will über die US-amerikanische Finanzexpertin Alice Redmond (Cécile de France) an Rostovski herankommen. Er weiß allerdings nicht, dass Alice auch vom US-amerikanischen Geheimdienst erpresst wird, weil dieser ebenfalls an Rostovski heran will. Und, als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, spielt sie ihr eigenes Spiel, Rostovski lässt sie sein Wohlwollen spüren und Lioubov verliebt sich in sie und sie in ihn, den sie unter falscher Identität kennen lernt.

Die Möbius-Affäre“ ist ein eleganter, vor prächtiger Kulisse spielender Agententhriller, in dem alle Charaktere immer auch eine zweite Agenda verfolgen, es daher immer unklar ist, wie echt ihre Gefühle sind und ob sie zu den Guten oder zu den Bösen gehören. Es ist auch ein Liebesfilm. Regisseur und Drehbuchautor Rochant nennt Alfred Hitchcocks „Berüchtigt“/“Weißes Gift“ (Notorious, 1946) als Vorbild. Das ist nachvollziehbar und, auch wenn „Berüchtigt“ ein Hitchcock-Klassiker ist, hat er mir nie so richtig gefallen. Die Geschichte entwickelte sich zu langsam und die Liebesgeschichte verdrängte die verbrecherischen Geschäfte des Bösewichts, was man auch daran sieht, dass Claude Rains im Original einen Nazi, der andere Nazis in Brasilien versteckt, und in der ursprünglichen deutschen Synchronfassung (die als „Weißes Gift“ in die Kinos kam) einen Drogenhändler spielte. In dieser Fassung wurden auch alle Anspielungen auf Deutschland und die bösen Nazis entfernt.

Außerdem ist „Die Möbius-Affäre“ auch ein Finanzthriller. Oder will es sein. Denn genau wie in dem romantischen Thriller „Berüchtigt“ bleiben die verbrecherischen Geschäfte des Bösewichts im Ungefähren. Es hat irgendwie etwas mit Geld zu tun. Über Geldwäsche, spekulative Investitionen und den internationalen Finanzmarkt erfahren wir nichts, was nicht über einen MacGuffin hinausgeht. Das kann funktionieren, wenn die restliche Geschichte sich flott entwickelt. Es genug Action gibt, die von lästigen Fragen ablenkt. Und die Charaktere farbig und der Bösewicht hübsch dämonisch gezeichnet wurden. Hitchcock hat das verstanden und deshalb waren uns die mehr oder weniger elaborierten Geheimdienstplots egal, weil sie, wie in „39 Stufen“, „Der Mann, der zuviel wusste“ oder „Der unsichtbare Dritte“ nur dazu dienten, die Handlung in Gang zu setzen.

Doch gerade an Tempo mangelt es Rochants Film und die Geheimdienstintrigen werden, wie bei John le Carré, immer komplizierter und es wird immer deutlicher, dass die sich im Hintergrund befindenden Spieler, vulgo die Geheimdienstchefs in den USA und Russland, alle anderen, wie Spielfiguren, über ihr Schachbrett bewegen. Aber die alten Gewissheiten des Kalten Krieges sind vorbei und in „Die Möbius-Affäre“ befinden sich alle Charaktere in moralischen Graubereichen, in denen unklar ist, wer die Guten und wer die Bösen sind.

Das hat einen durchaus intellektuellen Reiz, aber ich hatte bei dem Film auch immer das Gefühl, dass mehr drin gewesen wäre. Denn im Gegensatz zur guten alten Zeit des Spionagefilms, in der man mit dem einfachen Hinweis, dass der Bösewicht ein Kommunist sei, alles erklärte, muss jetzt doch etwas mehr Energie in die Etablierung des Bösewichts gesteckt werden und wenn es um schmutzige Finanzgeschäfte geht, sollten die auch etwas genauer erklärt werden.

Aber so bleibt nur ein altmodischer, elegant erzählter Spionagethriller übrig, der, wie ein Finanzderivat, etwas zu sehr im luftleeren Raum hängt.

Die Möbius-Affäre - Plakat

Die Möbius-Affäre (Möbius, Frankreich 2013)

Regie: Éric Rochant

Drehbuch: Éric Rochant

mit Jean Dujardin, Cécile de France, Tim Roth, Émilie Dequenne, Wendell Pierce, Aleksey Gorbunov

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Film-Zeit über „Die Möbius-Affäre“

Rotten Tomatoes über „Die Möbius-Affäre“

Wikipedia über „Die Möbius-Affäre“ (englisch, französisch)