James Blaine ‚J. B.‘ Mooney (Josh O’Connor) ist keiner dieser Filmdiebe, der beim Einbruch in einen hoch gesicherten Safe eine komplizierte Alarmanlage ausschaltet und mit einer Millionenbeute verschwindet. Er ist auch keiner dieser Diebe, der mit großem Auftritt und breitem Lachen die Schönen und Reichen bestiehlt. Er ist auch kein Profi wie Richard Starks Parker, der eiskalt seine Raubzüge plant und durchführt. Mooney ist ein kleiner Fisch im Verbrecher-Haifischbecken. Er ist ein arbeitsloser, verheirateter Tischler und Vater, der sich regelmäßig mit seinen gutbürgerlichen Eltern trifft. „Er ist klug genug, um sich in Schwierigkeiten zu bringen, aber nicht klug genug, um aus den Schwierigkeiten wieder herauszukommen“ (Presseheft). Während er als unauffälliger Kunstliebhaber durch ein geöffnetes Museum streift, klaut er kleine Figuren aus der Ausstellung. Er passt auf, dass seine Diebstähle nicht bemerkt werden. Er arbeitet allein.
Beides soll sich jetzt ändern. Er will aus dem kleinen örtlichen Kunstmuseum „Framingham Museum of Art“ mehrere abstrakte Gemälde des von ihm bewunderten Künstlers Arthur Dove stehlen. Dafür ist er auf Helfer angewiesen.
Kelly Reichardt schildert in ihrem neuen, 1970 in Framingham, Massachusetts, einer ruhigen Gemeinde zwischen Worcester und Boston, spielendem Film „The Mastermind“ akribisch Mooneys familiäres Umfeld, seine präzisen Planungen, ihre gemeinsame Vorbereitung des großen Coups und den sich anders als geplant entwickelnden Diebstahl. In diesen Momenten knüpft Reichardt gelungen an das New-Hollywood-Kino und damalige Gangsterfilme an.
Auch die Zeit nach dem erfolgreichen Diebstahl, wenn die Amateurverbrecher mit der Beute entkommen wollen, ist spannend. Aber wie in „Night Moves“, ihrem Thriller über eine Gruppe Öko-Terroristen, die sich nach der Sprengung eines Staudamms trennen und an verschiedenen Orten untertauchen, schlägt die vorherige Spannung, aus den gleichen Gründen, in eine zunehmend langweilige Abfolge zufälliger Episoden um.
Bis dahin ist „The Mastermind“, musikalisch unterlegt mit einem wunderschön experimentell-jazzigem Soundtrack von Rob Mazurek (Chicago Underground), ein sich auf Details und seine Figuren konzentrierender, minimalistischer, unterkühlter und auch realistischer Heist-Thriller, der in einer Zeit spielt, als auch wertvolle Gemälde in öffentlichen Ausstellungen kaum gesichert waren.
Ohne die Schwächen in der zweiten Hälfte, vor allem im dritten Akt, wäre „The Mastermind“ ein perfekter Film für den Cineasten, New-Hollywood-Fan und Fan von Siebziger-Jahre-Gangsterfilmen. So reiht sich Reichardts gewohnt ruhig erzählter Film in die dieses Jahr erstaunlich umfangreiche Reihe der Filme ein, die eine überzeugende, teils sogar grandiose erste Hälfte haben und an einem bestimmten Punkt in der zweiten Hälfte ihren Plot eigentlich erzählt haben oder vollständig verlieren und in jedem Fall zunehmend langweilen.

The Mastermind (The Mastermind, USA 2025)
Regie: Kelly Reichardt
Drehbuch: Kelly Reichardt
mit Josh O’Connor, Alana Haim, Sterling Thompson, Jasper Thompson, Hope Davis, Bill Camp, John Magaro, Gaby Hoffmann, Eli Gelb
Länge: 111 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „The Mastermind“
Metacritic über „The Mastermind“
Rotten Tomatoes über „The Mastermind“
Wikipedia über „The Mastermind“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Kelly Reichardts „Certain Women“ (Certain Women, USA 2016)
Meine Besprechung von Kelly Reichardts „First Cow“ (First Cow, USA 2019)
Veröffentlicht von AxelB 

