Parker Finn hatte bei seinem Langfilmdebüt eine grandiose Idee: das Böse zeigte sich in Gesichtern, die starr lachende Fratze waren. Das Bild, vor allem so wie Finn es präsentierte, war höchst beunruhigend.
Mit seinem Horrorfilm „Smile“ demonstrierte er ein beachtliches, auch in „Smile 2“ sichtbares inszenatorisches Talent und beunruhigte über weite Strecken sehr gelungen. Erst im Finale wurden die üblichen Horror-Topoi in der üblichen Form benutzt. Das war dann ziemlich langweilig.
Dessen ungeachtet wurder der Film ein Erfolg. Eine Fortsetzung – auch wenn ich sie nach dem Finale von „Smile“ für überflüssig hielt – war schnell beschlossen. Und Finn, der auch das Drehbuch geschrieben hatte, sagte, er habe Ideen für ein ganzes Franchise. Mit „Smile 2 – Siehst Du es auch?“ ist jetzt der zweite „Smile“-Film im Kino. Aus dem ersten Film ist wieder Kyle Gallner als Polizist Joel dabei. Er stirbt nach wenigen Minuten und vor der Titeleinblendung in einer von ihm atemberaubend schlecht geplanten Schießerei in einem leerstehendem Vorstadthaus, das von zwei weißen Drogenhändlern für ihr Geschäft benutzt wird. Diese Szene mit ihren vielen Toten hat mit dem darauf folgendem über zweistündigem Film nichts zu tun.
In ihm geht es um die erfolgreiche junge Pop-Musikerin Skye Riley (Naomi Scott), deren neue Tour in wenigen Tagen beginnt. Als sie bei ihrem Drogenhändler – einem Schulfreund, der in Manhattan in einem großen und eigentlich noblem Apartment wohnt (es ist halt nicht aufgeräumt) – einige Tabletten kaufen will, bringt er sich vor ihren Augen um. Und der „Smile“-Fluch überträgt sich auf sie und ihr einen wenig berührender Abstieg in den Wahnsinn beginnt. In dem Moment ist bereits die erste halbe Stunde vorbei. Ungefähr eine Stunde später erklärt ihr ein Sanitäter, der ihr helfen möchte, in einem Infodump alles über den „Smile“-Fluch. Wer „Smile“ oder den Trailer gesehen hat, kennt ihn: der „Smile“-Fluch überträgt sich von einem Menschen zum nächsten, indem der Träger des Fluches vor einem anderen Menschen Suizid begeht. Der neue Träger des Fluches wird innerhalb weniger Tage zunehmend verrückt. Er sieht gruselig grinsende Gesichter und kann immer weniger zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden.
Diese Gesichter, ihr Auftauchen und Verhalten inszeniert Finn mittels weitgehend vorhersehbarer Jump-Scares, die sich darauf verlassen, dass der geneigte Zuschauer ordentlich zusammenzuckt, wenn die Stille von einem plötzlichen lauten Geräusch unterbrochen wird.
Die Story selbst leidet zuerst einmal an ihrem schleppendem Erzähltempo. So dauert es eine halbe Stunde, bis die Geschichte beginnt. Davor plätschert der Film vor sich hin, ohne dass wirklich erkennbar ist, wer die Protagonistin ist. Diese, die Pop-Musikerin Skye, bleibt durchgehend eine nervige Kunstfigur ohne ein interessantes Innenleben; – was auch daran liegt, dass das bei der Wahl dieser Protagonistin auf der Hand liegende Thema und der damit verbundene Konflikt, nämlich der Zwiespalt zwischen einem auf Äußerlichkeiten, Freundlichkeit und Oberflächlichkeit bedachtem fehlerfreiem Leben als Pop-Star und der eigenen Psyche, die etwas anderes möchte, nicht konsequent behandelt wird. Stattdessen taucht immer wieder eine Grinse-Fratze in Skyes Fantasie auf. Diese Gesichter beunruhigen deutlicher weniger als im ersten Film. Eher sehen sie wie edel arrangierte Fotografien für eine Werbekampagne aus.
Wie sehr „Smile 2“ da noch nicht einmal an der Oberfläche kratzt, wird bei einem Vergleich mit „The Substance“ deutlich. In ihrem vor wenigen Wochen gestartetem fantastischen Body-Horrorfilm seziert Coralie Fargeat diesen Gegensatz zwischen glamourösem Schein und desaströsem Sein auf jeder Ebene besser. „The Substance“ fesselt und beunruhigt nachhaltig ohne einen einzigen Jump-Scare. „Smile 2“ braucht die Jump-Scares, um die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht zu erhalten.
In „Smile 2“ ist das Pop-Musikgeschäft nur der Hintergrund, der es Finn ermöglicht, Hauptdarstellerin Naomi Scott mehrmals singen und, teils auf einer größeren Konzertbühne, tanzen zu lassen. Immerhin unterbricht die Musik die Geschichte seltener als in „Joker: Folie à Deux“. Besser sind die Songs nicht. Sie sind für den Film geschriebene handelsübliche Pop-Nummern, die einen eh schon zu langen, verpasste Möglichkeiten an verpasste Chancen reihenden Film locker über die Zwei-Stunden-Schwelle hieven.

Smile 2 – Siehst Du es auch? (Smile 2, USA 2024)
Regie: Parker Finn
Drehbuch: Parker Finn
mit Naomi Scott, Rosemarie DeWitt, Kyle Gallner, Lukas Gage, Miles Gutierrez-Riley, Peter Jacobson, Raúl Castillo, Dylan Gelula, Ray Nicholson, Drew Barrymore (Cameo als sie selbst)
Länge: 128 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
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Hinweise
Rotten Tomatoes über „Smile 2“
Wikipedia über „Smile 2“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Parker Finns „Smile – Siehst du es auch?“ (Smile, USA 2022)
Veröffentlicht von AxelB 

