Neu im Kino/Filmkritik: „The Secret Man“ Mark Felt ist Deep Throat

November 2, 2017

Über Jahrzehnte war er nur als Deep Throat bekannt. So hatte die Tageszeitung „Washington Post“ ihn genannt. Für die „Washington Post“-Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward war er ihre Quelle im Regierungsapparat, die sie mit brisanten Informationen versorgte, die den Watergate-Skandal befeuerten und letztendlich zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon führten.

Alan J. Pakula verewigte ihre Arbeit in „Die Unbestechlichen“ (All the President’s Men, USA 1976). Mit Robert Redford als Bob Woodward und Dustin Hoffman als Carl Bernstein. Der Film ist ein Klassiker.

Das kann über Peter Landesmans „The Secret Man“ nicht behauptet werden. Er erzählt die Geschichte von FBI-Vizechef Mark Felt. 2005 sagte Felt, über seinen Anwalt in einem „Vanity Fair“-Artikel von John D. O’Connor, dass er Deep Throat sei. Woodward bestätigte die Enthüllung des damals schon länger an Demenz leidenden alten Mannes.

Landesman, selbst ein ehemaliger Enthüllungsjournalist und Kriegsreporter, der auch das Drehbuch für „Kill the Messenger“ schrieb und „Erschütternde Wahrheit“ nach seinem Drehbuch inszenierte, war von dieser Enthüllung fasziniert. Immerhin wurde schon seit Ewigkeiten über die wahre Identität von Deep Throat, dem bekanntesten unbekannten Whistleblower, spekuliert. Schon damals erhielt er den Auftrag, ein Drehbuch über Felt zu schreiben. Bei seinen Recherchen traf er Felt (17. August 1913 – 18. Dezember 2008) mehrmals und jetzt, nach einigen Umwegen, konnte er Felts Geschichte, die in Deutschland den nichtssagenden Titel „The Secret Man“ hat (der knackige Originaltitel ist „Mark Felt – The Man who brought down the White House“), inszenieren. Wie Pakula bleibt Landesman nah an den Fakten. Aber während Pakula uns mit den beiden Protagonisten, die bei ihren Recherchen erst langsam das gesamte Ausmaß der Verschwörung begreifen – immerhin begann es relativ unspektakulär am 17. Juni 1972 mit einem banalen Einbruch in ein Zimmer des Watergate-Hotels, bei dem die Einbrecher Abhörausrüstung bei sich trugen und das Hotel auch das Hauptquartier der Demokratischen Partei war – , geht Landesman die Sache anders an.

Er erzählt aus der Perspektive von Felt, einem Mann, der sich seit Ewigkeiten in Washington bewegt, der alle Winkelzüge der Macht kennt, der die richtigen Leute kennt und der jetzt beginnt gegen seinen Arbeitgeber, seinen Vorgesetzten, den Präsident der USA, zu intrigieren. Dabei ist, in der Realität wie im Film, unklar, warum Mark Felt zum Whistleblower wurde. Bis dahin war er ein loyaler Beamter und FBI-Agent der alten Schule war. Er begann 1942 beim FBI, stieg unter J. Edgar Hoover auf und war von Mai 1972 bis zu seiner Pensionierung im Juni 1973 Associate Director und damit stellvertretender Direktor in Washington, D. C.. Er war das Sinnbild des ehrenwerten FBI-Agenten. Er war allerdings auch in seiner Eitelkeit gekränkt. Nach dem Tod von J. Edgar Hoover am 2. Mai 1972 sah er sich als künftigen FBI-Direktor. Nixon ernannte allerdings L. Patrick Gray zum Diensthabenden FBI-Direktor. Gray hatte keinen FBI-Stallgeruch. Dafür war der U-Boot-Kommandant ein Vertrauter Nixons, der auch brav dessen Anweisungen ausführte. In diesem Moment, und das ist Felts zweites mögliche Motiv, sorgte er sich um die Integrität des FBI als unabhängige Organisation. Das FBI war niemandem Rechenschaft schuldig und sie befolgte auch keine Anordnungen von Politikern. Oder Felt sorgte sich wirklich um die US-amerikanische Demokratie, die von Nixon und seinen Gefolgsleuten missachtet wurde.

Am Ende trat Nixon zurück und Felt leugnete über Jahrzehnte glaubhaft, dass er nicht Deep Throat sei.

1980 wurde Felt für seine Gesetzesübertretungen bei der Verfolgung der linken Terrororganisation „Weather Underground“ in den frühen Siebzigern zu einer geringen Geldstrafe verurteilt und von US-Präsident Ronald Reagan begnadigt. Er betrachtete sie als ausländische Agenten. Daher gelte für sie nicht der vierte Verfassungszusatz, der vor willkürlicher Durchsuchung, Festnahme und Beschlagnahme von Eigentum schütze, und deshalb autorisierte er entsprechende Maßnahmen gegen sie und ihre Familien.

Dass Landesman die Frage nach Felts Motiv nicht eindeutig beantwortet, ist nicht unbedingt ein Problem. Sie könnte sogar das Interesse an Felt und seinem moralischen Dilemma steigern.

Dummerweise konterkariert seine Inszenierung diese Absicht. Sein Drehbuch ist nicht analytisch genug und er findet deshalb niemals einen eigenen Zugang zu seinem Material. Er präsentiert es nur in der denkbar ungeschicktesten Form. Anstatt ein packendes Drama über Loyalitäten zu inszenieren, sehen wir nur mittelalte und noch ältere Anzugträger, die alle beim gleichen Schneider waren, und die in dunklen Büros miteinander reden. Sie kennen sich schon seit Ewigkeiten. Wir kennen keinen einzigen von ihnen, wir wissen nicht, was für sie auf dem Spiel steht, welche Loyalitäten und Werte sie haben und wie sie reagieren. Wir wissen auch nicht, wer sie sind und weshalb sie für die Geschichte wichtig sind. Und wenn man sich das alles mühsam aus Halbsätzen zusammengereimt hat, ist es zu spät.

Auch wenn man die Geschichte des Watergate-Skandals kennt, sind diese Szenen nur eine Abfolge von Auf- und Abtritten von stoisch blickenden Anzugträger, die sich gegenseitig irgendetwas erzählen und sich dabei, erfolgreich, bemühen, möglichst keine Emotionen zu zeigen.

Liam Neeson, der eigentlich im richtigen Alter ist, um Mark Felt zu spielen, wirkt mit seiner grauen Betonfrisur und seinem maskenhaften Gesicht, wie ein jüngerer Schauspieler, der einen deutlich älteren Mann spielen muss und dafür schlecht auf alt geschminkt wurde.

Auch die restliche Besetzung ist hochkarätig, aber keiner der bekannten Schauspieler beeindruckt nachhaltig. Wir sehen Bruce Greenwood, aber nicht den vom ihm gespielten „Time Magazine“-Reprter Sandy Smith und wir wissen nicht, wer Smith war. Wir sehen Tom Sizemore als FBI-Agent Bill Sullivan, aber wir wissen nichts über die Beziehung zwischen ihm und Felt. Landesman verweigert die zum Verständnis nötigen Hintergrundinformationen.

Das alles inszenierte Landesman in einem gerontologischen Erzähltempo konsequent in gedeckten Brauntönen, die jede Farbe und Helligkeit vermissen lassen. Die bewusst unterbelichten Bilder sind auch Dank der Innenausstattung und der Anzüge eine Ode aus Braun, Dunkelbraun und Schwarz, die eine Bedeutung vorgaukelt, die der Film nie hat.

Dabei ist das Thema von „The Secret Man“ in der Trump-Ära von brennender Aktualität. Die Vergleiche zwischen damals und heute drängen sich förmlich auf. Über die Unterschiede werden lange Artikel geschrieben. Und wahrscheinlich murmelt ganz Washington „Wo ist unser Mark Felt?“.

P. S.: Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: Oliver Stone zeigte in seinem Film „Snowden“ über den Whistleblower Edward Snowden, dass man einen spannenden Film über eine allseits bekannte Geschichte drehen kann. Wobei Stone auch eine klare Botschaft und Absicht hatte.

The Secret Man (Mark Felt – The Man who brought down the White House, USA 2017)

Regie: Peter Landesman

Drehbuch: Peter Landesman

LV: Mark Felt/Ralph de Toledano: The FBI Pyramid: From the Inside, 1979; Mark Felt/John O’Connor: A G-Man’s Life: The FBI, Being Deep Throat, and the Strggle for Honor in Washington, 2006 (beides Monographien, wobei „A G-Man’s Life“ Teile von „The FBI Pyramid“ enthält)

mit Liam Neeson, Diane Ladd, Marton Csokas, Tony Goldwyn, Ike Barinholtz, Josh Lucas, Wendi McLendon-Covey, Brian d’Arcy James, Maika Monroe, Michael C. Hall, Tom Sizemore, Bruce Greenwood, Julian Morris, Noah Wyle, Eddie Marsan

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 0 Jahre (als hätten Kinder keine Angst vor Grauen Herren in Anzügen)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „The Secret Man“

Metacritic über „The Secret Man“

Rotten Tomatoes über „The Secret Man“

Wikipedia über „The Secret Man“

Meine Besprechung von Peter Landesmans „Erschütternde Wahrheit“ (Concussion, USA 2015)

Peter Landesman über seinen Film (im Gebäude der „Washington Post“)

Peter Landesman und Brian d’Arcy James im Gespräch über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: „Independence Day. Wiederkehr“ der Aliens und der Erdlinge, die schon einmal die Aliens besiegten

Juli 14, 2016

Vor zwanzig Jahre besiegten die Menschen Aliens, die die Erde vernichten wollten, mit einem Computervirus.

Jetzt kehren die Aliens zurück und dieses Mal wollen sie die Erde endgültig zerstören.

In der Zwischenzeit haben die Menschen zu einem friedlichen Miteinander gefunden, mit der Alien-Technologie enorme Fortschritte im Bereich der Technik gemacht und auf dem Mond haben sie eine Abwehrstation gegen die nächste Alien-Invasion errichtet, die so sicher wie das Amen in der Kirche kommen wird. Behaupten jedenfalls einige tapfere, alienkampferprobte Männer.

Und bis auf Will Smith, der, je nach Quelle, nach „After Earth“ nicht gleich einen weiteren Science-Fiction-Film drehen wollte oder dessen Gagenforderung zu hoch war, sind auch etliche der aus dem Blockbuster „Independence Day“ vertrauten Charaktere dabei, wie Jeff Goldblum als David Levinson (inzwischen ist der Wissenschaftler Präsident der Earth Space Defense), Bill Pullman als von Alien-Visionen geplagten US-Präsident Thomas J. Whitmore, Judd Hirsch als Julius Levinson, Robert Loggia als General William Grey und Vivica A. Fox als Jasmine Hiller. Sie heiratete Captain Steven Hiller (Will Smith).

Es gibt auch einige Neuzugänge, wie Jessie Usher als ihr Sohn Dylan Hiller, der in die Kampfpiloten-Fußstapfen seines Vaters tritt, Liam Hemsworth als mit ihm verfeindeter, heroischer Kampfpilot Jake Morrison, der gerne mal einen Befehl ignoriert, Maika Monroe als US-Präsidententochter Patricia Whitmore und Love-Interest der beiden Jungs, Charlotte Gainsbourg als Dr. Catherine Marceaux und Ex-Geliebte von Levinson, Deobia Oparei als afrikanischer Krieger Dikembe Umbutu, der schon einige Aliens in der Wüste erledigte, Sela Ward als US-Präsidentin Lanford und William Fichtner als General Adams, der nach ihrem Tod die Amtsgeschäfte übernehmen muss. Sie alle haben schauspielerisch ziemlich wenig zu tun in dieser überaus bekannten Geschichte, die im Gegensatz zu „Independence Day“ eine überaus müde Angelegenheit ist. Die zitatenstrotzende Geschichte war auch schon in „Independence Day“ nicht wahnsinnig innovativ, aber sie wurde unterhaltsam präsentiert, man mochte die Charaktere, konnte mit ihnen mitfühlen und die Spezialeffekte beeindruckten. Es war halt ein B-Picture mit Megabudget und einer Heerschar bekannte Schauspieler, die den Charakteren mehr Tiefe gaben als das Drehbuch vorsah.

In „Independence Day: Wiederkehr“ sind die inzwischen computergenerierten Tricks nach all den Superheldenfilmen, in denen Städte und Galaxien in Schutt und Asche zerlegt werden, nicht mehr so beeindruckend. Da hilft es auch nichts, dass dieses Mal ganz London in Sekundenbruchteilen in Schutt und Asche zerlegt wird. Dagegen war die Zerstörung des Weißen Hauses in „Independence Day“ in jeder Beziehung beeindruckender. Das Bild brannte sich in unser kollektives Gedächtnis ein. Das Gebäude hat, nachdem es wieder aufgebaut wurde, in „Independence Day: Wiederkehr“ eine Special Appearance.

Die auch aus anderen Filmen bekannte Marotte, fast jede Zerstörungsszene und jede Arbeitsstätte nur von Computerbildschirmen ausleuchten zu lassen, nervt. Als gäbe es keine Lichtschalter und keine Arbeitsplatzverordnung.

Immerhin findet das Finale am helllichten Tag in der Wüste, nahe der legendären Area 51, statt. Dank der Alien-Technologie können dann auch alle wichtigen Charaktere, die vorher an verschiedenen Orten auf der Welt und im Weltall waren, in Sekundenbruchteilen zum Ort des Geschehens reisen. Die Plot-Löcher konnte die Alien-Technologie dagegen nicht stopfen.

Die Geschichte von „Independence Day: Wiederkehr“ wiederholt, mit einigen Veränderungen und vielen Anspielungen auf „Independence Day“ die aus zahlreichen Alien-Invasionsfilmen bekannte Geschichte, ohne jemals einen eigenen Ton zu finden. Es gibt einfach zu viele Charaktere die zu wenig zu tun haben und die Struktur ist bei weitem nicht so klar wie in „Independence Day“.

So ist „Independence Day: Wiederkehr“ eine mit knapp zwei Stunden (ohne Abspann) für einen Blockbuster erstaunlich kurze, aber auch reichlich dröge Angelegenheit, die, trotz anderslautender Statements von Roland Emmerich, wie eine lästige und vollkommen überflüssige Pflichterfüllung aussieht.

Am Ende des Films gibt es einen Witz, der die Tür zu einer Fortsetzung öffnet, die wirklich unterhaltsamer als „Indepence Day: Wiederkehr“ sein könnte. Dann werden, wenn das Einspielergebnis stimmt und wie Emmerich schon in einem aktuellen Interview sagte, fremde Planeten und Galaxien besucht. Den Film hätte er schon jetzt drehen sollen.

Independence Day 2 - Plakat

Independence Day: Wiederkehr (Independence Day: Resurgence, USA 2016)

Regie: Roland Emmerich

Drehbuch: Nicolas Wright, James A. Woods, Dean Devlin, Roland Emmerich, James Vanderbilt (nach einer Geschichte von Dean Devlin, Roland Emmerich, Nicolas Wright und James A. Woods, basierend auf Charaktere von Dean Devlin und Roland Emmerich)

mit Liam Hemsworth, Jeff Goldblum, Jessie T. Usher, Bill Pullman, Maika Monroe, Sela Ward, William Fichtner, Judd Hirsch, Brent Spiner, Vivica A. Fox, Charlotte Gainsbourg, Deobia Oparei, Nicolas Wright, Robert Loggia, Angelababy, Chin Han, Travis Tope

Länge: 121 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Independence Day: Wiederkehr“

Metacritic über „Independence Day: Wiederkehr“

Rotten Tomatoes über „Independence Day: Wiederkehr“

Wikipedia über „Independence Day: Wiederkehr“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „White House Down“ (White House Down, USA 2013)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „Stonewall“ (Stonewall, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die 5. Welle“ der Aliens, der Beginn einer weiteren Trilogie

Januar 16, 2016

Dystopien mit jugendlichen Protagonisten sind derzeit in Hollywood beliebt. Gerne – siehe „Die Tribute von Panem“ und die „Divergent“-Serie – mit einer Heldin und meist als Trilogie, wobei der dritte Teil aus kommerziellen Erwägungen gerne auf zwei Filme aufgespaltet wird. Auch wenn nicht jede dieser Romanverfilmungen an der Kinokasse überzeugt und so in den letzten Jahren aus einigen geplanten Trilogien ein Einzelfilm wurde.
„Die 5. Welle“ schwimmt in diesem Fahrwasser mit. Als Verfilmung des gleichnamigen Romans von Rick Yancey, der ebenfalls der Auftakt für eine Trilogie war. Der dritte Band „The Last Star“ erscheint im Mai in den USA. Entsprechend vertraut sind viele Elemente. Dieses Mal sind es Außerirdische, die die Menschheit ausrotten wollen und dafür mehrere für uns bedrohliche Angriffswellen starten. Mit der titelgebenden fünften Welle wollen sie ihr Werk vollendeten.
Cassie Sullivan (Chloë Grace Moretz) ist das typische patente All-American-Girl, das einen jüngeren Bruder und nette Eltern hat und mitten im Heartland der USA lebt. Als ihre Mutter stirbt und die Anschläge der Außerirdischen immer schlimmer werden, verlassen sie zu Fuß, in Wandererausrüstung, ihr Haus. In einem nahe gelegenem, selbst organisiertem, im Wald liegendem Flüchtlingscamp kommen sie unter. Als das Militär kommt und sie zu einer nahe gelegenen Kaserne bringen will, stirbt Cassies Vater und sie wird von ihrem Bruder getrennt. Allein macht Cassie sich auf den Weg zur Kaserne, die sie am Filmende auch erreicht.
Dort werden Jugendliche, wozu auch ihr Bruder und ihre Schulhofschwärmerei zählen, zum Kampf gegen die Außerirdischen, die inzwischen in einigen menschlichen Körpern leben, ausgebildet.
Das ist, abgesehen davon, dass Cassie auf einem Highway angeschossen wird und von ihrem zukünftigen Freund in dessen abgelegenem elterlichen Haus gepflegt wird, die gesamte Geschichte von „Die 5. Welle“, die als eigenständiger Film kaum funktioniert und es auch überhaupt nicht will. Es ist der erste Teil einer größeren Geschichte. Die Prämisse, die Welt in der die Geschichte spielt und die wichtigsten Charaktere werden vorgestellt. Mehr nicht. Und das geschieht durchaus kurzweilig, aber auch vollkommen überraschungsarm bis zum Schluss, wenn die Jungs mit den Schusswaffen herumlaufen, während Cassie ihnen, ganz so, wie es sich für das Bild der hilfsbedürftig-unselbständigen Frau gehört, hinterherläuft.
Sowieso ist die politische Botschaft zu penetrant um sie zu übersehen. Sie wird zwar nie explizit angesprochen, wie in dem Antikommunistenfilm „Die rote Flut“ (USA 1984), aber es ist offensichtlich, dass die Außerirdischen, die sich in jedem Menschen verstecken können, nur die gesichtslose Metapher für konservative bis reaktionäre Bedrohungsängste sind und diese Gefahr nur aus dem immer grünen und waldreichen Hinterland, in dem jeder Junge mit der Waffe umgehen kann, bekämpft werden kann. Das ist so offensichtlich und so platt und so todernst als Pfadfinder- und Vigilantenertüchtigung inszeniert, dass es einen schon etwas irritiert zurücklässt. Gerade weil diese reaktionäre Botschaft in den anderen Jugenddystopien nicht so platt formuliert wird. Wobei J Blakeson sie, im Gegensatz zu „Die rote Flut“-Regisseur John Milius, auch nie in letzter Konsequenz ausformuliert. Jedenfalls nicht in „Die 5. Welle“. Es gibt, immerhin spielt ein großer Teil des Films in einem militärischem Ausbildungslager für Kinder und Jugendliche, auch keine Kritik am Militarismus oder der perfiden Logik, dass Kinder leichter als Erwachsene für einen Kampf manipuliert werden können. Die gab es in „Ender’s Game – Das große Spiel“ (der auf Mainstream gebügelten Verfilmung von Orson Scott Cards Science-Fiction-Klassiker) wesentlich konsequenter.
„Die 5. Welle“ ist eine weitere Jugenddystopie, die durchaus interessante Ansätze hat, aber auch nur der Beginn eines Abenteuers ist, über das erst wirklich nach den nächsten beiden Filmen etwas gesagt werden kann.

Die fünfte Welle - Plakat

Die 5. Welle (The 5th Wave, USA 2015)
Regie: J Blakeson
Drehbuch: Susannah Grant, Akiva Goldsman, Jeff Pinkner
LV: Rick Yancey: The 5th Wave, 2013 (Die 5. Welle)
mit Chloë Grace Moretz, Nick Robinson, Ron Livingston, Maggie Siff, Alex Roe, Maria Bello, Maika Monroe, Liev Schreiber
Länge: 117 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Englische Homepage zum Film
Moviepilot über „Die 5. Welle“
Metacritic über „Die 5. Welle“
Rotten Tomatoes über „Die 5. Welle“
Wikipedia über „Die 5. Welle“ (deutsch, englisch)
Homepage von Rick Yancey
Meine Besprechung von J Blakesons „Spurlos – Die Entführung der Alice Creed (The Disappearance of Alice Creed, GB 2009)


Neu im Kino/Filmkritik: Der Horrorfilm „It follows“

Juli 9, 2015

Den meisten Kritikern gefällt David Robert Mitchells Horrorfilm „It Follows“. In Cannes war er für den Critics Week Film Prize nominiert. Letztes Jahr lief er hier auf dem Fantasy Filmfest und es gibt auch wirklich einige Punkte, die für den Film sprechen. Aber insgesamt ist „It Follows“ ein schwacher Horrorfilm der mehr verspricht, als er hält und der wegen seiner langsamen Erzählweise die Lücken in seiner Erzählung schmerzhaft offenbart. Auch weil die Teenager sich nicht besonders schlau verhalten.
Nachdem die 19-jährige Jay Sex mit dem sportlichen Hugh, dem neuen Mädchenschwarm in der Schule, hatte, fesselt er sie und erklärt ihr, dass sie ab jetzt von einem Geist verfolgt werde, den nur sie sehen könne, der seine Gestalt ändern könne (er könne auch die Gestalt von Freunden und Bekannten annehmen) und sie töten wolle. Aber der Geist bewege sich langsam, weshalb ihr normalerweise genug Zeit bleibe, um zu flüchten. Und sie könne ihn loswerden, wenn sie mit einer anderen Person Sex habe. Oh, und sie solle das machen, bevor der Geist sie töte. Denn dann würde er sich auf dem Weg zu ihm machen.
Anschließend haut Hugh ab.
Jay hält es zunächst für einen schlechten Scherz, aber dann sieht sie sich seltsam bewegende Menschen und sie fragt sich, mit ihren Freunden, was sie tun soll.
Sie haben dabei viele Ideen, aber auf die nahe liegenste Idee, nämlich dass Jay einfach Sex mit dem erstbesten Mann haben soll und so den Dämon problemlos weiterzugeben kann, kommen sie nicht. Stattdessen versuchen sie ihn wie einen x-beliebigen Stalker zu bekämpfen, bis sie ihn am Ende in eine vollkommen absurde Falle locken.
Sowieso schöpft „It Follows“ das Potential seiner Prämisse nie aus. Denn natürlich hätte Jay nach der Nacht mit Hugh jeden Grund, um richtig paranoid zu werden. Immerhin könnte der Geist in der Gestalt ihres Vaters oder ihrer Freunde auftauchen. Aber vor ihren Freunden hat sie keine Angst. Ebenso könnte Sex hier facettenreicher als in den üblichen Horrorfilmen, in denen Sex immer mit dem Tod bestraft wird, behandeln. Aber dann hätte Mitchell sich auch genauer mit der Herkunft von seinem Geist und was er will, beschäftigen müssen. Zum Beispiel warum er oft wie die Freundin von Hugh aussieht.
Auf der Habenseite des mit einem kleinen Budget (laut IMDB 2 Millionen) gedrehten Films steht die bewusste Orientierung an älteren Horrorfilmen, die nicht durch Blut, sondern durch Atmosphäre Grusel erzeugten. Deshalb wird auch auf Jump-Scares verzichtet. Die Musik ist im ständigen John-Carpenter-Gedächtnismodus und auch die Stimmung erinnert an Carpenters Frühwerke, die ebenfalls für wenig Geld mit unverbrauchten Schauspielern auf der Straße gedreht wurden. So ist „It Follows“ näher am Independent-Kino als an Found-Footage-Experimenten (mit meist hoffnungslos übertrieben spielenden Schauspielern) und Splatter-Orgien.

It Follows - Plakat
It Follows (It Follows, USA 2014)
Regie: David Robert Mitchell
Drehbuch: David Robert Mitchell
mit Maika Monroe, Keir Gilchrist, Daniel Zovatto, Jake Weary, Olivia Luccardi, Lili Sepe
Länge: 100 Minuten
FSK: ab 12 Jahre (hätte eigentlich mit einer FSK-16 gerechnet)

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „It Follows“
Moviepilot über „It Follows“
Metacritic über „It Follows“
Rotten Tomatoes über „It Follows“
Wikipedia über „It Follows“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Um jeden Preis“ ist lost in Iowa

November 18, 2013

 

Ein hochkarätiger Cast mit Dennis Quaid und Zac Efron in den Hauptrollen, ein Regisseur, der für seine vorherigen, niedriger budgetierten Independent-Filme viel Lob und Preise erhielt, ein wichtiges Thema – und trotzdem überzeugt „Um jeden Preis“ keine Sekunde.

Denn Ramin Bahrani will den großen amerikanischen Roman im Film erzählen. Es geht um das Schicksal der Farmerfamilie Whipple in Iowa. Henry Whipple (Dennis Quaid) möchte, dass seine Kinder die Farm übernehmen. So wie er sie von seinem Vater übernommen hat. Aber der älteste Sohn Grant verlässt die Farm für einen ausgedehnten Südamerika-Trip und außer einigen Postkarten hören wir nichts mehr von ihm. Deshalb soll Dean (Zac Efron), der ungeliebte zweite Sohn, die Farm übernehmen. Aber Dean möchte als Rennwagenfahrer Iowa verlassen.

Während die Nachfolge noch ungeklärt ist, kämpft Henry Whipple um das Überleben des Betriebs. Ein anderer Farmer wirbt ihm langjährige Kunden ab. Es gibt Ärger wegen des Saatguts. Denn wenn es genetisch verändert ist, muss es jedes Jahr von den Saatgut-Firmen aufs Neue gekauft werden. Aber die Farmer haben das noch nie gemacht. Auch Henry Whipple nicht und jetzt beginnen Mitarbeiter der Saatgut-Firma sein Saatgut zu kontrollieren.

Außerdem hat der sich als Muster-Daddy präsentierende Henry Whipple eine Geliebte. Dean hat eine Freundin, die sich auch für die Farm interessiert. Und Vater und Sohn Whipple sind verfeindet mit der Farmerfamilie Johnson. Während der ältere Johnson Henry Whipple Kunden abspenstig macht, ist sein Sohn ein erfolgreicher Konkurrent von Dean auf der Rennstrecke.

Ach ja, und dann will Henry Whipple noch, getreu dem Motto „Expandiere oder stirb“, sein Farmland vergrößern, indem er das Land eines gerade verstorbenen Landbesitzers aufkauft.

Bahrani erzählt alle Plots gleichberechtigt nebeneinander, fügt Episoden ein und auch wenn sich rückblickend so etwas wie die Geschichte einer Firmenübergabe vom Vater zum Sohn ergibt, kann Bahrani sich nicht für eine zentrale Geschichte und ein Thema entscheiden.

Diese Unentschlossenheit, sich für eine Hauptgeschichte und damit auch für einen Protagonisten zu entscheiden, wird besonders deutlich in einer Szene aus dem Filmanfang: während einer nächtlichen Spritztour mit einigen Freunden wirft Dean das Fenster eines Geschäfts ein und stiehlt ein Motorteil, das er für sein Rennauto braucht. Dieser Diebstahl wird in dem gesamten Film nie wieder angesprochen, obwohl es gerade gegen Filmende, wenn Dean ein weiteres, schlimmeres Verbrechen begeht, es eine spiegelbildliche Szene und eine damit verbundene Thematisierung von Schuld und Sühne, von Verantwortung und von Vater-Sohn-Beziehungen geben könnte.

Allerdings ist auch während des gesamten Film unklar, ob jetzt der Vater oder der Sohn der Protagonist des Films ist und eben diese Nicht-Entscheidung schwächt den gesamten Film, der so ohne dramaturgisches Zentrum zu einer Abfolge weitgehend unverbundener Episoden wird, in der auch die Auswirkungen der Politik von Konzernen auf kleine Farmer und dem Konkurrenzkampf zwischen den Farmern angesprochen werden, aber die immer von Familien- und Liebesgeschichten ausgebremst werden.

Während die meisten Schauspieler, wie Kim Dickens als Mutter Whipple, Heather Graham als Geliebte von Vater Whipple, Clancy Brown als konkurrierender Farmer und Zac Efron als Sohn, die meiste Zeit in einem Paul-Newman-Gedächtnis-Unterhemd in verstockter James-Dean-Pose, unauffällig spielen, legte Dennis Quaid seine Rolle als Farmer, den wir während einer Beerdigung, auf der er sich den Hinterbliebenen als potentieller Landkäufer andient, in einem nervigem Overacting als vor falscher Freundlichkeit sprudelndem Unternehmer an, das höchstens in einer Soap-Opera für den chargierenden Bösewicht glaubwürdig ist.

Um jeden Preis“ überzeugt nur als Monument der verpassten Chancen.

Um jeden Preis - Plakat

Um jeden Preis – At any price (At any price, USA 2012)

Regie: Ramin Bahrani

Drehbuch: Ramin Bahrani, Hallie Elizabeth Newton

mit Dennis Quaid, Zac Efron, Kim Dickens, Heather Graham, Clancy Brown, Red West, Maika Monroe, Ben Marten, Chelcie Ross

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Film-Zeit über „Um jeden Preis“

Moviepilot über „Um jeden Preis“

Metacritic über „Um jeden Preis“

Rotten Tomatoes über „Um jeden Preis“

Wikipedia über „Um jeden Preis“