TV-Tipp für den 3. Mai: Der Passfälscher

Mai 2, 2024

Arte, 20.15

Der Passfälscher (Deutschland/Luxemburg 2022)

Regie: Maggie Peren

Drehbuch: Maggie Peren

LV: Cioma Schönhaus: Der Passfälscher, 2004

TV-Premiere von Maggie Perens sehenswertes Drama „Der Passfälscher“ über den jungen Juden Cioma Schönhaus, der sich 1942 in Berlin ins pulsierende Großstadtleben stürzt, nach dem Motto „wenn mich alle sehen, kann ich kein von den Nazis verfolgter Jude sein“ und der gleichzeitig zahlreiche Pässe für andere Juden, die aus Deutschland flüchten wollen, fälscht.

Einige kennen Cioma Schönhaus vielleicht schon aus Claus Räfles Dokudrama „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ (Deutschland 2017).

mit Louis Hofmann, Luna Wedler, Jonathan Berlin, Nina Gummich, André Jung, Marc Limpach

Hinweise

Filmportal über „Der Passfälscher“

Rotten Tomatoes über „Der Passfälscher“

Wikipedia über „Der Passfälscher“


TV-Tipp für den 12. Januar: Freies Land

Januar 11, 2024

3sat, 22.25

Freies Land (Deutschland 2020)

Regie: Christian Alvart

Drehbuch: Christian Alvart, Sigfried Kamml

Drei Jahre nach dem Fall der Mauer sollen zwei Polizisten – ein Ossi und ein Wessi – in einer kleinen Gemeinde im östllichen Mecklenburg-Vorpommern zwei spurlos verschwundene Teenager-Schwestern finden. Bei ihren Ermittlungen erfahren sie, dass in den vergangenen Jahren mehrere Mädchen spurlos verschwanden.

Christian Alvarts in Ostdeutschland spielendes Eins-zu-eins-Remake von „Mörderland – La Isla Mínima“ (La Isla Mínima, Spanien 2014). Dabei ist Ostdeutschland nach dem Ende der DDR ein nie überzeugender Ersatz für das Post-Franco-Spanien. Da wäre mehr drin gewesen als ein durchschnittlicher, zu lang geratener Thriller.

Besser das kürzere, buntere und in seiner Gesellschaftsanalyse überzeugendere Original ansehen.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Felix Kramer, Trystan Pütter, Nora Waldstätten, Ben Hartmann, Ludwig Simon, Uwe Dag Berlin, Leonard Kunz, Michael Specht, Marc Limpach, Alva Schäfer, Nurit Hirschfeld, Alexander Radszun, Marius Marx

Hinweise

Filmportal über „Freies Land“

Moviepilot über „Freies Land“

Wikipedia über „Freies Land“

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Banklady“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Halbe Brüder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Steig. Nicht. Aus!“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Christian Alvarts Sebastian-Fitzek/Michael-Tsokos-Verfilmung „Abgeschnitten“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Freies Land“ (Deutschland 2020)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Margarethe von Trottas „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“

Oktober 20, 2023

Manchmal läuft es dumm. Margarethe von Trotta drehte ihren Film über Ingeborg Bachmann im Frühjahr 2022. Im Mittelpunkt steht die Beziehung der Dichterin zu Max Frisch.

Zwischen dem Ende der Dreharbeiten und der Premiere auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb wurde im November 2022 der bis dahin nicht veröffentllichten Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch veröffentlicht. Die Briefe werfen ein neues Licht auf die offene Beziehung zwischen den beiden Dichtern und sie widerlegten einige Legenden über diese Beziehung.

Damit war der Film als faktengetreuer Blick durch das Schlüsselloch schon vor der Premiere überholt. Insofern betrachtet man „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ besser nicht als quasi-dokumentarisches Biopic, sondern als die Geschichte einer toxischen Liebesgeschichte, die in den späten fünfziger und sechziger Jahren im Künstlermilieu spielt und unnötig verschachtelt erzählt wird. Von Trotta springt nämlich hin und her zwischen Szenen, in denen Ingeborg Bachmann, von Alpträumen geplagt, im Krankenhaus behandelt wird, zurück zu ihrer vier Jahre dauernden Beziehung zu Max Frisch und zu einer Reise nach Ägypten, bei der sie von dem jüngeren Schriftsteller Adolf Opel begleitet wird.

Weil von Trotta Jahreszahlen nicht nennt, fällt es schwer, die einzelnen Rückblenden in eine chronologische Struktur einzuordnen. Das wäre wichtig, um zu wissen, an welchem Punkt ihrer Beziehung zu Max Frisch Ingeborg Bachmann gerade steht. Von Trotta stellt auch die verschiedenen prominenten Freunde von Ingeborg Bachmann namentlich nicht weiter vor. So erfahren wir erst im Abspann, dass der Pianist, den sie in Rom besucht und mit dem sie offen redet, nicht irgendein Pianist, sondern der Komponist Hans Werner Henze ist.

Die im Zentrum des Films stehende Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) und Max Frisch (1911 – 1991) dauerte von 1958 bis 1962. Sie beginnt mit einem Brief von ihm, in dem er schreibt, wie sehr ihn ihr Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ beeindruckt hatte. Er lädt sie nach Paris zur Premiere von seinem Stück „Biedermann und der Brandstifter“ ein. Sie verlieben sich und beginnen eine offene Beziehung, die von beiden ausgenutzt wird.

Im Film sind die Rollen schnell und sehr eindeutig verteilt. Max Frisch (Ronald Zehrfeld) ist ein bräsiger, teils selbstmitleidiger Egomane, der die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht und Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps), von der er abhängig ist, mehr oder weniger subtil terrorisiert. Sie braucht Ruhe für ihre dichterische Arbeit. Er hämmert seine Texte auf einer Schreibmaschine, die durch das gesamte Haus donnert. Er kann, weil er glaubt, in ihrem Schatten zu stehen, ihren Erfolg als Dichterin nicht akzeptieren. Rücksichtslos treibt er die zarte Dichterin in den Wahnsinn und den Tod. So weit, so eindeutig und so langweilig und unglaubwürdig. Denn es ist nie nachvollziehbar, warum eine erfolgreiche, freiheitsliebende und auch selbstbewusste Dichterin sich von so einem uninteressanten Mann abhängig macht.

Es ist schon erstaunlich, dass von Trotta, die vor elf Jahren Leben und Denken von Hannah Arendt kongenial in den Griff bekam, hier so versagt. In „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ erzählt sie nur, ziemlich verworren, eine Beziehungsgeschichte, die bei ihr weiter banalisiert wird.

Dabei zeigt schon ein Blick in den Wikipedia-Eintrag über Ingeborg Bachmann, dass ihr Leben die Grundlage für mindestens ein gutes Biopic ist. Dieser Film ist es nicht.

Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste (Schweiz, Österreich/Deutschland/Luxemburg 2023)

Regie: Margarethe von Trotta

Drehbuch: Margarethe von Trotta

mit Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch, Basil Eidenbenz, Luna Wedler, Marc Limpach

Länge: 111 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“

Moviepilot über „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“

Rotten Tomatoes über „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“

Wikipedia über „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Margarethe von Trottas “Hannah Arendt” (Deutschland 2012; DVD-Besprechung)

Meine Besprechung von Margarethe von Trottas „Auf der Suche nach Ingmar Bergman (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Cuini Amelio Ortiz/Peter Altmanns Dokumentarfilm „Margarethe von Trotta – Zeit der Frauen“ (Italien/USA/Deutschland 2021)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Stefan Ruzowitzkys sehenswerten Serienkiller-Noir „Hinterland“

Oktober 11, 2021

Zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kehren Peter Perg (Murathan Muslu) und seine Männer aus dem Krieg zurück in ein Wien, das sie nicht wieder erkennen. Als sie in den Krieg zogen war Österreich ein Kaiserreich. Jetzt gehört Österreich zu den Verlierern, einen Kaiser gibt es nicht mehr, es ist kleiner und eine Republik. Sie kämpften auf der falschen Seite für die falsche Sache. Niemand erwartet diese Verlierer.

In Wien kehrt Perg in seine alte Wohnung zurück. Seine Frau ist mit ihrem Kind zu ihrer Schwester aufs Land gezogen. Noch ehe Perg sich wirklich Gedanken über sein weiteres Leben machen kann, wird der frühere Kriminalinspektor in einen Mordfall verwickelt. Ein Serienkiller ermordet einen Oberleutnant aus Pergs Truppe, verstümmelt ihn und stellt die Leiche aus.

Zusammen mit der Gerichtsmedizinerin Theresa Körner (Liv Lisa Fries), die er von früher kennt, und dem jungen Kommissar Paul Severin (Max von der Groeben) beginnt er den Serienmörder zu suchen.

Gut, die Geschichte von Stefan Ruzowitzkys neuem Film „Hinterland“ ist ein 08/15-Serienkillerthriller, in dem der Mörder munter seine Taten begeht, die Opfer anschließend fotogen ausstellt, der Ermittler tapfer aufklärt und dem Mörder am Schluss die Maske vom Gesicht reißt. Dabei ist seine Identität sekundär. Schließlich ist „Hinterland“ kein klassischer Rätselkrimi, bei dem der Ermittler in einer Schar hochgradig verdächtiger Menschen den Täter finden muss.

Diese Mordermittlung bildet das Rückgrat für die atemberaubende Gestaltung des Films. Denn Ruzowitzky drehte seinen neuen Film fast ausschließlich im Studio vor Blue Screens. D. h. letztendlich, dass die Schauspieler wie in einem Theater vor einem nackten Hintergrund spielten, Benedict Neuenfels das aufnahm und Ruzowitzky, zusammen mit Oleg Prodeus und Ronald Grauer als Digital Designer, später diese einfügte. Dabei ging es ihnen nie um Realismus, sondern um, so Ruzowitzky, „eine digitale Version des Stummfilmklassikers ‚Das Kabinett des Dr. Caligari’“. Diesen expressionistischen Stil hält er vom ersten bis zum letzten Bild durch. Es handelt sich um ein künstliches Wien, das in jedem Bild seine Künstlichkeit betont und zeigt, wie derangiert und auch verrückt Perg, die anderen Kriegsheimkehrer und ganz Österreich sich fühlen.

Es sind Bilder, die auf die große Leinwand gehören – und auch in einem Comic gut aufgehoben wären.

Hinterland (Österreich/Luxemburg/Belgien/Deutschland 2021)

Regie: Stefan Ruzowitzky

Drehbuch: Robert Buchschwenter, Hanno Pinter, Stefan Ruzowitzky

mit Murathan Muslu, Liv Lisa Fries, Maximilian von der Groeben, Marc Limpach, Matthias Schweighöfer, Stipe Erceg

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Hinterland“

Moviepilot über „Hinterland“

Rotten Tomatoes über „Hinterland“

Wikipedia über „Hinterland“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Stefan Ruzowitzkys „Cold Blood – Kein Ausweg, keine Gnade“ (Deadfall, USA/Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Stefan Ruzowitzkys „Das radikal Böse“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Stefan Ruzowitzkys „Die Hölle – Inferno“ (Österreich/Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Stefan Ruzowitzkys „Narziss und Goldmund“ (Deutschland 2020)

„Hinterland“-Pressekonferenz beim Locarno Film Festival (Schweigen wir über die Kamera. Der Ton ist wichtiger)


Neu im Kino/Filmkritik: Genrefilme aus Deutschland: „Freies Land“ von Christian Alvart

Januar 11, 2020

Ostdeutschland, 1992: Die beiden Kriminalpolizisten Patrick Stein (Trystan Pütter) und Markus Bach (Felix Kramer) suchen zwei spurlos verschwundene, an der Schwelle zum Erwachsensein stehenden Schwestern. Sind sie nur von zu Hause abgehauen oder wurden sie ermordet?

Stein ist jung, offensichtlich ein Paragraphenreiter, kommt aus dem Westen und telefoniert ständig mit seiner hochschwangeren Frau, die von seinem Einsatz im Osten nicht begeistert ist. Auch er möchte so schnell wie möglich wieder zurück in seine Heimat.

Bach war schon in der DDR Ermittler. Seine Methoden und sein Verhalten scheinen direkt aus dem Hollywood-Drehbuch für den Hardboiled-Detective der alten Schule zu stammen: saufen, vögeln, Verdächtige einschüchtern und schlagen – und vielleicht auch noch Beweise manipulieren. Bei ihren Ermittlungen in der einsamen ostdeutschen Marschlandschaft entdecken die beiden gegensätzlichen Polizisten schnell, dass schon zu DDR-Zeiten Mädchen aus dem Dorf spurlos verschwanden.

In dem Moment wird aus dem Thriller eine Gesellschaftsanalyse, die auch danach fragt, was von der DDR im neuen Deutschland überlebte.

Aus dieser Idee wird allerdings wenig gemacht. Christian Alvart, einer der wenigen deutschen Regisseure, der gerne und zuverlässig für das Kino gelungene Genrefilme (wie „Antikörper“, „Pandorum“, „Banklady“ und „Abgeschnitten“) inszeniert, erzählt in „Freies Land“ eine Geschichte, die Krimifans bereits aus „Mörderland – La Isla Mínima“ (La Isla Mínima, Spanien 2014) kennen. Alvart kopiert den Film fast Einstellung für Einstellung. Nur dass bei ihm aus den satten spanischen Farben ein braungraues deutsches Einerlei wird. Neben den Farben gehen bei der Verlegung der Geschichte von Spanien nach Deutschland alle gesellschaftlichen und politischen Hintergründe verloren.

Alberto Rodriguez‘ Thriller entwickelt seine Wirkung zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem Wissen um die Erbschaften der Franco-Diktatur und dem die gesamte Gesellschaft beherrschenden Katholizismus mit seinen Moralvorstellungen.

Dagegen ist die weitgehend säkularisierte DDR nur ein kümmerlicher Ersatz. In dem vereinigten Deutschland gibt es dann DDR-Nostalgie, von Westlern entlassene Arbeiter und einen austauschbaren Krimiplot, für den Alvart sich eine halbe Stunde mehr Zeit nimmt als Rodriguez ohne dabei mehr in die Tiefe zu gehen. So wirkt „Freies Land“ oft unerträglich langatmig. Denn gerade der nackte Thrillerplot ist schon in „Möderland – La Isla Minima“ nicht besonders aufregend. Er dient vor allem als ein Vehikel für eine vielfältige Gesellschaftsanalyse, die auch danach fragt, wie mit den Erbschaften einer Diktatur umgegangen werden soll.

Vielleicht wäre „Freies Land“ besser geworden, wenn Alvart die Geschichte nicht in das Jahr 1992 sondern in das Jahr 1952 verlegt hätte. Dann hätte ein junger Polizist (wahlweise aus West- oder Ostdeutschland) sich mit den Hinterlassenschaften der Nazi-Zeit hätte beschäftigen müssen. Oder wenn Alvart einfach eine neue Geschichte erfunden hätte, anstatt eine bekannte Geschichte in einer anderen Kulisse noch einmal zu erzählen.

Freies Land (Deutschland 2020)

Regie: Christian Alvart

Drehbuch: Christian Alvart, Sigfried Kamml

mit Felix Kramer, Trystan Pütter, Nora Waldstätten, Ben Hartmann, Ludwig Simon, Uwe Dag Berlin, Leonard Kunz, Michael Specht, Marc Limpach, Alva Schäfer, Nurit Hirschfeld, Alexander Radszun, Marius Marx

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Freies Land“

Moviepilot über „Freies Land“

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Banklady“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Halbe Brüder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Steig. Nicht. Aus!“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Christian Alvarts Sebastian-Fitzek/Michael-Tsokos-Verfilmung „Abgeschnitten“ (Deutschland 2018)