Bevor die ‚Kundschafter des Friedens‘, eine Gruppe ehemaliger DDR-Spione im inzwischen fortgeschrittenen Rentenalter, im Kino ab dem 23. Januar Kuba besuchen, zeigt 3sat ihren ersten Einsatz.
In der früheren Sowjetrepublik Katschekistan wird wurde der designierte Präsident des Landes entführt. Die einzigen Agenten, die sich in dem Land auskennen, sind Jochen Falk und seine seit Ewigkeiten pensionierten Männer.
Gut, die Grundidee erinnert an „Space Cowboys“, aber es macht Spaß, wenn an alte Agentenfilme erinnert wird, spielerisch mit Vorurteilen über die DDR und die BRD umgegangen und die alten Säcke den Jungspunden zeigen, wo…
mit Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Antje Traue, Jürgen Prochnow, Thomas Thieme, Winfried Glatzeder, Florian Panzner, Wladimir Tarasjanz, Walter Kreye, Milan Peschel
Eines Abends, während der 67-jährige erfolgreiche Comedian Edgar gerade vor einem begeisterten Publikum sein erstaunlich unwitziges Programm abspult, entdeckt er im Saal seine Ex-Frau Eva. Sie haben gemeinsame, erwachsene Kinder, aber sie haben sich seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. Eva hat jetzt seine Vorstellung auch nur besucht, um ihm anschließend zu sagen, dass sie Krebs im Endstadium hat, sich nicht behandeln lassen will und demnächst sterben wird.
Edgar, der sich seit der Scheidung nicht um seine Familie kümmerte und auch nicht mit Eva redete, will nicht akzeptieren, dass sie bald stirbt. Er beginnt sich in ihr Leben und ihre Entscheidung einzumischen.
Als erste fällt einem die Besetzung auf. Eva wird von Corinna Harfouch gespielt. Sie kann alles spielen. Ihr Name steht für anspruchsvolles Kino. Edgar wird von Uwe Ochsenknecht gespielt. Im Kino sah man ihn in den letzten Jahren vor allem in Kinderfilmen. Anspruchsvolles Kino assoziert man nicht unbedingt mit ihm. Das war früher anders. Beispielsweise als er und Harfouch 2001 in Hark Bohms TV-Mehrteiler „Vera Brühne“ (später „Der Fall Vera Brühne“) mitspielten und für ihre Leistungen den Deutschen Fernsehpreis erhielten.
Dann fällt auf, dass der Film von Markus Goller inszeniert und von Oliver Ziegenbalg geschrieben wurde. Nach „Friendship!“, „25 km/h“ und „One for the Road“ ist dies ihre vierte Zusammenarbeit. Die Filme können als gehaltvolle Mainstream-Filme, die ernste Themen überraschend anspruchs- und humorvoll bearbeiten, bezeichnet werden.
Und das gelingt ihnen auch in „Die Ironie des Lebens“. Es geht um die Frage, wie man sterben möchte, um eine Familie, die sich auseinandergelebt hat und um einen allein lebenden Entertainer im Herbst seines Lebens, der durch Evas Auftauchen sein Leben bilanziert. Die Bilanz fällt ernüchternd aus. All das und wie Edgar sich mit Evas Wunsch arrangiert und wieder Kontakt zu seinem Sohn und seiner Tochter aufnimmt, erzählt das Team Goller/Ziegenbalg kurzweilig, humorvoll und die ernsten Aspekte des Themas ansprechend.
„Die Ironie des Lebens“ ist ein erwartungsgemäß harmonisch und positiv endender, zum Nachdenken anregender Mainstream-Film, der sein Publikum nicht für dumm verkauft.
Die Ironie des Lebens (Deutschland 2024)
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
mit Uwe Ochsenknecht, Corinna Harfouch, Emilia Schüle, Robert Gwisdek, Henning Peker, Salka Weber, Reiki von Carlowitz, Liza Tzschirner, Sabine Ritter, Ingrid Domann
Ich glaube zwar nicht, dass es notwendig ist, aber: Spoilerwarnung.
Passend zu Til Schweigers Eingeständnis, dass er in der Vergangenheit zu viel Alkohol getrunken habe und ihm das in den vergangenen Jahren auch immer wieder von einigen Freunden gesagt wurde LINK, läuft Markus Gollers neuer Film „One for the Road“ an. Sein Drama illustriert und kommentiert Schweigers Eingeständnis erstaunlich präzise; fast so, als habe Schweiger das ‚Interview zum Film‘ gegeben.
Im Mittelpunkt des Spielfilms steht Mark Jung (Frederick Lau), ein Alkoholiker, der bei einer Verkehrskontrolle stockbetrunken in seinem Auto erwischt und direkt zum MPU-Vorbereitungskurs geschickt wird.
Dort sitzt er und denkt, dass er kein Alkoholproblem hat. Im Gegensatz zu den anderen Kursteilnehmern. Schließlich ist er ein erfolgreicher Bauleiter. Aktuell ist er für die große Baustelle am Alexanderplatz zuständig. Trinken tut der Junggeselle nach der Arbeit. Mit seinen Kumpels in der Kneipe. Dabei sorgt er für gute Stimmung. Jeder Abend ist für ihn eine Party.
Die einzige Kursteilnehmerin, mit der er sich sofort versteht, ist Helena (Nora Tschirner). Die Grundschullehrerin kennt den Kurs und die damit verbundenen Abläufe und Gefühle. Sie ist schlagfertig. Sie fordert ihn heraus und lässt sich kein X für ein U vormachen. Entsprechend höhnisch reagiert sie auf sein Versprechen, er werde, bis er seinen Führerschein wieder hat, keinen Tropfen Alkohol trinken. Sie weiß, wie schwer das ist.
„One for the Road“ ist nicht „Das verlorene Wochenende“ (The lost Weekend, USA 1945), „Unter dem Vulkan“ (Under the Volcano, USA 1984) oder „Leaving Las Vegas“ (USA 1995), drei der besten Trinkerdramen, die es gibt.
Aber der neue Film von Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, von denen auch das vergnügliche und an der Kinokasse erfolgreiche Road-Movie „25 km/h“ ist, ist ein (erstaunlich) gelungenes und sehr stimmiges Trinkerporträt. Im Rahmen eines Mainstream-Films behandeln sie das Thema Alkoholismus und bleiben durchgehend nah an der Realität. Sie verzichten auf den didaktisch erhobenen Zeigefinger. Bei ihnen gibt es keine einfachen Antworten, die dann ebenso einfach wie falsch sind. Es gibt kein verlogenes Alles-ist-gut-Kitsch-Happy-End und die Liebesgeschichte des Films fällt auch flach.
Mark und Helena sind nicht zusammen, weil sie sich lieben, sondern weil sie die einzigen beiden Menschen in der Therapiestunde sind, die nach der Stunde noch miteinander reden wollen. Und sich dabei in Marks Stammbar betrinken. Wenn Helena ein Mann gewesen wäre, hätte ihn das auch nicht gestört. Sie ist einfach für die nächsten Tage sein Teilzeit-Kumpel, der ihm auf dem Weg zur Erkenntnis, dass er Alkoholiker ist, zur Seite steht. Seine Freunde und Arbeitskollegen wissen das schon lange. Auch wir wissen es nach wenigen Minuten. Dafür muss Mark noch nicht einmal besoffen in sein Auto einsteigen.
Wenn „One for the Road“ dazu führt, dass einige über ihren Drogenkonsum nachdenken, hat er sein Ziel erreicht. Goller und Ziegenbalg erzählen nämlich in erster Linie einfach nur die Geschichte eines alleinstehenden Mannes, der für sein Leben immer noch nicht die Verantwortung übernommen hat und der mit mindestens einer Lebenlüge aufräumen muss. In ihrem Film zeigen sie, wie schwer dieser erste Schritt ist.
Zum Schluss noch ein vom Herzen kommender Lektüretipp: Die US-amerikanischen Krimi-Autoren Lawrence Block und James Lee Burke erfanden mit Matthew Scudder und Dave Robicheaux Ermittler, die über Jahre mit ihrem Alkoholismus kämpfen. Während Burkes Robicheaux-Romane zuletzt in einer immer ermüdenderen Wiederholungsschleife gefangen sind, erzählt Block in vielen in jeder Beziehung sehr, sehr lesenswerten Romanen Scudders sich langsam vollziehende Entwicklung von einem Alkoholiker, der zuerst einmal erkennen muss, dass er ein Alkoholiker ist (was nicht in einem Buch geschieht) und der in den folgenden Jahren unzählige Treffen der Anonymen Alkoholiker besucht. Es gibt Rückfälle, aber die Tage, Wochen, Monate, Jahre, in denen er keinen Alkohol trinkt, werden länger.
One for the Road (Deutschland 2023)
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
mit Frederick Lau, Nora Tschirner, Burak Yiğit, Friederike Becht, Godehard Giese, Nina Kunzendorf, Henning Peker, Eva Weißenborn, Lena Schmidtke
Mit dem 9-Euro-Ticket durch Deutschland rasen, oder tuckern mit
Sat.1, 20.15
25 km/h (Deutschland 2018)
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
Nach fast dreißig Jahren, auf der Beerdigung ihres Vaters, sehen sich die Brüder Georg (Bjarne Mädel) und Christian (Lars Eidinger) wieder. Im Vollrausch beschließen sie, endlich ihren Jugendtraum in die Tat umzusetzen: eine Fahrt auf dem Moped vom Schwarzwald an die Ostsee. Born to be wild!!!
Schön verspieltes, erfrischend undeutsches Roadmovie, das auch viel über Deutschland und die Sorgen und Nöte der Mittvierziger verrät.
Nach fast dreißig Jahren, auf der Beerdigung ihres Vaters, sehen sich die Brüder Georg (Bjarne Mädel) und Christian (Lars Eidinger) wieder. Im Vollrausch beschließen sie, endlich ihren Jugendtraum in die Tat umzusetzen: eine Fahrt auf dem Moped vom Schwarzwald an die Ostsee. Born to be wild!!!
TV-Premiere. Schön verspieltes, erfrischend undeutsches Roadmovie, das auch viel über Deutschland und die Sorgen und Nöte der Mittvierziger verrät.
Es dauert lange, sehr lange, für meinen Geschmack viel zu lange, bis wir mehr über Gyllen (Fionn Whitehead) erfahren. Das erste Mal begegnen wir dem 18-jährigen Engländer in der ersten Filmminute von „Roads“, als er mitten in der Nacht in Marokko an einer Straße steht und alle in seinem Telefon gespeicherten Freunde und Bekannte anruft, die ihm helfen könnten. Denn sein Wohnwagen ist mitten in der Einöde liegen geblieben.
William (Stéphane Bak) beobachtet ihn. Später kommen sie ins Gespräch miteinander und nachdem William Gyllens Wohnwagen wieder flott gemacht hat, bietet Gyllen ihm eine Mitfahrgelegenheit an. Beide wollen nach Europa. Vor der Grenze versteckt Gyllen William in der Toilette des Wohnwagens. Denn William ist ein Flüchtling.
Dass Gyllen ebenfalls ein Flüchtling ist, erfahren wir erst viel später. Der Londoner Gyllen hielt den Urlaub mit seiner Mutter und seinem Stiefvater (beide sehen wir niemals) nicht mehr aus. Jetzt will er nach Frankreich zu seinem auf dem Land lebendem Vater.
Der aus dem Kongo kommende William will nach Calais. Von dort erhielten er vor einem halben Jahr er und seine Familie die letzte Nachricht seines Bruders.
Sebastian Schipper erzählt, basierend auf einem Drehbuch, das er zusammen mit Oliver Ziegenbalg („25 km/h“) schrieb und während des chronologischen Drehs weiterentwickelte, wie sich seine beiden jugendlichen Protagonisten auf ihrer Fahrt quer durch Europa miteinander befreunden. Dass Schipper dabei nicht die Formel seines Debütfilms „Absolute Giganten“ oder seines in einer Einstellung gedrehten Überraschungserfolg „Victoria“ wiederholt, ist ihm hoch anzurechnen. Aber wirklich überzeugen kann das schön aussehende, formal gut gemachte und gut gespielte, aber primär gut gemeinte Road-Movie nicht.
Neben den typischen Erlebnissen, die Jugendliche auf ihrer ersten Reise haben (Drogen!), geht es auch um die Flüchtlingsfrage, die hier anhand einer Freundschaft zwischen zwei Jungen erzählt wird. Oder besser gesagt: nicht erzählt wird. Sie ist das durch Williams Biographie gewählte Hintergrundrauschen, das auch dazu führt, dass Gyllen immer wieder anderen Flüchtlingen begegnet, ohne dass hier thematische Vertiefungen stattfänden. Überraschende Einsichten fehlen ebenfalls.
Dafür verläuft die Begegnung zwischen Gyllen und William zu sehr in den Bahnen einer jugendlich unschuldigen Coming-of-Age-Geschichte, in der aus einer Zufallsbekanntschaft eine kurzzeitige Freundschaft wird. Dabei ist es ziemlich egal, ob der eine Junge aus London und der andere aus dem Kongo kommt, oder beide aus Berlin kommen.
Roads (Deutschland/Frankreich 2019)
Regie: Sebastian Schipper
Drehbuch: Sebastian Schipper, Oliver Ziegenbalg
mit Fionn Whitehead, Stéphane Bak, Moritz Bleibtreu, Ben Chaplin, Marie Burchard, Josue Ndofusu
Als ihr Vater beerdigt wird, treffen Christian Schneider (Lars Eidinger) und sein älterer Bruder Georg (Bjarne Mädel) sich nach fast dreißig Jahren wieder. Am Grab, während der Trauerfeier, eskaliert die gar nicht herzliche Begrüßung innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einer Schlägerei zwischen Georg, der in dem Schwarzwalddorf Löchingen blieb und ihren Vater pflegte, und Christian, der als geschäftiger Manager in Singapur eine Mietwohnung hat, die er fast nie betritt.
Nach einem längeren Versöhnungstischtennisspiel mit viel Alkohol entdeckt Christian am Abend unter der Tischtennisplatte ihren alten Plan, mit ihren Mopeds von Löchingen zum Timmendorfer Strand zu fahren und in die Ostsee zu urinieren. Während der Fahrt wollen sie einige selbst gestellte Aufgaben absolvieren, wie das Aufessen der gesamten Gerichte, die auf der Speisekarte eines griechischen Restaurants stehen, und, immerhin waren sie damals Teenager, Sex haben und viel Alkohol trinken.
Das war schon damals, als sie als fünfzehnjährige Buben diesen Plan und die Regeln aufschrieben, eine Schnapsidee. Heute, nach einigen angeheitert durch das Dorf gedrehte Runden mit ihren Mopeds (Äh, kurzer Einschub für die Städter: auf dem Land wirft man, weil Platz vorhanden ist, vieles nicht weg, sondern verstaut es im Keller, im Dachboden oder in der nahe gelegenen Scheune.) – – also, nachdem die beiden Brüder betrunken durch ihr Dorf geheizt sind, schlägt Christian seinem älteren Bruder vor, dass sie ihren alten Plan in die Tat umsetzen sollen. Jetzt. Gleich. Sofort.
Und so brausen sie los. Richtung Norden, ohne Helm, im Anzug, mit ihren Kreditkarten (Man ist ja keine Zwanzig mehr.) und ohne Plan. Sie lassen sich treiben und Markus Gollers wundervoll stimmiges Roadmovie „25 km/h“ nimmt dieses Lebensgefühl seiner Protagonisten kongenial auf.
Sie brechen für einige Tage aus ihrem Leben, in dem sie brav die gesellschaftlichen Konventionen befolgen, aus. Sie kommen sich bei der Fahrt wieder näher und sie bearbeiten auch ihre von ihnen nicht wahrgenommene Midlife-Crisis. Denn Georg und Christian stecken in ihrem Leben fest. Bei Christian ist es der Job. Bei Georg die frühere, inzwischen unglücklich verheiratete Schulhofliebe. Träume haben sie schon lange keine mehr. Falls sie jemals welche gehabt haben, die über die normalen Träume von bürgerlichen Schwarzwaldjungs hinausgehen.
Die einzelnen Begegnungen, die sie auf ihrer Fahrt haben, reihen sich locker aneinander. Christian und Georg düsen mit reduzierter Geschwindigkeit im „Easy Rider“-Modus durch Deutschland. Die Musik passt zu ihrem Alter. Die Dialoge klingen natürlich. Immer wieder betätigen die beiden Brüder sich sportlich. Zum Beispiel bei einem Fußballspiel in einem Park in Berlin mit einigen Jungs oder bei einem Tennisturnier auf einem Campingplatz gegen Hantel. Wotan Wilke Möhring hat seine kurze Rolle als großmäuliges Arschloch vom Campingplatz sichtlich genossen. Er konnte, wie die anderen bekannten Gaststars, – Sandra Hüller, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jella Haase, Jördis Triebel -, in wenigen Drehtagen eine Figur porträtieren, ohne sich Gedanken über deren Vorgeschichte und deren weiteres Leben zu machen.
Und, weil die Dreharbeiten für das Roadmovie viel unter freiem Himmel stattfanden, kommt niemals der übliche Muff deutscher Filme auf.
So transportiert „25 km/h“ ein Gefühl großer Freiheit. In diesem Fall ist es die Freiheit einer kurzen Auszeit, in der man sich, wie in Urlaub, zurückfallen lässt in die glücklich-sorglose Zeit der Pubertät. Nur sind Georg und Christian keine Kinder mehr, die ihre Sommerferien genießen, oder Jugendliche, die ihr erstes großes Abenteuer (so mit Drogen und Sex) erleben wollen, sondern Erwachsene, die hier auch Deutschland entdecken, aber vor allem ihr bisheriges Leben bilanzieren. Im Rahmen eines satten Kinofilms, der in der Tradition von „Easy Rider“ und „Im Lauf der Zeit“ steht. Goller behandelt in seinem Film erfrischen undidaktisch und erfrischend undeutsch das Lebensgefühl der Mittvierziger, die ganz normale Männer sind. Entsprechend normal sind ihre Träume, ihre Gefühle und auch ihre Begegnungen; – naja, bis auf ein, zwei Ausnahmen.
25 km/h (Deutschland 2018)
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
mit Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Sandra Hüller, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jella Haase, Jördis Triebel, Wotan Wilke Möhring
Robert Beck (Christian Ulmen) ist Musiklehrer an einem Gymnasium und er ist schon seit Langem ziemlich frustiert von seiner Arbeit. Da bemerkt er das musikalische Talent des aus Litauen kommenden Rauli (gespielt von dem Argentinier Nahuel Pérez Biscayart, der wie ein französischer Chansonier aussieht). Beck erinnert sich an seine Jugend als Frontman der Rockband „Cash Punk“ und er beschließt, Rauli als Musiker aufzubauen. Er will ihm einen Plattenvertrag vermitteln. Bei einem so oft erwähnten Majorlabel, dass man schon nicht mehr von Schleichwerbung sprechen kann und sich spätestens nach der dritten Nennung des Labels fragt, warum Beck seinen begnadeten Schützling nur einem einzigen Label anbieten kann. Sowieso erfährt man in „Becks letzter Sommer“ nichts über das Musikgeschäft. Das wäre, wie man so schön sagt, ein anderer Film.
Außerdem verliebt Beck sich in die Kellnerin Lara (Friederike Becht), die in Italien eine Lehre als Schneiderin (ihr Zweitstudium!) beginnen möchte. Und sein seelisch labiler Nachbar Charlie (Eugene Boateng), den er noch aus „Cash Punk“-Tagen kennt, ist ein ständiger Gast in seiner lauschigen Studenbude.
Das plätschert, ziemlich konzentriert auf die Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen Beck und Rauli, so vor sich hin, bis in der Filmmitte Charlie behauptet, seine Mutter läge in Istanbul im Sterben. Beck, Rauli und Charlie machen sich im Auto auf den Weg von Berlin nach Istanbul und geraten dabei in eine blutige Drogenschmuggelgeschichte. Diese Hälfte zitiert dann die bekannten Gangsterfilmklischees, während die Geschichte zunehmend unplausibel wird. Zum Beispiel bringen sie den schwer verletzten Charlie nicht zu einem Arzt, sondern fahren fröhlich pfeifend weiter zu ihrem Reiseziel.
Um zu betonen, dass beide Filmhälften nichts miteinander zu tun haben, wird als Insert A- und B-Seite eingeblendet. So als sei ein Spielfilm eine LP, die man umdrehen muss. Ein Spielfilm ist aber, um im Bild zu bleiben, eine A- oder eine B-Seite, ein Song, ein Thema. Auch „Becks letzter Sommer“ hat ein Thema. Selbstfindung sagen die Macher und das stimmt schon. Aber es ist für Beck eine Selbstfindung in sicheren Gewässern. Immerhin hat er als Lehrer (sogar mit dem Posten als Korektor in Aussicht) eine gesicherte Existenz und als Single keine Verantwortung für einen anderen Menschen. Er könnte jederzeit die Koffer packen. Er könnte jederzeit neben seinem Brotjob jeden Abend als Musiker auftreten. Er hat höchstens einen liebevoll Scheinkonflikt zwischen seinen Träumen und der Wirklichkeit.
Auch die anderen Charaktere haben nur Scheinkonflikte, die ihre dramaturgische Funktion – nämlich die Probleme von Beck aus anderen Perspektiven zu beleuchten – nie ausfüllen.
Deshalb plätschert Frieder Wittichs Film, in der zweiten Hälfte zunehmend unplausibel, einfach so vor sich hin. Immer vermeidet er die nötigen Zuspitzungen, weil er sich nie für eine Geschichte und einen zentralen Konflikt entscheidet.
Und der Titel „Becks letzter Sommer“ täuscht eine Finalität vor, die der Film nicht einlöst. Auch niemals einlösen möchte. Denn, auch wenn ich ein anderes Ende bevorzugt und glaubwürdiger gefunden hätte, ist „Becks letzter Sommer“ ist sein letzter Sommer als Lehrer (mit Rückkehrgarantie?).
Dass der Film auf einem Roman basiert, in dem das scheinbar so alles steht (ich habe ihn nicht gelesen), ist egal. Denn bei einer Verfilmung muss die Romangeschichte dem anderen Medium angepasst und auch, wenn nötig, verändert werden. Dazu kann dann schon einmal ein großer Teil des Romans, wie bei der John-Irving-Verfilmung „The Door in the Floor – Die Tür der Versuchung“ (die nur das erste Drittel des Romans zeigt), wegfallen. Dem Film hat es nicht geschadet.
Ein Elternabend ist es nicht, sondern ein Elternnachmittag an einem Samstag in einer verlassenen Grundschule und es sind auch nicht alle Eltern da, sondern nur eine kleine Abordnung, die ein klares Ziel hat: „Frau Müller muss weg“. Denn die Empfehlungen für den Schulwechsel stehen an. Alle Eltern möchten ihre Kinder auf das Gymnasium schicken, aber die Leistungen ihrer Kinder verschlechterten sich in den vergangenen Monaten rapide und Schuld daran ist natürlich die Klassenlehrerin, die jetzt halt in einem Gespräch überzeugt werden soll, die Klasse freiwillig aufzugeben. Die Sprecherin der Eltern ist die in einem Ministerium arbeitende Karrierefrau Jessica Höfel (Anke Engelke). Im Businesskostüm und kalt wie eine Klapperschlange. Verluste sind ihr, solange sie ihr Ziel erreicht, egal. Deshalb kandidierte sie auch als Elternsprecherin und selbstverständlich wird sie bei diesem Treffen das Reden übernehmen.
Begleitet wird sie von einigen Eltern, die vor allem ein schweigender Chor sein sollen. Es sind Wolf Heider (Justus von Dohnány), ein arbeitsloser Ossi, der seine Tochter ständig überwacht, die alleinerziehende Katja Grabowski (Alwara Höfels), deren Sohn Klassenbester ist, und das aus dem Westen kommende Ehepaar Patrick (Ken Duken) und Marina Jeskow (Mina Tander), deren hochbegabter und sehr sensibler Sohn früher in einer Waldorf-Schule war und viel Aufmerksamkeit benötige.
Aber Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide) ist nicht bereit, so einfach ihre Klasse aufzugeben und sie teilt gegenüber den Eltern aus. Vollkommen überzeugt von ihrem pädagogischen Konzept und ihren Leistungen nennt sie die Probleme der Kinder beim Namen und verlässt wutentbrannt über den Wunsch der Eltern das Klassenzimmer.
Leicht konsterniert bleiben diese zurück. Immerhin hat Frau Müller ihre Tasche vergessen. Sie wird also wieder zurückkommen. Nach einigen Minuten beschließen sie, in der Schule nach ihr zu suchen. Während der Suche erfahren wir dann auch mehr über die Eltern.
„Frau Müller muss weg“ basiert auf dem Theaterstück von Lutz Hübner, das 2010 in Dresden seine erfolgreiche Premiere hatte und auch dort spielt, obwohl es überall in Deutschland spielen könnte. Zusammen mit Sarah Nemitz (mit der bereits mehrere Stücke schrieb) und Oliver Ziegenbalg („Russendisko“) adaptierte er es für die Verfilmung. „Der bewegte Mann“ Sönke Wortmann inszenierte den Film, nachdem er das Stück bereits in Berlin im GRIPS-Theater inszenierte.
Der Film selbst, auch weil er keine Eins-zu-Eins-Abfilmung des Stückes ist, fühlt sich trotzdem nie wie ein routiniert abgefilmtes Theaterstück an. Die Schauspieler sind gut, die Dialoge sind glaubwürdig und kein Charakter, auch wenn wir ihre Motive gut verstehen, ist einem sympathisch. Eigentlich sind alle, die Eltern und die Lehrerin, mehr oder weniger unsympathisch, aber genau deshalb sind sie glaubwürdig. Denn wir verstehen ihre Sorgen und Wünsche, aber rundum identifizieren können wir uns nicht mit der selbstgerechten Lehrerin, an deren Panzer jede Kritik abprallt. Oder den Eltern, die zwar immer nur das beste für ihre Kinder wollen, dabei aber nur den Maßstab „was gut für mein Kind ist, ist gut“ kennen und diesen Maßstab ausschließlich aus ihrer Perspektive und für ihr Kind anlegen. Deshalb benötigen sie die Empfehlung für das Gymnasium. Ob das gut für das Kind ist, ist den Eltern egal.
Und so betrachtet ist dann auch Katja ein zwiespältiger Charakter. Weil ihr Sohn der Klassenbeste ist, wird er sowieso auf das Gymnasium gehen. Entsprechend leicht kann man da mit den schwächeren Eltern solidarisch sein und gleichzeitig Verständnis für die Lehrerin haben. Außerdem hat sie, während die anderen anwesenden Mütter und Väter verheiratet sind, eine Beziehung zu einem verheirateten Mann.
Wortmanns Kammerspiel „Frau Müller muss weg“ ist die gelungene Filmadaption eines erfolgreichen Theaterstücks, die vor allem als sanfter Denkanstoß funktioniert. Das ist viel mehr, als man über andere deutsche Filme sagen kann.