Neu im Kino/Filmkritik: „Delia’s gone“, aber wer hat sie ermordet?

Oktober 14, 2022

Für den Mord an seiner Schwester Delia saß Louis in Ohio fünf Jahre im Gefängnis. Seitdem lebt er freiwillig in einem Pflegeheim. Besuche erhält er keine. Das ist dem nach einem Unfall psychisch und auch physisch behindertem Louis ganz recht. Er lebt in seiner Welt. Er braucht Ruhe und geordnete Abläufe.

Als Stacker ihn besucht, verändert sich alles. Stacker war in der Kleinstadt, in der Louis mit Delia lebte, einer von Delias Freunden. Stacker weiß, dass Delias Mörder noch nicht bestraft wurde. Bevor er Louis mehr verraten kann, rastet Louis aus. Sie werden getrennt.

Kurz darauf macht Louis sich auf den Weg in seine alte Heimatstadt. Er will Delias Mörder finden.

Delia’s gone“ ist ein okayer Country-Noir. „Born to be Blue“-Regisseur Robert Budreau erzählt in seinem neuem Film eine ziemlich einfache Kriminalgeschichte mit einem ungewöhnlichem Helden; überzeugend gespielt von Stephan James („Beale Street“). Dieser ist nach einem Unfall auf dem Niveau eines Kindes stehen geblieben. Er stolpert, oft tollpatschig, durch die Welt. Er überblickt nie die Folgen seiner Handlungen. Deshalb kann ein harmloses Gespräch schnell handgreiflich werden und der Gespächspartner am Ende tot sein.

Die Lösung ist, immerhin muss Louis in der Lage sein, Delias Mörder zu finden, wenig überraschend, aber glaubwürdig. Und einige Szenen bringen die Geschichte nicht voran, verschaffen aber Marisa Tomei (zuletzt May Parker in den „Spider-Man“-Filmen) und Paul Walter Hauser („Richard Jewell“) zusätzliche Screentime als ungleiches Polizistenpaar. Sie spielen die zwei Provinzpolizisten, die Louis jagen und sich dabei kabbeln. Denn Tomei erteilt Hauser gerne Befehle.

Delia’s gone (Delia’s gone, USA/Kanada 2022)

Regie: Robert Budreau

Drehbuch: Robert Budreau (nach der Kurzgeschichte „Caged Bird Sing“ von Michael Hamblin)

mit Stephan James, Paul Walter Hauser, Travis Fimmel, Marisa Tomei, Genelle Williams

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Delia’s gone“

Metacritic über „Delia’s gone“

Rotten Tomatoes über „Delia’s gone“

Wikipedia über „Delia’s gone“

Meine Besprechung von Robert Budreaus „Born to be Blue“ (Born to be Blue, Kanada/Großbritannien 2015) – mit Bruce Webers Chet-Baker-Doku „Let’s get lost“ und einem Baker-Konzert und der DVD


DVD-Kritik: Ethan Hawke ist Chet Baker ist „Born to be Blue“

Oktober 25, 2017

Zum Kinostart schrieb ich:

Chet Baker (23. Dezember 1929 – 13. Mai 1988) ist eine der großen tragischen Gestalten der Jazzgeschichte. In den fünfziger Jahren war der Trompeter ein gefeierter Star und eine der stilprägenden Musiker des Westcoast-Jazz, dessen Image als James Dean des Jazz durch die ikonischen SW-Aufnahmen von William Claxton gefestigt wurde. Damals probierte er auch erstmals Heroin und wurde abhängig. Seine Karriere ging den Bach runter. Auch wenn er bis zu seinem Tod auftrat und zahlreiche, teilweise grandiose LPs veröffentlichte, die sich heute immer noch verkaufen.

In seinem fast zwei Jahre nach seiner Weltpremiere auf dem Toronto International Film Festival am 13. September 2015 und über ein Jahr nach dem US-Kinostart endlich auch in Deutschland anlaufendem Biopic „Born to be Blue“ nimmt Regisseur Robert Budreau Teile aus Chet Bakers Biographie und improvisierte darüber mit Ethan Hawke als Chet Baker.

Der Film beginnt 1966. Chet Baker ist inhaftiert. Ein Filmproduzent bezahlt die Kaution, weil er will, dass Chet Baker Chet Baker spielt. Die Dreharbeiten an dem Film ermöglichen Budreau einen SW-Blick in Bakers Vergangenheit als bekannter Cool Jazzer und Westcoast-Trompeter. Im Gegensatz zu den New Yorker Bebop- und Hardbop-Musikern spielten die weißen Jazzer in Kalifornien melodischer und romantischer und Inspirationen von der Ernsten Musik waren erkennbar.

Bei den Dreharbeiten verliebt Baker sich in Jane (Carmen Ejogo), die seine frühere Frau Elaine spielt. Sie bleibt bei ihm. Auch nachdem ihm bei einer Schlägerei die Zähne ausgeschlagen werden und er mühevoll versucht, mit einer Prothese, wieder als Trompeter aufzutreten.

Diese Rückkehr auf die große Bühne (wobei Jazzbühnen eine notorisch überschaubare Größe haben) bildet dann das Rückgrat des Films. Im Zentrum steht – und das macht den Film auch für Nicht-Jazzfans sehenswert – die Beziehung zwischen Chet Baker, einem begnadeten Musiker, Junkie und notorischer Schürzenjäger, und Jane, die sich in ihn verliebt und ihm helfen will.

Budreau erzählt dies sehr stimmig, mit einer ordentlichen Portion Zeitkolorit und einem Hauptdarsteller, der förmlich in seiner Rolle versinkt. Denn Hawke spielt nicht nur Chet Baker, sondern er spielt und singt auch seine Lieder. Deshalb gibt es in „Born to be Blue“ zwar bekannte Baker-Songs, wie „Summertime, „Over the Rainbow“ und „My funny Valentine“ (alles bekannte Jazz-Standards), aber nie in einer von Chet Baker selbst gespielten Interpretation.

Born to be Blue“ ist das sehenswerte, berührende, sich auf eine kurze Zeitspannende konzentrierendes Porträt eines Süchtigen, der auch Musiker ist. Dass der Film gegen Ende etwas zerfasert verzeiht man ihm gern.

 

Jetzt ist das wunderschöne Biopic auf DVD erschienen und beim zweiten Ansehen fällt auf, wie kunstvoll und konzentriert Budreau seine Geschichte zwischen Gegenwart und Vergangenheit und Fantasie erzählt. Aber mit den Fakten nahm Chet Baker es auch nicht so genau. Solange er eine gute Geschichte erzählen konnte.

Das Bonusmaterial besteht lediglich aus einem kurzen „Making of“ (7:35 Minuten), in dem vor allem Regisseur Budreau und Hauptdarsteller Ethan Hawke zu Wort kommen.

Ab Donnerstag ist Ethan Hawke als unbeholfener Liebhaber in „Maudie“ zu sehen. Ebenfalls eine wahre Geschichte. Ebenfalls sehr sehenswert. Und einer der schönsten Liebesfilme des Jahres.

Born to be Blue (Born to be Blue, Kanada/Großbritannien 2015)

Regie: Robert Budreau

Drehbuch: Robert Budreau

mit Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Rennie, Tony Nappo, Stephen McHattie, Janet-Laine Greene

DVD

Alamode Film

Bild: 1.85:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (DD 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Making of, Trailer, Wendecover

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Blu-ray identisch

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film „Born to be Blue“

Englische Homepage zum Film „Born to be Blue“

Moviepilot über „Let’s get Lost“ und „Born to be Blue“

Metacritic über „Let’s get Lost“ und „Born to be Blue“

Rotten Tomatoes über „Let’s get Lost“ und „Born to be Blue“

Wikipedia über „Let’s get Lost“, „Born to be Blue“ und Chet Baker (deutsch, englisch)

AllMusic über Chet Baker

All about Jazz über Chet Baker

Meine Besprechung von Robert Budreaus „Born to be Blue“ (Born to be Blue, Kanada/Großbritannien 2015) – mit Bruce Webers Chet-Baker-Doku „Let’s get lost“ und einem Baker-Konzert.


Neu im Kino/Filmkritik und DVD-Tipp: Musiker und Drogen: Chet Baker, „Born to be Blue“ und „Let’s get lost“

Juni 12, 2017

Chet Baker (23. Dezember 1929 – 13. Mai 1988) ist eine der großen tragischen Gestalten der Jazzgeschichte. In den fünfziger Jahren war der Trompeter ein gefeierter Star und eine der stilprägenden Musiker des Westcoast-Jazz, dessen Image als James Dean des Jazz durch die ikonischen SW-Aufnahmen von William Claxton gefestigt wurde. Damals probierte er auch erstmals Heroin und wurde abhängig. Seine Karriere ging den Bach runter. Auch wenn er bis zu seinem Tod auftrat und zahlreiche, teilweise grandiose LPs veröffentlichte, die sich heute immer noch verkaufen.

In seinem fast zwei Jahre nach seiner Weltpremiere auf dem Toronto International Film Festival am 13. September 2015 und über ein Jahr nach dem US-Kinostart endlich auch in Deutschland anlaufendem Biopic „Born to be Blue“ nimmt Regisseur Robert Budreau Teile aus Chet Bakers Biographie und improvisierte darüber mit Ethan Hawke als Chet Baker.

Der Film beginnt 1966. Chet Baker ist inhaftiert. Ein Filmproduzent bezahlt die Kaution, weil er will, dass Chet Baker Chet Baker spielt. Die Dreharbeiten an dem Film ermöglichen Budreau einen SW-Blick in Bakers Vergangenheit als bekannter Cool Jazzer und Westcoast-Trompeter. Im Gegensatz zu den New Yorker Bebop- und Hardbop-Musikern spielten die weißen Jazzer in Kalifornien melodischer und romantischer und Inspirationen von der Ernsten Musik waren erkennbar.

Bei den Dreharbeiten verliebt Baker sich in Jane (Carmen Ejogo), die seine frühere Frau Elaine spielt. Sie bleibt bei ihm. Auch nachdem ihm bei einer Schlägerei die Zähne ausgeschlagen werden und er mühevoll versucht, mit einer Prothese, wieder als Trompeter aufzutreten.

Diese Rückkehr auf die große Bühne (wobei Jazzbühnen eine notorisch überschaubare Größe haben) bildet dann das Rückgrat des Films. Im Zentrum steht – und das macht den Film auch für Nicht-Jazzfans sehenswert – die Beziehung zwischen Chet Baker, einem begnadeten Musiker, Junkie und notorischer Schürzenjäger, und Jane, die sich in ihn verliebt und ihm helfen will.

Budreau erzählt dies sehr stimmig, mit einer ordentlichen Portion Zeitkolorit und einem Hauptdarsteller, der förmlich in seiner Rolle versinkt. Denn Hawke spielt nicht nur Chet Baker, sondern er spielt und singt auch seine Lieder. Deshalb gibt es in „Born to be Blue“ zwar bekannte Baker-Songs, wie „Summertime, „Over the Rainbow“ und „My funny Valentine“ (alles bekannte Jazz-Standards), aber nie in einer von Chet Baker selbst gespielten Interpretation.

Born to be Blue“ ist das sehenswerte, berührende, sich auf eine kurze Zeitspannende konzentrierendes Porträt eines Süchtigen, der auch Musiker ist. Dass der Film gegen Ende etwas zerfasert verzeiht man ihm gern.

Born to be Blue (Born to be Blue, Kanada/Großbritannien 2015)

Regie: Robert Budreau

Drehbuch: Robert Budreau

mit Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Rennie, Tony Nappo, Stephen McHattie, Janet-Laine Greene

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Doku über Chet Baker

Eine ideale, bedrückende Ergänzung zu Robert Budreaus Spielfilm ist Bruce Webers Dokumentarfilm „Let’s get lost“. Er hatte am 15. September 1988 seine Premiere beim Toronto International Film Festival und er war für den Oscar nominiert. Chet Baker erlebte die Premiere des Films nicht mehr, weil er bereits am 13. Mai 1988 starb. In Amsterdam fiel er aus dem Fenster seines Hotels; wobei es auch hier verschiedene Versionen über den genauen Ablauf gibt.

In seinem SW-Film begleitet Bruce Weber den Musiker wenige Monate vor seinem Tod und die Bilder zeigen ungeschönt, was aus dem früheren Jugendidol wurde.

Let’s get lost (Let’s get lost, USA 1988)

Regie: Bruce Weber

Drehbuch: Bruce Weber

mit Chet Baker, Carol Baker, Vera Baker, Dick Bock, William Claxton, Hersh Hamel, Chris Isaak, Lisa Marie

DVD

Pierrot le Fou/Alive

Bild: 4:3 (Originalformat)

Ton: Englisch (DD 2.0)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Looking for Chet again in all the familiar places (exklusiver Kurzfilm von Bruce Weber, 2008), Let’s get lost Kodachrome newsreel, Chet Baker music video (directed by Bruce Weber: Everything happens to me, Almost Blue), Trailer (insgesamt 40 Minuten)

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film „Born to be Blue“

Englische Homepage zum Film „Born to be Blue“

Moviepilot über „Let’s get Lost“ und „Born to be Blue“

Metacritic über „Let’s get Lost“ und „Born to be Blue“

Rotten Tomatoes über „Let’s get Lost“ und „Born to be Blue“

Wikipedia über „Let’s get Lost“, „Born to be Blue“ und Chet Baker (deutsch, englisch)

AllMusic über Chet Baker

All about Jazz über Chet Baker

Bonus

Chet Baker mit prominenten Gastmusikern in Ronnie Scott’s


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