Neu im Kino/Filmkritik: Über den DreamWorks-Animationsfilm „Ruby taucht ab“

Juni 30, 2023

Als Ruby Gillman ins Wasser springt, um ihren Klassenkameraden Connor vor dem Ertrinken zu retten, entdeckt sie, dass sie kein Mensch, sondern eine Seekrake ist, die sich als Mensch tarnt. Das haben ihre Eltern ihr bislang verschwiegen. Aber die panische Angst ihrer Mutter, dass Ruby mit Meereswasser in Kontakt gerät, ist nun verständlich. Außerdem ist Rubys Mutter keine normale Seekrake, sondern die Tochter der Kriegerkönigin der sieben Meere. Als Seekrake lernt Ruby schnell ihre Großmutter und ihr Schicksal als Thronfolgerin kennen. Sie wird auch schnell in den schon seit Ewigkeiten existierenden Konflikt zwischen den (guten) Seekraken und den (bösen) Meerjungfrauen hineingezogen.

Dabei ahnt sie in dem Moment noch nicht, dass die neue, schnell in der Oeanside High-School überaus beliebte Mitschülerin Chelsea Van Der Zee eine Meerjungfrau ist, die sie manipuliert.

Während der Abschlussfeier, die auf einem Boot stattfindet, eskaliert der Konflikt. Auf dem Boot sind neben Rubys besten Freundinnen auch ihr großer Schwarm Connor, ein obercooler Skater, den sie schüchtern anhimmelt und bei den Matheaufgaben hilft. Denn im Gegensatz zu Ruby ist Connor in Mathe eine Niete.

Der neue DreamWorks-Animationsfilm „Ruby taucht ab“ kann als eine Variation und, vor allem, ein Gegenentwurf zu „Arielle die Meerjungfrau“ gesehen werden. Wie in Arielle verliebt sich in „Ruby taucht ab“ eine, uh, Meerjungfrau in einen Landjungen (kein tapferer Prinz, sondern ein entspannt-cooler Skater) und sie muss gegen eine böse Meerhexe kämpfen. Aber während Disney in ihrer kürzlich gestarteten überlangen Realverfilmung vor allem alte Geschlechterklischees wiederholen, interpretieren Regisseur Kirk DeMicco („Die Croods“) und Co-Regisseurin Faryn Pearl in „Ruby taucht ab“ die Geschlechterverhältnisse modern. Sie verändern auch die Zuschreibung von „gut“ und „böse“. Bei ihnen sind die Meerjungfrauen böse, die Kraken gut. Ihre Geschichte spielt in der Gegenwart. Rubys Mutter verdient als Häusermaklerin das Geld, während ihr Vater entspannt abhängt und sich um die Kinder kümmert. Ihr großer Schwarm ist kein Prinz, sondern einfach nur der coole Typ aus der Schule, dem sie helfen muss. Und, schließlich sind Vorurteile und der Umgang mit ihnen ein wichtiges Thema des Films, gibt es einen alten Seebären, der jetzt Vergnügungsschiffe fährt. Sein Leben hat er der lautstarken Aufklärung über die Verbrechen der Seekraken gewidmet.

Insgesamt ist „Ruby taucht ab“ ein netter, witziger Abenteuerfilm mit einer für Erwachsene arg vorhersehbaren Geschichte und einer für Kinder angenehm kurzen Laufzeit. Und sie sind das Zielpublikum des Films.

Ruby taucht ab (Ruby Gillman, Teenage Kraken, USA 2023)

Regie: Kirk DeMicco, Faryn Pearl (Co-Regie)

Drehbuch: Pam Brady, Brian C. Brown, Elliott DiGuiseppi

mit (im Original den Stimmen von) Lana Condor, Toni Collette, Annie Murphy, Sam Richardson, Liza Koshy, Will Forte, Colman Domingo, Jane Fonda

(in der deutschen Synchronisation den Stimmen von) Patricia Carlucci, Katrin Fröhlich, Yvonne Greitzke, Tobias Schmidt

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Ruby taucht ab“

Metacritic über „Ruby taucht ab“

Rotten Tomatoes über „Ruby taucht ab“

Wikipedia über „Ruby taucht ab“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Promising Young Woman“ Carey Mulligan und ihr problematischer Umgang mit Männern

August 20, 2021

Cassie sitzt in einer Bar. Vollbusig, etwas nuttig, reichlich naiv und vollkommen zugedröhnt. Für Männer ist sie ein leichtes Opfer. Bis einer der zahlreichen männlichen, anzugtragenden Kunden, ganz hiflsbereiter Charmeur der alten Schule, anbietet, sie nach Hause zu bringen. Bei einem Abstecher in seine Wohnung möchte er für diese Gefälligkeit mit etwas Sex bezahlt werden. Aber Cassie möchte das nicht. Sie ist auch nicht zugedröhnt, sondern stocknüchtern.

Was danach geschieht, erfahren wir nicht.

Aber im nächsten Moment stolpert Cassie über die Straße. Ihre Kleider sind derangiert, aber sie wirkt, als sei sie sehr zufrieden mit dem Verlauf der letzten Nacht.

In den nächsten Nächten wiederholt sich das Spiel. Immer mit einem anderen Zufallsbekanntschaft. Und immer mit einem weiteren Strich in ihrem Notizbuch.

Warum die intelligente Dreißigjährige, die ihr Medizinstudium zugunsten eines Aushiflsjobs in einem Café abbrach und die noch immer in ihrem Kinderzimmer wohnt, das tut, bleibt lange rätselhaft in Emerald Fennells Regiedebüt „Promising Young Woman“, für das sie auch das Drehbuch schrieb. Fennell spielt in „The Crown“ Camilla Shand/Camilla Parker Bowles. Außerdem war sie Showrunner für die zweite Staffel von „Killing Eve“. Sie schrieb auch fast alle Drehbücher. Und sie veröffentlichte einige Kinderbücher und einen Horrorroman. Für „Promising Young Woman“ erhielt sie den Drehbuchoscar. Außerdem war sie für die beste Regie und der Film als bester Film nominiert. Laut IMDB gewann „Promising Young Woman“ 109 Preise und wurde für 169 weitere Preise nominiert.

Das ist dann doch ein etwas zu großer Preisregen für eine kleinen, fiesen B-Rachethriller, der, nachdem Cassies Motiv bekannt ist, doch sehr in den üblichen Bahnen eines Rachethrillers verläuft. Das geschieht ziemlich spät im Film und soll deshalb hier nicht verraten werden.

Die erste Hälfte, in der Cassie in Bars als scheinbares Opfer Männer abschleppt und ihnen, ähm, eine Lektion erteilt, dockt gelungen an die Sehgewohnheiten und Erwartungen an. Damit ist dieser Teil auch ein Kommentar zur #MeToo-Debatte mit dem eindeutigen, immer noch aktuellem Hinweis, dass ein „Nein“ ein „Nein“ ist und dass das keine Einladung zu einer Vergewaltigung ist. Was Cassie mit ihren Opfern anstellt, erfahren wir auch später. Und auch das soll hier nicht gespoilert werden.

Ein Problem des Films ist, das kann gesagt werden, dass die beiden Hälften nicht wirklich zusammen passen. Denn Cassies Aktionen in der ersten Hälfte bringen sie nicht näher an ihr Ziel.

Aber der Rachethriller ist so gut gespielt und so schwarzhumorig auf den Punkt inszeniert, dass man gefesselt zusieht. Auch weil Fennell immer mit den Erwartungen und Sehgewohnheiten des genrekundigen Publikums spielt.

So ist „Promising Young Woman“ ein überzeugendes, zum Nachdenken anregendes Regiedebüt, ein feministisch gefärbter Noir und ein fieser kleiner Rachethriller, in dem Carey Mulligan sich als Cassie austoben kann.

Das ist nicht neu, aber aus einem erfrischend anderem Blickwinkel präsentiert. Denn normalerweise werden solche Genrefilme von Männern gedreht.

Für Noir-Fans ist „Promising Young Woman“ also ein Pflichttermin.

Promising Young Woman (Promising Young Woman, USA 2020)

Regie: Emerald Fennell

Drehbuch: Emerald Fennell

mit Carey Mulligan, Laverne Cox, Bo Burnham, Alison Brie, Connie Britton, Jennifer Coolidge, Max Greenfield, Christopher Mintz-Plasse, Chris Lowell, Sam Richardson, Molly Shannon, Clancy Brown, Adam Brody, Alfred Molina

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Promising Young Woman“

Metacritic über „Promising Young Woman“

Rotten Tomatoes über „Promising Young Woman“

Wikipedia über „Promising Young Woman“ (deutsch, englisch)