Jetzt ist die Neuausgabe von Frank Millers „Sin City“ komplett – und als Bonus gibt es noch ein älteres, bislang nicht ins Deutsche übersetztes Werk von Frank Miller: „The Big Guy and Rusty the Boy Robot“.
Als Frank Miller in den neunziger Jahren seine ultrabrutale Version einer sündigen Hardboiled-Noir-Großstadt schrieb und zeichnete, war er in der Comicszene mit seiner bahnbrechenden Batman-Neuinterpretation, verschiedenen Beiträgen zu bestehenden DC- und Marvel-Serien und Einzelwerken wie „Ronin“, „Martha Washington“ und „Hard Boiled“ schon ein bekannter Name. „Sin City“, seine erste Soloserie, war dann sein großer Durchbruch. In ihr erzählt er, in den dunklen, selten regennassen Straßen von Sin City, Noir-Geschichten von Gangstern, Schlägern, Killern, Privatschnüfflern, Bullen, Psychopathen und vollbusigen Femme Fatales, die mal diesem, mal jenem Gewerbe nachgehen. Verrat ist immer möglich. Gewalt und Mord sind immer eine Option.
Die Serie erschien bei Dark Horse zuerst in Einzelheften und später in verschieden zusammengestellten Sammelbänden. Inzwischen hat sich die Sammlung in sieben unterschiedlich dicken Bücher durchgesetzt. Sechs von ihnen enthalten jeweils eine Geschichte. In einem siebten Band sind mehrere One-Shots gesammelt.
2005 verfilmte Robert Rodriguez mit Frank Miller und Gastregisseur Quentin Tarantino einige von Millers „Sin City“-Geschichten. Unter anderem die aus dem vierten „Sin City“-Buch „Dieser feige Bastard“.
In ihr befreit der harte Cop John Hartigan an seinem letzten Arbeitstag die elfjährige Nancy Callahan aus den Händen von Ethan Roark Jr.. Junior ist der Sohn von Senator Ethan Roark, dem Oberhaupt einer in der Stadt einflussreichen Familie. Hartigan kann Nancy, schwer verletzt, befreien. Aber aufgrund eines Komplotts wandert er für acht Jahre ins Gefängnis. Als er freigelassen wird, beginnt er Nancy zu suchen. Er will sie vor der Familie Roark beschützen. Bei seiner Suche begegnet er auch dem totgeglaubten Junior, der sich an ihm rächen will. Grandiose Lektüre.
„Familienbande“ erschien ursprünglich als eigenständige Graphic Novel. Sie ist kürzer als die anderen langen „Sin City“-Geschichten und sie ist die schwächste „Sin City“-Geschichte.
Dwight McCarthy, beschützt von der im Hintergrund agierenden Ninja-Attentäterin Miho, soll für Gail einiges über einen Anschlag von Gangstern auf einen Diner herausfinden. Daneben interessiert er sich aus ‚persönlichen Gründen‘, die erst am Ende der Geschichte enthüllt werden, für das Massaker. Bis zum Ende folgt er einem für uns undurchsichtigem Plan, der ihn durch die Nacht und die dunklen Ecken der Stadt führt.
Mein Problem mit dieser Geschichte ist, dass zu viele wichtige Motive und Hintergründe erst auf den letzten Seiten enthüllt werden.
„Bräute, Bier und blaue Bohnen“ ist eine Sammlung von elf kurzen, manchmal nur wenige Seiten langen Kurzgeschichten, die nur sehr locker miteinander verbunden sind. Wir begegnen vielen aus anderen „Sin City“-Geschichten bekannten Figuren wieder. Und wir lernen Delia kennen. Sie will Blue Eyes genannt werden und sie möchte eine Killerin werden. Ihr erster Auftrag und gleichzeitig ihre Bewährungsprobe für den Job ist ihr erster Mord: sie muss den einzigen Mann umbringen, den sie jemals geliebt hat.
Der siebte und letzte „Sin City“-Band „Einmal Hölle und zurück“ erzählt die längste „Sin City“-Geschichte. Sie besteht aus neun Einzelheften, die 1999 und 2000 erschienen. Der erfolglose Maler und desillusionierte Kriegsheld Wallace sieht, wie die ebenfalls erfolglose Schauspielerin Esther ins Meer springen will. Er hält sie davon ab, verliebt sich in sie (böser Fehler) und will ihr helfen (nächster böser Fehler). Denn die Dame befindet sich im Fadenkreuz eines Killers.
Mit fast dreihundert Seiten ist das die längste Geschichte, was auch daran liegt, dass Wallace von der Killerin Blue Eyes unter Drogen gesetzt wird und plötzlich auf einem sehr schlechten, sehr farbigem Trip ist, in dem er, neben vielen bekannten Figuren, auch Big Boy und Rusty (auf Seite 200/201) begegnet. Der Rest des Comics ist, wie alle anderen „Sin City“-Comics, in Schwarz-Weiß (und, ja, für die Pedanten, einigen Farbtupfern) und einer sehr avantgardistischen Seitengestaltung erzählt.
Die „Sin City“-Geschichten gehören immer noch zu Millers besten Werken. Sie sind, wie die aktuelle Lektüre von allen „Sin City“-Comics zeigt, immer noch äußerst lesenswerte, sehr brutale Hardboiled-Comics, die in einer zeitlosen Über-Noir-Fantasiewelt spielen.
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Während Frank Miller die „Sin City“-Geschichten schrieb, nahm er sich, nach „Hard Boiled“, die Zeit für einen weiteren Comic mit Zeichner Geof Darrow. „The Big Guy and Rusty the Boy Robot“ ist ihre Version einer „Godzilla“-Geschichte, verbunden mit dem Touch eines naiven Comics für Kinder. Denn Rusty the Boy Robot sieht wie ein kleiner Junge aus. Er ist Japans letzte Verteidigungslinie gegen ein riesiges reptilienartiges Monster, das aus einem Labor ausgebrochen ist, durch Tokio trampelt, dabei Menschen tötet und Gebäude zerstört. Weil der unbekümmert hemdsärmelig auftretende Rusty das Monster nicht besiegen kann, hilft ihm im zweiten und finalen Heft (der Comic erschien ursprünglich in zwei Comicheften) Big Guy aus den USA.
Für Fans von „Godzilla“- und Monstergeschichten ist „The Big Guy and Rusty the Boy Robot“ ein Fest.
Die jetzt bei Cross Cult erschienene deutsche Erstausgabe punktet mit ihrem großen Format (22 x 32 cm), das einen förmlich in die detailreichen, teils doppelseitigen Panels von Zeichner Geof Darrow und Kolorist Dave Stewart versinken lässt. Es gibt außerdem eine Cover-Galerie, eine Pin-Up-Galerie und eine weitere Geschichte mit den beiden Helden („Das Ungeheuer vom Unabhängigkeitstag!“).

Frank Miller: Sin City: Dieser feige Bastard (Band 4)
(übersetzt von Karlheinz Borchert, Paul Scholz und Andreas Mergenthaler)
Cross Cult, 2023
240 Seiten
30 Euro
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Originalausgabe
Frank Miller’s Sin City Volume 4: That Yellow Bastard (# 1 – 6)
Dark Horse, 1996
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Frank Miller: Sin City: Familienbande (Band 5)
(übersetzt von Rossi Schreiber, Lutz Göllner und Andreas Mergenthaler)
Cross Cult, 2023
144 Seiten
20 Euro
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Originalausgabe
Frank Miller’s Sin City Volume 5: Family Values
Dark Horse, 1997
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Frank Miller: Sin City: Bräute, Bier und blaue Bohnen (Band 6)
(übersetzt von Rossi Schreiber, Lutz Göllner und Andreas Mergenthaler)
Cross Cult, 2023
168 Seiten
25 Euro
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Originalausgabe
Frank Miller’s Sin City Volume 6: Booze, Broads, & Bullets
Dark Horse 1993/1994/1995/1996/1997
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Frank Miller: Sin City: Einmal Hölle und zurück (Band 7)
(übersetzt von Rossi Schreiber, Lutz Göllner und Dirk Lenz)
Cross Cult, 2023
328 Seiten
45 Euro
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Originalausgabe
Frank Miller’s Sin City Volumen 7: Hell and Back (#1 – 9)
Dark Horse, 1999 – 2000
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Frank Miller/Geof Darrow/Dave Stewart: The Big Guy and Rusty the Boy Robot
(übersetzt von Josef Rother)
Cross Cult, 2023
112 Seiten
30 Euro
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Originalausgabe
The Big Guy and Rusty the Boy Robot # 1 – 2
Dark Horse, 1995
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Hinweise
Wikipedia über Frank Miller (deutsch, englisch) und „Sin City“ (deutsch, englisch)
Blog/Homepage von Frank Miller
Meine Besprechung von Frank Miller/Geof Darrows „Hard Boiled“ (Hard Boiled, 1990/1992)
Meine Besprechung von Frank Millers “Holy Terror” (Holy Terror, 2011)
Veröffentlicht von AxelB 



