Die Polizistin und die Sprache des Todes (Deutschland 2024)
Regie: Lars Becker
Drehbuch: Lars Becker
TV-Premiere. Gut, die Prämisse klingt jetzt ziemlich vertraut – eine BKA-Sonderermittlerin wird in die Provinz geschickt, weil dort wahrscheinlich das vierte Opfer eines Serienmörders gefunden wurde – aber der Film ist von „Nachtschicht“-Macher Lars Becker und da dürfte es einige Überraschungen geben.
mit Thelma Buabeng, Artjom Gilz, Nicholas Ofczarek, Thomas Schubert, Farba Dieng, Jane Chirwa, Enno Trebs, Sina Tkotsch, Doris Kunstmann
Auf einer Techno-Party entdeckt die partysüchtige siebzehnjährige Berlinerin Tina im Gebüsch ein missgestaltetes Wesen, das aus einem Alptraum kommen könnte. Dieser Nachtmahr wird ihr ständiger, nur für sie sichtbarer Begleiter und er bringt ihr Leben durcheinander.
TV-Premiere. Eigenständiger deutscher Horrorfilm und Coming-of-Age-Film, gedreht ohne Fördergelder und TV-Sender mit einem Mini-Budget. So konnte AKIZ den Film schnell und ohne Kompromisse drehen. Und das Ergebnis ist ein in jedem Fall sehenswerter und ziemlich einzigartiger Trip.
Leben und leben lassen ist das unausgesprochene Motto von Deniz, Rocky, Hagen, Netti und ihren Chef Rainer. Sie sind Provinzpolizisten und mit dem „leben lassen“ haben sie insofern ein Problem, das ein echtes Luxusproblem ist: in ihrem Bezirk gibt es keine Verbrechen. Dieser paradisische Zustand wird zum Problem als von der Polizeidirektion Düsseldorf eine junge, taffe und extrem zielorientierte Beamtin von der Internen Revision zu ihnen nach Ahlen geschickt wird. Sie soll überprüfen, ob die Wache nicht geschlossen werden kann.
Deniz, Rocky, Hagen und Netti beschließen, ohne mit ihrem Chef darüber zu sprechen, sich zu wehren. Sie wollen beweisen, dass sie und ihre Wache gebraucht werden. Nicht mit einer Image-Kampagne, in der Kleinstadtbewohner protestierend vor die Stadtverwaltung ziehen, sondern indem sie beginnen Straftaten zu inszenieren, die sie dann eifrig protokollieren. Auch wenn es anfangs nur ein im Vollrausch eingeworfenes Fenster eines Lokals oder ein geklauter Deoroller ist.
Schwieriger wird die Situation für sie, als die Interne Revisorin ahnt, wer für die amateurhaft durchgeführten Verbrechen verantwortlich ist und sie verlangt, dass die Beamten die Täter überführen.
„Faking Bullshit – Krimineller als die Polizei erlaubt“, ein Remake der schwedischen Komödie „Kops“, ist das Regiedebüt von Alexander Schubert. Als Albrecht von Humboldt gehört er zum Ensemble der „heute-show“. Um nur seine bekannteste Rolle zu nennen. Denn die Satiresendung hat auf den Film keinen direkten Einfluss. „Faking Bullshit“ will keine Polit-Satire sein und auch keine knallig zugespitzte schwarzhumorige Komödie wie „The Guard“, in der ein schwarzer FBI-Agent in Irland mit einem örtlichen Kollegen eine Drogenschmugglerbande jagt und Regisseur und Drehbuchautor John Michael McDonagh die Gegensätze und Vorurteile hemmungslos aufeinanderprallen lässt.
„Faking Bullshit“ ist und will auch nicht mehr sein, als ein bestenfalls nett-harmloses Komödchen, das sich viel Zeit lässt, seine Figuren voller Sympathie beim Nichtstun zu beobachten. Es gibt einige eher didaktische als witzige Dialoge über Vorurteile gegenüber Ausländern, Geschlechterklischees und Kunst. Denn die Interne Revisorin Tina (Auf der Wache 23 wird sich prinzipiell geduzt.) war vor ihrer Strafmission in die nordrhein-westfälische Provinz bei der Eröffnung einer Austellung eines anonymen Künstlers als Aktivistin auffällig geworden. A3N, so das Pseudynom des Künstlers, stellte riesige Bilder von wie Augen aussehenden Vulven aus und provozierte damit eine Diskussion über Kunst oder Pornographie. Die Bilder wurden gestohlen und Deniz glaubt jetzt, dass die wertvollen Bilder in Ahlen in einer Garage versteckt sind.
Der harmoniesüchtige Film plätschert harmlos behäbig und absolut vorhersehbar vor sich hin. Die wenigen guten Gags (so sagt Netti bei einem Gespräch mit einem Bürger: „Humor ist in Deutschland verboten.“) wiegen nicht die vielen verpassten Chancen und ignorierten Möglichkeiten auf. Potentiell vielversprechende Figuren und Handlungsstränge werden nicht weiter verfolgt. Und die Lücken in der Geschichte sind ärgerlich. So erfahren wir nicht, um nur ein Beispiel zu nennen, wer warum Rainers Fahrrad stahl und wie es wiedergefunden wurde.
Da drehe ich liebe noch eine Runde in Niederkaltenkirchen.
Faking Bullshit – Krimiller als die Polizei erlaubt(Deutschland 2020)
Regie: Alexander Schubert
Drehbuch: Alexander Schubert
mit Erkan Acar, Sina Tkotsch, Adrian Topol, Sanne Schnapp, Alexander Hörbe, Xenia Assenza, Bjarne Mädel, Alexander von Glenck, Jörg Schüttauf, Mišel Matičević, Dietrich Hollinderbäumer
Der Film beginnt mit einer Warnung, wie wir sie aus Discotheken kennen. Empfindliche Gemüter könnten von den Licht- und Tonfolgen epileptische Anfälle bekommen. Trotzdem soll „Der Nachtmahr“ laut abgespielt werden, weil nur so die Technoszenen und die Musik, bei der Alec Empire beteiligt war, ihre volle Wirkung entfalten. Die brachial-laute Musik ist ein Teil des Lebens der 17-jährigen Tina, die mit ihren Freundinnen und Schulkameraden gerne auf mehr oder weniger professionellen Techno-Partys und Clubs abhängt. Auf so einer Party sieht sie im Gebüsch ein seltsames, angsteinflößendes, missgestaltetes, aus einem Alptraum kommendes Wesen.
Kurz darauf hört sie bei sich zu Hause aus der Küche schmatzende Geräusche. Sie glaubt, das Wesen, das sie vorher auf der Party sah, zu sehen. Aber niemand anderes sieht ihren Nachtmahr.
Bis zum Schluss hält AKIZ (das Pseudonym von Achim Bornhak, der unter seinem bürgerlichem Namen das Uschi-Obermaier-Biopic „Das wilde Leben“ drehte) in seinem Spielfilm die Balance zwischen Traum und Realität. Wie in einem David-Lynch-Film, vor allem „Mulholland Drive“ und „Lost Highway“, ist unklar, was Realität und was Fantasie ist und jede Szene kann verschieden interpretiert werden, weshalb jeder einen etwas anderen Film sehen wird.
Neben dem David-Lynch-Einfluss sind auch locker Einflüsse und Inspirationen aus dem Deutschen Expressionistischen Stummfilm und der Romantik erkennbar. Denn der Nachtmahr, der Tinas Nähe sucht, ist, je nach Interpretation, auch ein Wesen, das für verdrängte Gefühle, Sexualität, Ängste und das Fremde im Allgemeinen und Besonderen steht. Dann erzählt Tinas zunehmende Akzeptanz des Wesens, das schnell eine E.-T.-Knuddeligkeit entwickelt, auch eine klassische Coming-of-Age-Geschichte. Wobei, und das macht dann wieder einen großen Teil der Faszination von AKIZ‘ Film aus, in der Schwebe bleibt, ob es sich um eine Befreiungsgeschichte oder einen Verfall in den Wahnsinn handelt. Denn ihre besorgten Eltern haben sie zu einem Psychiater geschickt. Der erwägt, sie in die Psychiatrie einzuweisen.
Inszeniert wurde „Der Nachtmahr“ an zwanzig Drehtagen, ohne TV-Beteiligung und Fördergelder, mit einem Minibudget von 80.000 Euro. AKIZ wollte den Film einfach schnell und ohne Kompromisse drehen.
Meistens führt diese Ansage des Regisseurs zu einem Film, bei dem man sich wünscht, es hätte doch Fördergelder gegeben, um die schlimmsten Peinlichkeiten zu verhindern. In diesem Fall ist diese Befürchtung unbegründet. „Der Nachtmahr“ ist teilweise bewusst sprunghaft erzähltes Kino das mit seiner immer erkennbaren künstlerischen Vision und Gestaltungswillen seinen jugendlichen Protagonisten, ihrer Sprache, seinem Soundtrack (neben einigen Songs stammt die Musik von Steffen Kahles und Christoph Blaser) und der unruhigen Handkamera (auf der visuellen Ebene zeigt sich am Deutlichsten das begrenzte Budget) in erster Linie ein junges Publikum anspricht und ernst nimmt. Es ist außerdem eine Genregeschichte, die jugendliche Befindlichkeiten und jugendliche Selbstfindung im Rahmen des Horrorgenres behandelt und sie mit viel schwarzem und absurdem Humor garniert. Weshalb es auch einiges zu Lachen gibt.
Für AKIZ ist „Der Nachtmahr“, der im Ausland erfolgreich läuft und ihm Remake-Anfragen aus Hollywood bescherte, der Anfang seiner dämonischen Trilogie „Geburt, Liebe, Tod“. Die Filme sind nur, was ältere Cineasten jetzt an Eric Rohmer denken lässt, thematisch miteinander verknüpft. Er arbeitet schon am zweiten Teil, der dann auch mit einem höherem Budget gedreht werden soll.
Das Bonusmaterial (Nachtrag 5. Dezember 2016): In der limitierten 3-Disc-Special-Edition, die den Film auf DVD und Blu-ray enthält, gibt es auch eine ordentliche Portion informatives Bonusmaterial; neben den üblichen Trailern, einem Teaser, dem Crowdfunding-Video, einem Testclip, einer Bildergalerie, dem Musikvideo „Grey Sedan“ (Wild Style Lion, feat. Kim Gordon) und dem Kurzfilm „Evokation“ von Akiz. Das Kernstück des Bonusmaterials ist das 45-minütige, sehr ehrliche und unprätentiöse Making-of „Der Nachtmahr – und wie er zur Welt kam“ (gedreht von seiner Schwester Riki Bornhak, mit vielen Bildern aus dem Archiv von Achim „Akiz“ Bornhak, seiner Familie und Freunden) und ein 25-minütige Interview mit Akiz, in denen man viel über die Vorgeschichte des Films erfährt.
Außerdem gibt es in der Special-Edition das Drehbuch und ein Booklet mit einem Text von Marcus Stiglegger, der hier zu sehr den Fanboy herauslässt und auf jegliche Analyse oder analytische Einordnung verzichtet.
Der Nachtmahr (Deutschland 2015)
Regie: AKIZ
Drehbuch: AKIZ
mit Carolyn Genzkow, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Sina Tkotsch, Alexander Scheer, Kim Gordon
DVD
Koch Media
Bild: 2.35:1 (16:9)
Don: Deutsch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Englisch
Bonusmaterial:
DVD/Blu-ray: Interview mit Regisseur Akiz, Kinotrailer, Teaser
Mediabook: Dokumentation „Der Nachtmahr – und wie er in die Welt kam“, Musikvideo „Grey Sedan“ (von Wild Style Lion feat. Kim Gordon), Crowdfunding Video, Nachtmahr Kurzfilm, Testclip, Booklet mit Text von Dr. Marcus Stiglegger
Wahrscheinlich dachten die auf dem Lerchenberg: Warum den Titel ändern? Der ist doch noch gut und bei „Der Alte“ hat sich auch niemand beschwert, dass der in den vergangenen Jahrzehnten von mehreren Schauspielern gespielt wurde. Auch bei dem 1981 gestarteten Freitagskrimi „Ein Fall für zwei“ änderte sich in den vergangenen Jahrzehnten das Gesicht der einen Hälfte des Duos öfter; wobei für ältere Semester nur die Urbesetzung zählt: Günter Strack als Anwalt Dr. Dieter Renz und Claus Theo Gärtner als Privatdetektiv Josef Matula. Deren Fälle folgten auch nicht immer nur der Mörder-such-Routine. Es ging auch um Wirtschaftsverbrechen, die Mandanten waren manchmal schuldig und am Ende siegte nicht immer unbedingt die Gerechtigkeit. Das war neben dem drögen „Derrick“ grandios. Auch ohne Leiche, Mord und Totschlag.
Spätere Fälle, die ich mir ansah, zuletzt mit Paul Frielinghaus als Anwalt Dr. Markus Lessing, waren dann nur noch öde Mörder-such-Spiele, in denen Verteidiger und Polizei gut zusammen arbeiteten (was angesichts der gegenläufigen Interessen natürlich Quatsch ist) und der Mandant war nie der Mörder, weshalb es natürlich für den Anwalt und den Detektiv keine moralischen Dilemma gab.
Als der 1943 geborene Claus Theo Gärtner letztes Jahr ausstieg, wurde auch kurz überlegt, die Serie zu beenden. Nach über dreißig Jahren und dreihundert Folgen wäre das ja okay gewesen.
Aber dann wurde beschlossen, die Serie weiter zu führen. Mit einem neuen Team, aber immer noch in Frankfurt. Und natürlich in einer „modernen Inszenierung“.
Warum auch nicht? „Ein Fall für zwei“ ist natürlich eine Perry-Mason-Kopie und im Krimieinerlei ist jede Abwechslung vom Kommissar-sucht-Mörder-Schema hochwillkommen.
Aber der erste Fall von Detektiv Leo Oswald (Wanja Mues) und Anwalt Bennie Hornberg (Antoine Monot, Jr.), dem neuen „Ein Fall für zwei“-Team, ist ein Disaster, bei dem nichts, aber auch absolut nichts stimmt.
Bennie Hornberg ist Fachanwalt für Versicherungsrecht in der Kanzlei von seinem aasigen Schwiegervater, die gerade einen großen Deal mit Anwalt Katzner vorbereitet. Da erhält Bennie einen Anruf von seinem vor zwanzig Jahren verschwundenem Jugendfreund Leo Oswald. Sein bester Freund sitzt im Gefängnis. Er soll einen Unternehmer ermordet haben.
Bennie hilft seinem Freund – und schnell steht er vor der Frage, ob er Leo wirklich bis zum Ende helfen soll. Denn der tote Unternehmer hat etwas mit Katzner und dem geplanten Deal zu tun.
Und damit habe ich jetzt, ohne einen wichtigen Plot-Point auszulassen, ungefähr den halben Krimi verraten. Denn was in einem US-Krimi in den ersten zehn Minuten erzählt würde, nimmt hier eine halbe Stunde (gefühlt deutlich länger) in Anspruch, in der wir mehrere hirnrissige Szenen erleiden müssen. So bittet der in Untersuchungshaft sitzende Leo seinen Freund Bennie um Hilfe, aber er verrät ihm (und uns) nicht, warum er inhaftiert wurde und warum ausgerechnet ein Fachanwalt ihm helfen soll. Denn eigentlich braucht er als Mordverdächtiger einen guten Strafverteidiger. Später ruft Leo aus der U-Haft mitten in der Nacht mit seinem Handy Benni an und sagt ihm, dass er sich mit einer Frau treffen solle, die ihm erklären könne, warum er inhaftiert sei und warum er unschuldig sei. Nun, wenigstens in Berlin sind Handys im Gefängnis nicht erlaubt. Aber vielleicht ticken in Frankfurt am Main die Uhren anders. Denn kurz darauf darf Leo in den Beweisen herumwühlen, was im realen Leben wohl in keinem gut geführten Gefängnis erlaubt ist. Immerhin soll ihm gerade ein Mord nachgewiesen werden. Und so fernab jeder Wirklichkeit, Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit geht es munter, mit vielen gut abgehangenen Klischees über böse Kapitalisten und schmierige Wirtschaftsanwälte, über die Enttarnung des Täters (mit einem Trick und ebenso überraschenden, wie unnötigen Geständnissen der Mittäter) bis zum Abspann weiter.
„Verhängnisvolle Freundschaft“, der erste von vier neuen „Ein Fall für zwei“-Fällen, macht wirklich nicht neugierig auf die weitern Fälle des Duos, das dann auch noch von einer Staatsanwältin unterstützt wird und in einer Wohngemeinschaft auf einem alten Kahn lebt.
– Ein Fall für zwei: Verhängnisvolle Freundschaft(Deutschland 2014)
Regie: Marcus Ulbricht
Drehbuch: Florian Oeller
mit Wanja Mues, Antoine Monot, Jr., Thomas Thieme, Christina Hecke, Sina Tkotsch, Jürgen Tarrach, Rainer Sellien, Sebastian Weber, Kida Khodr Ramadan, Marc Oliver Schulze, Gudrun Landgrebe
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Hinweise ZDF über „Ein Fall für zwei“ Fernsehserien über „Ein Fall für zwei“ Wikipedia über „Ein Fall für zwei“