TV-Tipp für den 15. März: Der namenlose Tag

März 14, 2022

3sat, 20.15

Der namenlose Tag (Deutschland 2018)

Regie: Volker Schlöndorff

Drehbuch: Volker Schlöndorff

LV: Friedrich Ani: Der namenlose Tag, 2015

Als Doris Winther sich erhängt, rollt der pensionerte Kommissar Jakob Franck einen alten Fall wieder auf: vor Jahren hatte Doris Winthers Tochter Esther Suizid begangen. Franck fragt sich jetzt, ob er damals etwas übersehen hatte und Esther ermordet wurde.

Schlöndorff verfilmt Ani. Was kann da schief gehen?

„Die Inszenierung des ungewöhnlich atmosphärischen, vielschichtigen Krimis fällt insbesondere durch eine eindrucksvolle, durchdachte Bildsprache auf.“ (Lexikon des internationalen Films)

Mit Thomas Thieme, Devid Striesow, Ursina Lardi, Jan Messutat, Stephanie Amarell, Ursina Lardi

Die Vorlage

Friedrich Ani: Der namenlose Tag

Suhrkamp, 2016

304 Seiten

10,99 Euro

Hinweise

ZDF über „Der namenlose Tag“

Filmportal über „Der namenlose Tag“

Meine Besprechung von Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ (Deutschland 2017)

Homepage von Friedrich Ani

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Wer lebt, stirbt“ (2007)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der verschwundene Gast“ (2008)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Totsein verjährt nicht” (2009)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Die Tat” (2010)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Süden“ (2011, mit Interview)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Süden und die Schlüsselkinder” (2011)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Süden und das heimliche Leben” (2012)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Süden und die Stimme der Angst“ (2013, neuer Titel von „Verzeihen“)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „M – Ein Tabor-Süden-Roman“ (2013)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der namenlose Tag“ (2015)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der einsame Engel“ (2016)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der Narr und seine Maschine“ (2018)

Friedrich Ani in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „Prélude“ scheitert am Drehbuch

August 29, 2019

Prélude“ ist der Debütfilm von Sabrina Sarabi, für den sie auch das Drehbuch schrieb. Sie erzählt die Geschichte des neunzehnjährigen David, der als talentierter Pianist aus der Provinz in die Großstadt kommt. Er hat einen Platz am Konservatorium erhalten. Er strebt nach einer Karriere als Konzertpianist. An der Schule verliebt er sich in die Gesangsstudentin Marie und befreundet sich mit ihrem Freund Walter. Im Gegensatz zu ihm ist Walter ein talentierter Musiker, der scheinbar mühelos alles erreicht.

Und er leidet zunehmend unter dem Leistungsdruck, der teils aus seinen eigenen Ansprüchen, teils aus den Ansprüchen der Schule, besteht.

Am meisten leidet allerdings der Zuschauer.

Das liegt vor allem am Drehbuch. In einer Geschichte sollten Informationen so vermittelt werden, dass wir Zuschauer die wichtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt erhalten und emotional involviert sind. „Prélude“ versagt da schon in den ersten Minuten. Anstatt uns schnell die wichtigsten Informationen über David zu geben, sehen wir einen jungen Mann in einem Zug. Später bezieht er ein anonymes Zimmer, das notdürftig mit Bett, Schrank und Tisch möbliert ist. Er läuft durch ein ebenso anonymes Gebäude, das zwischen Schule und Verwaltungsgebäude alles sein kann. Er trifft eine in schwarz gekleidete Frau, die seine Klavierlehrerin ist. Ob er Dr. Matussek bewundert oder ob sie für einfach nur eine Lehrerin ist, wissen wir in diesem Moment noch nicht. Und erfahren es auch später nicht. Jedenfalls ist sie seine Ansprechpartnerin in allen studentischen Belangen. Entsprechend abhängig ist er von ihrem Urteil und ihren Noten.

Bis zur ersten Begegnung von David und Matussek ist schon einige Filmzeit vergangen, die Damien Chazelle in „Whiplash“ wesentlich besser investierte. Sein Musikdrama ist der deutlich gelungenere Film zu diesem Thema.

In „Whiplash“ erfahren wir schon in den ersten Minuten, dass der ebenfalls 19-jährige Andrew Neiman ein begeisterter Schlagzeuger ist, dass Terence Fletcher sein großes Idol ist, bei dem er unbedingt spielen will, und dass Fletcher ein bekannter Dozent ist, der extrem hohe Ansprüche stellt. In dem Moment kennen wir den Protagonisten, den Antagonisten und den Grundkonflikt des Films. In den folgen neunzig Minuten kann Chazelle dann erzählen, wie ein Lehrer seine Macht ausnutzt und Psychoterror betreibt. Und wie ein Schüler damit umgeht.

In „Prélude“ kennen wir den zentralen Konflikt der Geschichte nicht. Wir wissen auch nicht, was Davids genaues Ziel ist. Stattdessen werden Szenen aneinandergereiht, die wirken, als habe man einfach die Post-It-Zettel von einer Tafel abgenommen und gesagt „Das ist unsere Geschichte.“. Aber eine Geschichte entsteht erst, wenn eine Handlung notgedrungen die nächste Handlung ergibt; wenn auf jede Tat eine Reaktion erfolgt, auf die dann wieder eine Reaktion erfolgt. Über Sarabis Geschichte kann das nicht gesagt werden.

So erwähnt David gegenüber seiner Lehrerin einmal, dass er sich gerne für ein Stipendium an der Juilliard-Schule bewerben würde. Dafür braucht er ihre Unterschrift. Dieses Ziel, das die Filmgeschichte vorantreiben könnte, wird kurz darauf fallengelassen. Irgendwann später ist das Stipendium für David wieder besonders wichtig, kurz darauf wieder unwichtig, dann wieder wichtig und als David erfährt, ob er das Stipendium erhält, ist die Entscheidung der Schule für ihn ungefähr so wichtig wie ein ungefragt erhaltener Werbebrief.

Irgendwann im Film streitet David sich mit Walter an einem See. Die Szene ist so inszeniert, dass man danach vermutet, David habe Walter erschlagen. Auf die darauf folgenden Szenen hat diese Tat keinen Einfluss. Und wenn Walter später wieder auftaucht, verhalten sich die beiden Jungs, als sei nichts geschehen.

Sogar wenn wir annehmen, dass wenigstens einige Filmszenen nur Davids Einbildung existieren und David zunehmend den Kontakt zur Realität verliert, lösen sie das Problem des Films nicht. Auch Vorstellungen, von Drogenhalluzinationen bis hin zu Wahnvorstellungen, haben einen Einfluss auf die Filmgeschichte. D. h.: selbst wenn David nur glaubt, dass er Walter erschlagen hat, müsste er bei der nächsten Begegnung mit Walter irritiert sein, weil der Mensch, den er erst vor kurzem erschlagen hat, noch quicklebendig ist und anscheinend nichts von dem Streit weiß.

So reiht Sarabi, ohne dass wirklich ein Thema und ein damit zusammenhängender Konflikt erkennbar werden, beliebige Szenen aneinander, die dann, mit vielen Auslassungen, die Geschichte eines jungen Mannes ergeben, der an seinen eigenen Ansprüchen scheitert.

Prélude (Deutschland 2019)

Regie: Sabrina Sarabi

Drehbuch: Sabrina Sarabi

mit Louis Hofmann, Liv Lisa Fries, Johannes Nussbaum, Ursina Lardi, Jenny Schily, Saskia Rosendahl, David Kosel, Arno Frisch

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Prélude“

Moviepilot über „Prélude“

Wikipedia über „Prélude 


TV-Tipp für den 5. Februar: Der namenlose Tag

Februar 5, 2018

ZDF, 20.15

Der namenlose Tag (Deutschland 2018)

Regie: Volker Schlöndorff

Drehbuch: Volker Schlöndorff

LV: Friedrich Ani: Der namenlose Tag,2015

Als Doris Winther sich erhängt, rollt der pensionerte Kommissar Jakob Franck einen alten Fall wieder auf: vor Jahren hatte Doris Winthers Tochter Esther Suizid begangen. Franck fragt sich jetzt, ob er damals etwas übersehen hatte und Esther ermordet wurde.

TV-Premiere: Schlöndorff verfilmt Ani. Was kann da schief gehen?

Mit Thomas Thieme, Devid Striesow, Ursina Lardi, Jan Messutat, Stephanie Amarell, Ursina Lardi

Die Vorlage, als Taschenbuch

Friedrich Ani: Der namenlose Tag

Suhrkamp, 2016

304 Seiten

10,99 Euro

Der zweite Fall für Jakob Franck; jetzt sucht er den Mörder eines elfjährigen Jungen

Friedrich Ani: Ermordung des Glücks

Suhrkamp, 2017

320 Seiten

20 Euro

Hinweise

ZDF über „Der namenlose Tag“

Filmportal über „Der namenlose Tag“

Meine Besprechung von Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ (Deutschland 2017)

Homepage von Friedrich Ani

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Wer lebt, stirbt“ (2007)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der verschwundene Gast“ (2008)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Totsein verjährt nicht” (2009)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Die Tat” (2010)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Süden“ (2011, mit Interview)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Süden und die Schlüsselkinder” (2011)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “Süden und das heimliche Leben” (2012)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Süden und die Stimme der Angst“ (2013, neuer Titel von „Verzeihen“)

Meine Besprechung von Friedrich Anis “M” (2013)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der namenlose Tag“ (2015)

Meine Besprechung von Friedrich Anis „Der einsame Engel“ (2016)

Friedrich Ani in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Der Möchtegern-Polit-Thriller „Die Lügen der Sieger“

Juni 18, 2015

Christoph Hochhäusler ist kein Dummer. Seine bisherigen Filme, wie „Falscher Bekenner“ und „Unter dir die Stadt“, kamen bei der Kritik ziemlich gut an, er setzt sich auch theoretisch mit dem Film auseinander und er ist einer der Herausgeber der Filmzeitschrift „Revolver“.
Mit seinem neuen Spielfilm „Die Lügen der Sieger“ will er offensichtlich den aktuellen Zustand der Berliner Republik, das Geflecht von Politik, Lobbyismus, Wirtschaftsinteressen, Beratungsfirmen und Journalismus vermessen. Das steht natürlich in der Tradition klassischer Polit-Thriller wie „Die Unbestechlichen“ (über die Watergate-Affäre) und neuerer Polit-Thriller, wie „State of Play“ (die britische TV-Serie und das Hollywood-Spielfilm-Remake).
Aber auch wenn man diese Tradition ignoriert (okay, das fällt schwer. Das ist so, als ob man bei Eric Clapton und den Rolling Stones den Blues-Einfluss ignorieren würde.), ist „Die Lügen der Sieger“ ein, höflich formuliert, sehr enttäuschender Film. Gerade weil er so viel besser als viele andere deutsche Filme, vor allem die unzähligen, banalen Komödien, sein könnte. Und vielleicht bin ich deswegen auch etwas zu ungnädig.
Fabian Groys, hochgelobter Einzelgänger-Journalist in der Hauptstadtredaktion eines Nachrichtenmagazins (jaja, sieht aus und riecht wie „Der Spiegel“), recherchiert eine große Story über den schändlichen Umgang der Bundeswehr mit kriegsversehrten Veteranen. Er vermutet, dass die Regierung für die Behandlung ihrer Leiden nicht aufkommen will. Als er die Praktikantin Nadja Koltes zugeteilt bekommt, wimmelt er sie mit den Recherchen für eine Boulevard-Geschichte ab: in Gelsenkirchen sprang ein Mann in einen Löwenkäfig.
Selbstverständlich – auch wenn es einige Zeit dauert, bis die Zusammenhänge erahnbar werden – hängen diese beiden Geschichten miteinander zusammen.
Und dann geht es noch um eine Gesetzesinitiative, die verhindert werden soll, eine Recyclingfirma, die ihre Angestellten vergiftet, und, weil auch das mit den anderen Geschichten zusammenhängt, um den Einfluss einer im Hintergrund bleibenden Organisation, die man sich am Besten als eine All-inclusive-Lobby-und-Problembeseitigungsfirma vorstellt. Ach, und es geht auch, ganz allgemein um den Einfluss von Lobbyvereinen – und, letztendlich, um alles und um nichts.
Dabei gäbe jedes dieser Themen genug Stoff für einen abendfüllenden Spielfilm. Aber anstatt mit einer klaren Analyse gegen einen Missstand vorzugehen, verzettelt Hochhäusler sich und liefert eine unglaubwürdig an der Wirklichkeit vorschrammende Kolportage ab, die viel zu oft in einer nicht produktiven, sondern nur frustierenden Verwirrung endet, wie diese Szene vom Filmanfang zeigt: wir sehen einen älteren Mann (so um die Fünfzig) der offensichtlich für ein Gespräch präpariert wird. Wir wissen nicht, wer er ist. Wir wissen nicht, um was es in dem wichtigen Gespräch gehen soll. Wir wissen nicht, wer ihn trainiert – und bei seinen Coaches ist auch unklar, ob sie eine dafür engagierte Firma sind und wer welche Position inne hat. So glauben wir zunächst, entsprechend der traditionellen Rollenverteilung, dass der ältere Coach der Chef ist und die etwa gleichaltrige Frau seine Untergebene. Viel später erfahren wir, dass es umgekehrt ist.
Fast keine Frage wird in dieser geheimnisvollen Szene aufgelöst, was jetzt nicht unbedingt ein Problem wäre. Geheimnisvolle Andeutungen steigern ja bekanntlich die Spannung.
Aber weil diese Szene uns mit für die Geschichte wichtigen Charakteren bekannt machen soll (alle drei werden später wichtig), hätten die Filmemacher uns in diesen Momenten ganz klar einige Informationen liefern müssen. Nämlich wer die Charaktere sind, was sie wollen, warum wir uns mit ihnen identifizieren sollen und wer von ihnen für die weitere Geschichte wichtig ist. Aber am Ende dieser Szene wissen wir noch nicht einmal wer der Trainierte ist. Ein Lobbyist? Ein Unternehmer? Ein Politiker? Ein Schauspieler? Wir wissen auch nicht, wofür er trainiert wird.
Diese Szene ist symptomatisch für den gesamten Film: er verkompliziert alles bis zum Gehtnichtmehr. Der Skandal, den der Journalist aufklären will, wird unter einem Berg von weiteren Themen begraben, die alle wichtig sind. Aber es fehlt ein erzählerischer Fokus und damit eine sinnvolle Struktur von Plots und Subplots. Dabei ist gerade in einem Polit-Thriller die Klarheit des Denkens wichtig. Immerhin will er über Missstände aufklären, für Empörung sorgen und zum Handeln auffordern. Nichts davon gelingt „Die Lügen der Sieger“. Eher schon befördert er ein konservativ-reaktionäres Gefühl, das sagt, dass alles hoffnungslos mit allem verflochten ist, alles furchtbar undurchschaubar ist und man sowieso nichts gegen die da Oben machen kann.
Und dabei habe ich noch nichts über den Protagonisten Fabian Groys gesagt, der sich natürlich in seine junge Praktikantin (die er zunächst nicht will, weil er immer allein arbeitet) verliebt, einen Halbstarken-Porsche fährt, alleinstehend, spielsüchtig und zuckerkrank ist. Trotzdem ist er kein komplexer Charakter, sondern eine reine Reißbrett-Figur, bei der seine pompös eingeführte Spielsucht und seine ebenso pompös eingeführte Krankheit für die Haupthandlung vollkommen unwichtig sind. Am Ende, nachdem die Haupthandlung abgeschlossen ist, gibt es dann einen Anschlag auf Groys‘ Leben, der nicht die Skrupellosigkeit der Bösewichter, sondern die Unplausibilität des Drehbuchs demonstriert. Das Hollywood-Äquivalent dazu wäre – ich will ja nichts verraten – der James-Bond-Bösewicht, der erst nachdem er von Bond besiegt wurde, einen von Anfang an zum Scheitern verurteilten Angriff auf Bonds Leben startet.
Dabei hätte man aus Groys‘ Spielsucht und seiner Krankheit wirklich etwas machen können. Immerhin könnten die Bösewichter beides benutzten, um seine Recherchen schwieriger zu gestalten und sie hätten versuchen können, ihn mit seiner Spielsucht und seiner Krankheit zu erpressen.

Die Lügen der Sieger - Plakat

Die Lügen der Sieger (Deutschland/Frankreich 2014)
Regie: Christoph Hochhäusler
Drehbuch: Christoph Hochhäusler, Ulrich Peltzer
mit Florian David Fitz, Lilith Stangenberg, Horst Kotterba, Ursina Lardi, Avred Birnbaum, Jakob Diehl, Cornelius Schwalm
Länge: 112 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Die Lügen der Sieger“
Film-Zeit über „Die Lügen der Sieger“
Moviepilot über „Die Lügen der Sieger“