Die Verlosung ist rum, die Gewinner (weil der Verlag zwei Exemplare des „Schüren Filmkalenders 2013″ spendierte) sind ermittelt und benachrichtigt, der Postbote ist unterwegs zu
Sabine S. aus Berlin
Harald C. aus Berlin
Zufälle gibt’s und, obwohl ich auch in Berlin wohne, kenne ich sie nicht.
Ich wünsche den beiden Gewinnern viel Spaß mit dem Buch – und alle anderen müssen doch den Weg zum Buchhändler ihres Vertrauens antreten.
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Daniel Bickermann (Hrsg.): Schüren Filmkalender 2013
Tatort: Platt gemacht (D 2009, R.: Buddy Giovinazzo)
Drehbuch: Stefan Cantz, Jan Hinter
In Köln wird ein Obdachloser mit Frostschutzmittel vergiftet. Die Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln im Milieu.
Sehr unterhaltsamer Kölner-Tatort, der erfrischend undidaktisch (Wir reden vom Kölner Tatort) daherkommt und Udo Kier als Penner ist auch die halbe Miete.
mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Joe Bausch, Udo Kier, Christian M. Goebel, Michael Schenk, Catherine Flemming, Peter Millowitsch
Laura Guerrero (Stephanie Sigman) ist eine junge Frau aus dem Armenviertel von Baja, Mexiko. Sie will Schönheitskönigin werden und so reich und berühmt werden.
„Miss Bala“ erzählt ihre Geschichte und wie ihr Traum sich auf eine ganz andere Weise erfüllt, als sie es sich erträumte. Denn in einer halbseidenen Disco beobachtet sie, wie eine Gangsterbande ein Massaker, vor allem an anderen Gangstern, veranstaltet. Laura kann entkommen und als sie am nächsten Tag zur Polizei gehen will, übergibt der Polizist sie an den Gangsterboss Lino Valdez (Noe Hernández), der für das Massaker verantwortlich ist. Er frisst einen Narren an ihr und, anstatt sie umzubringen, ebnet er ihr den Weg in den Schönheitswettbewerb. Außerdem muss sie für ihn kleinere kriminelle Aufträge, auch in den USA, übernehmen.
„Miss Bala“ ist auch das Gegenstück zu Oliver Stones „Savages“. Denn Regisseur Gerardo Naranjo erzählt die mexikanische Sicht des Drogenkrieges und wie eine Frau zwischen die Fronten von konkurrierenden Verbrecherbanden und Polizei gerät. Hier sind die Mexikaner nicht mehr, wie bei Oliver Stone, nur eine von Bande von skrupellos-bestialisch stinkreichen Drogenhändlern, sondern arme Menschen, die in einer von Verbrecherbanden dominierten Gesellschaft überleben wollen, während Verbrecher und Polizisten rücksichtslos um die Herrschaft im Land kämpfen. Auch der Gangsterboss, der Laura hilft ist kein Monster, sondern ein Firmenchef eines kleineren Unternehmens, der in schmutzig-verschwitzen Klamotten an vorderster Front steht, langfristig denkt, seine Mitarbeiter und Investitionen schützt und von der Polizei gejagt wird. Glamourös ist das nicht.
Auch von der Machart ist „Miss Bala“ das Gegenstück zu „Savages“. Wo Oliver Stone zwischen den zahlreichen Handlungssträngen hin- und herspringt, eine Erzählerin die Geschichte aus dem Off erzählen lasst, das ganze mit einem sarkastischen Humor (der vor allem aus Don Winslows grandiosem Roman „Zeit der Rache“ kommt) würzt und oft schneidet, schneidet Naranjo kaum. Fast alle Szenen kommen mit wenigen Schnitten, teils sogar ohne Schnitte, aus. Deshalb und weil Naranjo immer bei seiner Protagonistin bleibt, ist „Miss Bala“ manchmal auch etwas zäh. Denn während Laura langsam begreift, in was für einen Schlamassel sie geraten ist, wissen wir Zuschauer das schon lange.
Auch in den Actionszenen bleibt Naranjo bei ihr, zeigt ihre Reaktionen, wie sie versucht im Kugelhagel zu überleben, sich versteckt, und der Kampf läuft auf der Tonspur oder im Bildhintergrund ab. So entwickeln die Kampfszenen eine, im Vergleich zu den derzeit in Actionfilmen so modischen Schnittgewittern, ganz eigene Intensität, die wirklich das Gefühl vermitteln hilflos in einen Krieg geraten zu sein.
„Miss Bala“ zeigt eindrucksvoll die andere Seite des „war on drugs“.
Miss Bala (Miss Bala, Mexiko 2011)
Regie: Gerardo Naranjo
Drehbuch: Gerardo Naranjo, Mauricio Katz
mit Stephanie Sigman, Noe Hernández, James Russo, José Yenque
„Gnade“, der neueste Film von Regisseur Matthias Glasner mit Jürgen Vogel ist ein sperriger Film. Doch das überrascht bei einem Blick auf ihre früheren Filme, wie „Sexy Sadie“, „Der freie Wille“ und „This is Love“, nicht.
Eine Frau überfährt auf dem Heimweg von einer anstrengenden Schicht im Hospiz in der Dunkelheit zufällig etwas. Als ihr Mann zur Unfallstelle fährt, entdeckt er nichts. Am nächsten Tag erfahren sie, dass sie ein Mädchen überfuhr. Jetzt versuchen die beiden Eheleute mit dieser Schuld zu leben und ihr Sohn soll nichts davon erfahren. Die Nachbarn auch nicht.
Denn das Ehepaar ist erst vor kurzem nach Hammerfest gezogen. Vor allem Niels (Jürgen Vogel) will dort mit seiner Familie, seiner Frau Maria (Birgit Minichmayr) und ihrem Sohn Markus (Henry Stange), ein neues Leben beginnen. Er hofft auch, seine Ehe wieder in Ordnung zu bringen. Das hindert ihn aber nicht daran, sich, wie an den seinen früheren Arbeitsorten (zu denen er nicht von seiner Familie begleitet wurde), gleich eine Geliebte zu nehmen.
Marias Unfall mit Fahrerflucht stellt ihre kriselnde Ehe auf die Probe. Denn sie, die in ihrem Beruf von allen geliebte, hilfsbereite, einfühlsame Krankenschwester, möchte nicht als Mörderin aus dem Dorf gejagt werden. Er beginnt wieder Gefühle für sie zu entwickeln.
Ihr pubertierender Sohn zieht sich währenddessen immer weiter in die Welt der Videospiele zurück. Außerdem nimmt er seine Eltern bei ihren Gesprächen über den Unfall und ihre Schuld heimlich auf.
„Gnade“ ist kein leichter Film. Es ist sogar ein Film, der zu einem Verriss einlädt. So sind die Dialoge oft sehr spröde und wenn sich Niels und Maria am Küchentisch unterhalten, sind sie unerträglich gekünstelt. Es gibt zu viele Subplots, die im Nichts enden. Das Ende ist eher seltsam als befriedigend. Vor allem aus psychologischer Sicht. Die von Glasner und seinem Autor Kim Fupz Aakeson (u. a. „Kleiner Soldat“, „Ein Mann von Welt“, „Eine Familie“, „Perfect Sense“) verfochtene Moral ist nicht besonders einleuchtend. Und mit über zwei Stunden ist der Film arg lang geraten.
Aber trotzdem hat mir „Gnade“ gefallen. Da sind einmal die Bilder von Hammerfest, einer Gegend, in der ich keine fünf Minuten bleiben möchte, die aber auf der großen Leinwand atemberaubend sind. Dann ist da die Wucht der Inszenierung, die Schauspieler und die konsequente Behandlung seines Themas: der Frage nach Schuld und Sühne, nach Vergebung und Gnade. Denn die Charaktere verhalten sich immer wieder, ohne Erklärung, konträr zu ihrem Charakter und ihrem vorherigen Verhalten. So verlässt die Geliebte Niels freiwillig und erpresst ihn nicht mit ihrem Wissen über die Fahrerflucht. Der Sohn, der sich im Lauf des Films fast zum idealtypischen Psychopathen entwickelt, benutzt die Videoaufnahmen nicht gegen seine Eltern, Niels kehrt, nach dem tödlichen Unfall, wieder zu seiner Frau zurück und als Niels und Maria den Eltern des toten Mädchens die Tat beichten, sind diese zuerst ratlos, aber Monate später, während der gemeinsamen Feier der Mittsommernacht nimmt Markus sie mit seiner Kamera auf, wie sie friedlich nebeneinander feiern.
All das zeigt Matthias Glasner mit einem Blick, der eher ein düsteres Ende erwarten lässt. Aber bei „Gnade“ geht es immer wieder um Vergebung und nie um Rache, allerdings ohne jeglichen süßlichen Schmelz oder religiöse Überhöhung, den wir aus anderen Filmen kennen.
Plakativ ist „Gnade“ nur in seinen Landschaftsaufnahmen. Der Rest ist, wie Michael Hanekes „Liebe“ eine Anregung zur Diskussion mit einigen schwerverdaulichen Thesen.
Gnade (Deutschland/Norwegen 2012)
Regie: Matthias Glasner
Drehbuch: Kim Fupz Aakeson
mit Jürgen Vogel, Birgit Minichmayr,Henry Stange, Anne Dahl Torp, Maria Bock, Stig Henrik Hoff, Iren Reppen
November 1968: George (Warren Beatty) ist der Friseur der Schönen von Beverly Hills. Denn er befriedigt nicht nur ihre Wünsche nach einer neuen Frisur, sondern auch ihre sexuellen Wünsche. Sein Leben ist angenehm sorglos, bis er zu einer Nixon-Wahlparty eingeladen wird.
Eine extrem selten gezeigte Gesellschaftssatire von „Harold und Maude“-Regisseur Hal Ashby, die damals ein Publikums- und Kritikererfolg war. Als ich sie als Teenager sah, war ich enttäuscht, aber vielleicht habe ich den Film damals auch einfach nicht verstanden.
„Eine zynisch-glatte Komödie, die sich psychologisch und politisch an der Oberfläche bewegt.“ (Lexikon des internationalen Films)
„Rechtzeitig zum Skandal der Watergate-Affäre kam auch dieser respektlose Streifen in die amerikanischen Kinos, der in ironischer Weise das phrasenhafte Parteiprogramm der Republikaner demaskierte…Die im amerikanischen Kino recht seltene Erscheinung, selbstkritisch mit den politischen Zuständen umzugehen, erfuhr hier ein ungeahntes Publikumsinteresse. Bei seiner Erstauswertung hat ‚Shampoo‘ allein in den Vereinigten Staaten bereits über 60 Mio. Dollar eingespielt.“ (TV Spielfilm: Das große Filmlexikon)
Eine Preise gab es auch: nämlich, für das Drehbuch den Preis der Writers Guild of Amerika und den National Film Critics Award, einen Golden Globe als bester Spielfilm und Lee Grant erhielt einen Oscar als beste Nebendarstellerin. Das Drehbuch war auch für den Drehbuchoscar nominiert; „Hundstage“ erhielt ihn.
mit Warren Beatty, Julie Christie, Goldie Hawn, Lee Grant, Jack Warden, Tony Bill, Carrie Fisher (Spielfilmdebüt, danach wurde sie Prinzessin Leia), William Castle
So schlecht wie man nach dem Lesen von einigen Kritiken über den deutschen Thriller „Das Kind“ vermuten könnte, ist Zsolt Bács‘ Verfilmung des Bestsellers von Sebastian Fitzek nicht. In den USA wäre der Film einer dieser unzähligen Direct-to-DVD-Filme, die mit etlichen bekannten Namen aufwarten (oft zweite oder dritte Garde oder zuverlässige Nebendarsteller oder Stars auf dem absteigenden Ast), eine okaye Geschichte halbwegs zügig erzählen, mit Kameraschnickschnack einen höherwertigen Eindruck erzielen wollen und durchwachsene Besprechungen erhalten.
Dabei sind die Hauptprobleme von „Das Kind“ gerade im – aus kommerzieller Sicht sicher nicht unklugem – Schielen auf den internationalen Markt zu finden. Die Hauptdarsteller, wobei Eric Roberts der Bekannteste ist, sind aus den USA. Gedreht wurde in Englisch. Berlin wurde komplett anonymisiert. Roland Emmerich machte es in den achtziger Jahren genauso, aber seine Filme spielten in den USA oder im Weltall und nicht in Deutschland.
Und die Bilder wurden so lange nachbearbeitet, bis „Das Kind“ über weite Strecken zu einen Braun-Beige-Film wurde, der bevorzugt Nachts und in schlecht beleuchteten Räumen spielt. Im Presseheft sagt Bács, dass David-Finchers-Noir-Thriller „Sieben“ das stilistische Vorbild gewesen sei. Man sieht es. Leider.
Die Filmstory folgt der Buchstory: der zehnjähriger, todkranke Simon Sachs (Christian Trauemer) sagt dem Staranwalt Robert Stern (Eric Roberts), dass er vor fünfzehn Jahren einen Mann ermordete. In einem verfallenen Lagerhaus finden sie bei einer nächtlichen Erkundung mit Taschenlampen die Leiche. Kurz darauf erhält Stern eine DVD, auf der Bilder von seinem totgeglaubten Sohn und seiner als Geisel genommenen Ex-Frau sind. Der Erpresser will, dass Stern innerhalb von 24 Stunden (Warum so schnell? Keine Ahnung. Im Buch hatte er etwas mehr Zeit.) den Mörder der eben entdeckten Leiche findet.
Und der Junge sagt Stern, dass er noch weitere Morde begangen hat und in wenigen Tagen auf einer Brücke einen weiteren Mord begehen wird.
Während Sterns Suche nach dem Täter entdeckt er, dass die Toten zu einem Pädophilenring gehörten und die Polizei, verkörpert durch die Kommissare Martin Engler (Peter Greene) und seinen austauschbaren Adlatus Brandmann (Clemens Schick), halten ihn für den Serienmörder. Immerhin kennt er die Verstecke der Leichen und er ist auch am Tatort eines weiteren Mordes.
Aber während der Roman ein echter Pageturner ist, erscheint der Film immer wieder zugleich zäh und hastig. Denn nie wird sich die Zeit genommen, die Personen etwas genauer zu charakterisieren. Die Handlung soll es richten. Und die folgt der kalten Mechanik des Plots und dem Prinzip „Überraschung“, unter galanter Missachtung der Logik. Aber so bleiben auch alle Charaktere, eben weil sie viel zu dürftig und oberflächlich charakterisiert sind, austauschbare und blasse Marionetten des Plots. Einige Schauspieler überspielen das mit ihrer Präsenz, wobei die deutschen Schauspieler einen stärkeren und positiveren Eindruck hinterlassen als die amerikanischen Schauspieler.
Das sind Ben Becker als Zuhälter mit dem goldenen Herzen, Dieter Landuris als in einem Wohnwagen lebender, vorbestrafter Pädophiler (Okay, seine Aufgabe bestand darin, sich verprügeln zu lassen), Dieter Hallervorden und Daniela Ziegler als miteinander verheiratete Organisatoren eines Pädophilenrings. Ihnen gefielen offensichtlich ihre Rollen als liebender Onkel und als eiskalte Empfangsdame.Reiner Schöne als gläubiger Krankenhauspatient überzeugt einfach durch seine Präsenz. Er hat auch nur zwei etwas längere und zwei kurze Auftritte.
Eine echte Entdeckung ist Christian Traeumer, der den zehnjährigen Simon spielt.
Aber der Rest des US-Cast (yep, Traeumer ist Amerikaner) bleibt austauschbar.
Sunny Mabrey als Simons Krankenschwester und Peter Greene als angekränkelter Polizist (bis er von einem Unbekannten vor den Augen von Stern erschossen wird) hinterlassen keinen größeren Eindruck.
Und Eric Roberts, der große Star aus den USA, der seine Karriere mit einer Oscar- und Golden-Globe-Nominierung als bester Nebendarsteller in „Runaway Train“ begann, danach als kommender Star gehandelt wurde und seitdem, oft als Bösewicht, ein auskömmliches Leben als Nebendarsteller in A-Filmen und Haupt- und Nebendarsteller in unzähligen B-Pictures (und schlechter) gefunden hat, hat die Hauptrolle übernommen: den des erfolgreichen Anwalts, der ein Kotzbrocken ist und der immer noch seinem vor zehn Jahren als Baby verstorbenem Sohn hinterhertrauert. Doch er taugt – im Gegensatz zum Roman – weder als Identifikationsfigur noch als Sympathieträger. Die meiste Zeit ist er, weil Eric Roberts ihn so furchtbar übertrieben und uneinheitlich spielt, einfach nur unsympathisch und entsprechend egal ist er uns.
Dabei hätte man einige Probleme des Films schon lösen können, in dem man sich gerade am Anfang vom Buch gelöst hätte. Denn der Film und das Buch beginnen mit dem nächtlichen Treffen an der Lagerhalle und der Entdeckung der ersten Leiche. In dem Moment wissen wir noch nichts übe die einzelnen Charaktere, aber Stern, der von dem nächtlichen Treffen und der absurden Geschichte des Jungen genervt ist, kommt im Film gleich als Kotzbrocken, dem seine Mitmenschen egal sind, rüber.
Hier hätte man sich vorher einige Minuten nehmen sollen, um Stern als Charakter einzuführen. Zum Beispiel indem er vor Gericht einen Freispruch für einen Mandanten, vielleicht für den Zuhälter Andy Borchert (Ben Becker), erreicht, indem er Engler (Peter Greene) als unzuverlässigen Zeugen erscheinen lässt. Dann wäre Stern für uns ein brillanter Anwalt gewesen (wir haben ihn bei der Arbeit gesehen), der alles für seine Mandanten tut (aber keine Zeit für Kindereien hat). Wir hätten verstanden, warum Borchert ihm später so bereitwillig hilft (im Film wird irgendwann gesagt, dass sie sich von früheren Gerichtsverfahren kennen) und warum Engler ihn hasst.
Dafür hätte man die atmosphärischen, aber nur den Erzählfluss störenden, Berlin-Impressionen weglassen und ein weniger überhöhtes Berlin-Bild zeichnen können, das irgendwo zwischen Wiederbelebung der Weimarer Jahre (ich sage nur „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“; auch das Polizeirevier scheint sich seit damals nicht geändert zu haben) und Metropolen-Ortlosigkeit schwankt. Denn dieses Berlin soll, obwohl der Film in Berlin spielt, möglichst wenig nach Berlin aussehen.
Da, und auch bei der Wahl der Schauspieler, hätte man ruhig einen Blick nach Frankreich oder Skandinavien werfen können, die derzeit mit ihren Thrillern ein weltweites Publikum begeistern.
So erscheint „Das Kind“, mit Amerikanern, die Deutsche spielen, einem Dreh in Englisch und einem Berlin das konsequent amerikanisiert wurde, immer etwas displaced.
Aber dennoch hoffe ich, dass „Das Kind“ ein Erfolg wird, weil es bei uns im Kino so wenige Genrefilme gibt und der einzige Weg für mehr Genrefilme im Kino ist halt, dass die Leute sich diese Filme ansehen. Denn nur so werden die Produzenten weitere Genrefilme produzieren und auch die Filmförderungsanstalten (die das Projekt ablehnten, weil ja niemand deutsche Genrefilme sehen wolle) werden dann nicht nur Selbstfindungsdramen und Komödien, sondern auch Thriller fördern.
Das Kind (Deutschland 2012)
Regie: Zsolt Bács
Drehbuch: Zsolt Bács, Sebastian Fitzek, Brian Cordray
LV: Sebastian Fitzek: Das Kind, 2008
mit Eric Roberts, Christian Traeumer, Sunny Mabrey, Ben Becker, Peter Greene, Dieter Hallervorden, Daniela Ziegler, Clemens Schick, Reiner Schöne, Dieter Landuris, Luc Feit
Länge: 118 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Die Vorlage
Sebastian Fitzek: Das Kind
Droemer, 2008
400 Seiten
9,99 Euro (Knaur, Taschenbuch, mit Material zum Film)
Polizist Coleman jagt den Nachtclubbesitzer Simon, mit dem er befreundet ist und der Überfälle begeht. Zwischen den beiden Männern steht Simons Freund Cathy.
Nach „Der eiskalte Engel“ und „Vier im roten Kreis“ war „Der Chef“ die dritte Zusammenarbeit von Alain Delon und Jean-Pierre Melville und zum ersten Mal spielte Delon einen Polizisten. Aber weil es Melville in „Der Chef“ auch um die Austauschbarkeit von Gangstern und Polizisten ging, unterschied Delons Rolle sich kaum von seinen vorherigen Rollen als Gangster. Denn Melville räumt Coleman und Simon etwa gleich viel Leinwandzeit ein.
„Melvilles letzter Film (…) ist ein würdiger Abschluss im Werk eines seines Metiers und seiner Liebe zum Kino sicheren Ultra-Professionellen, der die düstersten und unheimlichsten, aber auch ästhetisch vollkommendsten und menschlichsten Filme schuf, die in Frankreich je gedreht worden sind.“ (Hans Gerhold: Un Flic in „Jean-Pierre Melville, Hanser Reihe Film 27, 1982)
„‘Un Flic’ ist vermutlich der kälteste Film Melvilles, und Alain Delon gelingt als Chef-Fahnder Edouard Coleman der Pariser Kriminalpolizei eine brillante Charakterstudie über die Einsamkeit und Isolation des professionellen Menschenjägers.“ (Wolfgang Schweiger: Der Polizeifilm, 1989)
Mit Alain Delon, Catherine Deneuve, Richard Crenna, Riccardo Cucciolla, Michel Conrad
Justin Kurzels Debütfilm „Die Morde von Snowtown“ ist ungefähr so angenehm wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung. Und dabei sehen wir von dem Morden wenig. Wir erfahren auch wenig über die Hintergründe. Jedenfalls über bestimmte Hintergründe. Denn „Die Morde von Snowtown“ basiert auf einer wahren Mordserie, die 1999 Australien schockierte und die deshalb dort nicht genauer erklärt werden muss.
Zwischen August 1992 und Mai 1999 brachten John Bunting, der Anführer der Gruppe, Robert Wagner, Mark Haydon, James Vlassakis, seine Mutter Elizabeth Harvey (die bei einem Mord mithalf) und Thomas Trevilyan (der von den anderen Bandenmitgliedern umgebracht wurde) zwölf Menschen um. Für elf dieser Taten wurden sie angeklagt und verurteilt. Die Öffentlichkeit war damals von der Bestialität der Taten geschockt. Erstaunlich war, dass die Serienmorde nicht von einem Einzeltäter, sondern von einer Gruppe begangen worden. Sie begründeten ihre Taten, zunehmend rudimentärer, mit dem Kampf gegen Kinderschänder, Homosexuelle und sonstige Schädlinge der Gesellschaft. Dabei wurden sie von ihrem Umfeld gedeckt, das die Taten tolerierte.
Einer der Polizisten von Snowtown, wo die Leichen, die an anderen Orten in Südaustralien ermordet wurden, in einem verlassenen Bankgewölbe gefunden wurden, sagte zum Fundort der Leichen: „Es war eine Szene aus meinem schlimmsten Alptraum.“
Die Filmemacher müssen das alles dem heimischen Publikum nicht erklären. Sie können sich sofort mit ihrer Interpretation der Morde beschäftigen. Die Gründe sehen sie vor allem in dem armen, perspektivlosem Leben der Mörder und in ihrem reaktionärem Umfeld. In dem verslumten Vorort, in dem nur Weiße leben, herrscht das archaische Recht des Stärkeren, das der introvertierte siebzehnjährige James ‚Jamie‘ Spyridon Vlassakis noch lernen muss. Als er und seine jüngeren Brüder von dem neuen Freund ihrer Mutter missbraucht werden, taucht John Bunting auf. Ihm gelingt es, die Schamgefühle der Jungen in Aktionen gegen den Pädophilen zu lenken, bis dieser das Viertel freiwillig verlässt. Danach beginnt der Neo-Nazi Bunting, der Pädophile und Homosexuelle inbrünstig hasst, Jamie in seinem Sinn zu erziehen, bis er ihn zu den von ihm und seinen Freunden verübten Morden mitnimmt.
Dabei werden die Opfer immer austauschbarer und, weil wir nichts über sie wissen, erscheinen die Morde noch grundloser, als sie es schon in der Realität waren. Auch über die anderen Täter erfahren wir so gut nichts.
Dafür zeichnet Justin Kurzel ein Milieu, das von Perspektivlosigkeit, der Abwesenheit einer moralischen Instanz, staatlicherr Macht, Zivilisation und Bildung gekennzeichnet ist. Es gibt nur das überwältigende Gefühl eines Gruppenzwanges, eines Hasses auf alles und alle andere und einer allumfassenden Verrohung. So soll Jamie John Buntings Hund umbringen und als Jamie zögert, erschießt John in seiner Küche seinen Hund. Später foltern und bringen sie, in ihrem Viertel, eines ihrer Opfer in einer Badewanne in einem bewohnten Familienhaus um.
„Die Morde von Snowton“ ist kein schöner Film, aber beeindruckend in seiner formalen Geschlossenheit und Düsternis, die eine ausweglose Welt zeigt, in der die Habenichtse Habenichtse bleiben. Das wird besonders in den letzten Minuten deutlich.
Allerdings ist genau das auch das große Problem von „Die Morde von Snowtown“. Keiner der Charaktere, auch nicht der ruhige Jamie, bietet sich als Identifikationsfigur an. Sie sind alle in verschiedenen Abstufungen ablehnenswert und ihr Schicksal ist uns herzlich egal.
Dagegen ist „Winter’s Bone“ ein Feelgood-Movie und ein Torture-Porn-Horrorfilm eine nette Abendunterhaltung. „Die Morde von Snowtown“ ist ein deprimierender Film über eine Serie sinnloser Morde.
Die Morde von Snowtown (Snowtown, Australien 2011)
Regie: Justin Kurzel
Drehbuch: Shaun Grant, Justin Kurzel
LV: Debi Marshall: Killing for Pleasure, 2006; Andrew McGarry: The Snowtown Murders, 2005
mit Daniel Henshall, Lucas Pittaway, Craig Coyne, Richard Green, Louise Harris
Seit Donnerstag läuft Oliver Stones durchwachsene Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ im Kino und wir können mit Don Winslows grandiosen Krimis „Zeit des Zorns“ und „Kings of Cool“ weiter in das Leben von Ben, Chon und O einsteigen.
„Zeit des Zorns“ ist die Vorlage für „Savages“ und der Roman erzählt im großen und ganzen auch die gleiche Geschichte: Ben und Chon sind Freunde und sie verkaufen in Laguna Beach, Kalifornien, im großen Stil selbst angebautes, supergutes Gras. Ben ist Buddhist, der einen Teil des Gewinns in Dritte-Welt-Hilfsprojekte investiert. Chon ist Ex-Navy-SEALS und er hat Baditude. O ist ihre gemeinsame Geliebte – und für die drei Freunde ist das kein Problem.
Ein Problem ist dagegen der Vorschlag des mexikanischen Baja-Kartells, das sich bei ihnen einkaufen möchte. Ben und Chon lehnen das Kooperationsangebot ab, das Kartell entführt O und, weil Ben und Chon O unbedingt zurück haben wollen und ein Probleme mit Befehlen haben, geraten die Dinge außer Kontrolle.
„Kings of Cool“ wird, durchaus zutreffend als Prequel zu „Zeit des Zorns“ angekündigt. Denn Don Winslow erzählt eine ältere Geschichte aus dem Leben von Ben, Chon und O, die sich bereits 2005 in Laguna Beach abspielte. Gleichzeitig geht er noch weiter in die Vergangenheit zurück und erzählt von den Eltern von Ben, Chon und O – und wie sich die Drogenszene und die Gegenkultur in Südkalifornien von den sechziger Jahren bis zur Gegenwart entwickelte. Dabei begegnen wir auch einigen Charakteren, wie Bobby Z und Frankie Machianno (aka Frankie Machine), denen Don Winslow bereits eigene Romane widmete. Hier haben sie nur das Fanherz erfreuenden Cameo-Auftritte. Gleichzeitig müssen sich die Charaktere, und das ist das Thema des Buches, immer zwischen ihrer biologischen und ihrer gewählten Familie, ihren Freunden, entscheiden.
Sprachlich hat Don Winslow zuletzt anscheinend eine gehörige Portion Ken Bruen gelesen. Denn seine Sätze sind noch knapper, sein Stil noch assoziativer und auch das Schriftbild erinnert manchmal, wenn er nur ein, zwei Worte in einer Zeile hat, eher an Lyrik als an einen Roman. Einige Szenen schreibt er auch im Stil eines Drehbuchs und die Geschichten entwickeln so einen richtigen Drive (die vielen kurzen, teils sogar sehr kurzen Kapitel helfen auch), der einen in die Geschichte hineinzieht und die mit ihrem schwarzen Humor und ihrem lakonischen Erzählgestus immer wieder sehr komisch ist.
Dabei skizziert Don Winslow, wie Elmore Leonard, die Charaktere in seinen knappen Beschreibungen und Dialogen so kurzweilig, dass wir ihnen stundenlang zuhören könnten, ohne groß auf die Handlung zu achten. Die ist nämlich gerade in „Zeit des Zorns“ eine Nebensache gegenüber der Sprache.
Beispiel gefällig?
Zufällig ausgewählt:
Tatsächlich trug er eins von diesen „Old Guys Rule“-T-Shirts, die völlig daneben sind, denn wenn alte Säcke wirklich das Sagen hätten, würden sie’s nicht auf billigen T-Shirts behaupten.
Sie würden’s einfach, na ja, sagen.
Das sind Typen, die soziale Medien nicht kapieren, weshalb Ben vermutet, dass die Zeiten, in denen sie was zu sagen hatten, genauso vergessen sind wie Compact Discs.
Obwohl beide Bücher unabhängig voneinander gelesen werden können, sollte man zuerst „Kings of Cool“ und dann „Zeit des Zorns“ lesen. Denn dann haben Ben, Chon, O, DEA-Agent Dennis Cain, Kartell-Killer Miguael Arroyo, genannt Lado, und Kartell-Chefin Elena Sanchez Lauter mehr Tiefe – und wir wissen, warum Chons Vater John senior, der Gründungsmitglied der Association war, einer Gruppe von Laguna Beach Boys, die mit dem Schmuggel von Marihuana reich wurden, und Chon sich, wenn sie sich zufällig auf der Straße begegnen, nur höflich begrüßen.
–
Don Winslow: Zeit des Zorns
(übersetzt von Conny Lösch)
Suhrkamp 2011
352 Seiten
9,99 Euro
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Originalausgabe
Savages
Simon & Schuster, New York, 2010
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Don Winslow: Kings of Cool
(übersetzt von Conny Lösch)
Suhrkamp, 2012
368 Seiten
19,95 Euro
–
Originalausgabe
The Kings of Cool
Simon & Schuster, New York, 2012
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Anfang November besucht Don Winslow für eine Tage Deutschland und stellt die „Kings of Cool“ in folgenden Städten vor
Largo Winch – Tödliches Erbe (F 2008, R.: Jérôme Salle)
Drehbuch: Jérôme Salle, Julien Rappenau
LV: Philippe Francq, Jean van Hamme: L’Héritier , 1990 (Der Erbe), Le Group W, 1991 (Gruppe W), O.P.A, 1992 (Der Coup), Business Blues, 1993 (Business Blues, alles Comics)
Largo Winch, der unbekannte Erbe des unglaublich reichen Nerio Winch, will herausfinden, wer Nerio umbrachte. Dabei legt er sich mit mächtigen Leuten an.
„Largo Winch – Tödliches Erbe“ knüpft gelungen an die eskapistischen Abenteuerfilme der Sechziger, wie „Abenteuer in Rio“ (L’homme de Rio, 1964) mit Jean-Paul Belmondo, an. Das ist, auch in der Inszenierung, in erster Linie gut gemachte Unterhaltung die mit einem lockeren Fausthieb die Bedenkenträger Logik und Realismus schlägt, ohne in Hollywood-Gigantonomie zu verfallen.
Als ob die normalen Teenager-Ängste nicht schon genug wären. Der 17-jährige Paul Roberts wird auch noch von Alpträumen über eine nahende Apokalypse heimgesucht und er kann die Geister von toten Menschen sehen. Zum Glück erzählt ihm Neil Valentine, dass er nicht verrückt ist, sondern über eine besondere Gabe verfügt und dass er sie im Dienste der „Angelics“, einer Art Orden, die gegen bestimmte Umtriebe der Geister kämpft, Nutzen müsse. Oh, und dass er, Paul, der Auserwählte sei und sie jetzt gegen die Geister kämpfen müssten, die Menschenfleisch essen und so wieder, gesegnet mit einem immensen Appetit, auf die Erde zurückkehren würden.
Selbstverständlich hält sich die Begeisterung von Paul für diese neue Aufgabe in überschaubaren Grenzen. Er hängt dann doch lieber mit seinem einzigen Freund Michael ‚Mac‘ Armstrong ab und führt mit ihm echte Nerd-Gespräche, lässt sich von seiner Schwester in aller Öffentlichkeit gnadenlos beleidigen und schmachtet Jay an, die ihr Herz für den verklemmten Paul entdeckt.
Gut, das klingt jetzt wahrscheinlich nach einer weiteren 08/15-Schulkomödie, aber „The Fades“ ist dann doch etwas ganz anderes. Es ist die geglückte Verbindung von Schuldrama, Horrorfilm (zwischen Geisterfilm- und Zombie-Horror, mit einem Schuss Weltuntergang) und Superheldenepos, garniert mit wohldosiertem Humor, im Rahmen einer sechsteiligen TV-Serie, die von der BBC produziert wurde und daher auch den Intellekt des Zuschauers auf unterhaltsame Art befriedigt.
Dass die Geschichte auf sympathische Weise in der Wirklichkeit geerdet ist und die Charaktere glaubwürdig sind, muss wohl nicht extra erwähnt werden.
Es gibt nur einen Wermutstropfen, der eigentlich ein ganzes Fass ist: nach dem furiosen Showdown in der sechsten Episode kündigt sich am Horizont neues Unheil an. Paul hat zwar John (aka der Geist Polus), der zufällig einen Weg entdeckte, wie die Fades wieder zu Menschen werden können und der sich für erlittenes Unrecht rächen will, besiegt, aber er hat damit anscheinend etwas viel schlimmeres ausgelöst und wir werden nie erfahren, was Autor Jack Thorne sich für die zweite Staffel ausdachte, weil, trotz guter Quote und Preisen, wie dem BAFTA als beste dramatische Serie, die BBC keine zweite Staffel bestellte. „The Fades“ war dann, im Rahmen des allgemeinen Spardiktats, doch zu teuer und hatte ein zu altes Publikum. Das anvisierte Zielpublikum bei BBC 3, wo „The Fades“ lief, liegt zwischen 16 und 34 Jahren.
The Fades (The Fades, GB 2011)
Regie: Farren Blackburn, Tom Shankland
Drehbuch: Jack Thorne
mit Ian De Caestecker, Daniel Kaluuya, Johnny Harris, Natalie Dormer, Lily Loveless, Tom Ellis, Daniela Nardini, Sophie Wu, Joe Dempsey
–
DVD
Edel
Bild: 16:9 (PAL)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: –
Bonusmaterial (57 Minuten): Extra Szenen, Unveröffentlichte Szenen, Interview mit Mac, Hinter den Kulissen, Outtakes
Während die Macher von „Nairobi Half Life“ (toller Gangsterfilm) und „Die Wand“ (bebildertes Hörspiel eines Romans) noch aus dem Koffer leben, packen die nächsten schon ihre Koffer.
Ingenieur Niels (Jürgen Vogel) ist mit seiner Frau und seinen Sohn nach Hammerfest gezogen, weil er dort mit ihnen ein neues Leben beginnen will. Als seine Frau nachts zufällig ein Mädchen überfährt (was sie erst am nächsten Tag erfährt) und Fahrerflucht begeht, wird ihre eh schon kriselnde Ehe auf die Probe gestellt.
Mir hat der Film, obwohl ich einiges zu bemängeln habe (wie arg gruselig-hölzerne Dialoge, im Nirgendwo endende Subplots, ein seltsames Ende), gefallen. Lag vielleicht auch an der Landschaft, in der ich keine fünf Minuten bleiben möchte, aber im warmen Kinosaal ist es etwas anderes.
Jedenfalls, wenn sie mit den Machern über eisige Landschaften. Beziehungen und Gnade reden wollen:
Berlin: 15.10. um 20:00 Uhr, Kino International mit Birgit Minichmayr, Jürgen Vogel, Matthias Glasner und Kristine Knudsen
Leipzig: 16.10. um 18:30 Uhr, Passage Kinos mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Lübeck: 16.10. um 20:00 Uhr, Filmhaus mit Produzentin Kristine Knudsen
Dresden: 16.10. um 20:45 Uhr, Programmkino Ost mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Hannover: 17.10. um 18:30 Uhr, Kino am Raschplatz mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Bremen: 17.10. um 21:00 Uhr, Schauburg mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Bielefeld: 18.10. um 18:30 Uhr, Lichtwerk mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Münster: 18.10. um 20:45 Uhr, Cinema mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Düsseldorf: 19.10. um 19:00 Uhr, Metropol mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Köln: 19.10. um 20:45 Uhr, Odeon mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Frankfurt: 20.10. um 18:30 Uhr, Harmonie Kinos mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Heidelberg: 20.10. um 20:15 Uhr, Gloria Kino mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Mannheim: 21.10. um 11:00 Uhr, Atlantis mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Freiburg: 21.10. um 15:00 Uhr, Friedrichsbau mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
Stuttgart: 21.10. um 19:30 Uhr, Atelier am Bollwerk mit Jürgen Vogel & Matthias Glasner
München: 22.10. um 20:00 Uhr, City Kinos mit Birgit Minichmayr & Matthias Glasner
Der reguläre Kinostart ist am 18. Oktober.
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„Das Kind“ ist die Verfilmung eines Bestsellers von Sebastian Fitzek. In dem Thriller behauptet ein Kind, dass es ein Serienmörder sei. Anwalt Robert Stern (Eric Roberts) hält das aus nachvollziehbaren Gründen (Ein Zehnjähriger soll vor 15 Jahren einen Mord begangen haben? Vergiss es.) für Unfug. Aber dann überprüft er die Behauptungen des Jungen. Sie stimmen. Und das ist erst der Anfang für einige höllisch spannende Stunden. Jedenfalls wenn man Fitzeks Thriller liest. Denn die Kritiken, die ich bisher gelesen habe, sind verheerend.
Doch das sollte einen nicht daran hindern, das Kino zu besuchen, wenn Sebastian Fitzek anwesend ist. Denn er wird sicher einige Anekdoten erzählen. Die Daten der „Das Kind“-Kinotour mit Regisseur Zsolt Bács und Sebastian Fitzek (alphabetisch nach Städten sortiert)
Berlin – Cinemaxx Potsdamer Platz – Mittwoch, 17. Oktober
Bochum – UCI – Freitag, 19. Oktober
Bremen – Cinespace – Samstag, 20. Oktober
Dortmund – Cinestar – Freitag, 19. Oktober
Düsseldorf – UFA – Donnerstag, 18. Oktober
Essen – Cinemaxx – Freitag, 19. Oktober
Frankfurt – Cinestar Metropolis – Montag, 15. Oktober
Hamburg – UCI Mundsburg – Samstag, 20. Oktober
Hannover – Cinemaxx Raschplatz – Samstag, 20. Oktober
Köln Hürth – UCI – Donnerstag, 18. Oktober
Mannheim – Cineplex – Dienstag, 16. Oktober
Marburg – Cineplex – Montag, 15. Oktober
München – Neues Rottmann – Sonntag, 21. Oktober
Nürnberg – Cinecitta – Sonntag, 21. Oktober
Oberhausen – Cinestar – Donnerstag, 18. Oktober
Schweinfurt – Filmwelt – Sonntag, 21. Oktober
Stuttgart – UFA – Dienstag, 16. Oktober
Der reguläre Kinostart ist ebenfalls am 18. Oktober.
Vor einigen Tagen erschien auch Fitzeks neuester Thriller „Abgeschnitten“, den er zusammen mit Michael Tsokos, dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Charité und des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin, schrieb.
Die Buchpremiere (noch nicht online) war sehr kurzweilig und sehr informativ. Bis dahin kann man sich die Herren Fitzek und Tsokos beim Essen und Reden ansehen:
Jeremiah Johnson (USA 1972, R.: Sydney Pollack)
Drehbuch: John Milius, Edward Anhalt
LV: Vardis Fisher: Mountain Man (1965), Raymond W. Thorp, Robert Bunker: Crow Killer: The Saga of Liver-Eating Johnson (1958, 1969)
Um 1850 zieht Exsoldat Jeremiah Johnson sich aus der Zivilisation in die Berge zurück. Doch auch dort findet er nicht seinen Seelenfrieden.
„Pollack setzt in seinem Film auf ruhige, meditative Bilder und arbeitet mit langsamen Panoramaschwenks und Überblendungen. Im Mittelpunkt steht die Schilderung der einsamen Bergwelt von Utah, deren überwältigende Schönheit zugleich auch als bedrohlich und lebensfeindlich gezeigt wird. Es ist eine archaische Welt des Auge-um-Auge, in die Jeremiah geht. Die Winter scheinen in diesen Bergen nie zu vergehen, und diese ewigen Winter betonen die selbstgewählte Isoliertheit der Protagonisten.“ (Peter Ruckriegel, in Bernd Kiefer/Norbert Grob [Hrsg.]: Filmgenres Western)
Leonard Cohen Bird on a Wire (GB 1974, R.: Tony Palmer)
Drehbuch: Tony Palmer
Tony Palmer dokumentierte die 1972er Europa-Tour von Leonard Cohen. Die Backstage-Bilder nehmen dabei einen großen Teil des Films ein, der ein ungeschminktes Bild von Leonard Cohen und dem Tourleben zeigt.
Die ursprüngliche Fassung der Doku wurde damals nur wenigen Leuten gezeigt. Danach versuchte Leonard Cohen, dem der Film nicht gefiel, eine eigene Version zu erstellen. Palmers Version galt lange Zeit als verschollen und wurde erst 2010 wieder gezeigt und auf DVD veröffentlicht.
mit Leonard Cohen, Ron Cornelius, Bob Johnston, Peter Marshal, David O’Connor, Jennifer Warnes, Donna Washburn
Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula (USA 1990, R.: David Lynch)
Drehbuch: David Lynch
LV: Barry Gifford: Wild at Heart: The Story of Sailor and Lula, 1984
Sailor und Lula flüchten vor einem Detektiv und einem Killer, die beide im Auftrag von Lulas durchgeknallter Mutter reinen Tisch machen sollen. Und dann treffen sie auf den Gangster Bobby Peru und dessen Komplizin Perdita Durango.
Lynchs wildes Roadmovie, ausgezeichnet mit der Goldenen Palme in Cannes, ist ein hemmungslos übertriebener Trip durch einen Alptraum namens Amerika. Ein Meisterwerk.
Barry Gifford schrieb später das Drehbuch für den Lynch-Film „Lost Highway”. Außerdem publizierte er neben seinen Romanen, wie „Perdita Durango“, lesenswerte Sachbücher, wie „Out of the past“ über den Film Noir.
Mit Nicolas Cage, Laura Dern, Diane Ladd, Willem Dafoe, Isabella Rossellini, Harry Dean Stanton, Crispin Glover
„Savages“ ist kein wirklich schlechter Film, aber es ist ein enttäuschender Film. Immerhin hat Oliver Stone einen Kriminalroman von Don Winslow verfilmt und Don Winslow hat in den vergangenen Jahren eine faktengesättigte alternative Geschichte von Südkalifornien, Mexiko und dem blühenden, grenzüberschreitendem Drogengeschäft, dem „war on drugs“ und der Surferszene geschrieben. Auch in „Zeit des Zorns“ (Savages, 2010) geht es darum. Ben und Chon sind Erzeuger von erstklassigem Marihuana, das sie in Laguna Beach an eine entsprechend vermögende Kundschaft verkaufen. Ben investiert einen Teil seines so erwirtschafteten Vermögens in Dritte-Welt-Hilsprojekte und bei Konflikten bevorzugt er den friedlichen Weg zwischen Ghandi und Buddhismus. Chon ist das Gegenteil. Als Ex-Navy-SEAL löst er Konflikte lieber anders. Trotzdem sind sie die besten Freunde und sie teilen sich auch eine Freundin. O, eigentlich Ophelia, ist ein wahrer Sonnenschein, deren Lebenserfüllung im Einkaufen besteht und die, im Gegensatz zu ihrer Mutter, stolz auf ihren kleinen Busen ist.
Für Ben, Chon und O läuft alles bestens, bis das Baja-Kartell ihnen ein Angebot macht, das sie als Nimm-an-oder-stirb-Offerte nicht ausschlagen sollten. Trotzdem lehnen sie das Beteiligungsangebot ab. Statt zu expandieren, wollen sie sich aus dem Drogengeschäft zurückziehen. Weil so aber auch ihr erstklassiger Stoff, an dem das Kartell interessiert ist, vom Markt verschwinden würde, entführen sie O.
Und das lassen die beiden Jungs sich nicht gefallen.
Noch bevor Don Winslows „Savages“ in den USA veröffentlicht wurde, sicherte Oliver Stone sich die Rechte und machte sich, mit Don Winslow und Shane Salerno („Armageddon – Das jüngste Gericht“, „Shaft – Noch Fragen?“) an die Arbeit. Genau, der Oliver Stone, der uns in „Platoon“ den Vietnamkrieg erklärte, in „JFK – Tatort Dallas“ die Ermordung Kennedys aufklärte, die Drehbücher für „12 Uhr nachts – Midnight Express“, „Scarface“, „Im Jahr des Drachen“ und „8 Millionen Wege zu sterben“, alles Thriller in denen es um Drogenhandel ging, schrieb, mit „Salvador“ einen Ausflug nach Südamerika machte und der in den vergangenen Jahren mehrere Dokumentarfilme über die Gegend „South of the Border“ (so hieß auch eine seiner Dokus) machte, in denen er die Unwissenheit der US-Amerikaner über Südamerika anprangerte.
Auf dem Papier sah das nach einer Ehe zweier Geistesverwandter aus. Obwohl Oliver Stone eher von einem missionarischem Eifer getrieben ist, der seine Filme oft so kontrovers, teilweise ärgerlich und deshalb auch spannend macht. Er ist ein Mann mit einer Agenda, die er stolz in die Welt brüllt.
Don Winslow ist – das Gegenteil. Seine Wut ist gezähmter. Dafür durchtränkt er seine schnörkellos erzählten Genregeschichten mit einem schwarzen Humor, der gleichmäßig gegen alle austeilt, und in denen das Bild einer Gesellschaft entsteht, die sich in ihren Widersprüchen gut eingerichtet hat. Jedenfalls heute. Früher war das etwas anders, wie er in dem eben erschienen grandiosen Roman „Kings of Cool“, in dem er die Vorgeschichte von „Zeit des Zorns“ erzählt und dabei bis in die sechziger Jahre zurückgeht.
Aber anstatt ein zweites „Scarface“ zu inszenieren oder eine große Anklage gegen den „war on drugs“ zu fahren, begnügt Oliver Stone sich in seiner Don-Winslow-Verfilmung mit dem braven heruntererzählen einer kleinen Gangstergeschichte, der die individuelle Oliver-Stone-Handschrift fehlt und die früher in neunzig Minuten erzählt worden wäre. Stone braucht, auch weil die Geschichte am Anfang und in der Mitte mit ihren vielen Subplots unglaublich lange vor sich hin mäandert, über zwei Stunden und er trifft dabei niemals den lakonischen Don-Winslow-Tonfall. Dafür lässt er die Geschichte von O erzählen, verändert etliche Details (so gibt es mehrere helfende Navy-Seals-Freunde von Chon und auch der Kampf von Ben und Chon gegen das Baja-Kartell verläuft anders) und er bietet am Filmende zwei Enden an. Eines davon hat er aus dem Buch übernommen – und, auch wenn Stones Ende nicht schlecht ist, zeigt gerade dieser Kunstgriff mit einem erfundenem und einem wahren Ende, dass er sich nie sicher war, wie er mit der Geschichte umgehen sollte. Außerdem bedient er in „Savages“ die gängigen Südamerika-Klischees von Armut und Drogenhandel, wonach alle Mexikaner Drogenschmuggler oder bestialische Mörder sind. Dieses arg plakatives Bild erstaunt gerade bei Oliver Stone, der es aufgrund seiner früheren Arbeiten besser wissen müsste.
„Savages“ ist kein wirklich schlechter Film. Es ist ein absolut okayer, gut besetzter Noir-Thriller, vor sonniger Kulisse, mit Gangstern, die sich gegenseitig verraten und umbringen.
Es ist aber auch ein Film, der weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und selbstverständlich ist Don Winslows Roman „Zeit des Zorns“, wegen seiner Baditude, viel besser.
Savages (Savages, USA 2012)
Regie: Oliver Stone
Drehbuch: Shane Salerno, Don Winslow, Oliver Stone
LV: Don Winslow: Savages, 2010 (Zeit des Zorns)
mit Aaron Taylor-Johnson, Blake Lively, Taylor Kitsch, Benicio Del Toro, Salma Hayek, John Travolta, Demián Bichir, Shea Whigham, Sandra Echeverria, Emile irsch