Nach der gar nicht so schlechten Computerspielverfilmung „Warcraft: The Beginning“ von Duncan Jones, die vor einem halben Jahr in den Kinos lief, schien der Bann, dass Computerspiele die Grundlage für schlechte Filme sind, gebrochen zu sein. Justin Kurzels „Assassin’s Creed“ sollte die nächste gute Computerspielverfilmung werden.
Mit einem mehr als ordentlichem Budget von 125 Millionen US-Dollar (frühere Zahlen waren teilweise deutlich höher), einem Regisseur, dessen bisherige Werke Kritikererfolge waren und der mit seinem „Macbeth“-Team (vor und hinter der Kamera) „Assassin’s Creed“ inszenieren durfte, und einer Top-Besetzung (Michael Fassbender, Marion Cotillard [beide „Macbeth“], Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael K. Williams) standen die Zeichen äußerst günstig für eine gute Spieleverfilmung, die Fans des Spiels und Filmfans gefallen könnte. Immerhin wurde der Film, unter anderem, von dem „Assassin’s Creed“-Spielehersteller Ubisoft, die sich anscheinend auf dem „Marvel“-Weg sahen, und Hauptdarsteller Michael Fassbender produziert. Er war vorher Executive Producer des schönen Western „Slow West“.
Er spielt Cal Lynch, einen aus den bisherigen „Assassin’s Creed“-Computerspielen unbekannten Charakter. Lynch ist ein zum Tod Verurteilter (warum und weshalb wird vielleicht in einem Extended Cut erklärt), der nach seinem Tod in einem pompösen Forschungslabor/Krankenhaus/Gefängnis von Abstergo Industries mit Erinnerungen von Aguilar de Nerha gefüttert wird. De Nerha war im 15. Jahrhundert in Spanien ein Mitglied der Assassinen. Sie kämpfen gegen die Tempelritter um den aus der Bibel bekannten „Apfel von Eden“, der in dem Film wirklich ein Apfel und der klassische, in diesem Fall mit Scheinbedeutung hoffnungslos überladene MacGuffin ist. Dabei hätte man aus der hinter dem Apfel der Erkenntnis stehenden Idee wirklich etwas machen können.
Denn in der Filmlesart steht der Apfel als Symbol des freien Willens für Mord und Totschlag, Chaos und Anarchie. Die Tempelritter wollen die Menschheit davor beschützen. Und damit stellt sich die Frage, ob die im Film bösen Tempelritter nicht in Wahrheit die Guten sind.
Aber an solchen philosophischen Diskursen hatten die Macher kein Interesse.
Stattdessen gibt es, wenn nicht gerade endlos irgendetwas erklärt wird, unzusammenhängende Kampfszenen, in denen meistens unklar ist, wie die Leute in die Situation kamen und worum es geht. Außer dem Offensichtlichstem, wie „Kind retten“ oder „Apfel klauen“. Und halt Mord und Totschlag, Chaos und humorlose Endloskloppereien und Verfolgungsjagden.
Diese Szenen sind, auch wenn sie nicht gerade im Mittelalter und parallel in der Gegenwart spielen (Lynch spielt die Erinnerungen seines Urahnen nach), so konfus inszeniert, dass man zwischen wild entfesselter Kamera, Sekundenschnitten und 3D-Pixelgewitter jeden Überblick verliert. Entsprechend gelangweilt folgt man den Kämpfen von schwarz gekleideten Menschen, die mit anderen schwarz gekleideten Menschen kämpfen und über Dächer flüchten oder auf Dächern bedeutungsschwanger warten, weil Menschen auf Dächern immer wichtig aussehen.
In diesen Momenten sieht man, dass Justin Kurzel sich stilistisch an seiner optisch beeindruckenden Shakespeare-Verfilmung „Macbeth“ orientiert. „Macbeth“-Kameramann Adam Arkapaw half ihm dabei. Die erste Staffel von „True Detective“ und „The Light between Oceans“ (ebenfalls mit Michael Fassbender) gehen ebenfalls auf sein Konto.
Aber was in „Macbeth“ bildgewaltig und entsprechend beeindruckend ist, versumpft in „Assassin’s Creed“ – jedenfalls in der von mir gesehenen Vorführung – in viel zu dunklen Bildern und schlechtem 3D, das in dieser Form schon lange Vergangenheit sein sollte.
Dazu kommt eine wirre und konfuse Story, die Nicht-Kenner des Spiels ratlos zurücklässt. Über lose Enden, Logiklöcher und Unplausibilitäten muss hier nicht gesprochen werden. Denn all das setzt ein Mindestmaß an Plausibilität und Nachvollziehbarkeit voraus. „Assassin’s Creed“ ist dagegen nur eine Ansammlung von unzusammenhängenden Szenen, die vielleicht für die Kenner des Spiels verständlich sind.
Für alle anderen ist „Assassin’s Creed“ in jeder Beziehung Zeitverschwendung.
Assassin’s Creed (Assassin’s Creed, USA 2016)
Regie: Justin Kurzel
Drehbuch: Michael Lesslie, Adam Cooper, Bill Collage
mit Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael K. Williams, Ariane Labed, Matias Varela, Denis Menochet
Länge: 116 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Assassin’s Creed“
Metacritic über „Assassin’s Creed“
Rotten Tomatoes über „Assassin’s Creed“
Wikipedia über „Assassin’s Creed“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Justin Kurzels „Die Morde von Snowtown“ (Snowtown, Australien 2011)
Meine Besprechung von Justin Kurzels „Macbeth“ (Macbeth,Großbritannien 2015)
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Cast und Crew stellen den Film vor