Neu im Kino/Filmkritik: „Eternity“ – die Liebe im Wartesaal der Ewigkeit

Dezember 4, 2025

Leicht desorientiert erwacht Larry Cutler (Miles Teller) in einem Nahverkehrszug, der ihn in eine riesige Wartehalle befördert, die auch Shopping-Mall, Hotel und Messe ist. Schnell wird ihm von seiner persönlichen Jenseits-Koordinatorin erklärt, dass er tot ist, in dem Alter materialisiert wurde, in dem er am glücklichsten war und sich jetzt entscheiden müsse, in welcher Welt er sein künftiges Leben verbringen will. Also beispielsweise einer Strandwelt mit immerwährenden Sonnenuntergängen oder einer unberührten Bergwelt oder einem Handwerkerparadies. Oder eine…Naa, ihr dürftet das Prinzip verstanden haben. Es ist ein perfektes System mit zwei Nachteilen: der eine ist, dass ein Wechsel in eine andere Welt nicht möglich ist. Der andere ist, dass es keine Garantie gibt, dass eine über alles geliebte Person, mit der man bis zum Ende der Welt zusammen sein möchte, die gleiche Welt wählt.

Deshalb beschließt er auf seine Frau Joan (Elizabeth Olsen) zu warten. Dann können sie gemeinsam entscheiden, in welche Welt sie reisen wollen.

Während der Wartezeit trifft er auf Luke (Callum Turner). Der wie ein Hollywoodstar aussehende Barkeeper ist Joans erste große Liebe. Vor 67 Jahren starb er als Soldat im Koreakrieg im Gefecht. Seitdem wartet er auf sie und will bis in alle Ewigkeit mit ihr zusammen sein.

Als Joan in der Wartehalle ankommt, trifft sie auf die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben. Sie muss sich jetzt entscheiden, ob sie die Zukunft lieber allein oder mit ihrer ersten großen und seitdem verklärten Liebe oder mit dem Mann mit dem sie Jahrzehnte glücklich verheiratet war und Kinder hatte, verbringen will.

Eternity“ von David Freyne ist eine RomCom mit einem schön gezeichnetem ungewöhnlichem Setting. In dieses Setting, das aus einer schicken Sixties-Retro-Welt und pointiert an Messeständen gezeichneten Ideen für verschiedene Welten besteht, wurde viel kreative Energie gesteckt. Die Dialoge sind witzig und die gute Besetzung ist angenehm spielfreudig.

Sobald man die Wartehalle erkundet hat und die von den Jenseits-Koordinatoren erklärten Regeln verstanden hat (die mal mehr, mal weniger stringent befolgt werden und die mal mehr, mal weniger sinnvoll sind), fällt auf, wie erschreckend konventionell die Geschichte ist. Ohne das Setting wäre „Eternity“ nur eine weitere 08/15-RomCom mit der konservativsten denkbaren und vorhersehbarsten Lösung. Als wären wir immer noch in den Fünfzigern.

Da hilft dann auch nicht das Auftauchen einer Nachbarin von Larry und Joan, die als gut gelaunte ältere Dame in der Wartehalle auftaucht.

Eternity (Eternity, USA 2025)

Regie: David Freyne

Drehbuch: Pat Cunnane, David Freyne

mit Miles Teller, Elizabeth Olsen, Callum Turner, Barry Primus, Betty Buckley, Da’Vine Joy Randolph, John Early, Olga Merediz

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 12 Jahre 

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Eternity“

Metacritic über „Eternity“

Rotten Tomatoes über „Eternity“

Wikipedia über „Eternity“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Wenn der „Imaginary“ Freund ein böser Teddybär ist

März 14, 2024

Der neueste Streich aus dem Haus Blumhouse ist ein weiterer Horrorfilm, der, dank seines geringen Budgets, sein Geld einspielen und der konstant unter seinen Möglichkeiten bleibt. Dabei sieht die Traumwelt, das Niemals-Jemals, als blaugefärbtes Escher-Labyrinth mit unnatürlichen Bewohnern gut aus und ist, jenseits von Raum, Zeit und Logik, gut für einige überraschende Momente und Bilder. Diese sind vor allem im letzten Drittel des Films. In den ersten Minuten des Films gibt es auch einige Bilder aus dem Niemals-Jemals, die furchteinflößender sind, als alles, was in den folgenden neunzig Minuten passiert.

Zusammen mit ihrem neuen Ehemann, dem tourenden Musiker Max, und den beiden Stieftöchtern, der sechzehhnjährigen Taylor und ihrer jüngeren Schwester Alice zieht die Illustratorin und Kinderbuchautorin Jessica in ihr altes Vorstadt-Elternhaus. Während Jessica für ihr neues Buch Spinnenwesen zeichnet, versucht sie die Vorbehalte, die Taylor und Alice gegen sie haben, zu überwinden. Sie will eine gute Mutter für Max‘ Kinder sein.

Im Keller entdeckt Alice hinter einem Schrank und einer Tür, die einen in schönster Horrorfilm-Tradition anschreit „Nicht öffnen!“, einen Teddy. Sie nennt ihn Chauncey und macht ihn zu ihrem ständigen Begleiter. Der Teddy ist, wie der Titel „Imaginary“ andeutet, ein Imaginärer Freund. Das scheint es bei Kindern öfter zu geben. Auch wenn ich und die Kollegen, mit denen ich mich nach der Pressevorführung über den Film unterhielt, früher keinen Imaginären Freund hatten und niemand Kinder kannte, die einen solchen Imaginären Freund haben oder hatten.

Jedenfalls hat Alice jetzt so einen imaginären Freund, der zunehmend besitzergreifend, bedrohlich und gefährlich wird. Für Alice ist er ein realer Feind, den sie für einen Freund hält. Jessica versucht das Schlimmste zu verhindern – und jetzt kommt einer dieser abgeschmackten Sätze, der das Niveau des Films ziemlich genau beschreibt – um Alice zu retten, muss Jessica sich ihren Ängsten und ihrer Vergangenheit stellen. Denn Chauncey war auch ihr Imaginärer Freund/Feind.

Imaginary“ ist auch für den geneigten, jeden Schund akzeptierenden Horrorfilmfan Graubrot. Eine dämonische Puppe und aus der Vergangenheit zurückkehrende böse Geister sind nichts neues im Genre und die meisten Filme mit besessenen Puppen, die in den letzten Jahren im Kino liefen, waren nicht besonders gut. Das gilt auch für „Imaginary“. Die Story recycled vertraute Figuren und Handlungselemente aus älteren Filmen. Die Handlung beschränkt sich budgetschonend weitgehend auf einen Schauplatz und eine Niemals-Jemals-Fantasiewelt, die aus im Studio errichteten alptraumhaften Wänden und Türen besteht. Der Cast besteht aus einer vierköpfigen Familie und einige kurzen Gastauftritten. Die Größe des Casts gibt dem Horrorfilmfan dann auch schon einen Hinweis auf die Zahl der Toten. Es werden nicht viele sein, die einen schrecklichen Horrorfilmtod erleiden könnten.

Immerhin ist „Imaginary“, dank des Verzichts auf eine wackelige Wackelkamera, professionell gefilmt.

Imaginary (Imaginary, USA 2024)

Regie: Jeff Wadlow

Drehbuch: Greg Erb, Jason Oremland, Jeff Wadlow

mit DeWanda Wise, Tom Payne, Taegen Burns, Pyper Braun, Veronica Falcon, Betty Buckley

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Imaginary“

Metacritic über „Imaginary“

Rotten Tomatoes über „Imaginary“

Wikipedia über „Imaginary“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jeff Wadlows Mark-Millar-Verfilmung „Kick-Ass 2“ (Kick-Ass 2, USA 2013)


TV-Tipp für den 14. April: Split

April 14, 2019

Pro 7, 22.35

Split (Split, USA 2017)

Regie: M. Night Shyamalan

Drehbuch: M. Night Shyamalan

Die eigentliche Story – ein Irrer entführt Mädchen – bildet nur das Fundament für eine faszinierende schauspielerische Tour de Force für James McAvoy, der den Kidnapper spielt. In dem fiesen kleinen B-Thriller spielt er überzeugend acht absolut verschiedene Persönlichkeiten. Allein das macht den Psychothriller sehenswert.

Nach etlichen Misserfolgen hatte „The Sixth Sense“-Regisseur M. Night Shyamalan „Split“ wieder einen Hit. Nach dem Kinostart von „Split“ erklärte er, dass „Split“ der Mittelteil einer Trilogie sei, die mit „Unbreakable“ begann und 2019 mit „Glass“ nicht besonders überzeugend endete.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley, Haley Lu Richardson, Jessica Sula, Brad William Henke, Sebastian Arcelus, Neal Huff, Bruce Willis (Cameo am Ende)

Wiederholung: Montag, 15. April, 02.50 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Split“

Metacritic über „Split“

Rotten Tomatoes über „Split“

Wikipedia über „Split“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von M. Night Shyamalans „After Earth“ (After Earth, USA 2013)

Meine Besprechung von M. Night Shyamalans „Split“ (Split, USA 2017)

Meine Besprechung von M. Night Shyamalans „Glass“ (Glass, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: James McAvoy ist „Split“

Januar 27, 2017

Auf einem Shopping-Mall-Parkplatz steigt Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) in ein Auto ein und betäubt die drei in ihm sitzenden Schülerinnen. In einem Zimmer wachen Casey (Anya Taylor-Joy), Marcia (Jessica Sula) und Claire (Haley Lu Richardson) auf. Noch während sie überlegen, wie sie sich gegen ihren Entführer wehren und flüchten können, bemerken sie, dass der hochgradig gestört ist.

Seine Psychiaterin Dr. Fletcher (Betty Buckley) hat bis jetzt insgesamt dreiundzwanzig Persönlichkeiten (von denen wir im Film nur einige sehen) bei ihm diagnostiziert. Und mindestens eine weitere Persönlichkeit verbirgt Kevin vor ihr.

The Sixt Sense“- und „Unbreakable – Unzerbrechlich“-Regisseur M. Night Shyamalans neuer Film „Split“ entstand wie sein letzter Film „The Visit“ für Blumhouse Productions, die vor allem für ultrabillige Horrorfilme bekannt ist. Nachdem Shyamalans vorherige Film Flops waren, kam „The Visit“ bei der Kritik ganz gut an und spielte auch seine Kosten locker ein. Das wird bei seiner zweiten Zusammenarbeit mit Blumhouse Productions, der weitere folgen können, ebenfalls kein Problem sein. Schließlich konzentriert sich die Geschichte auf wenige Schauplätze und Schauspieler.

Split“ ist vor allem eine schauspielerische Leistungsschau für James McAvoy. Er spielt insgesamt acht verschiedene Persönlichkeiten, die alle mehr oder weniger verrückt sind, ohne sie zu Parodien zu machen. Eine von Kevins Persönlichkeiten ist ein Kind, eine andere eine Frau. Bedrohlich sind sie alle. Auch weil das Motiv und die Absichten von Kevin im Dunkeln bleiben.

Und trotzdem überzeugt „Split“ nicht restlos. Mit gut zwei Stunden Laufzeit ist das kleine B-Picture eine halbe Stunde zu lang geraten. Der Thriller ist nämlich in erster Linie eine Charakterstudie, in der James McAvoy brillieren kann. Die Story plätschert dagegen, gestreckt um Rückblenden in Caseys Kindheit und lange Analysen von Kevins Psychiaterin, die seinen Fall von massiver dissoziativer Identitätsstörung gerne der Wissenschaftler-Gemeinde vorstellen möchte, vor sich hin. Dabei bringen die Subplots, vor allem in der präsentierten epischen Länge, den Hauptplot nicht voran. Es sind schlecht integrierte Red Herrings. Auch das halb offene Ende des Films hat nicht die Qualität des Endes von „The Sixth Sense“ oder „Die üblichen Verdächtigen“. Da wollte man sich nach dem überraschenden Ende den Film gleich noch einmal ansehen, um all die beim ersten Mal übersehenen Hinweise auf die Lösung zu sehen. Das wird einem bei „Split“ nicht passieren.

Bis auf zwei Enthüllungen am Ende (einmal der Schauplatz, einmal ein Cameo), die der Geschichte eine neue Dimension verleihen können, erzählt Shyamalan in seinem neuesten Film nur die altvertraute Geschichte von dem Irren, der Mädchen entführt.

Das ist nicht schlecht und hat auch eine angenehm altmodische Ausstrahlung. Aber nur in wenigen Momenten erreicht „Split“ die verstörende Intensität alter B-Pictures, von denen Shyamalan sich inspirieren ließ.

split-plakat

Split (Split, USA 2017)

Regie: M. Night Shyamalan

Drehbuch: M. Night Shyamalan

mit James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley, Haley Lu Richardson, Jessica Sula, Brad William Henke, Sebastian Arcelus, Neal Huff

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Split“

Metacritic über „Split“

Rotten Tomatoes über „Split“

Wikipedia über „Split“ (deutsch, englisch) (VORSICHT Spoilergefahr!)

Meine Besprechung von M. Night Shyamalans „After Earth“ (After Earth, USA 2013)


TV-Tipp für den 29. Juni: Frantic

Juni 28, 2016

BR, 23.30

Frantic (USA/Frankreich 1988, Regie: Roman Polanski)

Drehbuch: Roman Polanski, Gérard Brach

Richard Walker will mit seiner Frau einige romantische Tage in Paris verbringen. Aber dann verschwindet sie plötzlich, die Polizisten kümmern sich nicht um die angebliche Entführung und Walker gerät auf der Suche nach seiner Frau in Teufels Küche.

Polanski auf den Spuren von Alfred Hitchcock. Unterhaltsam, wenn auch etwas blutleer.

„‘Frantic’ ist Modell und Archetyp des Thrillers. Jede Handlungssequenz ist dem Kinogänger wohlvertraut. Auf dieser Ebene bietet der Film absolut keine Überraschungen, läuft fast zu reibungslos, um wirkliches Interesse zu erregen. (…) Was ‘Frantic’ interessant macht, ist der ausschließlich subjektive Blickwinkel, der die Erzählstruktur beherrscht: derjenige Walkers nämlich, des Fremden in feindseliger Umgebung.“ (Fischer Film Almanach 1989)

mit Harrison Ford, Emmanuelle Seigner, Betty Buckley, Alexandra Stewart

HInweise

Rotten Tomatoes über „Frantic“

Wikipedia über “Frantic” (deutsch, englisch)

Die Zeit: Michael Althen über “Frantic” (26. August 1988)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “The Ghostwriter” (The Ghost Writer, Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “Venus im Pelz” (La Vénus á la Forrure, Frankreich/Polen 2013)