Neu im Kino/Filmkritik: „Honey don’t!“ – Ethan Coens zweiter Solo-Versuch in Sachen lesbischem B-Crime-Movie

September 11, 2025

Ein Noir aus dem Hause Coen. Mit einer Privatdetektivin als Heldin und bewusst die Hardboiled-Privatdetektiv-Tradition zitierend. Was kann da schon schiefgehen?

Nun, beginnen wir erst einmal mit einigen notwendigen Informationen. „Honey don’t!“ ist kein Film der Coen-Brüder, sondern der zweite Film der von Ethan Coen zusammen mit seiner Frau Tricia Cook geplanten lesbischen B-Movie-Trilogie. Sie lassen sich von alten Pulp-Geschichten und auch den Klassikern des Genres inspirieren und erzählen sie aus lesbischer Perspektive nach. Margaret Qualley übernahm wieder die Hauptrolle. Die vielversprechende Idee wurde schon in „Drive-Away Dolls“, dem ersten Film der Trilogie, schlecht umgesetzt. „Honey don’t!“ ist nicht besser, sondern sogar schlechter.

Es geht um die in Kalifornien in Bakersfield arbeitende offen lesbische Privatdetektivin Honey O’Donahue (Margaret Qualley), die mehr über den Tod eines Paares herausfinden will, das offensichtlich ermordet in einem verunglückten Auto gefunden wurde. Die Toten haben etwas mit einer geheimnisvollen, offensichtlich aus Europa kommenden Frau und dem öligen Reverend Drew Devlin (Chris Evans) zu tun. Devlin ist das Oberhaupt des zur Pfingstbewegung gehörenden „Four-Way Temple“. Diese Gemeinschaft ist keine traditionelle Glaubensgemeinschaft, sondern ein ihm auch sexuell höriger Kult und die Tarnung für verschiedene verbrecherische Aktivitäten. Neben dem den Film beginenden Autounfall, bei dem zwei Menschen starben, muss O’Donahue sich mit weiteren Fällen, teils beruflicher, teils privater Natur, herumschlagen. Außerdem beginnt sie eine Affäre mit Police Officer MG Falcone (Aubrey Plaza).

Viel mehr kann über die Story nicht verraten werden, weil sie ziemlich schnell in einer Unmenge nicht zusammenhängender Plots und Szenen zerfleddert. Die Ausgangsfrage wird schnell ignoriert. Ähnlich ergeht es den später begonnenen Plots. Das Ende ist die Conclusio eines vorher nicht erkennbaren Plots. Dazwischen gibt es slapstickhaft übertrieben blutige und auch mal tödliche Gewalt, viel Sex mit für eine US-Produktion erstaunlich viel nackter Haut und Witze, die nicht witzig sind.

Der größte Witz ist dabei, dass in „Honey don’t!“ die Rolle des hartgesottenen Privatdetektiv, die früher beispielsweise von Humphrey Bogart gespielt wurde, dieses Mal von einer Frau gespielt wird und dass diese Frau sexuell äußerst rege ist, jede Frau anbaggert und mit ihr Sex hat. Sie steht damit ihren männlichen Vorbildern in nichts nach. Allerdings kann sie Sätze sagen, die ein Mann in der gleichen Situation heute nicht mehr sagen kann; – falls er sie überhaupt jemals sagen konnte. Sie kann durch die Polizeistation gehen und lautstark verkünden: „I like girls!“.

Dass O’Donahue eine offen bekennende Lesbe ist, wäre vielleicht vor vierzig Jahren, als „Remington Steele“ im TV lief und Sara Paretsky und Sue Grafton den lesenden Krimifans ihre weiblichen Privatdetektive vorstellten, neu gewesen. Heute ist diese Idee nicht mehr neu oder provozierend. Schließlich gab es schon 2019 die ABC-TV-Serie „Stumptown“, in der die offen bisexuelle Privatdetektivin Dex Parios in Portland, Oregon, ihre Fälle löste. Greg Rucka erfand sie 2009 als Comicfigur.

Die von Coen und Cooke erfundene ‚Geschichte‘ erschöpft sich in einer beliebigen Aneinanderreihung von aus der Zeit gefallenen Klischees, garniert mit, als neuer Zutat, lesbischem Sex. Dabei demonstrieren Ethan Coen und Tricia Cooke ständig ihr Noir-Wissen, ohne es produktiv einzusetzten. Dass sie es können – Tricia Cooke arbeitet seit „Miller’s Crossing“ mit den Coens zusammen und ist seit 1993 mit Ethan verheiratet – bewiesen sie unter anderem in „Blood Simple“ (1984), „Raising Arizona“ (1987), „Miller’s Crossing“ (1990), „Barton Fink“ (1991), „Fargo“ (1996), „The Man Who Wasn’t There“ (2001) und „No Country for Old Men“ (2007).

Angesichts dieser Filmographie ist „Honey don’t!“ erschreckend misslungen. An dem langweiligem Debakel ändern auch eine gelungene Titelsequenz (einige halten sie für den besten Teil des Films), etliche für sich betrachtet durchaus gelungene Szenen, damit verbundene Zitate und Anspielungen, und die stilbewusste Ausstattung nichts.

Ethan Coens zweiter Solo-Spielfilm ist eine vollkommen verunglückte Noir-Pastiche, die schnell ihren Plot zugunsten einer weitgehend vollkommen beliebigen Zusammenstellung von Irgendetwas-mit-Kriminalfilm-Szenen aus dem Auge verliert und die nichts von der erzählerischen Meisterschaft der Filme der Coen-Brüder hat. Diese lesbische B-Moive-Noir-Komödie demonstriert nachdrücklich, wie wichtig die Zusammenarbeit von Joel und Ethan Coen für das gelingen ihrer Filme war.

Nach „Honey don’t!“ kann man nur hoffen, dass die beiden Brüder schnell wieder zusammen arbeiten. Auch wenn es davor noch den dritten und abschließenden Teil dieser B-Movie-Trilogie geben wird.

Honey don’t! (Honey don’t!, USA 2025)

Regie: Ethan Coen

Drehbuch: Ethan Coen, Tricia Cooke

mit Margaret Qualley, Aubrey Plaza, Chris Evans, Charlie Day, Kristen Connolly, Billy Eichner, Gabby Beans, Talia Ryder, Jacnier, Don Swayze, Josh Pafchek, Lena Hall, Lera Abova, Kale Browne

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Honey don’t!“

Metacritic über „Honey don’t“

Rotten Tomatoes über „Honey don’t“

Wikipedia über „Honey don’t“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Bill Green/Ben Peskoe/Will Russell/Scott Shuffitts „Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski – Die ganze Welt des Big Lebowski“ (I’m a Lebowski, you’re a Lebowski, 2007)

Meine Besprechung des Coen-Films „Blood Simple – Director’s Cut“ (Blood Simple, USA 1984/2000)

Meine Besprechung von Michael Hoffmans “Gambit – Der Masterplan” (Gambit, USA 2012 – nach einem Drehbuch von Joel und Ethan Coen)

Meine Besprechung des Coen-Films “Inside Llewyn Davis” (Inside Llewyn Davis, USA/Frankreich  2013)

Meine Besprechung des Coen-Films „Hail, Caesar!“ (Hail, Caesar!, USA/Großbritannien 2016)

Meine Besprechung von Joel Coens „Macbeth“ (The Tragedy of Macbeth, USA 2021)

Meine Besprechung von Ethan Coens „Drive-Away Dolls“ (Drive-Away Dolls, USA 2024)

Die Coen-Brüder in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritk: „Mufasa: Der König der Löwen“ als kleiner Löwe in der Fremde

Dezember 19, 2024

Disney nennt seinen neuesten Film zutreffend ein Prequel und ein Sequel zu „Der König der Löwen“. Denn der Affe Rafiki erzählt Kiara, der Tochter von Simba und Nala, eine Geschichte über Simbas Vater Mufasa.

Als kleiner Löwe fällt Mufasa in einen reißenden Strom, der ihn aus seiner Heimat in ein weit weit entferntes fremdes Land treibt. Dort lernt er neue Freunde kennen. Mit ihnen macht er sich, verfolgt von Kiros, dem Anführer einer mordgierigen Gruppe weißer Löwen, auf den Weg zurück in seine Heimat und zu seiner Familie. Falls sie die Reise überleben. Rafiki erzählt das, teils farbig ausgemalt, der zunehmend gefesselt der Geschichte lauschenden Kiara, die die Ereignisse immer wieder kommentiert.

Barry Jenkins inszenierte diese herzige und vorhersehbare Reisegeschichte, bei der Fans von „Der König der Löwen“ vielen alten Bekannten wieder begegnen, fotorealistisch und damit an Jon Favreaus überaus erfolgreichen „Der König der Löwen“-Film von 2019 anknüpfend. Der in Favreaus Film sehr explizit dargestellte Kreis des Lebens als ein Kreislauf von fressen und gefressen werden, wird dieses Mal nur angesprochen. Dafür gibt es einige, bis auf das fehlenden Blut, sehr realistisch gezeigte Kämpfe zwischen Tieren. Schließlich sind Löwen Raubtiere. Für kleine Kinder könnte das zu grausam sein. Und es gibt einige in dieser Länge unnötige, aufgrund der verschiedenen Sprecher politisch irrlichternde Statements über Gemeinschaft und den Umgang mit Fremden. Zugegeben, die größten Grausamkeiten und die reaktionärsten Statements werden von den Bösewichtern des Films verübt. Aber auch die Guten sind nicht frei davon. Hier bleibt, wie in „Der König der Löwen“ ein ungutes Gefühl über die im Film verfochtene Weltsicht.

Die Effekte und Animationen sind überaus realistisch. Sie zeigen, wie gut Computeranimationen sein können. Die von Lin-Manuel Miranda geschriebenen sieben neuen Songs sind gelungen. Die afrikanischen Rhythmen und die fröhlichen Chöre gehen ins Ohr und laden zum Mitsingen ein.

Insgesamt ist „Mufasa: Der König der Löwen“ das, was man von einem Disney-Weihnachtsfilm für die ganze Familie erwartet.

Barry Jenkins erledigt die Aufgabe, für die er angestellt wurde, ausgezeichnet. Mit seinen vorherigen Kinofilmen „Moonlight“ (Moonlight, USA 2016) und „Beale Street“ (If Beale Street could talk, USA 2018) hat „Mufasa: Der König der Löwen“ nichts zu tun.

Mufasa: Der König der Löwen (Mufasa: The Lion King, USA 2024)

Regie: Barry Jenkins

Drehbuch: Jeff Nathanson (basierend auf von Linda Woolverton, Irene Mecchi und Jonathan Roberts erfundenen Figuren)

Songs: Lin-Manuel Miranda

Musik: Dave Metzger

mit (im Original den Stimmen von) Aaron Pierre, Kelvin Harrison Jr., Mads Mikkelsen, Seth Rogen, Billy Eichner, Thandiwe Newton, Donald Glover, Beyoncé Knowles-Carter, Kagiso Lediga, Blue Ivy Carter, John Kani

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Mufasa: Der König der Löwen“

Metacritic über „Mufasa: Der König der Löwen“

Rotten Tomatoes über „Mufasa: Der König der Löwen“

Wikipedia über „Mufasa: Der König der Löwen“

Meine Besprechung von Jon Favreaus „Der König der Löwen“ (The Lion King, USA 2019)

Meine Besprechung von Barry Jenkins‘ „Moonlight“ (Moonlight, USA 2016) und der DVD

Meine Besprechung von Barry Jenkins‘ „Beale Street“ (If Beale Street could talk, USA 2018) und der DVD


Neu im Kino/Filmkritik: Da ist sie: die erste schwule US-Mainstream-RomCom: „Bros“

Oktober 29, 2022

Größtenteils misslungen ist, so die Selbstbeschreibung der Macher, die erste RomCom eines großen Hollywood-Studios über eine schwule Beziehung.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Bobby (Billy Eichner, auch Drehbuch und einer der Produzenten). Er ist im Aufsichtsrat eines LGBTQIA+-Museums, das eine große Eröffnung vorbereitet, aber finanzielle Probleme und einen hoffnungslos in Kleinstgruppen zerstrittenen Aufsichtsrat hat. Daneben hat Bobby einen erfolgreichen Podcast, in dem er über seine Sicht der Welt redet. Privat ist der in New York lebende Intellektuelle ein überzeugter Single.

Während eines Disco-Besuchs verliebt er sich in Aaron (Luke Macfarlane). Aber so ein gut aussehender Mann, der mühelos auf dem Cover jedes Body-Building-Magazins posieren könnte, wird sich bestimmt nicht für ihn, den totalen Durchschnittstypen, interessieren. Außerdem ist Aaron anscheinend ziemlich dumm, während Bobby eine richtige Intelligenzbestie in der Woody-Allen-Tradition ist.

Aber im Gegensatz zu Woody Allen, dem Stadtneurotiker, ist Bobby einfach nur egozentrisch, überheblich, rechhaberisch, selbstmitleidig und nervig. Entsprechend unsympathisch ist er. Für eine RomCom, in der sich alles darum dreht, dass die beiden Verliebten sich finden und das normalerweise größtenteils weibliche Publikum einige Taschentücher vollschneuzt, ist das eine schlechte Voraussetzung.

Doch damit enden die Probleme von Nicholas Stollers Film nicht. Denn alle Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft, die in dieser Komödie von bekennenden Mitgliedern dieser Gemeinschaft gespielt werden, präsentieren schwule Manierismen, die bei uns spätestens zwischen der „Bullyparade“ und dem „Schuh des Manitu“ beerdigt wurden. Und das ist schon über zwanzig Jahre her.

In „Bros“ agieren die Schwulen genau so, wie rückständige Heteros sie sich vor Jahren vorstellten. Das sollte in den USA, wo die Komödie einen großen Kinostart hatte, vielleicht dazu führen, dass auch in republikanischen Staaten die Kinosäle voll sind. Dem war, wie ein Blick auf die Zuschauerzahlen in den USA zeigt, nicht so. Die Komödie floppte an der Kinokasse, während sich Konservative, Liberale, Progressive, Heteros und LGBTQ+-Mitglieder munter die Qualitäten des Films erklären, den sie teilweise nicht gesehen haben und auch nicht sehen wollen.

Die Geschichte selbst folgt den RomCom-Konventionen. Nur dass dieses Mal halt ein Mann einen Mann und keine Frau liebt. Billy Eichner spricht diese Probleme und wie eine schwule Komödie für ein Mainstream-Publikum inszeniert werden kann, in einem mehr oder weniger fiktivem Gespräch mit einem Hollywood-Produzenten an. Im Rahmen aktueller Meta-Diskurse, in denen die Macher explizit auf die Regeln hinweisen, die sie dann ironisch gebrochen befolgen, können die abgestandenen RomCom-Situationen und RomCom-Dialoge natürlich als bewusst schlechte Dialoge gesehen werden. Ob das so ist oder ob die Macher es nicht besser konnten, ist letztendlich egal. Ein schlechter Dialog bleibt ein schlechter Dialog.

Bros“ ist eine schlechte RomCom, die sich zu sehr in abgestandenen Klischees, Nebenhandlungen und Nebenkriegsschauplätzen verliert, die in einem Comedy-Programm besser aufgehoben wären.

Zu Nicholas Stollers früheren Filmen gehören „Nie wieder Sex mit der Ex“ und „Bad Neighbors“. Judd Apatow ist einer der Produzenten. Zu seinen Filmen gehören „Jungfrau (40), männlich, sucht …“, „Dating Queen“, „The King of Staten Island“ und, als Produzent, „Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy“, „Brautalarm“ und „The Big Sick“.

Bros (Bros, USA 2022)

Regie: Nicholas Stoller

Drehbuch: Billy Eichner, Nicholas Stoller

mit Billy Eichner, Luke Macfarlane, Ts Madison, Monica Raymund, Guillermo Diaz, Guy Branum, Amanda Bearse, Dot-Marie Jones, Jim Rash, Debra Messing (als Debra Messing)

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (in den USA gab’s ein R-Rating, d. h. Unter-17-Jährige dürfen sich nur mit einer erwachsenen Begleitperson den Film ansehen; was mehr über die USA als über den Film verrät. In den USA hat auch „The King’s Speech – Die Rede des Königs“ ein R-Rating.)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Bros“

Metacritic über „Bros“

Rotten Tomatoes über „Bros“

Wikipedia über „Bros“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Walt Disneys „Der König der Löwen“, jetzt als Live-Action-Abenteuer

Juli 17, 2019

Seit einigen Jahren verfilmt Disney seine Klassiker noch einmal. Dieses Mal nicht als Zeichentrickfilm, sondern als Live-Action-Abenteuer, also einer Mischung aus mehr oder weniger vielen Schauspielern und Computeranimationen. Oft inszeniert von sehr bekannten Regisseuren, wie zuletzt Tim Burton („Dumbo“) und Guy Ritchie („Aladdin“). An der Kinokasse sind diese nicht immer gelungenen Neuverfilmungen sehr erfolgreich.

Jetzt erlebt „Der König der Löwen“ die Live-Action-Behandlung. Vor fünfundzwanzig Jahren war dieser Disney-Trickfilm ein weltweiter Erfolg. Er war 1994 der erfolgreichste Film des Jahres, spielte gut eine Milliarde US-Dollar ein und ist im Moment der klassische Trickfilm mit dem höchsten Einspiel.

Als Regisseur für die Neuverfilmung dieses Disney-Klassikers wurde Jon Favreau engagiert. Aktuell ist er als Happy Hogan in „Spider-Man: Far from Home“ im Kino. Bereits 2016 verfilmte er für Disney „The Jungle Book“ als Live-Action-Abenteuer neu. Der Film überzeugte in seiner Interpretation als Abenteuergeschichte. Das kann über seinen „Der König der Löwen“, der verdammt nah an einem 1-zu-1-Remake ist, nicht gesagt werden.

Drehbuchautor Jeff Nathanson veränderte die aus dem Trickfilm und dem ebenfalls erfolgreichen Musical bekannte Geschichte nicht. Die damaligen Hits wurden ohne große Änderungen neu eingesungen und Elton John spendierte den neuen Song „Never too late“, während Hans Zimmer wieder in afrikanischen Motiven badet.

Schließlich spielt der Film in Afrika. Im Geweihten Land freuen sich Löwenkönig Mufasa und seine Frau Sarabi über ihren gerade geborenen Sohn Simba. Der Löwenjunge soll später Mufasas Platz einnehmen. Als Löwenkind tobt er mit seiner Freundin Nala durch die Savanne.

Währenddessen sieht sich Mufasas missgünstiger Bruder Scar als rechtmäßigen Herrn des Geweihten Landes. Um den Thron zu besteigen, beschließt er, Mufasa zu töten. Als er mit den Hyänen seinen Plan durchführt, kann er Mufasas Tod so inszenieren, dass Simba sich für den Tod seines Vaters verantwortlich fühlt.

Der kleine Löwe flüchtet aus dem Geweihten Land und trifft das Erdmännchen Timon und das Warzenschwein Pumbaa. Die beiden Kumpel zeigen ihm eine andere Welt, die im wesentlichen eine Fortsetzung von Simbas unbeschwerter, in den Tag hineinlebender Kindheit und Jugend ist.

Als Simba ausgewachsen ist, taucht Nala auf. Sie erzählt ihm, was inzwischen in seinem alten Reich geschehen ist. Scar und die Hyänen errichteten eine Schreckensherrschaft und wirtschafteten das einst prächtige Land herunter.

Nach einem kurzen Zögern und weil Nala von ihm enttäuscht ist, entschließt er sich zur Rückkehr und zum Kampf gegen Scar.

Im Gegensatz zum Original dauert Jon Favreaus Neuverfilmung nicht knappe neunzig Minuten, sondern zwei Stunden, in denen man die überaus gelungenen und sehr, sehr lebensecht aussehenden Animationen bewundern kann. Allerdings fallen auch alle Schwächen der Geschichte auf. Eigentlich wird keine Geschichte, sondern eine Abfolge von lose zusammenhängenden Episoden erzählt, deren Wendepunkte exakt in der Minute sind, die in der Syd-Field-Schule empfohlen wird. So dauert es eine Stunde, bevor Simba seine Heimat und damit den Schutz seiner Familie verlässt. Der Grund ist der Tod seines Vaters, für den er sich verantwortlich fühlt. Eine halbe Stunde später redet er dann mit seiner plötzlich aufgetauchten Freundin Nala über eine Rückkehr und es geht zurück zum Schlusskampf.

Aufgrund der Filmlänge fällt auch auf, dass Simba ein ziellos durch die Geschichte stolpernder Protagonist ist. So etwas wie ein eigener Wille ist nicht erkennbar und nicht nötig. Denn Kraft seiner Geburt ist er der rechtmäßige Erbe von Mufasas Königreich. Bezweifelt wird diese Thronfolge nur von Mufasas Bruder Scar.

Dazu kommt das erschreckend konservative, niemals hinterfragte Gesellschaftsbild, in dem der Platz von jedem Lebewesen von der Natur vorgegeben ist. In dieser Welt hat Simba den Anspruch auf die Herrschaft, weil er der Sohn des Königs ist und weil die Löwen die herrschende Rasse sind. Das wurde so auch im Original-„Der König der Löwen“ gezeigt. Aber mit lebensecht aussehenden, sprechenden und damit in jeder Beziehung menschlichen Tieren und ausführlich dargestellt, hat dieses Bild einer Gesellschaft, in der alles vorherbestimmt ist und jedes Tier seinen festen und unveränderbaren Platz auf der Futterleiter hat, einen mehr als unangenehmen Beigeschmack.

Auch bei seinen neuen Freunden Timon und Pumbaa ändert sich dieser Determinismus nicht. Sie erzählen ihm zwar von ihrem sorgenfreien Leben und dass bei ihnen alles anders ist. Danach verzehren sie genussvoll Raupen, die ja auch Lebewesen sind. Das bricht, trotz vollmundiger Ankündigung, nicht aus dem von fressen und gefressen werden bestimmten Kreislauf des Lebens aus.

Nach dem überaus gelungenem „The Jungle Book“ ist Jon Favreaus zweiter Disney-Live-Action-Film eine Enttäuschung mit sehr schönen und sehr echt aussehenden Bildern.

Der König der Löwen (The Lion King, USA 2019)

Regie: Jon Favreau

Drehbuch: Jeff Nathanson (nach dem 1993er „Der König der Löwen“-Drehbuch von Irene Mecchi, Jonathan Roberts und Linda Woolverton)

mit (im Original den Stimmen von) Donald Glover, Beyoncé Knowles-Carter, James Earl Jones, Chiwetel Ejiofor, Seth Rogen, Billy Eichner, Florence Kasumba

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Der König der Löwen“

Metacritic über „Der König der Löwen“

Rotten Tomatoes über „Der König der Löwen“

Wikipedia über „Der König der Löwen“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jon Favreaus „Cowboys & Aliens“ (Cowboys & Aliens, USA 2011)

Meine Besprechung von Jon Favreaus “Kiss the Cook – So schmeckt das Leben” (Chef, USA 2014)

Meine Besprechung von Jon Favreaus „The Jungle Book (The Jungle Book USA 2016)