Neu im Kino/Filmkritik: Naomi Watts, Bill Murray und ihr tierischer „Loyal Friend“

Juni 19, 2025

Wer sich vor dem Kinobesuch die Synopse durchliest, ist wahrscheinlich gewarnt. Trotzdem sage ich es nochmal ganz deutlich: wer sich den Film nur wegen Bill Murray ansehen will, sollte es wahrscheinlich bleiben lassen. Er spielt – überzeugend – einen New Yorker Schriftsteller und er ist auch wichtig für die Filmgeschichte. Ohne seine Rolle gäbe es den Film nicht. Aber sein Auftritt beschränkt sich auf wenige Minuten am Filmanfang und in einigen Rückblenden. Eigentlich ist seine Aufgabe mit seinem Tod erfüllt. Das geschieht wenige Minuten nach dem Filmanfang.

Danach muss ein neuer Besitzer für seine riesige Dogge Apollo gefunden werden. In seinem letzten Willen schrieb Walter, dass Iris (Naomi Watts) Apollo bekommen solle. Sie war seine beste Freundin, er ihr Mentor und er hat sie schon vor längerem mit einer editierten Herausgabe seiner Briefe beauftragt.

Iris lebt in einer kleinen mietpreisgebundenen Wohnung mitten in New York. Trotzdem kann sie Walters letzten Wunsch nicht ablehnen. Sie nimmt Apollo für einige Tage – so glaubt sie – in ihre Obhut. Das riesige, todtraurig in die Welt blickende Vieh besetzt sofort ihr Bett und ihre für sie beiden viel zu kleine Wohnung.

In ihr müssen Apollo und Iris mit ihrer Trauer und ihren Gefühlen über Walters Suizid zurechtkommen.

Das Regieduo Scott McGehee und David Siegel („The Deep End – Trügerische Stille“) inszenierte einen einfühlig-warmherziger Feelgood-Film, der auf dem mit dem National Book Award ausgezeichneten Bestseller „Der Freund“ von Sigrid Nunez basiert. Pedro Almodóvar neuester Film, das leise Sterbehilfedrama „The Room next Door“, basiert ebenfalls auf einem Roman von Nunez.

Getragen wird „Loyal Friend“ von den guten Schauspielern und dem wirklich großen Hund, der schnell die Herzen der Menschen erobert, die er trifft.

Wenn es da nicht das Problem mit der Klausel im Mietvertrag gäbe, die Haustiere verbietet.

Loyal Friend (The Friend, USA 2024)

Regie: Scott McGehee, David Siegel

Drehbuch: Scott McGehee, David Siegel

LV: Sigrid Nunez: The Friend, 2018 (Der Freund)

mit Naomi Watts, Bill Murray, Sarah Pidgeon, Carla Gugino, Constance Wu, Noma Dumezweni, Ann Dowd, Tom McCarthy (Regisseur)

Länge: 120 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Loyal Friend“

Metacritic über „Loyal Friend“

Rotten Tomatoes über „Loyal Friend“

Wikipedia über „Loyal Friend“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Der Kinderfilm „Lyle – Mein Freund, das Krokodil“

Oktober 23, 2022

Als die Familie Primm in New York in einen mehrstöckigen Altbau zieht, begrüßen Vater und Mutter die neuen Möglichkeiten, die sich für sie in der Großstadt eröffnen. Ihr Sohn Josh ist weniger begeistert.

Das ändert sich erst, als der schüchterne Junge auf dem Dachboden ein Krokodil entdeckt. Es gehört Hector B. Valenti. Der Variete-Zauberer musste sich auf eine lange Tour durch die Provinz begeben, um Schulden abzubezahlen und um vor seinen Schuldner in Sicherheit zu sein.

Bevor Valenti an die Haustür klopft – er hat in dem Haus ein auf einige Tage im Jahr beschränktes lebenslanges Wohnrecht -, hat Josh bereits das Geheimnis des Krokodils Lyle entdeckt. Es ist lebendig, singt gern und ist ein richtiger Freund zum Knuddeln, mit dem man nach Sonnenuntergang die Stadt erkunden kann.

Lyle – Mein Freund, das Krokodil“ ist die erste Kinoverfilmung von Bernard Wabers Lyle-Geschichten, die er ab 1962 für Kinder schrieb. Davor entstand nur die knapp halbstündige TV-Episode „Lyle, Lyle Crocodile: The Musical ‚The House on East 88th Street’“, die 1987 den Auftakt der „HBO Storybook Musicals“-Reihe bildete.

Für die Kino-Verfilmung wurden einige Kleinigkeiten modernisiert, es gibt CGI-Tricks und die Handlungszeit der Geschichte wurde in die Gegenwart verlegt. Trotzdem kann und will das von Will Speck und Josh Gordon inszenierte Filmmusical nicht verleugnen, dass diese Lyle-Geschichte in der ersten Hälfte der Sechziger entstanden ist.

Entstanden ist ein Kinderfilm mit Javier Bardem, der hier, enorm spielfreudig und gut aufgelegt, den schmierigen, aber auch charmanten und sehr lebensbejahenden Zauberer Valenti spielt.

Für Kinder ist das sicher vergnüglich. Für Ältere fehlt dann doch die zweite und dritte Ebene, die es bei Pixar-Filmen gibt.

Lyle – Mein Freund, das Krokodil (Lyle, Lyle, Crocodile, USA 2022)

Regie: Will Speck, Josh Gordon

Drehbuch: Will Davies

LV: Bernard Waber: The House on East 88th Street, 1962; Lyle, Lyle, Crocodile, 1965

mit Javier Bardem, Constance Wu, Winslow Fegley, Scoot McNairy, Brett Gelman, Shawn Mendes (im Original: Stimme von Lyle)

Länge: 107 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Lyle – Mein Freund, das Krokodil“

Metacritic über „Lyle – Mein Freund, das Krokodil“

Rotten Tomatoes über „Lyle – Mein Freund, das Krokodil“

Wikipedia über „Lyle – Mein Freund, das Krokodil“

Meine Besprechung von Josh Gordon/Will Specks „Office Christmas Party“ (Office Christmas Party, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „Hustlers“ – Ex-Stripperinnen auf der Suche nach Geld

Dezember 1, 2019

Nach der Finanzkrise überlegen einige Stripperinnen, wie sie an Geld kommen können. Dabei erinnern sie sich an ihre alte Kundschaft, die spendierfreudigen Wall-Street-Banker, und an ihre Talente, die sie jetzt mit zunehmend geschärftem kriminellem Bewusstsein einsetzen.

Diese Art der Geldbeschaffung sorgt dann für andere Probleme, Ärger mit dem Gesetz und eine lange „New York Magazine“-Story, die jetzt von Lorene Scafaria nach ihrem Drehbuch, mit einem fast rein weiblichen Cast (u. a. Jennifer Lopez) und, immerhin spielt der Film in der Welt der Stripclubs, viel nackter Haut verfilmt wurde. Wobei der Anteil nackter Haut in Deutschland gerade so für eine FSK-12-Freigabe reichte. In den prüderen USA gab es ein R-Rating und ein gutes Einspielergebnis an der Kinokasse.

Den Rahmen des Films bildet ein Geständnis von Destiny (Constance Wu). Sie spricht direkt zu ihrer erst sehr spät im Film gezeigten Gesprächspartnerin. Ihr Blick ist in den Kinosaal gerichtet und damit werden wir Zuschauer zu Destinys Vertrauten und Verbündeten. Sie erzählt, wie sie zu einer Stripperin wurde. Sie braucht Geld für ihre bedürftige Großmutter und sich. Und als Stripperin scheint man sehr schnell sehr viel Geld zu verdienen. Sie wird von Ramona (Jennifer Lopez), der Königin des Clubs, unter die Fittiche genommen. Vor der Bankenkrise verdienen sie im Stripclub als glückliche Familie viel Geld.

Nach der Bankenkrise, als viele Wall-Street-Banker nicht mehr kommen und die, die doch noch kommen, sie mit 1-Dollar-Noten abspeisen, haben sie eine höchst illegale Idee um für den dringend nötigen Unterhalt zu sorgen. Denn sie sind nicht nur Stripperinnen, sondern auch Mütter, die ihre Kinder groß ziehen und ein fast schon bürgerliches Leben leben.

Scarafia zeichnet die Welt im Stripclub und die Stripperinnen als eine Frauengemeinschaft, in der die Stripperinnen sich nicht von anderen Frauen unterscheiden. Hinter der Bühne werden Gesundheits- und Schönheitstipps ausgetauscht und über die Kundschaft getratscht.

Das erinnert an Steven Soderberghs ungleich gelungeneres Drama „Magic Mike“ über die unbekannte Welt männlicher Stripper, ihre Träume und ihren Kampf ums Überleben. Bei ihm und Scarafia ist der Stripclub eine sehr offensichtliche Metapher für den US-amerikanischen Kapitalismus, bei dem sich alles um Geld dreht.

Es gibt allerdings einen gewaltigen Unterschied. Bei Soderbergh arbeiten die Stripper in einem ungewöhnlichen, gesellschaftlich nicht angesehenem Beruf, aber sie übertreten keine Gesetze.

Bei Scarafia werden die Stripperinnen zu Verbrecherinnen. Sie nehmen die reichen Wall-Street-Banker aus, die mit ihren Spekulationen das Geld von Millionen Amerikaner verbrannten und die sich durchgehend wie Arschlöcher verhalten. Zuerst indem sie sie mit Alkohol gefügig machen und sie dann überhöhte Rechnungen bezahlen lassen. Später indem sie mit Drogen nachhelfen und die Kreditkarten der Betäubten bis zum Limit ausschöpfen. Ihre Opfer zahlen und schweigen aus Scham darüber, von einer Gruppe Frauen ausgenommen worden zu sein.

Aber Ramona, Destiny und die anderen Stripperinnen tun es nicht als weibliche Robin Hoods. Sie wollen das Geld für sich haben. Sie wollen es für Luxusgüter ausgeben. Skrupel oder ein schlechtes Gewissen haben sie nicht. Letztendlich unterscheiden sich sich nicht von ihren Opfern. Entsprechend überschaubar bleibt dann die Sympathie für sie. Gleichzeitig fällt die Kritik am Kapitalismus, seinen Exzessen und seiner verlogenen Moral erstaunlich zahm aus.

So befriedigt „Hustlers“ am Ende, wie eine Stripshow, in der wohlproportionierte, junge, gutaussehende Frauen vor Geld werfenden Männern tanzen, vor allem Oberflächenreize.

Hustlers (Hustlers, USA 2019

Regie: Lorene Scafaria

Drehbuch: Lorene Scarafia

LV: Jessica Pressler: The Hustlers at Scores: The Ex-Strippers who stole from (mostly) rich men and gave, well, themselves (New York Magazine, 28. Dezember 2015)

mit Constance Wu, Jennifer Lopez, Julia Stiles, Keke Palmer, Lili Reinhart, Mercedes Ruehl, Cardi B, Lizzo, Mette Towley, Wai Ching Ho, Marcy Richardson, Usher (Cameo)

Länge: 111 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Moviepilot über „Hustlers“

Metacritic über „Hustlers“

Rotten Tomatoes über „Hustlers“

Wikipedia über „Hustlers“

Meine Besprechung von Lorene Scafarias „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ (Seeking a Friend for the End of the World, USA 2012)

Meine Besprechung von Lorene Scarafias „Mit besten Absichten“ (The Meddler, USA 2015)