Lucy (Dakota Johnson) weiß alles über die Liebe. Die Mittdreißigerin ist ein Matchmaker. Sie hilft in New York Menschen, einen Partner zu finden. In den vergangenen Jahren hat sie schon neun Ehen vermittelt. In der noblen Heiratsvermittlungagentur ist sie damit die erfolgreichste Vermittlerin. Die Grundlage für perfekte Paare sind dabei die Zahlen – vor allem die Zahlen, die auf der Gehaltsabrechnung und dem Bankkonto stehen – und die Wünsche der Kunden. Sie sagen, wie alt der gewünschte Partner sein soll, wie er sein soll undsoweiter. Heiratsvermittlung ist für Lucy und die Firma ein Geschäft.
Deshalb weiß Lucy auch, dass sie und Harry (Pedro Pascal) nicht zueinander passen. Er ist im Szene-Jargon ein Einhorn. Er ist zu gut, um wahr zu sein. Bei ihm stimmt alles. Er ist vermögend, gebildet, höflich und sieht verdammt gut aus. Er könnte jede Frau haben. Aber er will Lucy, die ihr Glück nicht fassen kann, haben. Denn er ist aufgrund der Zahlen viel zu gut für sie.
Bei ihrer ersten großen Liebe stimmt dagegen – jedenfalls wenn sie auf die nackten Daten blickt – nichts. John (Chris Evans) ist ein ums Überleben kämpfender Schauspieler, der bei einer Catering-Firma als Bedienung arbeitet. Bei einem dieser Jobs begegnet er Lucy, die gerade mit Harry redet, und stellt ihr ungefragt ihr Lieblinsgetränk hin – und sie findet ihn wieder sehr sympathisch. Aber, wie gesagt, nach den Daten ist er eine Katastrophe. Er lebt immer noch in seiner Studenten-WG, fährt immer noch sein schrottreifes Auto, hat immer noch kein Geld auf dem Bankkonto und immer noch keinen Plan für sein weiteres Leben.
Zugegeben, das liest sich wie der Anfang der nächsten RomCom mit schönen Menschen in schöner Umgebung, vorhersehbaren Konflikten und ebenso vorhersehbarem Ende. Die Besetzung mit Dakota Johnson, die sich zwischen Pedro Pascal und Chris Evans entscheiden muss, und der Handlungsort, das saubere New York der vermögenden Menschen ohne drängende finanzielle Probleme, sprechen dafür.
Aber Celine Songs zweiter Spielfilm, nach „Past Lives – In einem anderen Leben“, ist eine RomCom ohne den zu lauten Lachanfällen reizenden komödiantischen Teil und auch ohne die Taschentuch-Kitsch-Romantik. Jedenfalls am Anfang. Denn bei Lucy geht es bei den von ihr angestifteten Ehen nicht um Liebe, sondern nur ums Geschäft. Sie bedient die Wünsche ihrer Kunden, die teilweise in kurzen Interview-Szenen ohne Umschweife geäußert werden. Sie suchen Menschen, die aus der gleichen Klasse kommen und ein ungefähr gleich hohes Einkommen haben. Aus seiner Sicht soll die Frau jünger, gerne deutlich jünger sein. Aus ihrer Sicht kann der Traummann auch etwas älter sein. Es geht immer um heterosexuelle Beziehungen. Die Kundschaft ist überwiegend weiß. Gemischtrassige Ehen sind für sie kein Thema. Dass die USA eine zutiefst rassistische Gesellschaft ist, zeigt sich auch in diesen Interviews. Es handelt sich um eine gesellschaftliches Milieu, das auch das Ensemble einer in Manhattan spielenden Komödie von Woody Allen sein könnte.
In „Was ist Liebe wert – Materialists“ schildert Song Lucys Leben und das Leben ihre Kunden distanziert, mit feiner Ironie und die großen Konfliktlinien in der US-Gesellschaft ignorierend. In den die Dreiecksgeschichte aufbrechenden Interview-Szenen deutet sie den Rassismus nur zwischen den Zeilen an. Das von allen angestrebte konservative Familienbild wird nicht weiter thematisiert.
Im Vordergrund spielt sich Lucys Suche nach ihrem Traumman auf der oberflächlichen Ebene von Aussehen und Vermögen ab. In dieser nur auf den Schein bedachten Welt ist Harry ein Traummann und John ein Loser. Am Ende gewinnt natürlich, den Regeln des Liebesfilms folgend, die wahre Liebe über dem schönen Schein.
Song erzählt ihre Bestandsaufnahme der Suche nach dem Traummann im 21. Jahrhundert im Kapitalismus mit milder Ironie langsam und kühl distanziert. Auch die Schauspieler agieren durchgehend so, als habe ihre Spielanweisung in dem Satz „kein Schauspiel erforderlich, sympathische Ausstrahlung genügt“ bestanden. „Was ist Liebe wert – Materialists“ ist eine romantische Anti-RomCom; – falls es so etwas überhaupt geben kann.

Was ist Liebe wert – Materialists (Materialists, USA 2025)
Regie: Celine Song
Drehbuch: Celine Song
mit Dakota Johnson, Pedro Pascal, Chris Evans
Länge: 117 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Was ist Liebe wert – Materialists“
Metacritic über „Was ist Liebe wert – Materialists“
Rotten Tomatoes über „Was ist Liebe wert – Materialists“
Wikipedia über „Was ist Liebe wert – Materialists“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Celine Songs „Past Lives – In einem anderen Leben“ (Past Lives, USA 2023)
Veröffentlicht von AxelB 






