Die Musik gefällt. Die Songs sind nämlich keine dieser pseudohippen gruseligen Pseudo-Dance-Pop-Songs, sondern großorchestraler Pop mit einer Tendenz zur gitarrenbasierten Lagerfeuermusik, die jeder schnell mitsingen kann.
Der Rest ist ein Mix aus wenig überzeugenden gezeichneten und computeranimierten Bildern, Anspielungen auf frühere Disney-Filme, dabei erstaunlich wenig Disney-Zauber und einer höchst unklaren, eigentlich schon beim Sehen vergessenen Geschichte. Es geht Asha. Das Mädchen lebt auf einer Insel, die als das „Königreich der Wünsche“ bekannt ist, weil der König des Landes Wünsche erfüllt. Allerdings, wie Asha erfährt, als sie ihm ihren Wunsch vorträgt, erfüllt König Magnifico nicht alle Wünsche, sondern nur die Wünsche, die ihm gefallen und die er als ungefährlich für sich ansieht. Er ist ein sich nach außen nett gebender Diktator.
Asha ist schockiert und versucht alle Wünsche, die bei König Magnifico geäußert und in Wunsch-Bubbles festgehalten sind, zu befreien. So kann sie den Menschen auch ihr Wissen über ihre Wünsche zurückzugeben.
Das ist natürlich nur dann eine gute Sache, wenn die Menschen sich und den anderen nur gute Dinge wünschen würden. Das ist so naiv und verquer, dass der Glaube an den Weihnachtsmann höchst rational ist.
Das Konzept der Wünsche ist auch, nun, etwas seltsam. Jeder kann seinen Wunsch bei König Magnifico abgeben. Danach vergisst der Wünschende seinen Wunsch. Er weiß also überhaupt nicht, ob sein Wunsch sich jemals erfüllt. Er kann sich deshalb auch nicht darüber freuen. Oder enttäuscht sein.
Sicher, in einem Kinderfilm muss nicht alles auf einem auch für Erwachsene erträglichem Niveau sein (obwohl Pixar und Ghibli, um nur zwei bekannte Animationsstudios zu nennen, das in ihren Filmen immer wieder zeigen), aber eine nachvollziehbare Geschichte, gerne mit einer plakativen Zeichnung von Gut und Böse, dreidimensionalen Charakteren und einem eindeutigen Ziel sollten möglich sein.
Das wäre mein Wish.
Davon abgesehen: alles Gute zum Hundertjährigen. So lange gibt es Disney schon und seinen hundertjährigen Geburtstag feiert das Studio in seinem neuesten Film mit zahlreichen Anspielungen auf frühere und heute immer noch bekannt-beliebte Filme. Diese Anspielungen und dass Asha sich wünscht, dass der Wunsch ihres hundertjährigen Großvaters in Erfüllung geht, bieten natürlich noch eine andere Lesart von „Wish“ an. Dann wäre „Wish“ ein Selbstbild und -analyse von Disney mit König Magnifico als Disney-Konzern.
Aber das ist sicher nur eine böswillige Überinterpretation.
Wish (Wish, USA 2023)
Regie: Chris Buck, Fawn Veerasunthorn
Drehbuch: Jennifer Lee, Allison Moore
mit (im Original den Stimmen von) Ariana DeBose, Chris Pine, Alan Tudyk, Angelique Cabral, Victor Garber, Natasha Rothwell, Jennifer Kumiyama
Bei den „Pirates of the Caribbean“ hat es sehr gut funktioniert: aus einer Vergnügungspark-Attraktion wurde ein Film gemacht, der zum Kassenhit wurde. Disney zählte die Einnahmen, freute sich und produzierte mehrere Fortsetzungen.
Bei der „Haunted Mansion“ könnte es – so jedenfalls das Gedankenspiel der Produzenten – auch funktionieren. Ein Film über ein Haus voller Geister. Er gibt wohlige Gänsehaut bei Kindern und Erwachsenen. Erstere freuen sich über die furchterregenden Geister und die Gags. Letztere freuen sich über die Anspielungen. Schließlich ist die Villa bewohnt von Geistern und Horror-Gestalten, die seit Jahrzehnten durch Filme, Comics und Bücher zu einem Teil des popkulturellen Gedächtnisses wurden.
Die Geschichte ist in ihren Grundzügen schnell gefunden. Sie muss eigentlich nur die Story der Vergnügungspark-Attraktion leicht variieren. Dort betreten die Besucher, seitdem 1969 in Disneyland die erste Haunted Mansion eröffnet wurde, das Spukhaus. Sie begegnen etlichen Geistern, lassen sich erschrecken, bekommen eine Gänsehaut und verlassen dann das Haus.
Im Film betreten einige Menschen die titelgebende „Geistervilla“. Schnell treffen sie auf die Geister, die das Haus bewohnen. Ben (LaKeith Stanfield) ist ein ehemaliger Astrophysiker, der immer noch in Trauer über den Tod seiner Frau ist und jetzt, wenn er ansprechbar ist, sein Geld als schlecht gelaunter Touristenführer verdient. Er erzählt ihnen von den in New Orleans lebenden Geistern. Selbst glaubt er nicht an Geister. Neben ihm sind Gabbie (Rosario Dawson) und ihr neunjähriger Sohn Travis (Chase W. Dillon), die Mieter der Geistervilla, der Geistliche Father Kent (Owen Wilson), Professor Bruce Davis (Danny DeVito), der die Geschichte der Geister von New Orleans erforscht, und das Medium Harriet (Tiffany Haddish) in der Geistervilla. Sie alle werden, nachdem sie die Villa betreten haben, von den Geistern in ihr festgehalten. Später kommt noch Madame Leota (Jamie Lee Curtis) dazu. Sie wird in einer Glaskugel gefangen gehalten.
Aus diesem Setting machen Regisseur Justin Simien und Drehbuchautorin Katie Dippold eine erschreckend belang- und humorlose CGI-Schlacht in meist dunklen und sehr dunklen Räumen. Simien inszenierte den in Deutschland nicht veröffentlichten Ensemblefilm „Dear White People“ und die bei uns auf DVD veröffentlichte Horrorkomödie „Bad Hair“.
Dippold schrieb die Drehbücher für die von Paul Feig inszenierten Komödien „Taffe Mädelds“ (The Heat) und „Ghostbusters“. Im Gegensatz zu den unzähligen gehässigen Kommentaren der fanatischen Fans der ursprünglichen Ghostbusters-Filme, die zu dem Zeitpunkt den Film noch nicht gesehen hatten, fand ich die 2016 entstandene Version mit weiblichen Geisterjägern durchaus unterhaltsam.
Das kann über „Geistervilla“ nicht gesagt werden. In der Villa sind zwar viele Geister, aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt kein Geist. Die Geisterjäger sind eine moralisch bestenfalls zweifelhafte Truppe uncharmanter Gestalten. Einige von ihnen sind Betrüger; was kein Problem wäre, wenn es irgendwelche Gründe gäbe, ihnen die Daumen zu drücken. Auch von ihnen bleibt niemand länger im Gedächtnis. Die beiden Mieter der Villa, die alleinstehende Mutter und ihr Sohn, haben bestenfalls eine Nebenrolle. Dabei hätte, wenn ein jüngeres Publikum angesprochen werden soll, Travis durchaus die Rolle des Protagonisten übernehmen können.
Bevor man diese „Geistervilla“ besucht, sieht man sich besser noch einmal Tim Burtons „Beetlejuice“ oder Rob Lettermans R.-L.-Stine-‚Verfilmung‘ „Gänsehaut“ an. Das sind, auch für Kinder, die viel, viel besseren Horrorkömodien mit eindrucksvollen Geistern und Menschen, treffsicherem Humor und gelungenen filmischen Anspielungen.
Geistervilla(Haunted Mansion, USA 2023)
Regie: Justin Simien
Drehbuch: Katie Dippold
mit LaKeith Stanfield, Tiffany Haddish, Owen Wilson, Danny DeVito, Rosario Dawson, Chase W. Dillon, Dan Levy, Jamie Lee Curtis, Jared Leto, Hasan Minhaj, Marilu Henner
1916: Lily Houghton (Emily Blunt) will im Amazonas einen einzigartigen Baum finden, der wunderheilende Kräfte haben soll und dessen Entdeckung für die Medizin einen unvorstellbaren Fortschritt bedeuten würde. Wo er ist, weiß niemand. Aber es gibt eine Schatzkarte und ein Amulett, das bei der Entdeckung des Baumes eine wichtige Rolle spielen wird. Mit diesen beiden Gegenständen und Frank Wolff (Dwayne Johnson) will Houghton den Baum finden. Begelitet wird sie von ihrem Bruder MacGregor (Jack Whitehall), der, nun, kurz gesagt, die aus älteren Filmen bekannte Rolle der Frau übernimmt: ängstlich, auf Etikette bedacht, mit Tonnen an wichtigem Gepäck für eine Dschungelreise, wie täglich frische Kleider für jedes gesellschaftliche Ereignis, und Tennisschläger.
Wolff ist der Kapitän eines Schiffes, das eine schwimmende Bruchbude und Wundertüte ist. Für die älteren Semester muss jetzt der Hinweis auf John Hustons in Afrika spielender Bootsfahrt „African Queen“ mit Humphrey Bogart und Katherine Hepburn kommen. Auch wenn es außer dem Zickenkrieg zwischen Blunt und Johnson, einem Boot und einem Fluss wenig Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Liebeskomödien gibt. Und damit zurück zur „Jungle Cruise“.
Verfolgt werden Houghton und Wolff von Prinz Joachim (Jesse Plemons), einem deutschen Operettenbösewicht, der in der Originalfassung erstaunlich viele Sätze (und das allseits beliebte S-Wort) auf Deutsch sprechen darf, Nicht erstaunlich ist, dass er eine Spur der Verwüstung hinterlässt.
„Jungle Cruise“ ist, wie die „Pirates of the Caribbean“ (Piraten der Karibik), die Verfilmung einer Attraktion in Disneyland. Wobei diese Attraktionen keine Geschichte erzählen, sondern nur Situationen und Sets liefern, die irgendwie zu einer Filmgeschichte ausgebaut werden. Bei den Piraten der Karibik gelang das in kommerzieller Hinsicht sehr gut. Bei anderen Disney-Themenparks gelang das in finanzieller Hinsicht weniger gut. „Jungle Cruise“ ist jetzt der neueste Versuch, eine Erlebniswelt in Disneyland in eine Serie von Kinofilmen umzuwandeln. Und dieses Mal könnte es gelingen.
Die Inspiration für die „Jungle Cruise“ in Disneyland war, als die erste Dschungelfahrt 1955 in Anaheim, Kalifornien eröffnet wurde, der schon erwähnte Filmklassiker „African Queen“. Die Bootsfahrt wurde mit wahren und erfundenen Informationen über das gefährliche Leben im Dschungel aufgepeppt. Ungefähr so, wie Wolff in den ersten Filmminute eine Gruppe Touristen durch den Dschungel schippert und eigentlich jede Gefahr, Verzögerung, Begegnung mit am Ufer stehenden Wilden und Tieren geplant ist.
Der immer zuverlässige Thriller-Regisseur Jaume Collet-Serra (zuletzt „The Shallows“ und „The Commuter“ ) inszenierte nach einem Drehbuch von Michael Green, Glenn Ficarra und John Requa seine „Jungle Cruise“ als ein buntes Retro-Abenteuer, das vor über hundert Jahren spielt und vor über siebzig oder sogar achtzig Jahren genauso hätte inszeniert werden können. Denn „Jungle Cruis“ (der Film) ist eine Mischung aus Abenteuerfilm und Screwball-Comedy mit einigen modernen, aber letztendlich vernachlässigbaren Elementen. So werden deutlich mehr und deutlich mehr wichtige Rollen von Frauen gespielt. Die Bösewichter (alles Männer) verharren dagegen auf dem aus den Dreißigern bekanntem Comic-Level, das sie zu überdimensional lächerlichen Männern macht. Und wahrscheinlich jedes Bild wurde mit Computereffekten überarbeitet. So dürfte kein einziges Tier bei den Dreharbeiten dabei gewesen sein.
Emily Blunt übernimmt die Rolle des männlichen Helden. Sie ist Indiana Jones (den „Indiana Jane“-Gag hat schon jemand anderes gemacht und so toll ist er auch nicht). Sie hat vor nichts Angst. Außer vor Wasser; weil sie nicht schwimmen kann. In diesen Abenteuerfilmen sit eine so starke Frauenfigur neu. Schließlich waren sie bislang die in Stöckelschuhen, panisch schreiend, auf ihre Garderobe und ihre Frisur bedachten, durch die Wildnis laufenden, gut aussehenden, aber für Abenteuer vollkommen untauglichen Wesen. Echte Männer, wie Indiana Jones (um nur den bekanntesten Vertreter dieser beliebten Grabräuber zu nennen), waren die Helden der Filme. Lily Houghton übernimmt mit ihrer ‚erst handeln, dann nachdenken‘-Attitütde diesen Stab überzeugend.
Ihr Filmbruder ist, wie gesagt, der humoristische Sidekick, der kreischende Feigling, der im Dschungel keine vier Minuten überleben würde. Und er ist schwul. Und natürlich steht er spätestens im Schlusskampf seinen Mann.
„Jungle Cruise“ ist ein unterhaltsamer Abenteuerfilm, in dem es für unsere Helden nie wirklich gefährlich wird. Einerseits weil die gefährlichen Situationen sich meist schnell in Wohlgefallen auflösen, andererseits weil die Computereffekte bei den Tieren oft überdeutlich sind. Die Story plästschert oft mehr als nötig episodisch vor sich hin und, wenn sich Houghton und Wolff fetzen, gibt es weniger Lacher als ich nach dem Trailer erwartet hatte.
Damit ist „Jungle Cruise“ letztendlich ein Film für Kinder – solange sie keine Angst vor Schlangen haben.
Jungle Cruise(Jungle Cruise, USA 2021)
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch: Michael Green, Glenn Ficarra, John Requa (nach einer Geschichte von John Norville, Josh Goldstein, Glenn Ficarra und John Requa)
mit Dwayne Johnson, Emily Blunt, Edgar Ramírez, Jack Whitehall, Jesse Plemons, Paul Giamatti, Veronica Falcón
Länge: 128 Minuten
FSK: ab 12 Jahre (wahrscheinlich wegen der Schlangen, die bei Indiana Jones dann doch echter waren)
Drehbuch: Adrian Molina, Matthew Aldrich (nach einer Geschichte von Lee Unkrich, Jason Katz, Matthew Aldrich und Adrian Molina)
Der zwölfjährige Miguel würde gerne Musiker werden. Seine Familie ist entschieden dagegen. Am Día de los muertos, dem Tag der Toten, betritt Miguel die Welt der Toten und kann erfahren, warum seine Familie keine Musiker in ihrer Familie haben möchte. Allerdings hat er nur bis zum Sonnenaufgang Zeit, um das Geheimnis zu lösen und wieder in seine Welt zurückzukehren.
TV-Premiere. Gewohnt gelungener Pixar-Film, der einige ernste Themen behandelt.
mit (im Original den Stimmen von) Anthony Gonzalez, Gael García Bernal, Benjamin Bratt, Alanna Ubach, Renée Victor, Jaime Camil, Alfonso Arau, Herbert Siguenza, Ana Ofelia Murguía, Edward James Olmos, Cheech Marin
Jetzt feiert der Film an dem Ort seine Premiere, an den er nicht gehört. Jedenfalls nicht in der Erstauswertung. Denn „Mulan“ ist eindeutig für die Kinoleinwand inszeniert. Aber nachdem Disney sich entschlossen hat, seine neueste Real-Action-Verfilmung nicht im Kino anlaufen zu lassen, werde ich zu den wenigen Menschen gehören, die diesen Film, wenige Tage bevor die Coronavirus-Pandemie unser normales Leben beendete, auf einer großen Leinwand sehen konnte. Und, ja, es war eine sehr große Leinwand in einem sehr großen Kinosaal mit viel Beinfreiheit, bequemen Sitzen, einem guten Blick auf die Leinwand und ohne irgendeine den Filmgenuss störende Ablenkung. Und genau da gehört „Mulan“ mit seinen Massenszenen, seinen Kämpfen und Landschaftsaufnahmen hin.
Aber in fast allen Ländern zeigt Disney „Mulan“ jetzt ausschließlich bei seinem neuen Streamingdienst „Disney+“. In Deutschland kostet der Film zusätzlich zu den normalen Abokosten (aktuell 6,99 Euro/Monat), für den VIP-Zugang, 21,99 Euro. Also insgesamt gut dreißig Euro. Das ist viel Geld für einen Film, aber letztendlich vielleicht doch immer noch günstiger als ein Kinobesuch mit Kindern, Lebensabschnittgefährten, besten Freunden des Kindes, der überdimensionierten Mega-Popcorntüte und den ungesunden Zuckergetränken. Nur das Erlebnis ist kein Kino, sondern Fernsehen. Genaugenommen ist es ein Videoabend mit (oder ohne) Freunde.
Die Geschichte von Mulan ist bekannt. In China ist Mulan eine bekannte Figur, die erstmals in einem Volksgedicht verewigt wurde. Seitdem wurde und wird Mulans Geschichte in verschiedenen Medien immer wieder neu interpretiert. Im Westen ist Mulans Geschichte vor allem aus dem 1998er Disney-Trickfilm „Mulan“ bekannt. Der Film war ein Kritiker- und Publikumserfolg. Jetzt erhielt er die Neubearbeitung, die viele andere Disney-Filme in den letzten Jahren erhielten und die aus finanzieller Sicht durchgehend überzeugte. Aus künstlerischer Sicht nicht unbedingt.
Für die Neuverfilmung als Realfilm engagierte Disney Niki Caro, die Regisseurin von „Whale Rider“ und „Die Frau des Zoodirektors“, die aus Mulans Geschichte eine farbenprächtige Abenteuergeschichte machte.
Als China aus dem Norden von einer mächtigen, scheinbar unbesiegbaren Armee bedroht wird, erlässt der Kaiser (lange vor den Tributen von Panem) ein Dekret nach dem aus jeder Familie ein Mann eingezogen werden soll.
In der glücklich in einem fotogenen Dorf lebenden Familie Hua wäre das Mulans Vater. Er ist ein aus früheren Kriegen geschätzter und geehrter Kämpfer, der jetzt als Bauer lebt und an körperlichen Gebrechen leidet. Der alte Mann würde den Kampf gegen die Invasoren nicht überleben.
Also verkleidet die abenteuerlustige, sportliche und unbekümmerte Mulan sich als Mann und tritt in die kaiserliche Armee ein. Schon in der Ausbildung überzeugt sie durch ihre überragenden Leistungen. Als sie gegen die schwarzgekleideten Invasoren, die dank übernatürliche Hilfe fast unbesiegbar sind, in den Kampf ziehen, erweist Mulan sich schnell als der tapferste und tödlichste Krieger in der gesamten Armee. Denn immer noch wissen Mulans Kampfgefährten nicht, dass Mulan eine Frau ist.
Gedreht wurde „Mulan“ in Neuseeland und China. Regisseurin Caro setzte die prächtigen Landschaften leinwandfüllend in Szene. Die oft scheinbar schwerelosen Kampfszenen wirken auf der großen Leinwand ebenfalls besser. Auch wenn wir sie aus asiatischen Filmen noch müheloser der Schwerkraft trotzend kennen. Und für die vielen Massenszenen wurden schon mal hunderte Statisten engagiert. Dummerweise sind diese Massenszenen Kriegsszenen, in denen Soldaten im Lager trainiert werden und sich verfeindete Armeen unblutig abschlachten.
Und genau hier kommen wir zu den Dingen, die „Mulan“ dann zu einem sehr problematischen und auf ideologischer Ebene reaktionärem Film werden lassen. „Mulan“ erzählt die Geschichte einer Frau, die ihre Träume verwirklicht und am Ende von allen für ihre Leistungen anerkannt wird. Allerdings wird Mulan nur anerkannt, weil sie ihren männlichen Kollegen in jedem Punkt hoffnungslos überlegen ist. Sie wird anerkannt, weil ihre Leistungen besser sind als die der anderen. Sie geht also nicht ihren eigenen Weg, sondern sie erfüllt die Anforderungen, die an Männer gestellt werden besser als die Männer. Das hat mit Emanzipation wenig zu tun.
Noch problematischer wird es durch das Arbeitsfeld, in dem Mulan anerkannt wird. Es geht nicht um sportliche oder intellektuelle Leistungen, sondern es ist das Handwerk des Kriegers. Die Leistung eines Kriegers bemisst sich daran, wie viele Menschen er ermordet. Mulan ist darin sehr gut.
Disney ließ die Schlachten so unblutig inszenieren, dass eine kindgerechte Kinofreigabe niemals gefährdet ist. Trotzdem sind es Massaker, in denen in einem Blutrausch tausende junge Menschen massakriert werden. In einem realistischen Kriegsfilm würden die Soldaten in dem Moment durch einen Matsch aus Blut, Gedärmen, abgeschlagenen Armen, Beinen und Köpfen waten und schreiende und wimmernde junge Männer hören, die gerade auf dem Feld der Ehre verrecken.
Das ist nämlich der nächste hochproblematische Punkt an „Mulan“: wieder einmal wird die Armee zur Schule des Mannes, oder in diesem Fall zur Schule des Menschen, erhoben und das Morden (und Sterben) auf dem Schlachtfeld für das Vaterland ist dann die höchste Ehre.
„Mulan“ transportiert hier eine sehr konservative, reaktionäre Ideologie. Dass das in diesem Fall anhand eines chinesischen Nationalmythos erzählt wird, macht die Sache nicht besser. Nur exotischer.
Mulan (Mulan, USA 2020)
Regie: Niki Caro
Drehbuch: Rick Jaffa, Amanda Silver, Lauren Hynek, Elizabeth Martin (basierend auf dem Gedicht „Hua Mulan”)
mit Yifei Liu, Donnie Yen, Tzi Ma, Jason Scott Lee, Yoson An, Ron Yuan, Rosalind Chao, Nelson Lee, Cheng Pei-Pei, Gong Li, Jet Li
Seit einigen Jahren verfilmt Disney seine Klassiker noch einmal. Dieses Mal nicht als Zeichentrickfilm, sondern als Live-Action-Abenteuer, also einer Mischung aus mehr oder weniger vielen Schauspielern und Computeranimationen. Oft inszeniert von sehr bekannten Regisseuren, wie zuletzt Tim Burton („Dumbo“) und Guy Ritchie („Aladdin“). An der Kinokasse sind diese nicht immer gelungenen Neuverfilmungen sehr erfolgreich.
Jetzt erlebt „Der König der Löwen“ die Live-Action-Behandlung. Vor fünfundzwanzig Jahren war dieser Disney-Trickfilm ein weltweiter Erfolg. Er war 1994 der erfolgreichste Film des Jahres, spielte gut eine Milliarde US-Dollar ein und ist im Moment der klassische Trickfilm mit dem höchsten Einspiel.
Als Regisseur für die Neuverfilmung dieses Disney-Klassikers wurde Jon Favreau engagiert. Aktuell ist er als Happy Hogan in „Spider-Man: Far from Home“ im Kino. Bereits 2016 verfilmte er für Disney „The Jungle Book“ als Live-Action-Abenteuer neu. Der Film überzeugte in seiner Interpretation als Abenteuergeschichte. Das kann über seinen „Der König der Löwen“, der verdammt nah an einem 1-zu-1-Remake ist, nicht gesagt werden.
Drehbuchautor Jeff Nathanson veränderte die aus dem Trickfilm und dem ebenfalls erfolgreichen Musical bekannte Geschichte nicht. Die damaligen Hits wurden ohne große Änderungen neu eingesungen und Elton John spendierte den neuen Song „Never too late“, während Hans Zimmer wieder in afrikanischen Motiven badet.
Schließlich spielt der Film in Afrika. Im Geweihten Land freuen sich Löwenkönig Mufasa und seine Frau Sarabi über ihren gerade geborenen Sohn Simba. Der Löwenjunge soll später Mufasas Platz einnehmen. Als Löwenkind tobt er mit seiner Freundin Nala durch die Savanne.
Währenddessen sieht sich Mufasas missgünstiger Bruder Scar als rechtmäßigen Herrn des Geweihten Landes. Um den Thron zu besteigen, beschließt er, Mufasa zu töten. Als er mit den Hyänen seinen Plan durchführt, kann er Mufasas Tod so inszenieren, dass Simba sich für den Tod seines Vaters verantwortlich fühlt.
Der kleine Löwe flüchtet aus dem Geweihten Land und trifft das Erdmännchen Timon und das Warzenschwein Pumbaa. Die beiden Kumpel zeigen ihm eine andere Welt, die im wesentlichen eine Fortsetzung von Simbas unbeschwerter, in den Tag hineinlebender Kindheit und Jugend ist.
Als Simba ausgewachsen ist, taucht Nala auf. Sie erzählt ihm, was inzwischen in seinem alten Reich geschehen ist. Scar und die Hyänen errichteten eine Schreckensherrschaft und wirtschafteten das einst prächtige Land herunter.
Nach einem kurzen Zögern und weil Nala von ihm enttäuscht ist, entschließt er sich zur Rückkehr und zum Kampf gegen Scar.
Im Gegensatz zum Original dauert Jon Favreaus Neuverfilmung nicht knappe neunzig Minuten, sondern zwei Stunden, in denen man die überaus gelungenen und sehr, sehr lebensecht aussehenden Animationen bewundern kann. Allerdings fallen auch alle Schwächen der Geschichte auf. Eigentlich wird keine Geschichte, sondern eine Abfolge von lose zusammenhängenden Episoden erzählt, deren Wendepunkte exakt in der Minute sind, die in der Syd-Field-Schule empfohlen wird. So dauert es eine Stunde, bevor Simba seine Heimat und damit den Schutz seiner Familie verlässt. Der Grund ist der Tod seines Vaters, für den er sich verantwortlich fühlt. Eine halbe Stunde später redet er dann mit seiner plötzlich aufgetauchten Freundin Nala über eine Rückkehr und es geht zurück zum Schlusskampf.
Aufgrund der Filmlänge fällt auch auf, dass Simba ein ziellos durch die Geschichte stolpernder Protagonist ist. So etwas wie ein eigener Wille ist nicht erkennbar und nicht nötig. Denn Kraft seiner Geburt ist er der rechtmäßige Erbe von Mufasas Königreich. Bezweifelt wird diese Thronfolge nur von Mufasas Bruder Scar.
Dazu kommt das erschreckend konservative, niemals hinterfragte Gesellschaftsbild, in dem der Platz von jedem Lebewesen von der Natur vorgegeben ist. In dieser Welt hat Simba den Anspruch auf die Herrschaft, weil er der Sohn des Königs ist und weil die Löwen die herrschende Rasse sind. Das wurde so auch im Original-„Der König der Löwen“ gezeigt. Aber mit lebensecht aussehenden, sprechenden und damit in jeder Beziehung menschlichen Tieren und ausführlich dargestellt, hat dieses Bild einer Gesellschaft, in der alles vorherbestimmt ist und jedes Tier seinen festen und unveränderbaren Platz auf der Futterleiter hat, einen mehr als unangenehmen Beigeschmack.
Auch bei seinen neuen Freunden Timon und Pumbaa ändert sich dieser Determinismus nicht. Sie erzählen ihm zwar von ihrem sorgenfreien Leben und dass bei ihnen alles anders ist. Danach verzehren sie genussvoll Raupen, die ja auch Lebewesen sind. Das bricht, trotz vollmundiger Ankündigung, nicht aus dem von fressen und gefressen werden bestimmten Kreislauf des Lebens aus.
Nach dem überaus gelungenem „The Jungle Book“ ist Jon Favreaus zweiter Disney-Live-Action-Film eine Enttäuschung mit sehr schönen und sehr echt aussehenden Bildern.
Der König der Löwen (The Lion King, USA 2019)
Regie: Jon Favreau
Drehbuch: Jeff Nathanson (nach dem 1993er „Der König der Löwen“-Drehbuch von Irene Mecchi, Jonathan Roberts und Linda Woolverton)
mit (im Original den Stimmen von) Donald Glover, Beyoncé Knowles-Carter, James Earl Jones, Chiwetel Ejiofor, Seth Rogen, Billy Eichner, Florence Kasumba
Miguel Rivera ist ein musikbegeisterter Junge. Der Zwölfjährige will, wie sein verstorbenes Vorbild Ernesto de la Cruz, der bekannteste Sohn des Dorfes Santa Cecilia, ein Mariachi werden. Dummerweise hasst seine Familie als einzige Familie in Mexiko die Musik und sie ist, seit Generationen, im ganzen Haus verboten. Außerdem soll Miguel den erfolgreichen Familienbetrieb, ein Schuhmachergeschäft, übernehmen.
Am Dia de los Muertos, dem Tag der Toten, dem Fest, an dem in Mexiko den Toten gedacht wird, beschließt Miguel sein Glück als Sänger zu versuchen. Weil er keine Gitarre hat, schleicht er sich in das für Ernesto de la Cruz errichtete Mausoleum. Dort will er sich für seinen großen Auftritt auf dem Dorffestplatz die Gitarre seines Idols ausleihen.
Als er sie ergreift, öffnet sich für ihn ein Tor in die Welt der Toten. Dort will er seinem großen Vorbild, das auch irgendwie mit ihm verwandt ist, begegnen. Aber er weiß nicht, wie er ihn treffen kann, seine Familie sucht ihn und wenn er nicht bei Tagesanbruch über die Blumenbrücke in das Reich der Lebenden zurückkehren kann, muss er für im Reich der Toten bleiben.
„Coco“ ist der neue Pixar-Film und viel mehr muss man eigentlich nicht sagen. Außer vielleicht, dass „Coco“ mit gut zwei Stunden für einen Kinderfilm erstaunlich lang ist (und dann kommen noch der zwanzigminütige Vorfilm „Die Eiskönigin: Olaf taut auf“ und die Werbung dazu) und dass es keine Komödie ist. Die Lacher sind rar – Keine Panik, es gibt genug witzige Szenen – und die angesprochenen Themen sind dieses Mal eher düster und existenziell. Es geht um Tod, Vergessen, Erinnerungen, den Umgang mit den Alten und den Wert der Familie. Aber auch, und hier verrate ich kein großes Geheimnis, um den Umgang mit traumatischen Ereignissen innerhalb einer Familie und Alzheimer. Denn Miguels Großmutter vergisst immer mehr.
Das ist harter Stoff, den die langjährigen Pixar-Mitarbeiter Lee Unkrich und Adrian Molina selbstverständlich kindgerecht aufbereiten und zu einem harmonischen Ende führen. Aber die Themen sind ernst, auch traurig (daran ändert das fröhliche Fest der Toten nichts) und sie konfrontieren uns mit unerfreulichen Erkenntnissen. Erkenntnissen, bei denen gerne gesagt wird, dass sie noch nichts für Kinder seien. Dass sie erst älter werden müssten.
Außerdem erfahren wir einiges über die reichhaltige mexikanische Kultur und hören gute Songs. Teils extra für den Film komponiert, teils traditionelle mexikanische Songs.
Coco – Lebendiger als das Leben (Coco, USA 2017)
Regie: Lee Unkrich, Adrian Molina (Ko-Regie)
Drehbuch: Adrian Molina, Matthew Aldrich (nach einer Geschichte von Lee Unkrich, Jason Katz, Matthew Aldrich und Adrian Molina)
mit (im Original den Stimmen von) Anthony Gonzalez, Gael García Bernal, Benjamin Bratt, Alanna Ubach, Renée Victor, Jaime Camil, Alfonso Arau, Herbert Siguenza, Ana Ofelia Murguía, Edward James Olmos, Cheech Marin