Neu im Kino/Filmkritik: “Black Panther: Wakanda forever” and ever

November 9, 2022

„Black Panther: Wakanda forever“ beginnt mit der episch zelebrierten Trauerfeier für T’Challa mit bunten Bildern aus Wakanda, Trommeln, Tänzen und Slow-Motion. Den Abschluss bildet das ihm zu Ehren geändertem Marvel-Logo.

Der Grund dafür ist der Tod von T’Challa-Darsteller Chadwick Boseman. Er starb am 28. August 2020. 2018 spielte er den schwarzen Helden in dem bei der Kritik und dem Publikum sehr erfolgreichem Superheldenfilm „Black Panther“. Danach war Boseman Black Panther. Nach seinem Tod entschlossen die Macher sich, die Rolle nicht einfach kommentarlos mit einem anderem Schauspieler neu zu besetzen (Remember „Hulk“?), sondern die Geschichte weiter zu erzählen und dieses Mal T’Challas jüngere Schwester Shuri in den Mittelpunkt zu stellen.

Dummerweise hat Letitia Wright nie die Präsenz von Chadwick Boseman. Schmerzhaft deutlich wird das am Ende des Films, wenn Regisseur Ryan Coogler wieder einige Bilder von Boseman als T’Challa zeigt. In diesen nur sekundenlangen Ausschnitten überzeugt er als charismatischer Held. Shuri wirkt dagegen, auch wenn sie in den vorherigen zweieinhalb Stunden etliche Abenteuer überstanden hat, wie der Ersatzmann, der die Position nicht ausfüllen kann.

Das kann teilweise an ihr liegen. Zu einem größeren Teil liegt das an ihrer Figur und am Drehbuch. Sie ist die kleine Schwester von T’Challa. Sie ist ein Wissenschafts-Nerd, der sich gerne im Labor vergräbt und von ihrer Kleidung und ihrem Gehabe immer noch in der Pubertät steckt. Sie mag vielleicht das Mädchen sein, mit dem man Pferde stiehlt, aber sie ist nicht die Herrscherin über ein Volk und sie ist keine Kriegerin. Ersteres wird von ihrer Mutter, Königin Ramonda (Angela Bassett), letzteres von Okoye (Danai Gurira), der Anführerin der Elite-Kriegerinnen Dora Milaje, überzeugend erledigt.

Das Drehbuch ist eine beliebige Ansammlung von Szenen. Während des gut dreistündigen Films fragte ich mich öfters, um was zur Hölle es denn jetzt eigentlich geht, was die Motive der Bösewichter sind, sofern sie überhaupt die Bösewichter sind, und was ich von der präsentierten Gesellschaft halten soll.

Wakanda ist, für alle, die „Black Panther“ nicht gesehen oder wieder vergessen haben, ein in Afrika liegendes Königreich, das sich Ewigkeiten von der Welt abschirmte. Niemand wusste von seiner Existenz. Inzwischen ist es als Staat anerkannt.

In Wakanda wird eine merkwürdige Mischung aus Tradition und Moderne gepflegt. Die Tradition ist viel afrikanische Folklore und ein im Mittelalter stecken gebliebenes Gesellschaftssystem von Königen, Kriegern und Fußvolk. Es ist auch das Gesellschaftssystem, das wir aus unzähligen Fantasy- und schlechten Science-Fiction-Filmen kennen. Gleichzeitig hat diese Erbmonarchie, die sich Jahrhunderte mit einem Schutzschild vor dem Rest der Welt verborgen hielt, Waffen und Fortbewegungsmittel, die wir sonst nur aus Science-Fiction-Filmen kennen. Außerdem verfügt Wakanda über das Metall Vibranium, das für viele friedliche und kriegerische Zwecke eingesetzt werden kann.

Ein Jahr nach dem Tod von T’Challa, streiten Wakanda und die anderen Staaten sich darüber, wer Vibranium besitzen darf und wie der Besitz und die Verwendung kontrolliert werden können. Die anderen Staaten hätten gerne ein Kontrollregime. Wakanda hält von dieser grundvernünftigen Forderung nichts und behauptet, ganz in der Tradition größenwahnsinniger Diktatoren, dass nur in ihren Händen Vibranium sicher sei und die Menschheit ihnen vertrauen solle.

Bevor dieser durchaus interessante Konflikt zwischen Wakanda und dem Rest der Welt vertieft werden kann, versucht eine zunächst unbekannte, aber gut ausgestattete Gruppe (es ist, wie wir später erfahren, die CIA) unter Wasser an dort liegendes Vibranium zu kommen. Sie werden von Namor (Tenoch Huerta Mejia), dem König des Unterwasserreiches Talokan, und seinen Männern umgebracht.

Talokan ist die Marvel-Variante des aus „Aquaman“ bekannten DC-Unterwasserreiches Atlantis. Nur dass hier alles eine Spur dunkler ausfällt. Die Talokaner haben normalerweise eine blaue Hautfarbe, die sofort an die aus „Avatar“ bekannten Na’vi erinnert.

Nachdem Namor verhindern konnte, dass das Vibranium in die falschen Hände fällt, schlägt er Königin Ramonda, die bislang nichts von Talokan wusste, eine Zusammenarbeit gegen den unbekannte Feind vor.

Kurz nach dem positiven Start ihrer Zusammenarbeit zerstreiten sie sich über die neunzehnjährige geniale Erfinderin Riri Williams (Dominique Thorne). Shuri und Okoye retteten sie vor einer Hundertschaft schießwütiger Polizisten und FBI-Agenten. Diese Actionszene findet, wie die meisten Actionszenen in „Black Panther: Wakanda forever“, weitgehend im Dunkeln statt. Sie unterscheidet sich kaum von den aus anderen Superheldenfilmen.

Nachdem sie die Neunzehnjährige retten konnten, möchte Shuri mit Riri in Wakanda in ihrem High-Tech-Labor forschen. Namor will Riri töten. Er hält sie für eine Bedrohung.

Fortan steht, unterbrochen von familiären Anwandlungen und der anderen Bedrohung, der eskalierende Krieg zwischen Wakanda und Talokan im Mittelpunkt des Films.

Unentschlossen und ohne jemals einen klaren Fokus zu finden, pendelt „Black Panther: Wakanda forever“ zwischen den einzelnen Plotideen hin und her. Garniert wird das mit einer Best-of-Africa-Klischeeparade, austauschbaren Actionszenen und ärgerlich fehlgeleiteten Vorstellungen von Herrschaft und Politik.

Insgesamt reiht „Black Panther: Wakanda forever“ sich nahtlos in die aktuelle, enttäuschende Phase des Marvel-Cinematic-Universe-Phase ein. Wenn der Film an der Kinokasse nicht so erfolgreich wie andere MCU-Filme ist, ist zu befürchten, dass danach wieder behauptet wird, Frauen könnten keine Superheldenfilme stemmen. Dabei liegt es nicht am Geschlecht und der Hautfarbe der Hauptfigur, sondern an dem schlechten Drehbuch und der schlechten Ausführung.

Wie es besser geht, zeigte vor wenigen Wochen Gina Prince-Bythewood in „The Woman King“.

Black Panther: Wakanda forever (Black Panther: Wakanda forever, USA 2022)

Regie: Ryan Coogler

Drehbuch: Ryan Coogler, Joe Robert Cole

LV: Charakter von Stan Lee und Jack Kirby

mit Letitia Wright, Lupita Nyong’o, Danai Gurira, Winston Duke, Florence Kasumba, Dominique Thorne, Michaela Coel, Mabel Cadena, Alex Livinalli, Tenoch Huerta, Martin Freeman, Angela Bassett, Tenoch Huerta Mejia, Alex Livinalli, Mabel Cadena, Dominique Thorne

Länge: 162 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite von Marvel

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Black Panther: Wakanda forever“

Metacritic über „Black Panther: Wakanda forever“

Rotten Tomatoes über „Black Panther: Wakanda forever“

Wikipedia über „Black Panther: Wakanda forever“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Black Panther“ (Black Panther, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Black Panther“ bringt eine neue Farbe in die Superheldenwelt

Februar 16, 2018

Derzeit – und viel dürfte sich nicht änderen – hat „Black Panther“ bei Rotten Tomatoes einen fast hundertprozentigen Frischegrad. Damit ist der neueste Marvel-Film der, neben Pixars „Die Unglaublichen – The Incredibles“, am besten bewertete Superheldenfilm. Weil die kumulierte Bewertung bei Rotten Tomatoes immer einen leichten Hang zu den Extremen hat, empfiehlt sich ein Blick auf die ausgewogener bewertende Metacritic-Seite. Deshalb hat „Black Panther“ dort nur einen Metascore von aktuell 87 Prozent. Bei ausschließlich positiven Bewertungen. Und die Vorverkäufe sind astronomisch hoch. Damit ist „Black Panther“ für Marvel schon vor dem Kinostart ein weiterer Gewinner, der in den ersten Tagen sein Budget einspielen wird.

Die hohen Bewertungen verraten natürlich auch etwas über Erwartungshaltungen bei den Kritikern und das gesellschaftliche und politische Umfeld, in dem Filme präsentiert werden. Denn in „Black Panther“ steht erstmals, wenn wir Marvels „Blade“-Trilogie (mit Wesley Snipes) ignorieren, in einem Superheldenblockbusterfilm ein schwarzer Superheld im Zentrum der Geschichte. Weiße haben nur Statistenrollen haben und die Geschichte spielt fast vollständig im Herzen Afrikas.

Der titelgebende Superheld ist Prinz T’Challa. Er ist, nach dem Tod seines Vaters T’Chaka in „The First Avenger: Civil War“ (Captain America: Civil War, 2016) sein designierter Nachfolger und damit der titelgebende Black Panther. Aber so einfach ist das mit der Nachfolge im Königreich Wakanda nicht.

Wakana ist ein im Herzen Afrikas liegender Staat, der eine konsequent isolationistische Politik betreibt. Seit Ewigkeiten hält das Land sich aus allen Konflikten und dem Weltgeschehen heraus. Seine Bewohner führen ein einfaches, aber glückliches und friedliches Leben. Allerdings hat Wakanda durch das undurchdringliche Metall Vibranium (aus dem Material besteht auch das Schild von Captain America) seit Ewigkeiten den Zugriff auf unglaubliches technologisches Wissen. Die so entstandenen futuristischen Technologien und Geräte verbergen sie vor der Welt hinter der Tarnkappe eines malerischen Postkartenafrikalandes, das sogar auf jeglichen Tourismus verzichtet.

So fortschrittlich die in Wakanda benutzte Technologie ist, so archaisch ist die Gesellschaft aufgebaut. Es gibt Stämme. Es gibt eine dem Königshaus gegenüber absolut loyale Amazonen-Palastwache, die Dora Milaje, die gerne wie anno dunnemals mit Speeren kämpft. Es gibt eine durch Geburt geregelte Nachfolge, die nur in einem ehrlichen Kampf verändert werden kann. Als T’Challa gekrönt werden soll, wird er von Jabari-Anführer M’Baku herausgefordert. T’Challa gewinnt den Kampf und bringt, entgegen den Regeln, den Unterlegenen nicht um. Dafür – und das ist keine große Überraschung – hilft er ihm später.

Denn Erik Stevens, aka Killmonger, hat zusammen mit Ulysses Klaue in London aus einem Museum ein aus Vibranium bestehendes historisches Artefakt gestohlen. Über einige Umwege kommt Stevens nach Wakanda, um T’Challa die Krone streitig zu machen. Das kann er, weil er beweisen kann, dass er bzw. seine Vorfahren aus Wakanda sind.

Der nun zwischen T’Challa und Killmonger entbrennende Kampf geht dabei nicht nur um die Macht in Wakanda, sondern vor allem um die künftige politische Ausrichtung von Wakanda. Soll Wakanda weiterhin eine isolationistische Politik betreiben? Oder soll Wakanda eine interventionistische Politik betreiben und den unterdrückten schwarzen Brüdern und Schwestern in anderen Ländern (vor allem natürlich den USA) helfen? Die nötigen Mittel dazu hätten sie in Wakanda. Und wie sollen sie in anderen Ländern eingreifen? Killmonger bevorzugt dabei eindeutig die gewalttätige Methode.

Mit diesem Setting und Konflikt begibt „Black Panther“ sich tief in den Afrofuturismus und die Diskussion, wie Afroamerikaner in den USA für ihre Rechte kämpfen sollen. Und damit ist der Film in den Trump-USA unverkennbar ein hochpolitisches Statement.

Es ist allerdings auch ein Film mit einem wenig charismatischen Protagonisten. T’Challa ist der edle, vernünftige Langweiler, den jeder gern hat. Er ist ein weichgespülter Dr. Martin Luther King, ohne dessen Sendungsbewusstsein. Er ist, jedenfalls am Filmanfang, ein weitgehend selbstgenügsamer Anführer, der in Wakanda und der Welt wenig verändern möchte.

Die Filmgeschichte spielt vor allem in Wakanda und bedient damit all die schönen Afrika-Klischees, die wir aus den alten Tarzan-Filmen kennen und die auch in den „Black Panther“-Comics seit seinem ersten Auftritt 1966 verarbeitet wurden. Es ist die in Fantasy- (mehr) und Science-Fiction-Geschichten (weniger) nicht unübliche Mischung aus Zauberkräften und utopischen technischen Errungenschaften und einer Gesellschaft, die im Mittelalter stecken blieb. Dabei hätten die Macher in ihrem „Black Panther“-Film doch endlich mal eine Gesellschaft entwerfen können, die nicht blind hoffnungslos veraltete, überkommene und nicht zukunftsfähige Stammesrituale herunterbetet, die schon vor hundert Jahren vor allem der Fantasie des weißen Mannes entsprangen.

Die Action ist, verglichen mit der Action in der vor zwei Wochen gestarteten Dystopie „Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone“, eher konfus als packend und oft einfach zu übertrieben. Auch weil vieles aus oder mit der Hilfe des Computers entstand und einige der Spezialeffekte so künstlich aussehen, dass sie wahrscheinlich bewusst so schlecht sind, um an ältere SF-Filme zu erinnern.

Mein Unbehagen an dem Film liegt sicher auch daran, dass mir Ryan Cooglers vorheriger Film „Creed“ so gut gefiel, dass Chadwick Boseman als Jackie Robinson in „42“ und als James Brown in „Get on up“, beides afroamerikanische Helden (Brown taugt ja nur bedingt zum Vorbild), so überzeugend war und dass der Trailer einen wirklichen afroamerikanischen Superhelden versprach, der den Weißen voller „Shaft“-Selbstbewusstsein so richtig in den Arsch tritt. Ich meine, was gibt es cooleres als einen Mann in Schwarz, der auf einem durch die Großstadt rasendem Auto auf dem Dach kniet und von schmissigen HipHop-Klängen begleitet wird?

Dagegen ist „Black Panther“ dann nur eine doch eher brave Origin-Geschichte einer schon durch seine Geburt auserwählte Person aus einem weit, weit entfernten Land. Ohne Sun Ra, aber mit James-Bond-Anspielungen und – und das ist das Neue – durchgehend erzählt aus afroamerikanischer Perspektive.

P. S.: Ohne Maske ist Andy Serkis kaum zu erkennen.

Black Panther (Black Panther, USA 2018)

Regie: Ryan Coogler

Drehbuch: Ryan Coogler, Joe Robert Cole

LV: Charakter von Stan Lee und Jack Kirby

Mit Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong’o, Martin Freeman, Forest Whitaker, Angela Bassett, Andy Serkis, Daniel Kaluuya, Danai Gurira, Florence Kasumba, John Kani, Stan Lee

Länge: 135 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Marvel-Facebook-Seite

Moviepilot über „Black Panther“

Metacritic über „Black Panther“

Rotten Tomatoes über „Black Panther“

Wikipedia über „Black Panther“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)