Neu im Kino/Filmkritik: „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ erzählt die Geschichte weiter

Dezember 17, 2015

https://www.youtube.com/watch?v=VC18mrZJYao
Zehn Jahre Warten sind vorbei. Wobei nach „Die Rache der Sith“ (dem Abschluss der Vorgeschichte zur originalen „Krieg der Sterne“-Trilogie) eigentlich kein Filmfan und auch kein Science-Fiction-Filmfan wirklich auf einen weiteren „Star Wars“-Film wartete. Denn „Die dunkle Bedrohung“ (1999), „Angriff der Klonkrieger“ (2002) und „Die Rache der Sith“ (2005) waren, obwohl oder weil von „Star Wars“-Erfinder George Lucas inszeniert, auf erzählerischer Ebene einfach zu schlecht, um zu überzeugen. Die Dialoge waren gruselig. Die in anderen Filmen guten Schauspieler agierten hölzern. Dafür waren die Tricks gut. Seitdem konnten die zahlreichen „Star Wars“-Fans sich am ganzen Merchandising, an Bücher, Comics, TV-Serien und den Filmen in verschiedenen DVD/Blu-ray-Ausgaben austoben.
Vor drei Jahren verkaufte George Lucas Lucasfilm und damit „Star Wars“ an Disney. Was ja keine schlechte Entscheidung ist. Die Disney-Filme sind ja durchgehend gelungen und „Star Wars“ ist alles andere als ein düsteres, hochphilosophisches Science-Fiction-Drama. Es ist eine Space-Opera, in der Grautöne auf der Leinwand nur als Farbton existieren.
Schnell wurden Pläne für weitere „Star Wars“-Filme verkündet. In den kommenden Jahren soll es etliche Filme aus dem „Star Wars“-Kosmos geben und die „Krieg der Sterne“-Filmsaga soll, immerhin hat George Lucas schon immer behauptet, dass er ein ganz großes Epos aus neun Spielfilmen plane, in seinem Geist fortgeführt werden. J. J. Abrams, der „Star Trek“ wiederbelebte und mit „Super 8“ seine „E. T.“-Version drehte, wurde zum Regisseur mit klarer Mission ernannt: „Star Wars“ für ein neues Publikum erschließen und die alten Fans befriedigen. Es gab, was in Hollywood nicht ungewöhnlich ist, viele Ideen und Drehbuchversionen, die sich radikal unterscheiden. Am Ende war Lawrence Kasdan, der unter anderem die Drehbücher für „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ schrieb, wieder an Bord. Ebenso die Stars der originalen Trilogie: Harrison Ford, Carrie Fisher, Mark Hamill undsoweiter, auch wenn sie dank ihrer Masken von anderen Menschen gespielt werden könnten. Es gab Bilder und Trailer, die zeigten, dass die Menschen einer weit, weit entfernten Galaxis ihren Schrott ebenfalls in der Landschaft liegen lassen. Die Fans waren entzückt. Der Hype wurde, mal wieder, kräftig angeheizt und jetzt ist das beworbene Produkt, der siebte „Krieg der Sterne“-Film „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ (manchmal auch „Star Wars VII“), der Beginn der dritten und (vielleicht) finalen Trilogie, in den Kinos. Natürlich in 3D (was nicht unbedingt nötig wäre, aber gut aussieht) und auch in einer IMAX-Version.
Um die Geschichte wurde ein großes Geheimnis gemacht, was auch daran liegt, dass sie zwar gut unterhält, aber im Wesentlichen nur eine kleine Episode aus dem Kampf zwischen den Guten (den Rebellen, die sich jetzt Resistance nennen) und den Bösen (die jetzt nicht mehr Imperium, sondern Erste Ordnung [First Order] heißen) erzählt.
Kampfpilot Poe Dameron (Oscar Isaac) soll einen Hinweis beschaffen, der die Rebellen zu dem seit Ewigkeiten spurlos verschwundenen Luke Skywalker (Mark Hamill) führen soll. Diese Mission wird durch das Auftauchen von Darth-Vader-Nachfolger Kylo Ren (Adam Driver) verhindert. Poe versteckt den Hinweis, der sich einer Art USB-Stick befindet, in seinem Roboter. Der kugelförmige BB-8-Droid kann entkommen. Poe wird von den Stormtroopern gefangen genommen. Weil Stromtrooper Finn (John Boyega) bei dem Einsatz, der ältere Zuschauer an Bilder aus dem Vietnam-Krieg erinnert, sein Gewissen entdeckt, flüchtet er mit Poe aus dem Erste-Ordnung-Raumschiff. Sie werden von anderen Raumschiffen verfolgt und legen auf dem nächstbesten Planeten eine Bruchlandung hin.
Inzwischen hat die taffe Rey (Daisy Ridler), die als Schrottsammlerin auf Jakku lebt, BB-8 gefunden. Kurz darauf treffen Rey und Finn aufeinander und, während eines Luftangriffs der Ersten Ordnung, können sie in dem gerade in der Wüste herumstehendem Millenium Falke flüchten und von Jakku flüchten.
Rey, Finn und BB-8 verstecken sich in einem größeren Raumschiff. Dort – Zufälle gibt es – treffen sie auf Han Solo (Harrison Ford) und seinen haarigen Gefährten Chewbacca (Peter Mayhew). Gemeinsam und nach einer weiteren Action-Szene (ja, es gibt viel Action, wenn die Macht erwacht) machen sie sich auf den Weg zu den von Leia Organa (Carrie Fisher) geführten Rebellen. Denn Poes Mission muss beendet werden.
Natürlich ist dieser Weg gefährlich, weshalb es weiterhin viele Kämpfe und wenige Dialoge gibt. Am Ende, auch das ist keine große Überraschung, gibt es wieder eine große Schlacht, in der Lichtschwerter gekreuzt werden und ein Todesstern der Bösewichter zerstört wird. Mein Eindruck war (ich habe den 1977er „Krieg der Sterne“ schon sehr lange nicht mehr gesehen), dass J. J. Abrams sich deutlich von der Schlussschlacht um den damaligen, viel kleineren Todesstern inspirieren ließ.
Sowieso stellt sich Abrams mit seinem Film hundertprozentig, bewusst und freudig in der Tradition der vorherigen „Krieg der Sterne“-Filme. Deshalb ist seine Revitalisierungsmission vor allem ein zurück zu den Ursprüngen, also zu der in „Krieg der Sterne“ (1977), „Das Imperium schlägt zurück“ (1980) und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) etablierten Welt, den Charakteren, dem Humor und auch dem Zeitgeist. Abrams erzählt in „Das Erwachen der Macht“, das dreißig Jahre nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ spielt, die Geschichte von Han Solo, Leia Organa, Luke Skywalker und ihren Freunden bruchlos weiter. Dabei sind sie, obwohl Harrison Ford eine überraschend große Rolle hat, nur Nebenfiguren, deren Auftritte oft kaum über größere Cameos hinauskommen. Im Mittelpunkt steht, immerhin ist der Film ein Blockbuster, der sich an ein junges Publikum richtet, Rey (Daisy Ridley), die als taffes Mädchen schnell den Respekt von Han Solo erwirbt. Auch ihr in sie verliebter Begleiter Finn (John Boyega) hat eine größere Rolle.
Die Geschichte, die die Autoren Lawrence Kaskan, J. J. Abrams und Michael Arndt erfanden, ist dann, zwischen all den Reminiszenzen an die originale Trilogie, ähnlich der Geschichte in „Planet der Affen: Revolution“ (2014), eigentlich eine auf Spielfilmlänge gestreckte TV-Serienepisode; naja, von der Länge her ist „Das Erwachen der Macht“ eine Doppel- und eine Einzelfolge. Diese Geschichte bewegt sich, dank des reichlich vorhandenen Humors und der Auftritte der altbekannten Charaktere (die mal mehr, mal weniger pompös inszeniert sind und das Herz des Fans streicheln), zügig von einer gut inszenierten Action-Szene zur nächsten. Die Special-Effects überzeugen. Die Schauspieler ebenso und entsprechend glaubwürdig sind die Charaktere. Die Dialoge sind, nachdem sie in den zwischen 1999 und 2005 entstandenen Filmen gruselig waren, wieder schmerzfrei anhörbar. Die Dialogwitze sind gut und auf den philosphischen Überbau, der uns in früheren Filmen von den Jedis arg verschwurbelt erklärt wurde, wird nicht weiter eingegangen. Inzwischen weiß jeder, was die „Macht“ ist. Sie ist, auch für die Charaktere, ein Teil ihres Lebens und wenn sie sie haben, sind sie nicht erstaunt darüber.
Es gibt viele neue Wesen und die Stormtrooper, diese maskierten Soldaten in ihrer weißen Plastikmontur, werden menschlicher; was auch für einige Lacher sorgt. Dafür hat Kylo Ren die merkwürdige Angewohnheit, während seiner Wutanfälle nicht seine Soldaten und Offiziere zu töten, sondern mit dem Lichtschwert die Einrichtung zu zerstören.
Insgesamt gefällt „Das Erwachen der Macht“ als poppiges Science-Fiction-Abenteuer und als würdige, aber auch nicht besonders eigenständige Fortsetzung von, nun, „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Es ist sozusagen „Die Rückkehr der Jedi-Ritter – Dreißig Jahre später“.
P. S.: Ob, wie ich hier vermutete, Rey und Kylo Ren Geschwister sind, wird in „Das Erwachen der Macht“ nicht endgültig geklärt. Das muss dann wohl Luke Skywalker im nächsten „Star Wars“-Film machen, der am 26. Mai 2017 in Deutschland starten soll.

Star Wars - Das Erwachen der Macht - Plakat

Star Wars: Das Erwachen der Macht (Star Wars: The Force awakens, USA 2015)
Regie: J.J. Abrams
Drehbuch: Lawrence Kasdan, J.J. Abrams, Michael Arndt
LV: Charaktere von George Lucas
mit Daisy Ridley, Adam Driver, John Boyega, Oscar Isaac, Andy Serkis, Domhnall Gleeson, Max von Sydow, Carrie Fisher, Harrison Ford, Mark Hamill, Kenny Baker, Anthony Daniels, Peter Mayhew, Gwendoline Christie, Lupita Nyong’o
Länge: 135 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Film-Zeit über “Star Wars: Das Erwachen der Macht”

Moviepilot über “Star Wars: Das Erwachen der Macht”

Metacritic über “Star Wars: Das Erwachen der Macht”

Rotten Tomatoes über “Star Wars: Das Erwachen der Macht”

Wikipedia über “Star Wars: Das Erwachen der Macht” (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von J. J. Abrams’ “Super 8” (Super 8, USA 2011)

Meine Besprechung von J. J. Abrams‘ „Star Trek into Darkness“ (Star Trek into Darkness, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: Der Flugzeug-Thriller „Non-Stop“ hilft nicht gegen Flugangst

März 16, 2014

Als Liam Neeson 2008 mit „96 Hours“ (Taken) seinen ersten reinrassigen Actionfilm drehte, war er bereits seit Ewigkeiten ein respektierter Schauspieler, dessen Ausflug in das „Star Wars“-Universum galant zugunsten von „Schindlers Liste“ verschwiegen wurde und der damals durchaus glaubhauft sagte, er wolle in einem Actionfilm mitspielen ehe er zu alt für diese Rollen werde. „96 Hours“ war so erfolgreich, dass inzwischen auch offiziell eine zweite Fortsetzung in Arbeit ist und Neeson zu einem veritablen Action-Darsteller wurde.

Neesons neuester Film „Non-Stop“, wieder unter der Regie von „Unknown Identity“-Regisseur Jaume Collet-Serra, führt diesen Strang von seiner Arbeit, auf die er sich die vergangenen Jahre konzentrierte, gelungen fort. Dieses Mal spielt er Bill Marks, einen U. S. Air Marshal und Trinker, der allerdings als großstadtgeschulter Ex-NYPD-Cop noch im Terminal die potentiell bedrohlichen Passagiere identifiziert. In der voll besetzten 747 plaudert der Flugbegleiter notgedrungen mit seiner Sitznachbarin Jen Summers (Julianne Moore), bis er eine Textnachricht auf sein Telefon erhält. Der Absender der Nachricht fordert 150 Millionen Dollar auf ein Bankkonto. Wenn seine Forderung nicht erfüllt wird, stirbt nach zwanzig Minuten der erste Passagier.

Marks versucht den Absender, der im Flugzeug sein muss und über jeden Schritt von Marks informiert ist, vor dem Verstreichen des Ultimatums zu identifizieren. Wenige Sekunden bevor die Zeit verstrichen ist, entdeckt er den mutmaßlichen Täter und stürmt auf ihn zu. Er bringt ihn um und muss wenige Minuten später, mit der nächsten Textnachricht, feststellen, dass er sich geirrt hat.

In den nächsten Minuten verschlimmert sich seine Lage immer mehr. Denn so sehr er sich auch bemüht, den oder die Erpresser zu finden, kann er nichts gegen ihr 20-Minuten-Ultimatum tun. Es sterben weitere Passagiere. Außerdem glauben seine Vorgesetzten, dass er die Maschine entführte. Immerhin soll das Geld auf ein unter seinem Namen laufendes Konto überwiesen werden. Und Marks‘ Handlungen erscheinen zunehmend irrational.

Non-Stop“ bewegt sich spannend in den durchaus bekannten Genrepfaden. Die Schaupieler und die Regie bieten hochenergetische Suspense, die sich bis auf die ersten und letzten Filmminuten im Flugzeug spielt und quasi in Echtzeit abläuft. Das Drehbuch forciert spannungsfördernd das Tempo. Die falschen Fährten sind klug gelegt und der Film steuert, mit etlichen unlogischen Punkten, die einem beim Ansehen eben wegen des Erzähltempos gar nicht so sehr auffallen, zielstrebig auf das große Finale zu, bei dem es dann auch ordentlich kracht und die Täter und ihr pseudo-politisches Motiv enthüllt werden. Tricktechnisch ist das Ende allerdings eher mau realisiert. Da wünschte ich mir wieder eine Rückkehr zur Prä-CGI-Ära.

Unlogisch ist, zum Beispiel, dass die unbekannten Erpresser präzise wie ein Schweizer Uhrwerk alle zwanzig Minuten einen Menschen sterben lassen. Dabei können sie sich oft auf die Hilfe von Unbeteiligten verlassen und so den Verdacht in andere Richtungen lenken. So entdeckt Marks genau vor dem Ablauf des ersten Ultimatums einen Verdächtigen, den er dann auch gleich umbringt. Nur: woher wussten die Entführer, dass er ihn entdeckt, dass es zu einem Kampf kommt und dass Marks den Kampf gewinnt? Denn wenn Marks nicht gewonnen hätte oder der Verdächtige etwas gesagt hätte, wäre der Film wohl ziemlich schnell vorbei gewesen.

Und so gibt es noch etliche weitere Punkte, bei denen man nicht allzu genau nachdenken sollte. Aber mit Liam Neeson und Julianne Moore gelingt das ziemlich einfach.

Jaume Collet-Serra liefert, wie schon bei seiner ersten Zusammenarbeit mit Liam Neeson „Unknown Identity“, viel Suspense, ein gutes Gefühl für den Schauplatz und etwas krachige Action.

P. S.: Eine Meldung für die Lawrence-Block-Fans: Endlich ist die lange geplante Matt-Scudder-Verfilmung „A Walk among Tombstones“ nicht mehr ein Mär aus Hollywoods-Entwicklungshölle, sonden Realität. „Out of Sight“-Autor Scott Frank verfilmte sein Drehbuch mit Liam Neeson in der Hauptrolle. US-Kinostart ist am 19. September. Der deutsche Kinostart ist noch unklar.

Non-Stop - Teaser

Non-Stop (Non-Stop, USA 2013)

Regie: Jaume Collet-Serra

Drehbuch: John W. Richardson, Chris Roach, Ryan Engle (nach einer Geschichte von John W. Richardson und Chris Roach)

mit Liam Neeson, Julianne Moore, Scoot McNairy, Tom Bowen, Michelle Dockery, Lupita Nyong’o, Nate Parker, Corey Stoll, Omar Metwally, Jason Butler Harner, Linus Roache, Shea Whigham, Anson Mount

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Non-Stop“

Moviepilot über „Non-Stop“

Metacritic über „Non-Stop“

Rotten Tomatoes über „Non-Stop“

Wikipedia über „Non-Stop“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Steve McQueens dritter Streich: „12 Years a Slave“

Januar 16, 2014

 

Aktueller Stand: fast hundert gewonnene Filmpreise, unter anderem den Golden Globe als bester Film des Jahres, 142 Nominierungen und es dürften bis zur Oscar-Nacht noch einige Preise hinzukommen. Dieser beeindruckende Preisregen, der auch mit der Inflation von Filmpreisen in den vergangenen Jahren zusammenhängt, sagt vor allem eines: „12 Years a Slave“ ist ein guter Film; was niemand, der Steve McQueens beiden vorherigen Filme „Hunger“ und „Shame“ gesehen hat, bezweifelt. Es ist auch sein zugänglichster Film, der am nächsten an den bekannten Hollywood-Erzählkonventionen ist.

McQueen erzählt nach einem Drehbuch von John Ridley („U-Turn“, „Three Kings“, mehrere Romane, vor allem in Richtung Noir) die wahre Geschichte von Solomon Northup, der 1841 gesellschaftlich anerkannt und glücklich verheiratet mit zwei Kindern in Saratoga, New York, lebt. Als er einen gut bezahlten Job als Geiger in Washington, DC, annimmt, beginnt seine Leidensgeschichte. Denn er wird betäubt, gefangen genommen und in die Südstaaten nach Louisiana verschifft. Jetzt ist er ein Sklave, dem niemand glaubt, dass er in New York ein freier Mann war.

In den kommenden zwölf Jahren arbeitet er auf verschiedenen Plantagen unter Besitzern, die ihn verschieden schlecht behandeln, ihm aber immer seiner Würde berauben, ihn nicht als Menschen, sondern als Sache, über die sie nach Belieben verfügen können, betrachten.

John Ridley sagt dazu: „Wenn man heute über die Sklaverei spricht, geht man landläufig davon aus, dass Schwarze in den Baumwollfeldern unter besseren oder unter schlechteren Bedingungen schufteten. Fertig! Aber das ganze System war viel komplexer. Es zielte auf eine totale Entmenschlichung ab. Den Weißen gegenüber wurde behauptet, dass Schwarze dazu geboren waren, Sklaven zu sein. Sie wurden als minderwertige Rasse dargestellt, der von Geburt an überhaupt keine Rechte zustanden. Davon wollten Steve und ich erzählen – und gleichzeitig zeigen, welches Unrecht Solomon zugefügt wurde.“

Auf den Plantagen kann McQueen, der „12 Years a Slave“ strikt chronologisch und aus der Perspektive von Northup erzählt, eine kleine Starparade abfeiern. Denn die Sklavenhalter werden von Benedict Cumberbatch und Michael Fassbender gespielt. Paul Dano spielt einen gemeinen Vorarbeiter und Brad Pitt einen aus Kanada kommenden Zimmermann.

Getragen wird der Film allerdings von Chiwetel Ejiofor, für den die Rolle der Durchbruch sein könnte. Denn als Solomon Northup ist er von der ersten bis zur letzten Minute das Zentrum der Geschichte.

Im Gegensatz zu „Django Unchained“ oder „Lincoln“, die sich zuletzt mit der Sklaverei beschäftigten, ist Steve McQueens Film kein poppiger Rache-Western mit Hang zum plakativen Spaghetti-Western-Humor oder ein wortlastig-gediegenes Hinterzimmer- und Parlamentskammerspiel, sondern die nüchtern erzählte Geschichte eines Mannes, der vom freien Mann zum Sklaven wird und der sich nur durch eine glückliche Begegnung aus seinem Martyrium befreien kann. Dabei zeigt McQueen, der schon in „Hunger“ und „Shame“ kompromisslos seine künstlerische Vision verfolgte und auch dort nie vor unangenehmen Bildern zurückschreckte, die er aber, ohne das Leiden seiner Protagonisten kunstgewerblich zu ästhetisieren, wie wunderschöne Visionen des Leidens inszenierte und die deshalb durchaus in einer Ausstellung einen adäquaten Platz finden könnten. In beiden Filmen verlangte er dabei seinem Hauptdarsteller Michael Fassbender auch körperlich einiges ab. In seinem neuen Film, der das System Sklaverei nüchtern analysiert, nimmt Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor diesen Platz ein. Besonders unangenehm sind dabei die Auspeitschungen, die, teils in paradiesischer Landschaft, in langen, ungeschnittenen Szenen als Marter gezeigt werden. Oder als Northup, mit einem Strick um seinen Hals, eine Ewigkeit auf seinen Zehen tänzeln muss, bis darüber entschieden ist, ob er gehängt wird oder nicht. Im Hintergrund geht dabei das normale Plantagenleben weiter.

12 Years a Slave - Plakat - 4

12 Years a Slave (12 Years a Slave, USA 2013)

Regie: Steve McQueen

Drehbuch: John Ridley

LV: Solomon Northup: Twelve Years a Slave, 1853

mit Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Lupita Nyong’o, Benedict Cumberbatch, Brad Pitt, Paul Dano, Paul Giamatti, Sarah Paulson, Alfre Woodard

Länge: 135 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film (dito)

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „12 Years a Slave“

Moviepilot über „12 Years a Slave“

Metacritic über „12 Years a Slave“

Rotten Tomatoes über „12 Years a Slave“

Wikipedia über „12 Years a Slave“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steve McQueens „Shame“ (Shame, Großbritannien 2011)

Und noch einige O-Töne:

Die TIFF-Pressekonferenz

Q&A beim New York Filmfestival

DP/30 spricht mit Steve McQueen und Kameramann Sean Bobbitt