Neu im Kino/Filmkritik: „Air – Der große Wurf“ für eine Turnschuhfirma

April 6, 2023

Hätte mir vor wenigen Tagen jemand gesagt, dass ich mich für einen Film über einen Turnschuh und einen Werbevertrag interessieren könnte, hätte ich gesagt „Quatsch. Es gibt nichts, was mich weniger interessiert.“.

Nach dem fabelhaftem Trailer war ich dann gespannt auf den Film über Nike und Michael Jordan. „Air – Der große Wurf“ ist auch der neue Spielfilm von Ben Affleck. Der Schauspieler hat als Regisseur mit „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (2007), „The Town – Stadt ohne Gnade“ (2010), „Argo“ (2012) und „Live by Night“ (2016) eine makellose Filmographie. Da hätte mich sein neuer Film, das gebe ich unumwunden zu, in jedem Fall interessiert.

Sein Drama „Air – Der große Wurf“ erfüllt die Erwartungen, die der Trailer und sein Name wecken. Er erzählt die Vorgeschichte zu dem Vertrag zwischen Nike und Michael Jordan, aus der Sicht von dem Mann, der bei Nike den Vertrag einfädelte.

Nike befindet sich 1984 in einer finanziell unbefriedigenden Situation. Das Geschäft mit der Verpflichtung von Sportlern, bei Wettkämpfen und Spielen ihre Schuhe zu tragen und so Schuhe zu verkaufen, läuft schlecht. Trotzdem will Nike in der kommenden Saison wieder Sponsoring-Verträge mit mehreren Sportlern abschließen. Das Risiko wird gestreut. Aber Spitzensportler und Stars können so nicht eingekauft werden. Nike bedient sich an der Resterampe.

Da schlägt Sonny Vaccaro (Matt Damon), der Basketballexperte von Nike, einen neuen Ansatz vor: das gesamte Budget wird für einen Sportler ausgegeben. Michael Jordan, der damals am Anfang seiner Karriere stand, soll das sein. Vaccaro denkt, dass Jordan ein riesiges Potential hat.

Es gibt nur zwei Probleme: zuerst muss Vaccaro seine Vorgesetzten von seiner Idee überzeugen. Die sind davon nicht begeistert. Denn wenn Vaccaro sich irrt, wird das ein kostspieliger, die Firma gefährdender Irrtum sein.

Und Michael Jordan muss überzeugt werden. Sein Agent bereitet gerade Vertragsverhandlungen mit Adidas und Puma vor. Beide Firmen würden Jordan eine Summe zahlen, die über dem bei Nike verfügbarem Budget liegt. Außerdemn hat Jordan bereits öffentlich gesagt, er werde niemals bei Nike unterschreiben.

Affleck orientiert sich in seinem neuen Film an an neueren, auf wahren Ereignissen beruhenden Hollywood-Filmen, wie „The Big Short“, „Vice – Der zweite Mann“ und „Bombshell – Das Ende des Schweigens“. Im Gegensatz zu diesen Filmen, die über gesellschaftliche Missstände aufklären, geht es in „Air – Der große Wurf“ letztendlich um nichts. Denn ein Sponsoring-Vertrag zwischen einem Sportler und einer Firma, von dem beide profitieren, ist kein Skandal und nichts, was verändert werden muss. Denn Jordan schloss einen für sich sehr vorteilhaften Vertrag ab, der sich fundamental von den Verträgen unterschied, die andere Sportler vor ihm abschlossen.

Affleck erzählt diese Vertragsverhandlungen äußerst kurzweilig und satirisch zugespitzt aus der Sicht von Sonny Vaccaro und Nike. Michael Jordan, den in den USA jedes Kind kennt, tritt im Film nicht auf. Seine Mutter Deloris Jordan (Viola Davis), das Oberhaupt der Familie Jordan, führt die Verhandlungen. Das Erzähltempo ist hoch. Die Dialoge pointiert. Die hochkarätigen Schauspieler – neben Matt Damon und Viola Davis sind Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Tucker und Chris Messina dabei – sind spielfreudig. Das Zeitkolorit ist stimmig. Alles sieht wie ein Dokumentarfilm aus den achtziger Jahren aus. Es gibt Bilder aus Nachrichtensendungen und Ausschnitte aus Videoclips, die nostalgische Gefühle wecken. Der Soundtrack besteht aus den damaligen Hits.

Da macht dann ein vollkommen kritiklos präsentiertes Stück Firmengeschichte über einen Sportler, einen Schuh und wie die profitable Partnerschaft zwischen Nike und Jordan begann, Spaß.

Air – Der große Wurf“ ist ein kurzweiliger Werbefilm für Nike und eine Zeitreise in eine Zeit, als Telefone nur Telefone waren.

Air – Der große Wurf (Air, USA 2023)

Regie: Ben Affleck

Drehbuch: Alex Convery

mit Matt Damon, Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Tucker, Viola Davis, Chris Messina, Marlon Wayans, Matthew Maher, Julius Tennon

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Air“

Metacritic über „Air“

Rotten Tomatoes über „Air“

Wikipedia über „Air“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood beurteilt die Fiktionalisierung dieser Vertragsverhandlungen

Meine Besprechung von Ben Afflecks Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (Gone Baby Gone, USA 2007)

Meine Besprechung von Ben Afflecks „Argo“ (Argo, USA 2012)

Meine Besprechung von Ben Afflecks Dennis-Lehane-Verfilmung „Live by Night“ (Live by Night, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Aretha Franklin fordert „Respect“

November 25, 2021

Zwei Wochen nach der sehenswerten Doku „Billie – Legende des Jazz“ über die Jazzsängerin Billie Holiday kommt jetzt Liesl Tommys sehenswertes Biopic „Respect“ über die Soulsängerin Aretha Franklin in die Kinos. Tommy konzentriert sich auf die frühen Jahre der 1942 geborenen Sängerin. Nach einem 1952 in Detroit spielendem Prolog, in dem die zehnjährige Aretha Franklin mit ihrem Gesang die Abendgesellschaft ihres Vaters, des Predigers Reverend CL Franklin, erfreut, geht es weiter in das Jahr 1959 und damit zu den Anfängen von Franklins Profikarriere. Sie – ab diesem Moment wird sie von Aretha Franklins Wunschbesetzung Jennifer Hudson überzeugend gespielt – hatte schnell Erfolg. Vor allem nach ihrem Wechsel zu Atlantic folgte Hit auf Hit. Ihr Engagement für die Bürgerrechtsbewegung wird im Film eher stiefmütterlich behandelt. Das gleiche gilt für bestimmte Aspekte ihres Privatlebens, wie, dass Franklin ihr erstes Kind als Zwölfjährige, das zweite als Vierzehnjährige bekam.

Tommy erzählt Franklins Leben in den Sechzigern chronologisch bis zu ihrem Gospelkonzert 1972 in der Missionary Baptist Church in Watts, Los Angeles, das für die Doppel-LP „Amazing Grace“ aufgenommen wurde. Es ist das erfolgreichste Live-Gospel-Album aller Zeiten und Franklins größter kommerzieller Erfolg.

Mit diesem Triumph endet „Respect“. Ihr weiteres Leben wird – und das ist eine kluge Entscheidung – im Abspann mit Bildern der echten Aretha Franklin abgehandelt.

Respect“ ist in seiner konventionellen Machart nie schlecht, aber auch nie hundertprozentig überzeugend. Im Film wechseln sich Szenen aus Franklins Leben mit von ihr an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Gelegenheiten gesungenen Liedern ab. Das gibt einen guten Überblick über ihre verschiedenen biographischen Stationen und Hits. Gleichzeitig wirkt ihr Leben wie eine Abfolge mühelos erreichter Erfolge. Nie muss sie Proben. Nie gibt es Konflikte mit ihrer Band. Im Gegenteil: sogar als sie in Alabama zum ersten Mal mit einer ausschließlich aus weißen Männern bestehenden Band zusammen spielen muss, gelingt dieses Zusammenspiel sofort perfekt und die Männer folgen willig ihren Anweisungen.

In ihrem Privatleben gab es zwar Konflikte – ihre Schwangerschaften, ihre Beziehung zu ihrem Vater, ihre Beziehung zu ihrem Ehemann -, aber sie werden nie vertieft, sondern nur pflichtschuldig erwähnt. Daher bleibt auch unklar, was Aretha Franklin als Künstlerin und Mensch antreibt. Sie sagt nur einige Male, dass sie Hits will. Hits sind allerdings eine rein kommerzielle und keine künstlerische Messlatte. Immerhin endet „Respect“ mit dem Konzert in der Missionary Baptist Church, bei dem die Sängerin mit Gospelsongs zu ihren musikalischen Wurzeln zurückkehren wollte.

Respect“ ist ein überaus respektvoll verfilmter Wikipedia-Artikel mit viel Musik.

Respect (Respect, USA 2021)

Regie: Liesl Tommy

Drehbuch: Tracey Scott Wilson

mit Jennifer Hudson, Forest Whitaker, Marlon Wayans, Marc Maron, Skye Dakota Turner, Saycon Sengbloh, Hailey Kilgore, Albert Jones, Kimberly Scott, Tituss Burgess, Myk Watford, Audra McDonald, Mary J. Blige, Gilberg Glenn Brown

Länge: 146 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Respect“

Metacritic über „Respect“

Rotten Tomatoes über „Respect“

Wikipedia über „Respect“ (deutsch, englisch) und Aretha Franklin (deutsch, englisch)

AllMusic über Aretha Franklin

History vs. Hollywood über „Respect“

Meine Besprechung von Alan Elliottt/Sydney Pollacks „Aretha Franklin: Amazing Grace“ (Amazing Grace, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Taffe Mädels“ räumen auf

Juli 4, 2013

 

Die Buddy-Cop-Komödie erfindet „Taffe Mädels“ von Paul Feig nicht neu und auch wenn im Presseheft steht, der Film stehe in der Tradition von „Nur 48 Stunden“, „Red Heat“, beide von Walter Hill, und „21 Jump Street“ (Ähem?), dann ist das doch mehr als nur etwas hoch gegriffen. Denn eine Walter-Hill-typische Actionszene fehlt. Und der Rest der Walter-Hill-Mythologie wird noch nicht einmal angekratzt.

Drehbuchautorin Katie Dippold nennt dann „Diese zwei sind nicht zu fassen“ (Running Scared, USA 1986, Regie: Peter Hyams) mit den Plappermäulern Billy Crystal und Gregory Hines als ihr Lieblings-Buddy-Cop-Movie und das ist eine durchaus treffender Vergleich. Auch wenn es, wie gesagt, in „Taffe Mädels“ mit der Action hapert.

Dafür sind die Sprüche von Sandra Bullock und Melissa McCarthy, die eigentlich alle guten Sprüche hat und noch lustvoller als Eddie Murphy in „Nur 48 Stunden“ und „Beverly Hills Cop“, teils in ebenfalls improvisierten Schimpftiraden, gegen alle Regeln, Dienstvorschriften und Etikette verstößt. McCarthy spielt Shannon Mullins, einen harten Boston-Straßencop, der jeden Grashalm in ihrem Revier kennt, flüchtige Straßendealer mit einer Wassermelone erledigt, ein Verhör mit einem Telefonbuch beginnt und einem geladenem Revolver in den Weichteilen des Verdächtigen beendet. Dirty Harry würde die Dame, die prinzipiell ohne Partner ermittelt, gefallen.

Für die FBI-Agentin Sarah Ashburn (Sandra Bullock) ist sie der fleischgewordene Alptraum. Denn Ashburn ist eine wandelnde Dienstvorschrift in hässlichen, asexuellen, schlecht sitzenden, grauen Anzügen, ohne soziale Kompetenzen, aber mit einer bestechenden Aufklärungsrate. Sie ist der Klassenstreber, der niemand abschreiben lässt, andere verpetzt und sich dann wundert, dass ihre Klassenkameradinnen sie nicht mögen. Jetzt soll sie in Boston einen großen Drogenhändler, dessen wahre Identität niemand kennt, schnappen – und muss dafür mit Mullins zusammenarbeiten.

Und wir können uns an einer weiteren Buddy-Cop-Variante erfreuen, der musikalisch mit Funk’n’Soul in Richtung siebziger Jahre schielt und storytechnisch irgendwo zwischen den Siebzigern und den Achtzigern landet. Die Verbrecherjagd ist, wie schon in den bekannt-beliebten Achtziger-Jahre-Buddy-Cop-Filmen, die notdürftige Klammer für die Comedy und sollte nicht auf Logik überprüft werden. Schließlich haben sich die Macher auch nicht darum gekümmert. Stattdessen haben sie hemmungslos improvisiert und das Duo McCarthy/Bullock gefällt.

Dieses Duo ist auch die einzige Neuerung im Buddy-Cop-Movie-Genre: anstatt Jungs heizen hier Mädels den Bösewichtern mit einer Mischung aus unorthodoxen Ermittlungsmethoden, blöden Sprüchen und hemmungslosem Waffengebrauch kräftig ein.

Taffe Mädels“ ist kein grandioser Film. Auch kein Film, den man sehen muss. Aber für Fans des Genres ein entspannender Abend, der tausendmal besser als das komplett vergurkte Buddy-Movie „Cop Out – Geladen und entsichert“ (USA 2010) mit Bruce Willis und Tracy Morgan und auch deutlich unterhaltsamer als „Hollywood Cops“ (USA 2003) mit Harrison Ford und Josh Hartnett ist. Denn die Chemie zwischen McCarthy und Bullock und den anderen Schauspielern stimmt und das ist schon mehr als die halbe Miete in einem Buddy-Movie, das nie vorgibt mehr zu sein als es ist: zwei Stunden harmloser Spaß, der sich mit ziemlich wenig zufriedengibt.

Taffe Mädels - Plakat

Taffe Mädels (The Heat, USA 2013)

Regie: Paul Feig

Drehbuch: Katie Dippold

mit Sandra Bullock, Melissa McCarthy, Demian Bichir, Marlon Wayans, Michael Rapaport, Spoken Reasons, Bill Burr, Nathan Corddry

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Film-Zeit über „Taffe Mädels“

Metacritic über „Taffe Mädels“

Rotten Tomatoes über „Taffe Mädels“

Wikipedia über „Taffe Mädels“ (englisch)

Und noch einige Filmausschnitte, wobei ich andere Ausschnitte gewählt oder die ganze Szene gezeigt hätte