Neu im Kino/Filmkritik: Kreative Titelwahl, nächste Ausgabe: „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“

November 13, 2025

Der letzte Auftritt der Profi-Illusionisten „Die vier Reiter“ (The Four Horsemen) war vor zehn Jahren. Danach verschwanden die Magier spurlos. Gerüchte behaupten, sie hätten sich seitdem in Hollywoods Entwicklungshölle befunden. Auch am Anfang von „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“ tritt eine andere Gruppe von Illusionisten auf. Ihrem Publikum bieten sie eine auf den ersten Blick überzeugende Show mit dem abwesenden Reitern. Auf den zweiten Blick, vor allem wenn J. Daniel Atlas (Jesse Eisenberg) von den Vier Reitern, schnell ihre Tricks und einiges über sie enthüllt, ist klar, dass die echten „Vier Reiter“ wieder ran müssen. Außerdem hat das Auge (The Eye), eine mysteriöse Gesellschaft von Magiern, die wie Robin Hood die Reichen ausrauben und das Geld unter den Armen verteilen, ihnen kryptische Nachrichten geschickt. Schnell finden sich die ursprünglichen, aus den ersten beiden „Die Unfassbaren“-Actionkomödien bekannt-beliebten „Vier Reiter“ – J. Daniel Atlas (Jesse Eisenberg), Merrit McKinney (Woody Harrelson), Jack Wilder (Dave Franco) und Henley Reeves (Isla Fisher) – und ihre aufstrebenden Nachahmer – die Neuzugänge Charlie (Justice Smith), June (Ariana Greenblatt) und Bosco (Dominic Sessa) – und, in einem Kurzauftritt, der ebenfalls aus den vorherigen „Die Unfassbaren“-Gaunerkomödien bekannte Thaddeus Bradley (Morgan Freeman) zusammen. In diesen ersten Filmminuten gelingt Ruben Fleischer das Kunststück alle wichtigen Figuren und ihre besonderen Talente und Eigenheiten kurz und prägnant einzuführen bzw. wieder in Erinnerung zu rufen.

Die sieben Magier wollen Veronika Vanderberg (Rosamund Pike) bestehlen. Sie ist eine erzböse Kapitalistin, die sich lässig als Bond-Bösewicht bewerben könnte und nur wegen mangelnder Weltzerstörungspläne abgelehnt würde. Sie besitzt den wertvollsten Edelstein der Welt. Der riesige Stein ist normalerweise viele Meter unter dem Wüstensand in einem unterirdischen Safe.

Mit dem bewährten Team und einigen Neuzugängen inszenierte „Zombieland“-Regisseur Ruben Fleischer in dem von Louis Leterier und Jon M. Chu etablierten Stil den dritten „Die Unfassbaren“-Film, der die Helden um den halben Globus schickt. Fleischer knüpft gelungen an die vorherigen Filme an mit ‚einfacheren‘, ’nachvollziehbareren‘ und somit ‚realistischeren‘ Zaubertricks. Das gesagt ist die Actionkomödie natürlich vor allem ein leichtgewichtiges poppiges Abenteuer, das mit der Realität nicht mehr zu tun hat als ältere, komödiantisch angelegte Heist-Krimis, in denen die Helden ihren Spaß bei der Planung und mehr oder weniger aus dem Ruder laufenden Durchführung des großen Coups haben.

Die Unfassbaren 3 – Now you see me“ ist eine hemmungslos eskapistische Angelegenheit, die wie die x-te Episode einer guten, schon länger laufenden TV-Serie wirkt (wie, um eine neuere Serie zu nennen, „Leverage“), bei der man sich auf die nächste Folge freut und nicht enttäuscht wird. Auch wenn „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“ der routinierteste Film der Reihe ist. Und das meine ich lobend!

Ein vierter Diebeszug befindet sich bereits in Planung. Aber das wurde auch nach dem zweiten „Die Unfassbaren“-Film gesagt und dann vergingen neun Jahre bis zur nächsten Illusionistenshow.

Die Unfassbaren 3 – Now you see me (Now you see me: now you don’t, USA 2025)

Regie: Ruben Fleischer

Drehbuch: Michael Lesslie, Paul Wernick, Rhett Reese, Seth Grahame-Smith (nach einer Geschichte von Eric Warren Singer und Figuren von Edward Ricourt und Boaz Yakin)

mit Jesse Eisenberg, Woody Harrelson, Isla Fisher, Dave Franco, Ariana Greenblatt, Dominic Sessa, Justice Smith, Morgan Freeman, Rosamund Pike

Länge: 113 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“

Metacritic über „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“

Rotten Tomatoes über „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“

Wikipedia über „Die Unfassbaren 3 – Now you see me“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Louis Leteriers „Die Unfassbaren – Now you see me“ (Now you see me, USA 2013) und der DVD

Meine Besprechung von Jon M. Chus „Die Unfassbaren 2 – Now you see me“ (Now you see me 2, USA 2016) und der DVD

Meine Besprechung von Ruben Fleischers „Venom“ (Venom, USA 2018)

Meine Besprechung von Ruben Fleischers „Zombieland: Doppelt hält besser“ (Zombieland: Double Tap, USA 2019)

Meine Besprechung von Ruben Fleischers „Uncharted“ (Uncharted, USA 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“ erzählt die Geschichte der zehnten Hunger-Games

November 16, 2023

Bislang kennnen wir Präsident Coriolanus Snow nur als alten Mann, der die Hunger Games verantwortet. In jedem Jahr kämpfen in diesen Spielen, zum Vergnügen der sensationshungrigen Masse, zufällig ausgewählte Jugendliche aus den zwölf Distrikten gegeneinander und bringen sich um. Katniss Everdeen aus dem zwölften Distrikt wird bei den 74. Hunger Games zum Star. In den folgenden Jahren bedroht sie die Herrschaft von Snow und beendet sie letztendlich.

Die drei „Die Tribute von Panem“-Young-Adult-Romane von Suzanne Collins, – „Tödliche Spiele“, „Gefährliche Liebe“ und „Flammender Zorn“ -, waren Bestseller. Die vier Filme – der letzte Teil der Trilogie wurde auf zwei Filme aufgeteilt – waren Hits. Und Katniss-Darstellerin Jennifer Lawrence ein Star.

Danach schrieb Suzanne Collins das Prequel „Die Tribute von Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange“. Das Bestseller wurde jetzt von dem bewährten Team am bewährten Ort verfilmt. Ein großer Teil des Young-Adult-Actionfilms wurde im Studio Babelsberg und in Berlin an auch für Nicht-Einheimische erkennbaren Orten gedreht. Regisseur Francis Lawrence und Kameramann Jo Willems waren in die vorherigen drei „Die Tribute von Panem“-Filme als Regisseur und Kameramann dabei. Die Musik ist wieder von James Newton Howard und produziert wurde der Film, unter anderem, von Nina Jacobson. Newton und Jacobson sind seit dem ersten „Die Tribute von Panem“-Film dabei. Editor Mark Yoshikawa ist zum zweiten Mal dabei. Damit ist hinter der Kamera in jeder Beziehung für Kontinuität gesorgt. Die Hauptdarsteller wurden, aus nachvollziehbaren Gründen, ausgetauscht.

Tie Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“ spielt vierundsechzig Jahre vor dem ersten „Die Tribute von Panem“-Film. Coriolanus Snow (Tom Blyth) ist ein junger Mann, der sich eine große Karriere erhofft. Der Achtzehnjährige ist intelligent, ehrgeizig und sieht gut aus. Nur mit den Finanzen und dem damit verbundenem gesellschaftlichem Ansehen hapert es. Er hofft, als Mentor für einen „Hunger Games“-Spieler, einen weiteren wichtigen Karriereschritt zu absolvieren.

Allerdings wurden bei den jetzt stattfindenden zehnten Hunger Games plötzlich die Regeln geändert. Er passt sich an und versucht sie weiter zu seinen Gunsten zu ändern. Und er muss Lucy Gray Baird (Rachel Zegler) zum Sieg führen. Lucy kommt aus dem verarmten zwölften Distrikt. Sie ist eine begnadete Sängerin und sehr eigensinnig. Schnell erkennt sie, dass sie das in einer Gladioatorenarena stattfindende Töten-oder-getötet-werden-Spiel nur überleben kann, wenn sie mit Coriolanus zusammen arbeitet.

Mit 157 Minuten ist „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“ der längste Film der Reihe. Das Prequel ist ein gelungener Blick in die Vergangenheit von Panem, das allerdings an seiner Länge von gut drei Stunden und den schon immer ärgerlichen Konventionen von Young-Adult-Dystopien leidet.

Die Welt von Panem ist eine Retro-Dystopie, die hier wie ein leicht upgedateter Mix aus George Orwells „1984“, Drittem Reich und Kalter-Krieg-Ostblock aussieht. Die Gesellschaft ist in eine prosperierende Hauptstadt und ländliche, teils verarmte Distrikte unterteilt. Die Gesellschaft ist, soweit erkennbar, eine Ständegesellschaft. In ihnen wird mit strenger Hand und einer gnadenlosen Auswahl regiert. Es ist eine Welt, in der niemand leben möchte. Die Hauptfiguren sind junge Erwachsene, die um ihr überleben kämpfen müssen. Dabei sind in „The Ballad of Songbirds & Snakes“ die Spiele noch sehr einfach gehalten. In einer Arena müssen sie sich umbringen. Gewonnen hat, wer überlebt.

Alles in dieser Young-Adult-Dystopie ist auf ein Teenager-Publikum zugeschnitten. Dementsprechend ist alles immer eine Spur zu plakativ und naiv.

Ein weiteres Problem ist die Länge. Anstatt den sechshundertseitigen Roman radikal für die Verflmung zu überarbeiten (was wahrscheinlich bei den Fans für entsetzte Aufschreie sorgen würde) oder ihn in zwei Filmen zu verfilmen, wurde er jetzt als Ganzes verfilmt. Und das war keine gute Entscheidung. Nach dem Ende des zehnten Hunger Games und damit nach gut zwei Stunden Filmzeit, hätten die Macher den Film, mit einem kleinen Cliffhanger, gut beenden können. Das wäre ein guter Young-Adult-Actionfilm mit einer stringenten Spannungskurve geworden.

Aber sie erzählen im dritten Teil des Films (der deutlich länger als ein normaler dritter Filmakt ist), ohne einen eindeutigen erzählerischen Fokus, die Geschichte von Coriolanus und Lucy Gray, die jetzt im Wald und am See endgültig zum Liebespaar werden, weiter. Entsprechend zäh und auch uninteressant gestaltet sich dieser dritte Teil. Immerhin erfahren wir in diesen Minuten mehr über das Leben im zwölften Distrikt.

Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“ ist ein guter zweistündiger Young-Adult-Film mit einem überlangem Epilog, der einem die ganze Lust am Film nimmt.

Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes (The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes, USA 2023)

Regie: Francis Lawrence

Drehbuch: Michael Lesslie, Michael Arndt

LV: Suzanne Collins: The Ballad of Songbirds and Snakes – A Hunger Game Novel, 2020 (Die Tribute von Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange)

mit Tom Blyth, Rachel Zegler, Hunter Schafer, Jason Schwartzman, Peter Dinklage, Viola Davis, Josh Andrés Rivera, Hunter Schafer, Fionnula Flanagan

Länge: 157 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Filmportal über „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“

Moviepilot über „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“

Metacritic über „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“

Rotten Tomatoes über „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“

Wikipedia über „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Francis Lawrences „Die Tribute von Panem – Catching Fire“ (The Hunger Games: Catching Fire, USA 2013)

Meine Besprechung von Francis Lawrences „Red Sparrow“ (Red Sparrow, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Assassin’s Creed“, vom Stehen auf Häuserdächern

Dezember 27, 2016

Nach der gar nicht so schlechten Computerspielverfilmung „Warcraft: The Beginning“ von Duncan Jones, die vor einem halben Jahr in den Kinos lief, schien der Bann, dass Computerspiele die Grundlage für schlechte Filme sind, gebrochen zu sein. Justin Kurzels „Assassin’s Creed“ sollte die nächste gute Computerspielverfilmung werden.

Mit einem mehr als ordentlichem Budget von 125 Millionen US-Dollar (frühere Zahlen waren teilweise deutlich höher), einem Regisseur, dessen bisherige Werke Kritikererfolge waren und der mit seinem „Macbeth“-Team (vor und hinter der Kamera) „Assassin’s Creed“ inszenieren durfte, und einer Top-Besetzung (Michael Fassbender, Marion Cotillard [beide „Macbeth“], Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael K. Williams) standen die Zeichen äußerst günstig für eine gute Spieleverfilmung, die Fans des Spiels und Filmfans gefallen könnte. Immerhin wurde der Film, unter anderem, von dem „Assassin’s Creed“-Spielehersteller Ubisoft, die sich anscheinend auf dem „Marvel“-Weg sahen, und Hauptdarsteller Michael Fassbender produziert. Er war vorher Executive Producer des schönen Western „Slow West“.

Er spielt Cal Lynch, einen aus den bisherigen „Assassin’s Creed“-Computerspielen unbekannten Charakter. Lynch ist ein zum Tod Verurteilter (warum und weshalb wird vielleicht in einem Extended Cut erklärt), der nach seinem Tod in einem pompösen Forschungslabor/Krankenhaus/Gefängnis von Abstergo Industries mit Erinnerungen von Aguilar de Nerha gefüttert wird. De Nerha war im 15. Jahrhundert in Spanien ein Mitglied der Assassinen. Sie kämpfen gegen die Tempelritter um den aus der Bibel bekannten „Apfel von Eden“, der in dem Film wirklich ein Apfel und der klassische, in diesem Fall mit Scheinbedeutung hoffnungslos überladene MacGuffin ist. Dabei hätte man aus der hinter dem Apfel der Erkenntnis stehenden Idee wirklich etwas machen können.

Denn in der Filmlesart steht der Apfel als Symbol des freien Willens für Mord und Totschlag, Chaos und Anarchie. Die Tempelritter wollen die Menschheit davor beschützen. Und damit stellt sich die Frage, ob die im Film bösen Tempelritter nicht in Wahrheit die Guten sind.

Aber an solchen philosophischen Diskursen hatten die Macher kein Interesse.

Stattdessen gibt es, wenn nicht gerade endlos irgendetwas erklärt wird, unzusammenhängende Kampfszenen, in denen meistens unklar ist, wie die Leute in die Situation kamen und worum es geht. Außer dem Offensichtlichstem, wie „Kind retten“ oder „Apfel klauen“. Und halt Mord und Totschlag, Chaos und humorlose Endloskloppereien und Verfolgungsjagden.

Diese Szenen sind, auch wenn sie nicht gerade im Mittelalter und parallel in der Gegenwart spielen (Lynch spielt die Erinnerungen seines Urahnen nach), so konfus inszeniert, dass man zwischen wild entfesselter Kamera, Sekundenschnitten und 3D-Pixelgewitter jeden Überblick verliert. Entsprechend gelangweilt folgt man den Kämpfen von schwarz gekleideten Menschen, die mit anderen schwarz gekleideten Menschen kämpfen und über Dächer flüchten oder auf Dächern bedeutungsschwanger warten, weil Menschen auf Dächern immer wichtig aussehen.

In diesen Momenten sieht man, dass Justin Kurzel sich stilistisch an seiner optisch beeindruckenden Shakespeare-Verfilmung „Macbeth“ orientiert. „Macbeth“-Kameramann Adam Arkapaw half ihm dabei. Die erste Staffel von „True Detective“ und „The Light between Oceans“ (ebenfalls mit Michael Fassbender) gehen ebenfalls auf sein Konto.

Aber was in „Macbeth“ bildgewaltig und entsprechend beeindruckend ist, versumpft in „Assassin’s Creed“ – jedenfalls in der von mir gesehenen Vorführung – in viel zu dunklen Bildern und schlechtem 3D, das in dieser Form schon lange Vergangenheit sein sollte.

Dazu kommt eine wirre und konfuse Story, die Nicht-Kenner des Spiels ratlos zurücklässt. Über lose Enden, Logiklöcher und Unplausibilitäten muss hier nicht gesprochen werden. Denn all das setzt ein Mindestmaß an Plausibilität und Nachvollziehbarkeit voraus. „Assassin’s Creed“ ist dagegen nur eine Ansammlung von unzusammenhängenden Szenen, die vielleicht für die Kenner des Spiels verständlich sind.

Für alle anderen ist „Assassin’s Creed“ in jeder Beziehung Zeitverschwendung.

assassin-s-creed-plakat

Assassin’s Creed (Assassin’s Creed, USA 2016)

Regie: Justin Kurzel

Drehbuch: Michael Lesslie, Adam Cooper, Bill Collage

mit Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael K. Williams, Ariane Labed, Matias Varela, Denis Menochet

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Assassin’s Creed“

Metacritic über „Assassin’s Creed“

Rotten Tomatoes über „Assassin’s Creed“

Wikipedia über „Assassin’s Creed“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Justin Kurzels „Die Morde von Snowtown“ (Snowtown, Australien 2011)

Meine Besprechung von Justin Kurzels „Macbeth“ (Macbeth,Großbritannien 2015)

Cast und Crew stellen den Film vor


Neu im Kino/Filmkritik: Michael Fassbender ist „Macbeth“

Oktober 29, 2015

Die Frage, ob wir wirklich noch eine weitere Shakespeare-Verfilmung brauchen, ist etwas akademisch. Es gibt sie einfach. Jedes Jahr mehrere, die mehr oder weniger werkgetreu Shakespeares Werke interpretieren. Seit einigen Jahren werden sie gerne in die Gegenwart verlegt, was mindestens interessant ist und eine gewisse Aufmerksamkeit garantiert.
Justin Kurzel („Die Morde von Snowtown“) verlegte die Geschichte von Macbeth nicht in die Gegenwart, sondern an seinen schottischen Originalschauplatz, wo der Film gedreht wurde.
Die Geschichte von Macbeth dürfte bekannt sein: Macbeth (Michael Fassbender) ist der Anführer des königlichen Heeres. Nachdem er in einer blutigen Schlacht den Rebellenführer Macdonwald tötete, prophezeien ihm und seinem Kampfgefährten Banquo (Paddy Considine) drei mysteriöse Frauen (aka Hexen), dass er bald Than von Cawdor und König von Schottland sein werde. Banquo werde der Vater künftiger Könige sein.
Kurz darauf wird Macbeth von einem Boten zum Than von Cawdor ernannt.
Als er nach Inverness zurückkehrt, erfährt seine Frau, Lady Macbeth (Marion Cotillard), von der Prophezeiung und sie stachelt ihren Mann an, den König zu töten. Was Macbeth auch tut.
Jetzt ist er König, aber die Hexen tauchen wieder auf, er wird immer mehr zum Tyrannen, Schuldgefühle plagen ihn, er wird zunehmend wahnsinnig und er muss, gegen viele Widersacher, um seinen Thron kämpfen.
Es ist gut, wenn man die Geschichte von Macbeth präsent hat, wenn man sich „Macbeth“ ansieht. Denn die Shakespearschen Verse sind weit entfernt von unserer Sprache, die Geschichte besticht nicht gerade durch erzählerische Stringenz (jedenfalls nach den Hollywood-Erzählkonventionen), die Namen sind eher gewöhnungsbedürftig und die vollbärtigen Krieger und Herrscher sehen sich arg ähnlich. Außerdem hat Macbeth nach seiner Rückkehr aus dem Kampf Probleme mit der Realität und er sieht Geister. Posttraumatische Belastungsstörung heißt die aktuelle Diagnose. Früher hat man ihn einfach für verrückt erklärt.
Kurzel bemühte sich einerseits um eine möglichst werkgetreue Interpretation mit dem originalen Shakespeare-Text, die er vor Ort in Schottland drehte, und andererseits inszenierte er vor allem die Kampfszenen in äußerst abstrakten Bildern, die eine gespenstische Schönheit haben und in ihrem Wahnsinn eher an die Kriegsbilder aus „Apocalypse Now“ erinnern.
So grandios diese Schlachtgemälde sind, so enttäuschend sind dann die Innenaufnahmen, in denen man die alten Gemäuer, die karge, aber durchaus ansehnliche Innenausstattung und die Kostüme kaum zur Geltung kommen, denn die Bilder sind so dunkel, dass man außer den Schauspielern kaum etwas erkennen kann.
Das ist deutlich von Orson Welles‘ „Macbeth“ (1947) inspiriert. Welles musste, weil er nur ein kleines Budget hatte, in spartanischen Kulissen drehen. Dafür setzte er auf eine expressionistische Lichtsetzung und eine extreme Stilisierung.
Kurzels „Macbeth“ hat eine in sich geschlossene Vision, gute Schauspieler, eine prächtige Ausstattung und den Text von William Shakespeare. Das ist sehr düster, sehr dunkel, kalkuliert wahnsinnig und, bei den Außenaufnahmen, äußerst bildgewaltig. Aber so richtig begeistern will diese Neuinterpretation dann doch nicht. Es bleibt ein eher intellektuelles Vergnügen.

Macbeth - Plakat

Macbeth (Macbeth, Großbritannien 2015)
Regie: Justin Kurzel
Drehbuch: Jacob Koskoff, Todd Louiso, Michael Lesslie
LV: William Shakespeare: Macbeth, 1611/1623 (ursprünglich „The Tragedy of Macbeth“) (Macbeth)
mit Michael Fassbender, Marion Cotillard, David Thewlis, Jack Reynor, Paddy Considine, Hilton McRae, Sean Harris, David Hayman, James Harkness, Elizabeth Debicki
Länge: 113 Minuten
FSK: ab 12 Jahre (wahrscheinlich Kulturbonus)

Hinweise
Englische Homepage zum Film
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Film-Zeit über „Macbeth“
Moviepilot über „Macbeth“
Metacritic über „Macbeth“
Rotten Tomatoes über „Macbeth“
Wikipedia über „Macbeth“ und das Theaterstück „Macbeth“
Meine Besprechung von Justin Kurzels „Die Morde von Snowtown“ (Snowtown, Australien 2011)