Neu im Kino/Filmkritik: Der Big-Budget-Superheldenfilm der Woche: „Shazam! Fury of the Gods“

März 16, 2023

Unter all den Superhelden, die im Kino gegen Bösewichter kämpfen, ist Billy Batson (Asher Angel/Zachary Levi) der kleine Junge von nebenan. Am liebsten hängt er mit seinen Freunden, die auch seine Familie sind, in ihrer Höhle ab und übt Manöverkritik an ihrer letzten Aktion. Billy ist kein König eines afrikanischen Staates, kein Millionär, kein Chef eines riesigen Unternehmens, kein Erfinder, kein von einem frenden Planeten kommender und auch kein in eine Schulkameradin verliebter Spinnenmann. Der Kindskopf ist ein Junge, der in einer Pflegefamilie lebt. Wie seine fünf Geschwister, die ebenfalls von Rosa und Victor Vasquez adoptiert wurden. Es ist eine wirkliche Multikulti-Familie. Sie leben in einem kleinen Reihenhaus, das viel zu klein für sie ist. Sie verstehen sich glänzend und helfen sich gegenseitig. Vielleicht deshalb hat Billy am Ende von „Shazam!“ (2019) seine Superkräfte mit ihnen geteilt. Jetzt werden alle seine Brüder und Schwester, wenn sie „Shazam!“ rufen, zu deutlich älter aussehenden Superhelden. Doch letztendlich sind sie immer noch Kinder.

Diese Kinder bekommen in David F. Sandbergs zweitem „Shazam!“-Film Ärger mit Hespera (Helen Mirren), Kalypso (Lucy Liu) und Anthea (Rachel Zegler). Die drei Grazien sind Töchter des Atlas, ziemlich verärgert und gerade dabei, möglichst viele Menschen zu töten. Nur Billy kann in seinem Superhelden-Ich das verhindern. Das sagt ihm jedenfalls der Zauberer (Djimon Hounsou), der ihm die Superhelden-Fähigkeiten verlieh. Außerdem ist Shazam durch eine frühere Tat für die Rückkehr der drei Göttinnen verantwortlich.

Shazam! Fury of the Gods“ ist letztendlich ein grundsympathischer Kinderfilm, der sich eher an Zehnjährige und weniger an Menschen über 12 Jahre richtet. So sind Billy und seine Freunde Kinder, die eine neuere Version der „Fünf Freunde“, der „drei ???“ und anderer Gruppen junger Menschen, die in Büchern und Filmen jeden Sommer spannende Abenteuer erleben, sind. Anscheinend werden sie niemals älter. Sie haben keine Pubertätsprobleme, weil sie, wenn auch nicht unbedingt körperlich, im seeligen vorpubertären Alter sind. Sex und die Probleme des Erwachsenwerdens sind ihnen egal. Viel leber erleben sie spannende Abenteuer.

Ihre Gegnerinnen, die griechischen Göttinen Hespera, Kalypso und Anthea, sind zunächst einmal Böse, ohne jemals wirklich bedrohlich zu sein. Später fragen sie sich sogar, ob sie das richtige tun. Im Gegensatz zu anderen Superheldengeschichten, in denen die griechische Mythologie verdeckt thematisiert wird, wird sie in „Shazam! Fury of the Gods“ direkt in die Geschichte eingeflochten – und verschafft dem Publikum eine kleine Portion abendländischer Bildung. Bis neben den Göttinnen Dinosaurier und Einhörner auftauchen und sich munter durch Philadelphia kloppen, dabei die halbe Stadt zerstören und niemand umbringen oder ernsthaft verletzten.

Die Tricks sind teilweise atemberaubend schlecht. Aber im Gegensatz zu „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ (2023), in dem öfters der durchaus zutreffende Eindruck entstand, dass die Schauspieler ihre Parts allein in leeren Hallen aufgenommen haben, sind hier die Schauspieler öfters gemeinsam im Bild und sie interagieren miteinander. Wenn sie dann auf Dinosaurier durch die Luft reiten oder sich in der Großstadt verkloppen, sehen die CGI-Effekte wie uralte praktische Tricks irgendwo zwischen B-Picture, „Flash Gordon“ und Godzilla aus.

Das Finale ist dann eine episch lange, ermüdende CGI-Materialschlacht. Sie beginnt am helllichten Tag und endet, Stunden später, in der Nacht.

Wer danach noch nicht genug hat, für den gibt es im und nach dem Abspann jeweils eine Szene, die wahrscheinlich den nächsten Film antriggert.

Eigentlich ist in „Shazam! Fury of the Gods“ alles so wie in unzähligen anderen Superheldenfilmen. Nur dass es hier mehr in Richtung der kindisch-naiven Anfänge geht und alles wie ein Kindergeburtstag wirkt, in dem Kinder munter ihr Spielzeug durch das Zimmer werfen, herumtoben, ihre eigenen Regeln entwerfen, verwerfen und ihren Spaß haben. Wie auch Shazam, der im Film zwar fast achtzehn Jahre alt sein soll, sich aber liebend gern wie ein Elfjähriger benimmt.

Shazam! Fury of the Gods (Shazam! Fury of the Gods, USA 2023)

Regie: David F. Sandberg

Drehbuch: Henry Gayden, Chris Morgan (basierend auf der von Bill Parker und C. C. Beck erfundenen DC-Figur)

mit Zachary Levi, Asher Angel, Jack Dylan Grazer, Adam Brody, Ross Butler, Meagan Good, D. J. Cotrona, Grace Caroline Currey, Faithe Herman, Ian Chen, Jovan Armand, Marta Milans, Cooper Andrews, Djimon Hounsou, Rachel Zegler, Lucy Liu, Helen Mirren

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Shazam! Fury of the Gods“

Metacritic über „Shazam! Fury of the Gods“

Rotten Tomatoes über „Shazam! Fury of the Gods“

Wikipedia über „Shazam! Fury of the Gods“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Lights out“ (Lights out,USA 2016)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Annabelle 2″ (Annabelle: Creation, USA 2017)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Steven Spielbergs „West Side Story“

Dezember 9, 2021

Sechzig Jahre nach der Premiere des von Robert Wises und Jerome Robbins‘ inszeniertem Musical-Klassiker „West Side Story“ kann es selbstverständlich eine neue Filminterpretation des Stückes geben. Wise und Robbins verfilmten ein damals unglaublich erfolgreiches, heute immer noch sehr beliebtes Broadway-Musical. Und warum soll es von solchen Theaterstücken nicht neue Versionen geben? Schließlich gibt es unzählige Shakespeare-Verfilmungen. Opern werden jedes Jahr auf zahlreichen Bühnen neu aufgeführt oder auch, viel seltener, verfilmt. Mal näher am Ursprungstext, mal freier.

Die „West Side Story“ von Arthur Laurents (Buch), Jerome Robbins (Choreographie), Leonard Bernstein (Musik) und Stephen Sondheim (Texte, wenige Tage vor dem Filmstart, am 26. November 2021, verstorben) gehört inzwischen zu den kanonischen und allgemein bekannten Texten, der genau deswegen neu inszeniert und interpretiert werden kann.

Steven Spielbergs entschied sich in seiner Verfilmung der „West Side Story“ für die möglichst originalgetreue Variante. Hier und da gibt es einige kleine Änderungen, einige minimale Erneuerungen und Akzentverschiebungen. Aber letztendlich wirkt seine Bearbeitung wie die Frage, ob einem jetzt die Mozart-Interpretation von Herbert von Karajan oder von Daniel Barenboim besser gefällt. Während der Experte begeistert minimale Unterschiede erklärt, fragt sich der Nicht-Experte gelangweilt, wo denn jetzt genau die wirklich wichtigen Unterschiede sind. Und wenn ihm schon in der einen Fassung das Stück nicht gefiel, wird die minimal andere Fassung ihn nicht zu einer Revision seiner Meinung bewegen.

Immer noch verlieben sich Tony (Ansel Elgort) und Maria (Cindy Tolan) ineinander. Sie ist die kleine Schwester von Bernardo, dem Anführer der Sharks, einer puerto-ricanischen Jugendgang. Tony gehört zu den aus Nachkommen europäischer Einwanderer bestehenden Jets. Nach einer Haftstrafe versucht er jetzt ein von Gewalt und Kleinkriminalität freies Leben zu führen. Deshalb ruht seine Mitgliedschaft.

Die beiden proletarischen Jugendbanden sind miteinander verfeindet. Sie kämpfen um die Vorherrschaft im Viertel. Sie gehören zur gleichen ökonomischen Klasse. Aber anstatt gemeinsam für eine Verbesserung ihrer Lage zu kämpfen, bekämpfen sie sich gegenseitig. Vor allem die weiße Jugendbande ist, wie ein Polizist ihnen sagt, der Abschaum, der den Aufstieg aus dem Viertel nicht geschafft hat. Insgesamt zeichnet Spielberg die Jets eindeutig negativer als Wise/Robbins. Sie sind Angst und Schrecken verbreitende Kleingangster.

Die Inspiration für die „West Side Story“ war „Romeo und Julia“. Die Liebesgeschichte wurde in die damalige Gegenwart, nämlich den Sommer 1957 in der Upper West Side und den anliegenden Kiezen Lincoln Square und San Juan Hill verlegt. Es wurden aktuelle Probleme angesprochen. Das waren (und sind) die Konflikte zwischen ethnischen Gruppen, Einheimischen und Zuwanderern, sich zu Jugendgangs zusammenschließende Jugendliche und das US-amerikanische Aufstiegsversprechen. Das alles spielt sich vor einem massiven Umbau des Viertels und einer damit verbundenen Gentrifizierung ab. Denn die Straßen, um die Jets und Sharks kämpfen, waren damals Teil einer umfassenden Stadterneuerung in New York. Deshalb bewegen sich beide Gruppen durch riesige, äußerst fotogene Ruinenfelder.

Dieses Verarbeiten aktueller Themen in einem Musical war damals noch neu. Die „West Side Story“ spielt nicht in einer Fantasielandschaft. Die Macher versuchten nicht, die Wirklichkeit möglichst umfassend aus dem Film zu tilgen, sondern sie brachten möglichst viel Realität in das Musical. In seinem Remake akzentuiert Spielberg, nach einem Drehbuch von Tony Kushner („Angels in America“, „München“, „Lincoln“), diese Konflikte schärfer.

Ansonsten verändert er einige Schauplätze, Choreographien und lässt den Drogisten Doc jetzt von einer Frau spielen. Rita Moreno übernahm diese wichtige Rolle. In der Originalversion spielte sie Anita.

Insgesamt ist Spielbergs „West Side Story“ eine äußerst werkgetreue und gelungene Neuinterpretation; – jedenfalls für Musical-Fans, die sich auf die epische Laufzeit von 157 Minuten freuen. Das Original ist mit 151 Minuten etwas kürzer.

West Side Story (West Side Story, USA 2021)

Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: Tony Kushner

LV: Arthur Laurents, Leonard Bernstein, Stephen Sondheim, Jerome Robbin: West Side Story, 1957

mit Rachel Zegler, Ansel Elgort, Ariana DeBose, David Alvarez, Mike Faist, Brian d’Arcy James, Iris Menas, Corey Stoll, Josh Andrés Rivera, Rita Moreno

Länge: 157 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „West Side Story“

Metacritic über „West Side Story“

Rotten Tomatoes über „West Side Story“

Wikipedia über „West Side Story“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels” (Indiana Jones and the kingdom of the skull, USA 2008)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Gefährten” (War Horse, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Lincoln” (Lincoln, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ (Bridge of Spies, USA 2015)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „BFG – Big Friendly Giant (The BFG, USA 2016)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „Die Verlegerin“ (The Post, USA 2017)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „Ready Player One“ (Ready Player One, USA 2018)

Steven Spielberg in der Kriminalakte


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