Der Glanz der Unsichtbaren (Les Invisibles, Frankreich 2018)
Regie: Louis-Julien Petit
Drehbuch: Louis-Julien Petit, Marion Doussot, Claire Lajeunie
LV: Claire Lajeunie: Sur la route des invisibles, femmes dans la rue
Eine Tagesstätte für obdachlose Frauen soll geschlossen werden. Leiterin Manu (Corinne Masiero) und ihr Team erhalten von der Stadtverwaltung eine letzte Frist, die sie mit dem Mut der Verzweifelten nutzen.
Wunderschöne Feelgood-Komödie mit Ken-Loach-Touch und vielen Laienschauspielerinnen, die sich selbst spielen.
Die bisherigen beiden Spielfilme mit dem kleinen Nick gefielen mir sehr gut. Deshalb und wegen des Regisseurs Julien Rappeneau, von dem die Drehbücher für die beiden „Largo Winch“-Actionfilme und den Polit-Thriller „Zulu“ sind, die mir ebenfalls gefielen, interessierte mich der neueste „Der kleine Nick“-Film. Für diesen Kinderfilm waren ein anderer Regisseur und Drehbuchautor verantwortlich. Eben der schon erwähnte Julien Rappeneau. Und Nick wird selbstverständlich von einem anderen Jungen gespielt. Immerhin sind seit dem letzten Film acht Jahre vergangen und in der Zeit wird aus einem ungefähr neunjährigem Kind ein Mann. Auch Nicks Eltern werden von anderen Schauspielern gespielt. Spielen tut die Geschichte wieder in einem zeitlosen, schrulligen Früh-Sechziger-Jahre-Paris, das auch aus einem Jacques-Tati-Film stammen könnte.
Dieses Mal erfährt der kleine Nick, dass sein Vater in Südfrankreich in dem Ort Aubagne Geschäftsführer werden soll. Während sein Vater begeistert über die Beförderung ist und seine Mutter den Umzug plant, will der neunjährige Nick nur bei seinen Freunden bleiben. Also muss ein Plan her, wie er seine Eltern von dem Ortswechsel abhalten kann. Bei einem Museumsbesuch erfahren er und seine Schulkameraden von Schätzen, die es in ihrem Viertel geben soll.
Nick kommt so auf die Idee, dass er und seine Freunde den legendären Schatz des Wikingers Ole Einauge finden. Dann hätte er genug Geld hat, um seinen Vater zu überzeugen, die neue Stelle nicht anzunehmen und er könnte weiter mit seinen Freunden durch die Gegend stromern, Fußball spielen und die Lehrer ärgern.
Diese titelgebende Schatzsuche ist allerdings nur ein Plot in der Komödie „Der kleine Nick auf Schatzsuche“. Es geht auch um andere Versuche von ihm, den Umzug zu verhindern. Ein Comicheft spielt dabei eine wichtige Rolle. Und es geht um die Abenteuer, die er zusammen mit seinen Freunden erlebt. Und wir sehen, was Nicks Eltern tun. Seine Mutter im Haushalt; sein Vater bei der Arbeit im Pariser Minigroßraumbüro und bei der Besichtigung der Firma in Aubagne.
Diesen Wust von Subplots und Anekdoten erzählt Julien Rappeneau durchaus nett mit viel Sympathie für seine Figuren und die von den „Der kleine Nick“-Erfindern René Goscinny und Jean-Jacques Sempé erschaffene Welt. Der Epilog von „Der kleine Nick auf Schatzsuche“ ist vielleicht gut gemeint, aber vollkommen unpassend. Und er sagt auch nur das, was der vorherige Film schon besser gesagt hat.
Rappeneaus Kinderfilm ist letztendlich nie so charmant und anspielungsreich wie Laurent Tirards Filme „Der kleine Nick“ (2009) und „Der kleine Nick macht Ferien“ (2014).
Der kleine Nick auf Schatzsuche (Le Trésor du Petit Nicolas, Frankreich 2021)
Regie: Julien Rappeneau
Drehbuch: Julien Rappeneau, Mathias Gavarry (basierend auf der Figur „Der kleine Nick“ von René Goscinny und Jean-Jacques Sempé)
mit Ilan Debrabant, Jean-Paul Rouve, Audrey Lamy, Anton Alluin, Oscar Boissière, Léandre Castellano-Lemoine, Malo Chanson-Demange, Simon Faliu, Malick Laugier, Pierre Arditi, Grégory Gadebois, Jean-Pierre Darroussin, Adeline d’Hermy, Noémie Lvovsky
Der Glanz der Unsichtbaren (Les Invisibles, Frankreich 2018)
Regie: Louis-Julien Petit
Drehbuch: Louis-Julien Petit, Marion Doussot, Claire Lajeunie
LV: Claire Lajeunie: Sur la route des invisibles, femmes dans la rue
Eine Tagesstätte für obdachlose Frauen soll geschlossen werden. Leiterin Manu (Corinne Masiero) und ihr Team erhalten von der Stadtverwaltung eine letzte Frist, die sie mit dem Mut der Verzweifelten nutzen.
Wunderschöne Feelgood-Komödie mit Ken-Loach-Touch und vielen Laienschauspielerinnen, die sich selbst spielen.
Einige Details muten typisch französisch an. Aber Obdachlosigkeit gibt es auch in anderen Wohlfahrtsstaaten und überall gibt es ähnliche Hilfsangebote wie das L’Envol, eine Tagesstätte, in der Frauen ihre Wäsche waschen, Essen und Entspannen können, bevor sie am Abend den geschützten Raum verlassen und auf der Straße übernachten müssen.
Dieser geschützte Raum soll nun geschlossen werden, weil die Leiterin Manu (Corinne Masiero), ihre Mitarbeiterinnen Audrey (Audrey Lamy), Angélique (Déborah Lukumuena) und die ehrenamtliche Helferin Hélène (Noéme Lvovsky) nicht effektiv genug arbeiten. Keiner ihrer Schützlinge hat eine Arbeit gefunden. Ihnen wird eine letzte Frist von drei Monaten gewährt.
Also beginnen Manu, Audrey, Angélique und Hélène, nicht ohne Konflikte im Team, nach den verschütteten Potentialen von Edith Piaf, Dalida, Lady Di, Brigitte Macon, Salma Hayek, Francoise Hardy und La Cicciolina, wie sich ihre Kundinnen nennen, wenn sie unbedingt einen Namen angeben müssen, zu suchen. Dabei haben einige der Damen ungeahnte Talente und eine manchmal bei der Jobsuche hinderliche Wahrheitsliebe.
Außerdem dehnen und brechen sie, angesichts des nahen Endes der Tagesstätte, eherne Regeln des Berufs und der Verwaltung.
Die erste Idee für „Der Glanz der Unsichtbaren“ hatte Louis-Julien Petit, als er das von Claire Lajeunie veröffentlichte Buch „Sur la route des invisibles, femmes dans la rue“ und ihren damit zusammenhängenden Dokumentarfilm „Femmes invisilbes: survivre dans la rue“ entdeckte. Er wollte einen Film über diese Frauen machen, der die obdachlosen Frauen als Individuen porträtierte und der ihre Probleme aus ihrer Sicht behandelt. In einer ersten Drehbuchfassung, die er später komplett verwarf, spielte der Film vor allem auf der Straße. Jetzt spielt der Film vor allem im L’Envol und es geht, sehr humorvoll, um den Kampf der Frauen für ihre Belange. Dabei müssen die Sozialarbeiterinnen und die ständigen Besucherinnen des Tageszentrums zuerst begreifen, was ihre Interessen sind. Gedreht wurde chronologisch mit wenigen Profi-Schauspielern und Laien, die sich selbst spielten als obdachlose Frauen. Diese Art des Drehens, die vom Regisseur gewollten Improvisationen während der Dreharbeiten und der Ungewissheit, ob die Laienschauspielerinnen wirklich bis zum letzten Drehtag dabei bleiben, bestimmt die episodische Erzählweise des Films.
Entstanden ist eine fein ausbalancierte, tief in der Realität verwurzelte Feelgood-Komödie über obdachlose Frauen, die für ihre Interessen kämpfen, und Sozialarbeiterinnen, die ihnen helfen. Das hat unbestritten einen Ken-Loach-Touch. Auch wenn Louis-Julien Petit niemals so klassenkämpferisch wie Loach die Situation in Frankreich analysiert.
Der Glanz der Unsichtbaren (Les Invisibles, Frankreich 2018)
Regie: Louis-Julien Petit
Drehbuch: Louis-Julien Petit, Marion Doussot, Claire Lajeunie
LV: Claire Lajeunie: Sur la route des invisibles, femmes dans la rue
Als George Footit vor 120 Jahren die Idee hatte, einen Schwarzen den schwarzen Clown spielen zu lassen, war das unvorstellbar. Nicht wegen der Idee von einem schwarzen und einem weißen Clown. Den dummen August gab es schon länger und in den USA waren Minstrel-Shows, in denen Weiße sich schwarz anmalten und einem weißen Publikum die Klischees über Neger präsentierten, sehr beliebt. Sondern dass ein Schwarzer wirklich in der Lage sein könnte, eine so schwierige künstlerische Leistung zu vollbringen.
Heute ist der dem Konzept innewohnende Rassismus unübersehbar. Denn der Schwarze ist der dumme August, der Trottel, der Dummkopf und der Weiße ist ihm, auch als weißer Clown, in jeder Beziehung überlegen.
In seinem vierten Spielfilm erzählt der Schauspieler Roschdy Zem die auf Tatsachen basierende Geschichte von George Footit (James Thiérée), einem Clown am Ende seiner Karriere, und Rafael Padilla dit Chocolat (Omar Sy), einen aus der Sklaverei geflüchteten Afrikaners, der in einem Zirkus ein kärgliches Gehalt erhält, indem er den furchterregenden, Urlaute ausstoßenden Negerkönig Kananga spielt.
Footit kann Chocolat und den Zirkusdirektor überzeugen, dass sie vor dem Publikum in einer gemeinsamen Clownsnummer auftreten sollen. Sie sind ein voller Erfolg. Denn bislang hat das Publikum in der Provinz noch nie einen echten schwarzen Mann gesehen, der sogar fehlerfrei französisch spricht.
Schnell erhalten sie ein Angebot aus Paris. Sie sollen, für eine für sie astronomisch hohe Gage im Noveau Circque auftreten. Sie werden zum Liebling des Publikums, aber Chocolat, der erste Schwarze als Clown, möchte auch als Künstler anerkannt werden.
„Monsieur Chocolat“ ist ein prächtig ausgestatteter Kostümfilm, gut gespielt, aber auch etwas bieder in seiner chronologischen Nacherzählung der Beziehung dieses Künstlerpaares. Es ist, im Guten wie im Schlechten, altmodisches Erzählkino, das gerade bei seiner politischen Aussage merkwürdig diffus bleibt. Denn selbstverständlich soll man über die Clownsnummern lachen und das gelingt ihnen auch, weil es gute Clownsnummern sind.