Im Krankenhaus begegnen sich eine selbstständige vierzigjährige Fotografin und eine hoffnungslos überforderte 17-jährige. Beide bringen ihr erstes Kind zur Welt. Später fragt sich die Fotografin, ob ihr Baby im Krankenhaus vertauscht wurde.
Den Krimiplot benutzt Pedro Almodóvar nur, um gewohnt feinfühlig eine komplexe Beziehungsgeschichte zwischen zwei Frauen und über die spanische Vergangenheit zu erzählen. Gewohnt überzeugend.
All die schönen Pferde (All the pretty horses, USA 1999)
Regie: Billy Bob Thornton
Drehbuch: Ted Tally
LV: Cormac McCarthy: All the pretty horses, 1992 (All die schönen Pferde)
Texas, 1949: der 19-jährige John Grady Cole (Matt Damon) und sein Kumpel Lacey Rawlins (Henry Thomas) wollen in Mexiko ihren Cowboytraum von wilden Abenteuern, wahrer Liebe, heißblütigen Pferden und unberührter Natur erleben.
Die erste Cormac-McCarthy-Verfilmung, ein selten gezeigter Coming-of-Age-Spätwestern, ist ein langer Marlboro-Werbespot.
Mit Matt Damon, Henry Thomas, Lucas Black, Penélope Cruz, Ruben Blades, Robert Patrick
Eigentlich kann man einen Almodóvar-Film nicht in wenigen Worten nacherzählen – und das ist gut so. Jedenfalls geht es hier um Frauen aus drei Generationen einer Familie, es gibt einen ermordeten Stiefvater (er hatte es verdient) und eine tote Mutter, deren Geist zurückkehrt.
„Die Hommage an die pragmatische Lebensweisheit der Frauen überzeugt durch die souveräne Kombination widersprüchlicher Elemente, wobei vor allem der gelassene Umgang mit dem Tod angenehm überrascht.“ (Lexikon des internationalen Films)
mit Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Duenas, Blanca Portillo, Chus Lampreave
TV-Premiere zu einer unmöglichen Uhrzeit. Porträt einer dysfunktionalen, zur gehobenen römischen Mittelschicht gehörenden Familie in den siebziger Jahren, das trotzt guter Momente in seine Einzelteile zerfällt.
Im Krankenhaus begegnen sich eine selbstständige vierzigjährige Fotografin und eine hoffnungslos überforderte 17-jährige. Beide bringen ihr erstes Kind zur Welt. Später fragt sich die Fotografin, ob ihr Baby im Krankenhaus vertauscht wurde.
TV-Premiere. Den Krimiplot benutzt Pedro Almodóvar nur, um gewohnt feinfühlig eine komplexe Beziehungsgeschichte zwischen zwei Frauen und über die spanische Vergangenheit zu erzählen. Gewohnt überzeugend.
Der beste Film aller Zeiten (Competencia oficial, Spanien/Argentinien 2021)
Regie: Gastón Duprat, Mariano Cohn
Drehbuch: Andres Duprat, Gastón Duprat (Co-Autor), Mariano Cohn (Co-Autor)
Ein Konzernchef möchte der Welt etwas Bleibendes hinterlassen. Nämlich den besten Film aller Zeiten. Er kauft die Rechte an dem Roman eines Nobelpreisträgers, engagiert eine bei der Kritik beliebte Regisseurin und zwei Stars. Was kann da schiefgehen?
TV-Premiere. Köstliche Farce über Künstler, ihre aufgeblasenen und zerbrechlichen Egos und den Dreharbeiten für ein Meisterwerk, das alle Filmpreise erhalten wird. Wenn es denn jemals fertig gestellt wird..
Mord im Orientexpress(Murder on the Orient Express, USA 2017)
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Michael Green
LV: Agatha Christie: Murder on the Orient Express, 1934 (Mord im Orientexpress)
Wenn ein Detektiv eine Reise tut, geschieht ein Mord. So auch hier: Während einer Fahrt im Orientexpress wird Edward Ratchett ermordet. Und weil der Täter noch im Zug ist, strengt Privatermittler Hercule Poirot seine kleinen grauen Zellen an. Denn, wie es sich für einen guten Rätselkrimi gehört, hat jeder der Mitreisenden ein überzeugendes Mordmotiv.
Kenneth Branaghs starbesetzte Agatha-Christie-Verfilmung ist nicht so gut wie Sidney Lumets grandiose Verfilmung des gleichen Romans. Aber im Kino kam Branaghs Version gut an. Seitdem folgten zwei weitere Poirot-Filme von und mit ihm. Am morgigen Sonntag zeigt Sat.1, um 20.15 Uhr seine zweite Poirot-Verfilmung „Tod auf dem Nil“.
Da kann man sich sich, als Vorbereitung, den „Mord im Orientexpress“ wieder ansehen. Der Rätselkrimi ist nostalgisches Ausstattungskino mit einer 1-A-Besetzung, die an etlichen dramaturgischen Fehlentscheidungen und einer irritierend schwachen zweiten Hälfte leidet.
mit Kenneth Branagh, Daisy Ridley, Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Penélope Cruz, Judi Dench, Willem Dafoe, Josh Gad, Lucy Boynton, Marwan Kenzari, Olivia Colman, Miranda Raison, Derek Jacobi, Tom Bateman, Sergei Polunin , Manuel Garcia-Rulfo, Leslie Odom, jr.
Elf Jahre sind seit Emanuele Crialeses letztem Film „Terraferma“, einem Drama über afrikanische Flüchtlinge in Lampedusa, vergangen. Für seinen neuen Film „L’immensita – Meine fantastische Mutter“ ließ er sich von seinen Erinnerungen an seine Kindheit in den Siebzigern in Rom inspirieren.
Im Mittelpunkt steht die fünfköpfige Borghetti-Familie. Sie sind am Stadtrand von Rom gerade in ein großzügiges Apartment gezogen, das in einem der damals bei Stadtplanern beliebten großen Wohnblöcke ist. Auf den ersten Blick sind die Borghettis eine glückliche, vorbildliche Familie. Doch der Schein trügt.
Die älteste Tochter, die zwölfjährige ‚Adri‘ Adriana, hadert mit ihrer sexuellen Identität. Viel lieber wäre sie ein Junge. Die Haare sind schon schön kurz geschnitten. Ihr Körper ist jungenhaft stämmig. Wenn sie gefragt wird, sagt sie, sie heiße Andrea. Ihre neuen Freunde, vor allem Sara, die hinter einen Schilffeld in einer temporären Barackensiedlung für Hilfsarbeiter leben, halten Adri deshalb für einen Jungen.
Adris Mutter Clara, eine angeheiratete Spanierin, hat psychische Probleme. Sie ist der in der Siedlung, der Wohnung und der Ehe eingesperrte, sich immer wieder kindlich benehmende Paradiesvogel. Bei ihr artet das Decken des Esstisches schon einmal zu einer veritablen Gesangs- und Tanznummer zu italienischen Schlagern aus. Ihre Kinder singen und tanzen mit. Ihr Ehemann Felice würde das niemals tun. Er ist ein klassischer Patriarch der alten Schule: streng, fordernd, humorlos, auch gewalttätig und fremd gehend. Entsprechend wenig hält er von Adris Zweifel an ihrem Geschlecht. Clara ist da viel verständnisvoller.
Crialese entwirft in seinem neuen Film das letzendlich enttäuschende Soziogramm einer dysfunktionalen Familie. Anstatt sich für eine Perspektive, eine Geschichte und einen Konflikt zu entscheiden, reiht er weitgehend zufällige und unverbundene Episoden aneinander, die sich innerhalb weniger Sommerwochen in Rom und, bei einem längerem Ausflug nach Ansedonia, auf den am Meer gelegenen Landsitz von Felices Mutter ereignen. Es geht um Adris und Claras Probleme und ihre Beziehung zueinander. Denn Clara versucht nicht, Adri zu bevormunden. Es geht auch um Rassismus, Gewalt und psychische Probleme. Jede dieser Episoden ist gut inszeniert. Meistens in Richtung Neorealismus. Es gibt auch einige pompöse Shownummern, in denen Adri und Clara sich in Schlager-TV-Shows hineinfantasieren. Die Ausstattung ist stimmig. Penélope Cruz ist gewohnt überzeugend. Sie zieht unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich.
Doch am Ende ist das einfach zu wenig, um wirklich zu überzeugen.
Die Erinnerungen eines erblindeten Drehbuchautoren an eine nicht fertig gestellte Komödie, seine große Liebe und einen für sie tödlichen Autounfall dienen Almodóvar als Ausgangspunkt für einen Film im Film im Film – und wir Zuschauer sind nie verwirrt, sondern verzaubert, wenn flugs und zitatreich die Zeitebenen und Genres gewechselt werden.
Für das „Lexikon des internationalen Films“ gehört „Zerrissene Umarmungen“ „zum Anrührendsten und Schönsten, was das europäische Kino aktuell zu bieten hat“.
Anschließend, um 22.15 Uhr, zeigt Arte die brandneue einstündige Doku „Penélope Cruz: Diva im Spiegel“ (Frankreich 2022).
mit Penélope Cruz, Lluís Homar, Blanca Portillo, José Luis Gómez, Rubén Ochandiano, Tamar Novas
Humberto Suárez ist ein stinkreicher, immer noch agiler, aber schon älterer Unternehmer, der jetzt endlich etwas möchte, an das sich die Nachwelt erinnert. Sein Sekretär schlägt ihm eine Brücke mit seinem Namen vor. Für Suárez ist das zu gewöhnlich. Eine Brücke mit seinem Namen kann sich jeder Unternehmer leisten. Er aber will sein Geld für etwas ausgeben, das ungewöhnlich ist und an das die Menschen sich noch nach seinem Tod erinnern. Zum Beispiel einen Film. Allerdings nicht irgendeinen Film, sondern “der beste Film aller Zeiten”. Sein Sekretär soll ihm dafür die beste Regisseurin und die besten Schauspieler besorgen. Die werden dann, so denkt er sich, aus einem Bestseller den besten Film aller Zeiten herstellen. Aus den besten Zutaten kann ja nur das Beste entstehen.
Die Wahl fällt auf Lola Cuevas (Penélope Cruz) und die Schauspieler Félix Rivero (Antonio Banderas) und Iván Torres (Oscar Martinez). Cuevas ist eine rundum exzentrische Avantgarde-Regisseurin mit seltsamen Arbeitsmethoden. Die Kritiker lieben ihre Filme. Rivero ist ein Star, der vor allem in banalen Hollywood-Vehikeln glänzt. Torres ist ein Theaterschauspieler, der um sein Spiel eine ganze Theorie aufgebaut hat. Ihr Spiel und auch ihre Ansprüche an ihre Spiel sind vollkommen verschieden. Aber beide sind von sich überzeugte Gockel, die sich für intelligenter halten als sie sind.
Vor dem Dreh möchte Cuevas mit ihren beiden Stars proben. In einer riesigen, einsam gelegenen modernistischen Villa treffen die Egos aufeinander.
Cuevas bestimmt als Regisseurin zwar die Spielregeln und die immer absurderen Prüfungen, die sie Rivero und Torres auferlegt. Aber es ist immer etwas unklar, ob Cuevas dabei wirklich ein künstlerisches Konzept verfolgt, das zwar mindestens etwas Gaga ist, aber ein Konzept wäre, oder ob sie die beiden Gockel und ihre Eitelkeiten einfach nur zu ihrem (und unserem) Vergnügen demaskieren möchte. In jedem Fall, auch weil Penélope Cruz, Antonio Banderas und Oscar Martinez sich mit Verve in ihre Rollen stürzen, ist „Der beste Film aller Zeiten“ ein Vergnügen.
Leider findet das Vergnügen in einem etwas luftleeren Raum statt. Denn die Regisseure Gastón Duprat und Mariano Cohn beziehen sich primär auf Ideen und Konzepte aus den sechziger und siebziger Jahren.
Am Ende vom ‚besten Film aller Zeiten‘ wissen wir nicht, ob wir den ‚besten Film aller Zeiten‘ gesehen haben, weil wir ja nur die aus dem Ruder gelaufenen Proben für den ‚besten Film aller Zeiten‘ gesehen haben.
Der beste Film aller Zeiten (Competencia oficial, Spanien/Argentinien 2021)
Regie: Gastón Duprat, Mariano Cohn
Drehbuch: Andres Duprat, Gastón Duprat (Co-Autor), Mariano Cohn (Co-Autor)
mit Penélope Cruz, Antonio Banderas, Oscar Martinez, Jose Luis Gómez, Manolo Solo, Nagore Aramburu, Irene Escolar
Bevor das Dream-Team Banderas/Cruz im ‚besten Film aller Zeiten‘ (so der deutsche Titel, der am 30. Juni startenden Komödie [Besprechung folgt]) auftreten, suhlen sie sich in
Arte, 20.15
Leid und Herrlichkeit(Dolor y gloria, Spanien 2019)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
In seiner Wohnung dämmert Salvador Mallo (Antonio Banderas) vor sich hin. Er leidet an zahlreichen Krankheiten, die ihn am Arbeiten hindern. Als der Regisseur einen seiner früheren Filmen, der inzwischen als Meisterwerk gilt, zusammen mit seinem damaligen Hauptdarsteller präsentieren soll, erinnert er sich an sein Leben und ihre gemeinsame Zeit. Dummerweise haben sie sich damals heillos zerstritten.
TV-Premiere. Wie wir es von Pedro Almodóvar gewohnt sind: ein grandioses Drama und ein großer Spaß.
In seinem letzten Film „Leid und Herrlichkeit“ blickt ein älterer Regisseur auf sein Leben zurück und selbstverständlich lud diese Geschichte sofort zu wahrscheinlich vollkommen fehlgeleiteten autobiographischen Deutungen ein.
Diese Frage nach dem autobiographischen Anteil stellt sich bei Pedro Almodóvars neuem Film „Parallele Mütter“ so nicht. Dieses Mal geht es um Frauen, Mütter und Schwangerschaften. Eine dieser Frau wird von Penélope Cruz gespielt. Rossy de Palma und Julieta Serrano, die ebenfalls schon in vielen Almodóvar-Filmen mitspielten, sind in kleineren Rollen wieder dabei. Die zweite Hauptrolle wird von der Neuentdeckung Milena Smit gespielt.
Cruz spielt Janis. Bei einem Fotoshooting verliebt sich die allein lebende Fotografin in Arturo, einen verheirateten forensischen Anthropologen. Ihre Schwangerschaft ist nicht geplant. Arturo will seine kranke Frau nicht verlassen. Janis entschließt sich ohne zu zögern, Arturo nie wieder zu sehen (das ändert sich später) und ihr gemeinsames Kind allein groß zu ziehen.
Im Krankenhaus trifft sie die erheblich jüngere Ana (Milena Smit). Die Siebzehnjährige ist von der Schwangerschaft überfordert, unglücklich und verängstigt. Ihre Mutter ist ihr keine Hilfe. Außerdem muss sie, wie Janis, ihr Kind ebenfalls ohne den Vater großziehen. Janis spendet Mut und nimmt ihr gegenüber die Rolle der Mutter ein. Jedenfalls für die Zeit im Krankenhaus.
Als Janis mehrere Monate später durch einen DNA-Test erfährt, dass sie nicht die Mutter ihrer Tochter Cecilia ist, bricht sie den Kontakt zu Ana ab. In dem Moment vermuten wir, dass im Krankenhaus ihr und Anas Baby vertauscht wurden.
Wieder einige Monate später trifft Janis Ana in der sich vor ihrer Wohnung befindenden Bar. Ana arbeitet dort als Bedienung. Sie erzählt ihr, dass ihre Tochter Anita tot ist. Janis bietet ihr an, bei ihr als Mitbewohnerin einzuziehen. Und auch was jetzt passiert, können wir uns ungefähr denken.
Das ist aber kein Problem. Denn Almodóvar benutzt diesen Thriller-Plot nur, um feinfühlig über einen Zeitraum von drei Jahren aus dem Leben der beiden Frauen und ihrer auf echter Zuneigung, Lügen und Schweigen aufbauenden Freundschaft zu erzählen.
Almodóvar erzählt dies als ein komplexes dialoglastiges Zwei-Personen-Kammerspiel, das für meinen Geschmack immer zu sehr in Richtung TV- oder sogar Smartphone-Bildschirm hin geschrieben und inszeniert ist. In den Großaufnahmen verlangt nichts nach der großen Leinwand. Almodóvar erzählt dieses Melodrama erstaunlich unterkühlt.
In einem zweiten Erzählstrang, der eigentlich nur am Anfang und Ende des Films wichtig ist, geht es um den Umgang mit der Franco-Diktatur. Arturo, den Janis gegen Filmende wieder trifft, will ihr bei der Exhumierung von Opfern der Franco-Diktatur helfen. Um die dafür nötigen Genehmigungen zu erhalten sind langwierige Verfahren und Anträge nötig. Diese Frage der Vergangenheitsbewältigung ist wichtig, aber sie wirkt, als komme sie aus einem vollkommen anderen Film.
Parallele Mütter (Madres paralelas, Spanien 2021)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
mit Penélope Cruz, Milena Smit, Israel Elejalde, Aitana Sánchez-Gijón, Julieta Serrano, Rossy de Palma
Mord im Orientexpress(Murder on the Orient Express, USA 2017)
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Michael Green
LV: Agatha Christie: Murder on the Orient Express, 1934 (Mord im Orientexpress)
Wenn ein Detektiv eine Reise tut, geschieht ein Mord. So auch hier: Während einer Fahrt im Orientexpress wird Edward Ratchett ermordet. Und weil der Täter noch im Zug ist, strengt Privatermittler Hercule Poirot seine kleinen grauen Zellen an. Denn, wie es sich für einen guten Rätselkrimi gehört, hat jeder der Mitreisenden ein überzeugendes Mordmotiv.
Kenneth Branaghs starbesetzte Agatha-Christie-Verfilmung ist nicht so gut wie Sidney Lumets grandiose Verfilmung des gleichen Romans. Aber im Kino kam Branaghs Version gut an und am Donnerstag, den 10. Februar, startet Branaghs lange angekündigte zweite Poirot-Verfilmung „Tod auf dem Nil“ (Besprechung folgt zum Kinostart).
Da kann man sich sich, als Vorbereitung, den „Mord im Orientexpress“ wieder ansehen. Der Rätselkrimi ist nostalgisches Ausstattungskino mit einer 1-A-Besetzung, die an etlichen dramaturgischen Fehlentscheidungen und einer irritierend schwachen zweiten Hälfte leidet.
mit Kenneth Branagh, Daisy Ridley, Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Penélope Cruz, Judi Dench, Willem Dafoe, Josh Gad, Lucy Boynton, Marwan Kenzari, Olivia Colman, Miranda Raison, Derek Jacobi, Tom Bateman, Sergei Polunin , Manuel Garcia-Rulfo, Leslie Odom, jr.
Wirklich schlecht, also so SchleFaZ-Schlecht, ist „The 355“ nicht. Dafür sind die Schauspielerinnen – Jessica Chastain, Penélope Cruz, Bingbing Fan, Diane Kruger und Lupita Nyong’o – einfach zu gut. Auch die anderen Schauspieler – Édgar Ramirez, Sebastian Stan und für uns Deutsche Sylvester Groth – sind gut. Ebenso die Stuntmen, Kamera undsoweiter. Da ist immer ein bestimmtes Niveau vorhanden. Es wurde, wenigstens teilweise, vor Ort gedreht und dafür wurde einmal um die Welt geflogen. Trotzdem entstanden die meisten Szenen, unabhängig vom Handlungsort, an verschiedenen Orten in Großbritannien. Das Budget ist unbekannt. Aber es werden Zahlen zwischen 40 Millionen US-Dollar und über 75 Millionen US-Dollar genannt.
Aber gut ist „The 355“ nicht. Es ist ein weiterer, angesichts des Talents, grotesk misslungener Versuch, eine Actionserie mit Frauen als den Heldinnen zu etablieren. Jessica Chastain hatte die Idee für eine Agentenserie im Stil von James Bond und Mission: Impossible. Sie präsentierte Simon Kinberg diese Idee während des Drehs für „X-Men: Dark Phoenix“. Dieser Film war Kinbergs ziemlich misslungenes Spielfilmdebüt. Ich nannte es ein Totaldesaster. Die meisten anderen Kritiken waren ähnlich vernichtend. Bekannter ist er als Produzent und diese Arbeiten sind wesentlich gelungener. Dazu gehören die TV-Serien „The Twilight Zone“ und „Designated Survivor“, die Kinofilme „Mord im Orientexpress“, „Der Marsianer“, „Elysium“, die „Deadpool“- und die „X-Men“-Filmen.
Zusammen mit Theresa Rebeck schrieb er jetzt das Drehbuch für „The 355“. Rebeck ist vor allem bekannt für ihre Bücher und Produzentätigkeit für die Top-TV-Serien „NYPD Blue“ und „Law & Order: Criminal Intent“.
Die von den beiden erfundene Geschichte bedient die gängigen Agentenserien-Versatzstücke und setzt sie erstaunlich konfus zusammen. Letztendlich ergibt die Geschichte keinerlei Sinn.
Es geht, knapp zusammengefasst, um eine aus fünf Frauen bestehende Truppe – vier Agentinnen, eine Psychologin, die eher zufällig in die Geschichte hineinschlittert –, die eine externe Festplatte finden müssen, bevor sie in die falschen Hände gerät. Auf der Festplatte ist ein Computerprogramm, das alle elektronischen Systeme zielgenau angreifen und das Internet, wie wir es kennen, vernichten kann. Bevor die fünf Frauen gemeinsam gegen die Bösewichter kämpfen, müssen sie sich erst einmal als Team finden. Initiiert wird die Zusammenarbeit, nachdem in Paris ein Versuch, an die Festplatte zu gelangen, schiefging, von der CIA-Agentin ‚Mace‘ Mason Browne (Jessica Chastain). Sie bittet ihre alte Freundin Khadijah Adiyeme (Lupita Nyong’o), Technikspezialistin, britische MI6-Agentin und nicht mehr im Außendienst, um Hilfe. Später stoßen die einzelgängerische deutsche BND-Agentin Marie Schmidt (Diane Kruger), die kolumbianische Psychologin Graciela Rivera (Penélope Cruz), keine wirkliche Agentin, aber wahrscheinlich sollte sie für den (nicht vorhandenen) komischen Teil zuständig sein, und die chinesische Agentin und Computerexpertin Lin Mi Sheng (Bingbing Fan) dazu. Sie alle sind natürlich auch erfahrene Nahkampfexpertinnen, Schützinnen und immer gutaussehnd; halt wie die männlichen Vorbilder. Nur dass sie auch ein Abendkleid anziehen können.
Die wilde Hatz geht dann von Paris weiter nach Marrakesch und Shanghai.
Auf dem Papier klingt das doch, wie gesagt, ganz gut: namhafte Besetzung, fotogene Drehorte und das Versprechen auf eine ordentliche Portion Action, zusammengehalten von einem sattsam bekannten und bewährten Plot. Daraus könnte eine feministische „Mission: Impossible“-Version entstehen. Und wenn das dann vergnüglich und flott erzählt wäre, gerne mit einem Schuss Selbstironie, könnte daraus ein zumindest unterhaltsames, eskapistisches Kinoabenteuer entstehen.
Aber Selbstironie geht diesem Film vollkommen ab. Und flott erzählt ist die hahnebüchene Geschichte auch nicht. Eher wird von Schauplatz zu Schauplatz gesprungen.
Das Drehbuch und die Inszenierung erheben sich nie über das Niveau eines banalen, vollkommen generischen B-Actionfilm, in dem Frauen die Rollen von Männern übernehmen. Sie sind sozusagen die „Expendables“, nur ohne die Filmographien der Hauptdarsteller als Ikonen des 80er-Jahre-Actionfilms und deren offensiv vorgetragene Selbstironie, die die Filme ansehbar machte. Ein Vergleich mit James Bond, Ethan Hunt oder Jason Bourne – alles Namen, die von den „The 355“-Machern als Inspiration für ihren Film genannt werden – verbietet sich. Zu groß und offensichtlich ist das Gefälle zwischen dem Einzelgänger Bourne und dieser Frauencombo.
In „The 355“ sind die Dialoge banal. Die Handlung ist absurd. Die Motive der Figuren sind meistens unklar. Entsprechend unterfordert ist das gesamte Ensemble. Und die Action bewegt sich nicht über dem Niveau, das wir aus TV-Serien wie „24“ kennen. Auch wenn die Kämpfe etwas länger sind.
Kinbergs Langweiler ist der neueste gescheiterte Versuch, eine Agentenserie mit einer Heldin zu etablieren. Dabei liegt das Problem, wieder einmal, nicht an den Schauspielerinnen, sondern an dem schlechten Drehbuch.
The 355(The 355, USA/China 2022)
Regie: Simon Kinberg
Drehbuch: Theresa Rebeck, Simon Kinberg (nach einer Idee von Theresa Rebeck)
mit Jessica Chastain, Penélope Cruz, Bingbing Fan, Diane Kruger, Lupita Nyong’o, Édgar Ramirez, Sebastian Stan, Jason Flemying, Sylvester Groth, John Douglas Thompson
Offenes Geheimnis (Todos lo saben, Spanien/Frankreich/Italien 2018)
Regie: Asghar Farhadi
Drehbuch: Asghar Farhadi
Zur Hochzeit ihrer jüngeren Schwester kehrt Laura wieder in ihre alte Heimat zurück. Während der Hochzeitsfeier wird ihre Tochter entführt.
„Offenes Geheimnis“ ist nicht Asghar Farhadis bester Film, aber ein Film mit Penélope Cruz und Javier Bardem ist immer sehenswert. Außerdem ist die erste Hälfte von „Offenes Geheimnis“ sehr gelungen.
Offenes Geheimnis (Todos lo saben, Spanien/Frankreich/Italien 2018)
Regie: Asghar Farhadi
Drehbuch: Asghar Farhadi
Zur Hochzeit ihrer jüngeren Schwester kehrt Laura wieder in ihre alte Heimat zurück. Während der Hochzeitsfeier wird ihre Tochter entführt.
TV-Premiere. „Offenes Geheimnis“ ist nicht Asghar Farhadis bester Film, aber ein Film mit Penélope Cruz und Javier Bardem ist immer sehenswert. Außerdem ist die erste Hälfte von „Offenes Geheimnis“ sehr gelungen.
Die Erinnerungen eines erblindeten Drehbuchautoren an eine nicht fertig gestellte Komödie, seine große Liebe und einen für sie tödlichen Autounfall dienen Almodóvar als Ausgangspunkt für einen Film im Film im Film – und wir Zuschauer sind nie verwirrt, sondern verzaubert, wenn flugs und zitatreich die Zeitebenen und Genres gewechselt werden.
Für das „Lexikon des internationalen Films“ gehört „Zerrissene Umarmungen“ „zum Anrührendsten und Schönsten, was das europäische Kino aktuell zu bieten hat“.
mit Penélope Cruz, Lluís Homar, Blanca Portillo, José Luis Gómez, Rubén Ochandiano, Tamar Novas
Salvador Mallo ist ein Filmregisseur, der vor der Wiederaufführung eines seiner Filme, auf sein Leben zurückblickt – und weil Pedro Almodóvar „Leid und Herrlichkeit“ nach seinem Drehbuch inszenierte und weil Almodóvar und Mallo so ungefähr im gleichen Alter sind, wird in vielen Kritiken sicher über den unbestritten vorhandenen autobiographischen Gehalt des Films geschrieben werden. Immerhin sagt Almodóvar über Mallo: „Sein Charakter war nicht ich, aber er war in mir.“
Das könnte er allerdings über jede seiner Figuren sagen. Schließlich schreibt er für seine Filme immer das Drehbuch. Außerdem erzählt er in jedem Film in jeder Figur über sich und er arbeitet nicht so autofiktiv platt. Vielleicht ist „Leid und Herrlichkeit“ deshalb sogar der Film, der am wenigsten über ihn verrät. Ein wundervoller intellektueller Spaß ist er trotzdem.
Wegen seiner körperlichen Verfassung, die weit über die üblichen Zipperlein des Alters hinausgeht, kann Mallo schon lange keine Filme mehr drehen. Er dämmert, seine Wehwehchen zelebrierend, weitgehend vor sich hin. Seine Begeisterung öffentlich über einen seiner alten Filme, der inzwischen für ein Meisterwerk gehalten wird, zu reden, hält sich in überschaubaren Grenzen. Einerseits, weil er trotz allem lieber einen neuen Film drehen würde, andererseits und vor allem, weil er das Gespräch mit seinem Hauptdarsteller Alberto Crespo bestreiten soll. Im Streit trennten sie sich damals.
Jetzt besucht Mallo Crespo, um sich zu versöhnen und mit ihm über das Filmgespräch zu reden. Aber zuerst hängen sie gemeinsam bei einem Joint ab und Mallo erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit in den achtziger Jahren in Madrid.
Almodóvar springt noch weiter in Mallos Vergangenheit zurück. Er erzählt von seiner ärmlichen Kindheit in einer Höhle in Paterna, einem Dorf an der Levante, bei der schon die prächtigen Farben und Penélope Cruz irritieren. Die Farben sind so prächtig, dass man sofort mit Mallo tauschen möchte. Der gesamte Film sieht, wie immer bei Almodóvar, sehr prächtig und sehr farbenprächtig aus. Seine Filme sind die wohltuende Antithese zu den vielen neuen Filmen, in denen es nur blasse Braun- und Grautöne gibt. Und Penélope Cruz sieht einfach viel zu gut aus, um eine in ärmlichen Verhältnissen, von der schweren körperlichen Arbeit und dem Ärger mit dem Ehemann gebeugte Hausfrau zu sein. Aber das konnte auch über Silvana Mangano („Bitterer Reis“) und Sophia Loren gesagt werden. Außerdem ist Penélope Cruz eine von Almodóvars Stammschauspielern.
Antonio Banderas, der Mallo spielt, gehört ebenfalls zu Almodóvars Stammschauspielern. Für sein Spiel in diesem Film wurde er, zu Recht, dieses Jahr in Cannes ausgezeichnet.
Wie in seinen vorherigen Filmen verknüpft Almodóvar äußert elegant die verschiedenen Zeitebenen. Langsam erfahren wir, wo Mallo herkommt, wie er in den achtziger Jahren in Madrid als Regisseur Erfolg hat, seine große Liebe trifft und wie es zu dem Zerwürfnis zwischen ihm und Crespo gekommen ist.
Diese Rückblicke und die teils von abenteuerlichen Zufällen ausgehenden Begegnungen, aus denen Mallos Biographie entsteht, führen allerdings nicht zu einem dieser altersmilden Werke, in denen der von der Welt bewunderte Regisseur noch einmal all seine Themen und stilistischen Eigenheiten archivarisch zu einem Best-of bündelt. In dem Alter ist Almodóvar noch nicht. Insofern ist „Leid und Herrlichkeit“ sein neuer Film nach dem ebenfalls ein Leben erzählendem „Julieta“.
Almodóvar sieht „Leid und Herrlichkeit“ als ungeplanten Abschluss einer Trilogie, die er 1987 mit „Das Gesetz der Begierde“ (La ley del deseo, ebenfalls mit Banderas) begann und 2004 mit „La Mala Educacion – Schlechte Erziehung“ (La mala education) fortführte. In allen Filmen ist der Protagonist ein Filmregisseur und es gehe, so Almodóvar, um Begierde und filmisches Erzählen. In „Das Gesetz der Begierde“ geht es um ein tragisch endendes Dreiecksverhältnis. In „La Mala Educacion – Schlechte Erziehung“ erinnert sich ein Regisseur, nach einer Begegnung mit einem Schulfreund, an ihre gemeinsame Schulzeit in einem streng katholischen Internat. Da ist der von Almodóvar hergestellte Zusammenhang vor allem eine Gelegenheit, sich wieder seine älteren Filme anzusehen.
Leid und Herrlichkeit(Dolor y gloria, Spanien 2019)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
mit Antonio Banderas, Asier Etxeandia, Leonardo Sbaraglia, Nora Navas, Julieta Serrano, César Vicente, Asier Flores, Penélope Cruz, Cecilia Roth, Susi Sánchez, Raúl Arévalo, Pedro Casablanc, Julián López, Rosalía
Laura (Penélope Cruz) kommt mit ihrer pubertierenden Tochter und ihrem jüngeren Sohn zur Hochzeit von ihrer Schwester zurück in ihr Heimatdorf. Neben ihrer Familie, die sie seit Ewigkeiten nicht gesehen hat, und den Dorfbewohnern trifft sie auch auf ihren Jugendfreund und -liebe Paco (Javier Bardem). Er wuchs als Sohn eines Hausangestellten bei ihnen auf. Inzwischen ist er ein angesehener, wohlhabender, verheirateter Winzer.
Während der Hochzeitsfeierlichkeiten verschwindet Lauras Tochter spurlos. Es gibt Hinweise auf eine Entführung, die sich verdichten, als ein Erpresserbrief auftaucht. Vor einigen Jahren gab es in der Gegend schon einmal eine Entführung, die tragisch endete.
Vor allem Paco will Laura helfen.
Mit der Entführung ist natürlich auch die weitgehend unbeschwerte Feierstimmung futsch.
Bis dahin ist Asghar Farhadis erster auf spanisch gedrehter Film nämlich ein wunderschönes, an Robert Altmans Ensemblefilme erinnerndes Porträt einer Hochzeitsgesellschaft und eines Ortes. Witz, Drama, kleine Spitzen und Gehässigkeiten vermischten sich zu einem vergnüglichen Gesellschaftsporträt.
Aber mit der Entführung wird in der zweiten Filmhälfte aus dem Drama ein Kriminalfilm, der immer wieder mit der Logik zu kämpfen hat, weil er offensichtliche Fragen nicht beantwortet. So ist nicht erklärbar, warum niemand im gesamten Dorf die Polizei informiert. Und Pacos Bereitschaft, seiner Ex-Freundin zu helfen, ist verdächtig großzügig.
Diese Filmhälfte ist deutlich schlechter geraten als die erste Hälfte. Daran ändern auch die letzten Wendungen des Films, in denen „Offenes Geheimnis“ zum Noir wird, nichts.
Die gute erste Hälfte, die guten Schauspieler, die schöne spanische Landschaft und die präzise Inszenierung werden unter einem mehr als halbgaren Krimi begraben.
Der Iraner Asghar Farhadi inszenierte „Nader und Simin – Eine Trennung“, „Le Passé – Ds Vergangene und „The Salesman“.
Offenes Geheimnis (Todos lo saben, Spanien/Frankreich/Italien 2018
Regie: Asghar Farhadi
Drehbuch: Asghar Farhadi
mit Penélope Cruz, Javier Bardem, Ricardo Darin, Eduard Fernández, Bárbara Lennie, Inma Cuesta, Elvira Mínguez, Ramón Barea, Carla Campra
Zerrissene Umarmungen (Spanien 2009, Regie: Pedro Almodóvar)
Drehbuch: Pedro Almodóvar
Die Erinnerungen eines erblindeten Drehbuchautoren an eine nicht fertig gestellte Komödie, seine große Liebe und einen für sie tödlichen Autounfall dienen Almodóvar als Ausgangspunkt für einen Film im Film im Film – und wir Zuschauer sind nie verwirrt, sondern verzaubert, wenn flugs und zitatreich die Zeitebenen und Genres gewechselt werden.
Für das „Lexikon des internationalen Films“ gehört „Zerrissene Umarmungen“ „zum Anrührendsten und Schönsten, was das europäische Kino aktuell zu bieten hat“.
mit Penélope Cruz, Lluís Homar, Blanca Portillo, José Luis Gómez, Rubén Ochandiano, Tamar Novas