Für alle, die sich eben den Trailer angesehen haben und von dem dauerpräsenten „Wind of Change“ genervt waren. Der Scorpions-Song ertönt im Film nur einmal. Er wird von den ISS-Astronauten bei einer Kennenlern-Feier gesungen. Und da passt er sogar gut in die Filmgeschichte.
Die ist von Nick Shafir. 2020 stand sein Drehbuch auf der Black List, Hollywoods Liste der besten unverfilmten Drehbücher. Gabriela Cowperthwaite verfilmte es 2021. Umfangreiche, über ein Jahr dauernde Nachbearbeitungen folgten. Die Premiere war am 12. Juni 2023 auf dem Tribeca Film Festival. Und jetzt läuft der Weltraumthriller in unseren Kinos.
Der Thriller spielt ausschließlich auf der real existierenden Internationalen Raumstation ISS, die ab 1998 von der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, der europäischen Raumfahrtagentur ESA und weiteren Raumfahrtagenturen betrieben wird. Seit 2000 arbeiten auf ihr dauerhaft, mal mehr, mal weniger Astronauten verschiedener Länder.
Im Film „I. S. S.“ sind es sechs Astronauten: drei aus den USA, drei aus Russland. Komplettiert wird die Besatzung am Filmanfang durch die US-amerikanische Wissenschaftlerin Dr. Kira Foster. Kurz nachdem sie sich als sechstes Stationsmitglied eingerichtet hat und es eine kleine die Freundschaft, die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt feiernde Kennenlern-Feier gibt, bricht auf der Erde ein Krieg aus. Während sie, Gordon Barrett, Christian Campbell, Weronika Vetrov, Nicholai Pulov und Alexey Pulov noch versuchen herauszufinden, was auf der Erde geschah, erhalten sie auf vertraulichen Kanälen von ihren jeweiligen Regierungen den Befehl, die Kontrolle über die Station zu übernehmen. Wie sie den Befehl ausführen, ist egal.
Und schon beginnen die drei amerikanischen und die drei russischen Wissenschaftler sich zu belauern. Ohne nennenswert zu Zögern und kaum behindert von freundschaftlichen und amourösen Banden versuchen sie sich umzubringen und so den Befehl auszuführen.
Dass die Astronauten mit einem Fingerschnipsen von nerdigen Wissenschaftlern zu eiskalten Killern werden, die teils elaborierte Mordpläne entwickeln, mag nicht besonders realistisch sein, kann aber für einen spannenden Thriller sorgen.
In diesem Fall gelingt das nicht wirklich. Dafür ist die Geschichte einfach in jeder Beziehung zu unglaubwürdig und zu konfus erzählt. Nerven tun in dem B-Picture die ständig leicht betrunken schwankende Kamera und die ebenso schwankenden Schauspieler, die so zeigen sollen, dass sie schwerelos durch die Station schweben.
I.S.S.(I.S.S., USA 2023)
Regie: Gabriela Cowperthwaite
Drehbuch: Nick Shafir
mit Ariana DeBose, Chris Messina, John Gallagher Jr., Masha Mashkova, Costa Ronin, Pilou Asbæk
Zweiter Weltkrieg, wenige Stunden vor dem D-Day: eine Einheit von US-Soldaten soll in einem französischen Dorf eine in einer Festung liegende Funkanlage zerstören. Dieser schon schwierige Auftrag wird zu einer Selbstmordmission, als sie feststellen, dass die Nazis in der Festung mit Menschen experimentieren. SS-Offizier Wafner will unzerstörbare, hemmungslose und kampfgierigie Soldaten für das tausendjährige Reich züchten.
Die tapferen US-Soldaten beschließen, obwohl sie zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen sind, ihren Auftrag etwas zu erweitern. Zusammen mit einer Dorfbewohnerin stürmen sie die Festung.
Und weil die Besetzung aus unbekannten Schauspielern besteht, ist auch etwas unklar, wer das Schlachtfest mit viel Blut, Gore und Splatter überlebt.
Es ist allerdings auch ein Schlachtfest, das nur aus diesen Oberflächenreizen besteht. Jedenfalls in der zweiten Hälfte, wenn aus dem Kriegsfilm ein Horrorfilm wird. Bis dahin nimmt sich Regisseur Julius Avery („Son of a Gun“) viel Zeit, die Charaktere vorzustellen. Aber über sattsam bekannte Klischees kommen sie nicht heraus. Das gilt für die Soldaten, die Dorfbevölkerung (die eigentlich nur aus einer Französin, ihrem Sohn und ihrer röchelnden Mutter besteht), die Nazi-Soldaten und Wafner, der seinen großen Auftritt erst später hat. Durch einen Selbstversuch mutiert er endgültig zum Mad Scientist.
Letztendlich ist „Operation: Overlord“ ein sich zu ernst nehmendes Exploitation-B-Picture, das munter in Kriegsfilmklischees und Klischees über böse Nazis badet und die Idee der von den Nazis durchgeführten Menschenexperimente munter zu einer Zombie-Armee weiterspinnt. Das ist dann ziemlich blutig, aber auch ziemlich sinnfrei.
Operation: Overlord (Overlord, USA 2018)
Regie: Julius Avery
Drehbuch: Billy Ray, Mark L. Smith (nach einer Geschichte von Billy Ray)
mit Jovan Adepo, Wyatt Russell, Pilou Asbaek, Mathilde Ollivier, John Magaro, Iain de Caestrecker, Dominic Applewhite
Am Anfang war die Aufregung der Fans über White-Washing: Scarlett Johansson spielt eine Japanerin. Naja, eigentlich eine Japanerin, deren Gehirn in einen Roboterkörper implantiert wird. Und Roboter haben eigentlich keine Nationalität. Vor allem Roboter mit implantierten falschen Erinnerungen.
Außerdem sieht Scarlett Johansson in „Ghost in the Shell“ wirklich sehr japanisch aus und Mamoru Oshii, Regisseur des „Ghost in the Shell“-Animationsfilm ist ebenfalls begeistert: „Scarlett Johansson hat meine Erwartungen an die Rolle der Major bei Weitem übertroffen. (…) Sie ist meiner ursprünglichen Vorstellung dieser Figur so nahe gekommen. Diese Rolle war für sie, und niemand sonst hätte sie spielen können.“
Johansson spielt den ‚Roboter‘ Major überzeugend als emotionslose, leicht staksende Maschine, die sich langsam an ihre Vergangenheit (oder Zukunft oder andere implantierte Erinnerungen oder Fehler in der falsch formatierten Festplatte) erinnert und herausbekommen will, was sie bedeuteten. Dabei wird sie in ein politisches Komplott verwickelt, das auch die weniger pfiffigen Zuschauer nach einigen Sekunden von der ersten bis zur letzten Filmminute durchschauen. Auch wenn sie sich gerade nicht an „Robocop“ erinnern.
Denn Major wurde von Dr. Ouelet (Juliette Binoche) für die Hanka Corporation entwickelt. Auf einige wichtige Manager dieser Firma wurde jetzt ein Anschlag verübt. Verantwortlich dafür soll der brillante Hacker Kuze (Michael Pitt) sein, der auf einen Rachefeldzug gegen die Firma ist und der sich an einem unbekannten Ort in der Mega-Metropole versteckt. Major und ihre Kollegen von Anti-Terror-Einheit „Sektion 9“ sollen ihn finden.
Die Story könnte, wie in zahlreichen anderen Science-Fiction-Filmen, der erzählerische Faden sein, an dem entlang eine zum Nachdenken anregende Vision der Zukunft entworfen wird, die aktuelle Entwicklungen in die Zukunft projiziert und die auch und vor allem ein Kommentar zur Gegenwart ist.
Aber die neue Verfilmung von „Ghost in the Shell“ gehört zu den Science-Fiction-Filmen, die konsequent Stil über Substanz stellen.
„Ghost in the Shell“ ist ein freies Remake des Kult-Animes von Mamoru Oshii, der auf Masamune Shirows gleichnamigen Manga von 1989 basiert und bei uns nach dem VHS-Start 1996 kurz darauf auch eine Kinoauswertung erlebte. Weitere Filme, zwei Fernsehserien und drei Videospiele folgten.
Vor zwanzig Jahren war die Cyberpunk-Welt von „Ghost in the Shell“ noch neu; auch weil er einer der wenigen Filme war, der die Ideen von Cyberpunk-Autoren wie William Gibson und Bruce Sterling auf die Kinoleinwand übertrug. Als Trickfilm hatte er keine Probleme mit den erforderlichen Spezialeffekten. Jetzt, dank CGI, sind auch die unmöglichsten Spezialeffekte kein Problem mehr und so basiert die Welt von „Ghost in Shell“ auf „Blade Runner“, „Matrix“ und „Das fünfte Element“, ohne letztendlich viel Sinn zu ergeben, wenn Major zwischen der Matrix und der realen Welt hin und her springt, Visionen hat und fantastische Technologien benutzt. Die reale Welt sieht wie eine riesige „Das fünfte Element“-Bilderwelt aus, in die man noch einige riesige, eher bewegungslos herumhängende Hologramme einfügte. Das sieht schick aus.
Auch wenn Scarlett Johansson reichlich nackt (Frage: Warum muss ein Roboter wie ein Playmate aussehen?) durch diese Cyperpunk-Welt schwebt, springt und kämpft, kann das Auge sich nicht beklagen, während das Gehirn wegen ständiger Unterforderung in jeder Beziehung in einen Dämmerschlaf versinkt.
Denn die Filmgeschichte hat niemals eine gesellschaftspolitische Relevanz als Utopie. Die große Zeit des Cyberpunk ist vorbei. Sie war in den Achtzigern und Neunzigern, als es eine pessimistische Weltsicht und Angst vor den Möglichkeiten von Computern gab. Cyberpunk-Autoren schrieben über weltweite Vernetzungen von Daten, das Internet, Smartphones, kybernetische Erweiterungen unserer Körper und kybernetische Ersetzungen von Körperteilen als es diese Dinge noch nicht gab.
Regisseur Rupert Sanders überträgt jetzt diese Welt in die Gegenwart, ohne – und das hätte er tun müssen, damit „Ghost in the Shell“ relevant wird – ihr als Utopie irgendetwas hinzuzufügen oder sie irgendwie zu aktualisieren. Er entwirft auch kein wirkliches Bild der Zukunft, weder als Utopie, noch als Dystopie oder als irgendwie geartete Gesellschaftskritik. „Ghost in the Shell“ hat, um nur einige der bekannten Cyberpunk-Topoi zu nennen, keine Position zum Kapitalismus, zur Kontrollgesellschaft oder zur Technik-Diktatur. Und das ist, wenn wir an unseren alltäglichen Umgang mit Computern und Überwachungstechnologien denken, dann zu wenig.
Sanders ignoriert in seinem Film die Gesellschaftskritik, die düstere Weltsicht und die philosophischen Fragen des Cyberpunks durchgehend zugunsten der bunt glitzernden Oberfläche.
So toll diese Bilder sind – hier scheint sich ein IMAX-Besuch zu lohnen -, so sehr wirkt „Ghost in the Shell“ wie der Besuch in einem SF-Museum mit Scarlett Johansson, die hier auf der visuellen Ebene ihre Rollen als ‚Black Widow‘ Natasha Romanoff aus den Avengers-Filmen (inclusive einer Fahrt auf dem Motorrad) und Luc „Das fünfte Element“ Bessons „Lucy“ wiederholt.
Ghost in the Shell(Ghost in the Shell, USA/Großbritannien 2017)
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: Jamie Moss, William Wheeler, Ehren Kruger
Die Blaupause für jede neue Verfilmung von General Lew Wallaces Roman „Ben Hur: Eine Erzählung aus der Zeit Christi“ ist das gut vierstündige Epos von 1959 mit Charlton Heston als Judah Ben Hur. Aus heutiger Sicht ist der mit elf Oscars ausgezeichnete Film, unter anderem als Bester Film des Jahres, erstaunlich holprig und oft langatmig erzählt. Und mit so viel Pathos getränkt, dass wir den Film inzwischen nur noch durch die Brille von „Das Leben des Brian“ sehen können. Berühmt ist das heute wahrscheinlich kaum noch gesehene Epos wegen des entsprechend epischen Wagenrennens, das es schon in de Stummfilmverfilmung des Romans gab.
Das Wagenrennen gibt es auch in Timur Bekmanbetovs flüssiger erzähltem Remake. Er beginnt sogar damit – und springt dann gut zehn Jahre zurück in die Vergangenheit. Damals waren Judah Ben Hur (Jack Huston) und Messala Severus (Toby Kebbell) beste Freunde und Brüder. Messala verlässt Judäa, um als römischer Soldat zu Ruhm und Ehre zu gelangen.
Nach Jahren kehrt er zurück nach Judäa, das er befrieden will. Also von den aufständischen Juden, die gegen die römische Besatzung kämpfen, bereinigen will. Ben Hur, der sich eigentlich aus der Politik heraushält, will seine jüdischen Brüder nicht verraten und in den Tod schicken. Damit beginnt der Konflikt zwischen Ben Hur und Messala.
Als bei der Ankunft des neuen Statthalters in Jerusalem ein Aufständischer von Ben Hurs Anwesen einen Pfeil auf ihn abschießt (das ist eine der zahlreichen Änderungen zu William Wylers Film), verhaftet Messala Ben Hur und seine Familie. Ben Hur wird Galeerensklave. Die allesamt überaus ansehnlichen Frauen des Patrizierhauses Ben Hur wandern in den Kerker.
Nach Jahren, wenige Tage vor dem Tod von Jesus (der hier auch mehrmals auftritt) kehrt Ben Hur zurück. Er will sich an Messala rächen. Während eines Wagenrennens.
Timur Bekmanbetov, der die Geschichte in zwei Stunden erzählt, beschreitet in seiner Verfilmung bis zum Ende durchaus eigene Wege, die mal mehr, mal weniger gelungen sind. So war es in Wylers Film ein herabfallender Ziegel, der Pontius Pilatus bei seinem Einzug in die Stadt verletzte. Es war ein Unfall. In Bekmanbetovs Film ist es ein von einem Aufständischen abgeschossener Pfeil. Es ist ein Attentat und Ben Hur deckt den Täter. Diese Änderung hätte die gesamte Geschichte auf jeder Ebene beeinflussen können. Aber sie bleibt letztendlich folgenlos.
Auch später gibt es immer wieder Unterschiede. So kommt Ben Hur in der aktuellen Version niemals nach Rom. Und das bei Wyler aus heutiger Sicht unerträgliche Pathos und der religiöse Kitsch sind bei Bekmanbetov nicht vorhanden. Es gibt bis auf einige kurze Auftritte von Jesus Christus und der Kreuzigung keine religiösen Symbolismen und wenig christliches Pathos. Daher erstaunt die in den USA gemachte Werbekampagne für die christlichen Filmbesucher, die aus kommerzieller Perspektive ein wichtiger Faktor sind und die eine, nun, sehr spezielle Art von Filmen lieben, in denen der rechte Glaube der einzige Qualitätsmaßstab ist.
Diese Änderungen verschieben dann Akzente in der Geschichte und den Motivationen der Charaktere und lassen Bekmanbetovs „Ben Hur“ zu einer durchaus eigenständigen Verfilmung werden. Allerdings keiner gelungen. So werden all die auf der Hand liegenden politischen Anspielungen nicht weiter ausgeführt. Der Konflikt zwischen Ben Hur und Messala erscheint forciert. Dabei entzündet sich der Konflikt an dem fehlgeschlagenem Anschlag auf Pontius Pilatus. Ben Hur, der den Täter beschützt, nennt seinem Freund nicht den Namen. Damit paktiert er mit den Aufständischen, vulgo Terroristen. Aber die in diesem Moment angelegte Frage nach den Formen des Widerstandes gegen ein Regime, werden nicht weiter verfolgt. Auch das Thema der Freundschaft wird nicht weiter verfolgt. So bleiben die immer wieder eingestreuten politischen und gesellschaftlichen Anspielungen in der Luft hängen.
Die Nebenfiguren sind schön aussehende Staffage und Morgan Freeman ist Morgan Freeman; mit einer „Battefield Earth“-Gedächtnisfrisur. Und, ja, das ist eine wenig subtile Anspielung auf das Niveau dieses bierernsten Sandalenfilms, der höchstens in einigen Momenten einen unfreiwilligen Humor verströmt.
Zum Schluss kommen wir, wie der Film, wieder zum Wagenrennen, das auch in dieser „Ben Hur“-Verfilmung das große Action-Set-Piece ist. Es ist lang, es ist blutig, es ist langweilig, weil die Action zwischen Schnitten und CGI-Effekten so konfus ist, dass man kurz nach dem Start den Überblick verliert. Da ist man von Timur Bekmanbetov, dem Regisseur von „Wächter der Nacht“, „Wächter des Tages“ und „Wanted“, aber auch „Abraham Lincoln, Vampirjäger“, besseres gewohnt.
Er sagt dazu: „Wir haben die Actionszenen so gefilmt, wie man das heute mit seinen privaten Handy-Kameras machen würde.“
John Ridley, der für „12 Years a Slave“ einen Oscar erhielt, wird wohl nur aufgrund irgendwelcher vertraglicher Verpflichtungen als einer der Drehbuchautoren genannt. Ridley ist der Autor von „12 Years a Slave“, „Three Kings“ (nur Story-Credit), „U-Turn“ und einiger leider nicht übersetzter Romane und der Erfinder der hochgelobten TV-Serie „American Crime“. In seinen Werken setzte er sich immer kritisch mit der US-amerikanischen Geschichte und oft auch der Geschichte der Afroamerikaner auseinander. Dass er ein so unpolitisches und in jeder Hinsicht unentschlossenes Drehbuch abliefert, will ich nicht glauben.
Ein sehr kurzes Featurette über den Dreh des Wagenrennens
Und hier Charlton Heston als Ben Hur in der Arena. Die beiden Ausschnitte vermitteln einen guten Eindruck von der Szene. Eine komplette Version habe ich nicht gefunden.
Es hilft nichts. Auch die Veränderungen im Drehbuch von Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg machen aus Jussi Adler-Olsen spannungsloser Geschichte „Schändung“ keinen Thriller. Die Täter sind beide Male von Anfang an bekannt, was ja nicht unbedingt ein Nachteil ist. So basiert die grandiose Krimiserie „Columbo“ auf dieser Idee. Aber in „Columbo“ sind die Verbrecher intelligent, die Konfrontationen zwischen dem Ermittler und dem Mörder sind vergnügliche Schlagabtäusche, Katz-und-Maus-Spiele zwischen intelligenten Kontrahenten, und in jeder Szene erfahren wir etwas neues. In „Schändung“, und da unterscheiden sich der Roman seine Verfilmung nicht, ist es anders. Es gibt einfach keine nennenswerten Konfrontationen und, nachdem wir die Ausgangssituation kennen, auch keine neuen Erkenntnisse. Die gesamte Geschichte quält sich über 450 Seiten (im Roman) oder gut 120 Minuten (im Film) auf ihr Ende zu. Schon am Anfang erfahren wir, dass eine Gruppe stinkreicher Internatsschüler vor zwanzig Jahren zwei Jugendliche ermordeten. Bjarne Thøgersen gestand den Doppelmord und sitzt dafür im Gefängnis. Der Fall ist offiziell abgeschlossen. Jetzt beginnt Carl Mørck vom Sonderdezernat Q, der Abteilung für alte, nicht abgeschlossene Fälle, den Fall neu aufzurollen. Im Roman weil die Akte wie von Geisterhand auf seinem schon gut gefülltem Schreibtisch auftaucht und es, anstatt sich irgendeinen ungeklärten alten Mordfall vorzunehmen, natürlich grundvernünftig ist, einfach einen geklärten alten Mordfall noch einmal zu untersuchen. Vielleicht haben die Kollegen ja Mist gebaut und vielleicht ist der geständige Täter, der sein Geständnis nicht widerrufen möchte, doch nicht der Täter. Wer jetzt glaubt, dass Mørcks Verhalten idiotisch ist, wird an Adler-Olsens Roman keine Freude haben. Aber eigentlich sollte er nach dem ersten Sonderdezernat-Q-Roman „Erbarmen“ schon vorgewarnt sein. Im Film ist Mørcks Verhalten immerhin besser motiviert: Eines Nachts begegnet er im Regen (wegen der atmosphärischen Bilder) einem offensichtlich verwirrten Mann, der ihm die alte Akte gibt. Am nächsten Tag ist er tot. Suizid. Er war ein Ex-Polizist und der Vater der beiden toten Teenager. Getrieben von dem Gefühl, dem Mann nicht geholfen zu haben, sieht Mørck sich den Fall wieder an. Zur gleichen Zeit läuft die Obdachlose Kimmie durch Kopenhagen. Sie ist eine der damaligen Täter und jetzt will sie sich an den anderen Tätern rächen. Ohne jetzt allzutief in die Psychologie einzusteigen: weil Jussi Adler-Olsen es so will und es in der Theorie doch gut klingt: während die Polizei die Täter sucht, will einer der Täter die anderen umbringen und jetzt haben wir einen Wettlauf mit der Zeit. Denn wer erreicht zuerst sein Ziel? Die Ausführung steht dann auf einem anderen Blatt und das Ende bringt diese beiden Plots mit mehr Zufall als Verstand oder innerer Logik zusammen. Unglaubwürdige Charaktere, eine unplausible Geschichte, fehlende Konfrontationen, fehlende Konflikte – das ist das Rezept für einen veritablen Langweiler, der in diesem Fall immerhin Mørcks Privatleben links liegen lässt. Dieses Fazit gilt für den Roman und die Verfilmung.
Jetzt, nach der zweiten Sichtung, fällt mir auf, dass ich die gewohnt wertige skandinavische Optik nicht lobte. Und in zwei Punkten war ich etwas ungenau. Bjarne Thøgersen hat seine Strafe nämlich schon verbüßt und er wurde für sein Geständnis, was den beiden Ermittlern sofort auffällt, fürstlich entlohnt. Und Kimmie ist im Film nur noch eine gequälte Seele; – was einige Wendungen psychologisch umso unverständlicher macht. Im Roman verfolgt sie konsequenter ihren Racheplan; – was psychologisch auch nicht sonderlich nachvollziehbar ist. Immerhin ist die Verfilmung gelungener als der Roman.
Ob ich jemals ein Adler-Olsen-Fan werde? Immerhin gibt es mit „Erlösung“ einen dritten Versuch, der ab Mitte Juni 2016 in unseren Kinos laufen soll und der, bis auf den Regisseur (Hans Petter Moland übernahm), mit dem bewährtem Team gedreht wird. Vielleicht ist dieser Mørck-Film, in dem es um verschwundene Kinder geht, kein Murks, für den vor allem Romanautor Jussi Adler-Olsen verantwortlich ist.
Das Bonusmaterial ist ziemlich umfangreich und auch informativ geraten, was vor allem daran liegt, dass Regisseur Mikkel Nørgaard im 26-minütigem „Making of“ ausführlich zu Wort kommt. Mit den beiden Hauptdarstellern Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares gibt es außerdem kürzere Interviews (8 und 6:30 Minuten), die im Rahmen der Werbung für den deutschen Kinostart gemacht wurden.
Schändung – Die Fasanentöter (Fasandræberne, Dänemark/Deutschland/Schweden 2014)
Regie: Mikkel Nørgaard
Drehbuch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg
LV: Jussi Adler-Olsen: Fasandræberne, 2008 (Schändung)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pilou Asbaek, David Dencik, Danica Curcic, Johanne Louise Schmidt
– DVD
NFP marketing & distribution (Vertrieb: Warner Bros.)
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Dänisch
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Making of, Interviews mit Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares, Trailer, Teaser, Hörfilmfassung
Länge: 115 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Es hilft nichts. Auch die Veränderungen im Drehbuch von Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg machen aus Jussi Adler-Olsen spannungsloser Geschichte „Schändung“ keinen Thriller. Die Täter sind beide Male von Anfang an bekannt, was ja nicht unbedingt ein Nachteil ist. So basiert die grandiose Krimiserie „Columbo“ auf dieser Idee. Aber in „Columbo“ sind die Verbrecher intelligent, die Konfrontationen zwischen dem Ermittler und dem Mörder sind vergnügliche Schlagabtäusche, Katz-und-Maus-Spiele zwischen intelligenten Kontrahenten, und in jeder Szene erfahren wir etwas neues.
In „Schändung“, und da unterscheiden sich der Roman seine Verfilmung nicht, ist es anders. Es gibt einfach keine nennenswerten Konfrontationen und, nachdem wir die Ausgangssituation kennen, auch keine neuen Erkenntnisse. Die gesamte Geschichte quält sich über 450 Seiten (im Roman) oder gut 120 Minuten (im Film) auf ihr Ende zu. Schon am Anfang erfahren wir, dass eine Gruppe stinkreicher Internatsschüler vor zwanzig Jahren zwei Jugendliche ermordeten. Bjarne Thøgersen gestand den Doppelmord und sitzt dafür im Gefängnis. Der Fall ist offiziell abgeschlossen.
Jetzt beginnt Carl Mørck vom Sonderdezernat Q, der Abteilung für alte, nicht abgeschlossene Fälle, den Fall neu aufzurollen. Im Roman weil die Akte wie von Geisterhand auf seinem schon gut gefülltem Schreibtisch auftaucht und es, anstatt sich irgendeinen ungeklärten alten Mordfall vorzunehmen, natürlich grundvernünftig ist, einfach einen geklärten alten Mordfall noch einmal zu untersuchen. Vielleicht haben die Kollegen ja Mist gebaut und vielleicht ist der geständige Täter, der sein Geständnis nicht widerrufen möchte, doch nicht der Täter. Wer jetzt glaubt, dass Mørcks Verhalten idiotisch ist, wird an Adler-Olsens Roman keine Freude haben. Aber eigentlich sollte er nach dem ersten Sonderdezernat-Q-Roman „Erbarmen“ schon vorgewarnt sein.
Im Film ist Mørcks Verhalten immerhin besser motiviert: Eines Nachts begegnet er im Regen (wegen der atmosphärischen Bilder) einem offensichtlich verwirrten Mann, der ihm die alte Akte gibt. Am nächsten Tag ist er tot. Suizid. Er war ein Ex-Polizist und der Vater der beiden toten Teenager. Getrieben von dem Gefühl, dem Mann nicht geholfen zu haben, sieht Mørck sich den Fall wieder an.
Zur gleichen Zeit läuft die Obdachlose Kimmie durch Kopenhagen. Sie ist eine der damaligen Täter und jetzt will sie sich an den anderen Tätern rächen. Ohne jetzt allzutief in die Psychologie einzusteigen: weil Jussi Adler-Olsen es so will und es in der Theorie doch gut klingt: während die Polizei die Täter sucht, will einer der Täter die anderen umbringen und jetzt haben wir einen Wettlauf mit der Zeit. Denn wer erreicht zuerst sein Ziel? Die Ausführung steht dann auf einem anderen Blatt und das Ende bringt diese beiden Plots mit mehr Zufall als Verstand oder innerer Logik zusammen.
Unglaubwürdige Charaktere, eine unplausible Geschichte, fehlende Konfrontationen, fehlende Konflikte – das ist das Rezept für einen veritablen Langweiler, der in diesem Fall immerhin Mørcks Privatleben links liegen lässt. Dieses Fazit gilt für den Roman und die Verfilmung.
Schändung – Die Fasanentöter(Fasandræberne, Dänemark/Deutschland/Schweden 2014)
Regie: Mikkel Nørgaard
Drehbuch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg
LV: Jussi Adler-Olsen: Fasandræberne, 2008 (Schändung)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pilou Asbaek, David Dencik, Danica Curcic, Johanne Louise Schmidt
Länge: 120 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
– Die Vorlage