Neu im Kino/Filmkritik: „Venom: Let there be Carnage“, Mord, Totschlag und demolierte Wohnungen

Oktober 21, 2021

Nach dem ersten „Venom“-Film, in dem Eddie Brock (Tom Hardy) und Venom, der außerirdische Symbiont, sich aneinander gewöhnten, leben sie inzwischen zusammen. Oder genauer gesagt: Venom lebt in seinem Wirtskörper Eddie Brock und bereitet ihm Kopfschmerzen und schlaflose Nächte. Manchmal streckt er seinen Kopf und seine Arme aus Brock raus. Aber die meiste Zeit ist er nicht zu sehen. Denn der Anblick könnte einige Menschen verunsichern.

Die aus ihrer Wohnung kommenden Geräusche ebenso. Das beginnt mit der geräuschvollen Zubereitung des Frühstücks, das zu einem guten Teil auf dem Boden landet. Und wenn die beiden sich streiten, endet das schon eimmal in einer „Fight Club 2.0“-Schlägerei, bei der sich Brock eine blutige Nase holt, die Einrichtung, Decken und Wände zerstört werden und der neue Fernseher (Brocks ganzer Stolz) aus dem Fenster fliegt. Danach dürfte jeder von den Annehmlichkeiten des Single-Lebens überzeugt sein.

Die Essensgewohnheiten von Venom sind dagegen, jedenfalls für uns Zuschauer, schon etwas vergnügllicher. Denn Venom möchte am liebsten ständig Gehirne, bevorzugt Menschengehirne, essen. Brock versucht ihn davon abzuhalten.

Damit dürfte die Rollenverteilung zwischen Brock und Venom klar sein. Venom ist der böse Geist, der zerstörungswütige Anarchist, das triebgesteuerte Kleinkind, während Brock die Ratio verkörpert – und ständig aussieht, als hätte er eine Woche lang nicht geschlafen. Wobei er wahrscheinlich viel länger nicht mehr richtig geschlafen hat.

Venom ist eine Marvel-Figur, die 2018 erstmals von Tom Hardy gespielt wurde. Der von „Zombieland“-Regisseur Ruben Fleischer inszenierte Film war kein guter Film, aber er war an der Kinokasse überaus sehr erfolgreich. Für die Fortsetzung konzentrierten die Macher sich dann auf die Stärke der Figur Venom, die ein sarkastisches, moralbefreites Monster ist. Damit sind seine Kommentare über die Menschen und seine Lösungsvorschläge immer gut für einen Lacher.

Für den zweiten Film, der mit neunzig Minuten (ohne Abspann) erfrischend kurz ist, erfanden die Macher eine Geschichte, die einfach nur eine weitere, für sich selbst stehende und damit eigenständige „Venom“-Geschichte ist und außerhalb der anderen Marvel-Filme steht; jedenfalls noch. Denn die Abspannsequenz deutet ein Crossover an.

Es geht um Cletus Kasady (Woody Harrelson). Der zum Tod verurteilte Serienkiller sitzt im San Quentin State Prison und ist bereit, mit dem Journalisten Eddie Brock über seine Taten zu reden. Brock ist als Reporter immer hungrig nach einer Schlagzeile und selbstverständlich einverstanden.

Bei einem seiner Besuche wird er von Kasady in den Finger gebissen. Diese Blutübertragung führt dazu, dass sich in Kasadys Körper ein Wesen entwickelt, das Venom sehr ähnelt und Carnage heißt. Zusammen mit Carnage kann Kasady ausbrechen und eine von ihm genussvoll zelebrierte blutige Spur der Verwüstung hinterlassen. Er will zu seiner großen Liebe aus Kindertagen. Frances Barrison (Naomie Harris), die mit ihrer Stimme töten kann, sitzt noch im Hochsicherheitstrakt des Ravencroft Institute.

Brock und Venom, die sich auch gerade massiv zerstritten haben, wollen das Schlimmste verhindern. Dafür müssen sie Kasady und Carnage töten.

Mehr Plot braucht Andy Serkis im zweiten „Venom“-Film nicht. Es ist eine einfache Geschichte, die auf Nebengeschichten verzichtet und unabhängig von dem ersten „Venom“-Film genossen werden kann. Die Figuren sind reichlich eindimensional, aber die Schauspieler haben ihren Spaß mit ihnen und erfüllen sie so mit Comic-Leben. Ihre Ziele sind klar herausgearbeitet. Der daraus entstehende Konflikt zwischen Brock/Venom und Kasady/Carnage ebenso.

Und so ist „Venom: Let there be Carnage“ einfach ein schönes kleines Schlachtfest.

Venom: Let there be Carnage (Venom: Let there be Carnage, USA 2021)

Regie: Andy Serkis

Drehbuch: Kelly Marcel (nach einer Geschichte von Tom Hardy und Kelly Marcel) (basierend auf der von Todd McFarlane und David Michelinie erfundenen Marvel-Figur Venom)

mit Tom Hardy, Woody Harrelson, Michelle Williams, Naomie Harris, Reid Scott, Stephen Graham, Peggy Lu, Sian Webber

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (eine erstaunliche Entscheidung. Ich hätte zu FSK-16 tendiert.)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Venom: Let there be Carnage“

Metacritic über „Venom: Let there be Carnage“

Rotten Tomatoes über „Venom: Let there be Carnage“

Wikipedia über „Venom: Let there be Carnage“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ruben Fleischers „Venom“ (Venom, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: Sie ist „Black and Blue“ – und hat Ärger mit den lieben Kollegen

November 14, 2019

Alicia West (Naomie Harris) ist in ihrem Geburtsort New Orleans ein Rookie-Cop. Als Afroamerikanerin muss sie mit den Vorurteilen ihrer Kollegen und der afroamerikanischen Gemeinschaft kämpfen. Vor allem weil sie im Ninth Ward eingesetzt wird. Dort ist die Polizei der Feind. Auch Jugendfreunde wollen nicht mehr als nötig mit ihr reden oder behaupten gleich, sie würden sie nicht kennen. Jetzt sei, wie ihr ein Kollege sagt, ihre Hautfarbe egal. Sie sei nicht mehr ‚Black‘ (ihre Hautfarbe), sondern ‚Blue‘ (die Farbe der Uniform).

Regisseur Deon Taylor etabliert in seinem Copthriller „Black and Blue“ diese Konfliktlinie, die damit verbundenen Probleme für West und die damit zusammenhängenden größeren Fragen in den ersten Minuten.

Kurz darauf übernimmt die alleinstehende West spontan für ihren Partner eine Extraschicht. Zusammen mit dem altgedienten Polizisten Deacon Brown (James Moses Black) fährt sie los. Während der Schicht hält er vor einer verlassenen Fabrikhalle und sagt ihr, sie solle im Streifenwagen auf ihn warten. West hört einen Schuss. Sie schleicht sich in das Gebäude und beobachtet, wie andere Polizisten einen Drogenhändler erschießen. Weil für sie das Tragen und Einschalten der Bodycam im Einsatz normal ist, hat ihre Bodycam alles aufgezeichnet. Und als ehrliche Polizistin will sie die Aufnahme in den Polizeicomputer übertragen und ihre Kollegen anzeigen. Denn Mord ist Mord.

Die Täter, Drogenfahnder Terry Malone (Frank Grillo), seine Partner Smitty (Beau Knapp) und Brown, verfolgen sie durch das Viertel und hetzen dabei weitere Polizisten und den örtlichen Drogenboss gegen sie auf.

Ab diesem Moment ist „Black and Blue“ dann fest im Fahrwasser eines 08/15-Actionthrillers über einen ehrlichen Polizisten, der gegen seine korrupten Kollegen kämpft. Und wie es sich für so einen Thriller gehört, werden die damit verbundenen Fragen zugunsten von Action schnell ad acta gelegt. Es gibt auch keine genauere Analyse der Gemeinschaft und der Welt der Polizisten. Denn selbstverständlich sind die verbrecherischen Polizisten nur eine kleine Gruppe innerhalb der Polizei. Ihre Taten haben daher keine strukturellen, sondern individuelle Ursachen und mit ihrer Verhaftung ist das Problem gelöst.

Nachdem die Entscheidung gefallen ist, Action gegenüber einer Analyse zu bevorzugen, wird die störende Logik geopfert. Vor allem West muss sich in entscheidenden Momenten nicht plausibel verhalten.

Und weil Taylor die Geschichte zwischen den wenigen Actionszenen nicht flott genug erzählt, um darüber hinwegzutäuschen, fragte ich mich schon während des Films, warum sie nicht sofort das Viertel verlässt, warum sie nicht zur nächsten (oder übernächsten) Polizeistation geht und dort alles seinen vorschriftsmäßigen Gang gehen lässt (Schließlich hätten nicht alle Polizisten ihr das Überspielen der Datei von ihre Bodycam auf den Zentralcomputer verweigert), warum sie, anstatt sich möglichst schnell an einen sicheren Ort zu begehen, erst einmal Stunden in einem Apartment in unmittelbarer Nähe zu ihren Verfolgern verbringt (okay, das ist wichtig, damit die Bösewichter ihre Kräfte sammeln können) und warum sie sich im Finale in eine lebensgefährliche Situation begibt, in der ihre Überlebenschance im besten Fall Fifty/Fifty ist. Wobei sie das natürlich tun muss, damit es ordentlich knallige Action und eine „Training Day“-Hommage gibt.

So ist „Black and Blue“ ein austauschbarer, immer unter seinen Möglichkeiten bleibender Polizeithriller. Er ist nicht wirklich schlecht, aber er versucht auch nie, wirklich gut zu sein, während er die aus unzähligen Filmen bekannten Personen und Situationen noch einmal, ohne große Variationen präsentiert.

Miss Moneypenny hätte in ihrer ersten Hauptrolle einen besseren Film verdient gehabt. Immerhin zeigt sie, dass sie mühelos einen Film tragen kann.

Black and Blue (Black and Blue, USA 2019

Regie: Deon Taylor

Drehbuch: Peter A. Dowling

mit Naomie Harris, Tyrese Gibson, Frank Grillo, Mike Colter, Reid Scott, Nafessa Williams, James Moses Black, Beau Knapp, Kevin Johnson, Deneen Tyler

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Black and Blue“

Metacritic über „Black and Blue“

Rotten Tomatoes über „Black and Blue“

Wikipedia über „Black and Blue“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Late Night – Die Show ihres Lebens“, wenn sie die nächsten Monate überlebt

August 30, 2019

Tonight with Katherine Newbury“ läuft seit gut dreißig Jahren als Late-Night-Talkshow im US-Fernsehen. Zuletzt mit sinkenden Quoten und Katherine Newbury (Emma Thompson) wird mit dem Vorwurf konfrontiert, eine Frauenhasserin zu sein. Schließlich feuerte sie in den vergangenen Jahren jede Frau, die sie jemals einstellte, kurz darauf wieder. Ihr Writers‘ Room ist eine frauenfreie Zone.

Um diesen Vorwurf zu entkräften, lässt sie Molly Patel (Mindy Kaling) einstellen. Molly hat im Comedygeschäft keinerlei Berufserfahrung, aber sie ist eine Frau und sie gehört einer Minderheit ein. Damit kann gut geworben werden. Und nach einigen Monaten wird sie, wie ihre Vorgängerinnen, entlassen.

Molly, die Newbury bewundert, stolpert an ihrem ersten Arbeitstag ungeschickt in die Besprechung von Newburys Autorenteam, das ein seit Jahren eingespieltes Team alter weißer Männer ist, die ohne große Ambitionen vor sich hin arbeiten. Molly beginnt, ausgehend von ihren Ambitionen und ihrer bisherigen Berufserfahrung als Qualitätskontrolleurin in einer Chemiefabrik, gleich mit einer Fehleranalyse und sie liefert Vorschläge zur Behebung der Fehler. Außerdem schreibt sie Witze, wie sie bisher in Newburys Show noch nicht zu hören waren. Der Weg vom Schreiben des Witzes bis zur Präsentation in der Show ist allerdings weit.

Zur gleichen Zeit eröffnet die neue Programmchefin Newbury, dass ihre Show demnächst eingestellt wird. Ein vulgärer Komödiant soll den Sendeplatz übernehmen.

Newbury, die in den letzten Jahren ihre Show auf Autopilot herunterspulte, nimmt den Kampf auf.

Late Night – Die Show ihres Lebens“ ist eine sehr unterhaltsame Komödie, die einen liebevollen Blick hinter die Kulissen der seit Ewigkeiten und immer noch männlich dominierten Late-Night-Shows wirft. Wenn Frauen in den vergangenen Jahrzehnten in den USA eine Late-Night-Show moderierten, taten sie das nur kurz.

Mitte September könnte sich das mit „A Little Late with Lilly Singh“ ändern. Diese neue Late-Night-Show wird nicht nur von einer Frau moderiert, sondern sogar von einer bekennend bisexuellen Frau. Damit ist Singh die erste Person aus der LGBT-Community, die eine Late-Night-Show moderiert. Sie ist auch nach einer fast zwanzigjährigen Pause die erste Moderatorin, deren Vorfahren nicht aus Europa kommen. Die Eltern der Kanadierin stammen aus Indien. Soviel zur Diversität in einem in den USA erfolgreichen Showsegment, das in Deutschland abgehen von der „Harald Schmidt Show“ fast unbekannt ist. .

Diese mangelnde Diversität erfuhr auch Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Mindy Kaling. Sie war die erste Frau im Autorenteam der Sitcom „The Office – Das Büro“. Danach erfand sie die Serie „The Mindy Project“.

Late Night“-Regisseurin Nisha Ganatra, die wie Kaling indische Vorfahren hat, inszenierte in den vergangenen Jahren vor allem Episoden für Serien wie „Transparent“, „Better Things“, „Brooklyn Nine-Nine“ und „The last Man on Earth“. Mindy Kaling lernte sie kennen, als sie eine Episode von „The Mindy Project“ inszenierte.

Die von Kaling erfundene Geschichte bewegt sich auf den vertrauten Pfaden. Die Pointen sitzen. Die Schauspieler sind spielfreudig. Und man sieht gerne über die Schwächen hinweg. Das sind das doch arg konventionelle Drehbuch, einige unplausible Stellen und die widersprüchliche Zeichnung von Katherine Newbury, die einerseits höchste Leistungen fordert, andererseits seit Jahren auf Autopilot ihre Sendung macht und keinen Kontakt zu ihren Autoren hat. Gerade das ist, wenn Menschen über Jahre auf engstem Raum zusammenarbeiten, nicht besonders glaubwürdig. Und es ist etwas merkwürdig, dass intelligente Menschen, die von ihrem Chef wie Dreck behandelt werden, sich keinen neuen Job suchen, sondern über Jahre bei ihr weiterarbeiten.

Late Night“ ist eine Feelgood-Komödie, in der arbeitende Frauen nicht den Mann fürs Leben suchen (Newbury hat ihren schon lange gefunden) und die, trotz der wenigen Frauenrollen, den Bechdel-Test besteht. Es gibt, mit der Programmchefin sogar drei wichtige Frauenrollen. Die Frauen, vor allem Newbury und Molly sprechen miteinander und sie unterhalten sich nicht über einen Mann, sondern vor allem über die Show und damit ihre Arbeit.

Late Night – Die Show ihres Lebens (Late Night, USA 2019)

Regie: Nisha Ganatra

Drehbuch: Mindy Kaling

mit Emma Thompson, Mindy Kaling, John Lithgow, Reid Scott, Hugh Dancy, Denis O’Hare, Max Casella, John Early, Paul Walter Hauser, Ike Barinholtz, Amy Ryan, Bill Maher, Seth Meyers, Jake Tapper

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Englische Facebook-Seite zum Film

Moviepilot über „Late Night“

Metacritic über „Late Night“

Rotten Tomatoes über „Late Night“

Wikipedia über „Late Night“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Venom“ von Marvel, außerirdisch und noch (?) kein Superheld

Oktober 3, 2018

Venom ist für eine neue Superheldenserie eine ungewöhnliche Wahl. Und das liegt nicht an Venoms Fähigkeiten, sondern an seinem Wesen. Er ist ein Außerirdischer, der wie es sich für ein Alien gehört, Menschen verspeist. Damit ist er ein Bösewicht, der nach seinem ersten Auftritt 1988 in „The Amazing Spider-Man“ als Bösewicht bei den Marvel-Comiclesern gut ankam. Seitdem erlebt er weitere Abenteuer. In den Comics benutzt Venom verschiedene Menschen als Gastkörper. Zum Beispiel Eddie Brock. Der ist auch in der Verfilmung Venoms Gastkörper.

Der Film „Venom“ gehört allerdings nicht zum Marvel Cinematic Universe (MCU) und weil er von Sony in Kooperation mit Marvel produziert wurde (liegt an den Rechten) wird es in naher Zukunft auch nicht zu einem Treffen zwischen Venom, dem MCU und den bei 20th Century Fox beheimateten X-Men kommen.

Das gibt den Machern die Freiheit, ohne den Ballast der anderen Serien einen vollkommen eigenständigen Film in, immerhin soll „Venom“ der Auftakt für eine Serie sein, einer vollkommen eigenständigen Welt zu erfinden. Regisseur Ruben Fleischer („Zombieland“, „Gangster Squad“) und seine vier Drehbuchautoren nutzen diese Freiheit für eine B-Movie-Geschichte, die sogar für ein B-Movie zu schlecht ist.

Im wesentlichen geht es um den Journalisten Eddie Brock, der nach einem illegalen Besuch des „Life Foundation“-Labors zum Wirt des Aliens Venom wird. Weil der Laborbesitzer, der stinkreiche Entrepreneur Carlton Drake, weitere Aliens auf die Welt bringen will, müssen Brock und Venom, der sich in die Erde und die Menschen verliebt, das verhindern.

Aber bis Brock und Venom sich treffen, vergeht ungefähr eine halbe Stunde in einem für einen Blockbuster erstaunlich kurz geratenen Film. Wenn man den sehr langen Abspann (inclusive zweier Abspannszenen, zu denen ich später noch etwas sagen werde) herausrechnet, dürfte der Film gerade so auf knapp hundert Minuten, eher so fünfundneunzig Minuten, kommen. In dieser ersten halben Stunde passiert fast nichts. Außer dass in Malaysia ein „Life Foundation“-Forschungsraumschiff bruchlandet. Die Life Foundation, die Eigentümerin des Schiffs, kann die im Weltraum gefundenen Wesen unbeschadet in die Firmenzentrale in San Francisco bringen. Weil allerdings ein Behälter bei der Landung zerstört wurde, macht sich dieser Alien in verschiedenen menschlichen Körpern langsam auf den Weg nach San Francisco. Währenddessen versaut Brock sein Leben durch einen Fehler, der noch nicht einmal als Anfängerfehler entschuldigt werden kann. Denn Brock ist ein Top-TV-Enthüllungsjournalist, der von allen Brennpunkten berichtet. Er lebt in einer glücklichen Beziehung mit Anne Weying, einer Anwältin. Als er auf ihrem Computer eine Datei über eine Klage gegen die Life Foundation entdeckt, benutzt er diese Informationen um Drake bei einem Interview darauf anzusprechen. Das Interview wird abgebrochen. Brock verliert seinen Job. Seine Freundin ihren Job. Sie verlässt ihn. Und der nun arbeitslose Brock zieht in eine billigere Wohnung. Dort trinkt er vor sich hin, bis die“Life Foundation“-Angestellte Dr. Dora Skirth ihn anspricht. Im „Life Foundation“-Labor würden ethisch fragwürdige Experimente mit Menschen und der Substanz aus dem Weltraum gemacht, bei denen die Menschen krank werden und sterben.

Brocks begleitet sie in das Labor. Als sie ihm sagt, er solle in dem Labor nichts anfassen, wissen wir, was er tun wird. Und – wir reden von einem Profi-Journalisten! – er tut es auf die dümmste Weise, die einem einfallen kann.

Solche idiotischen Entscheidungen gibt es immer wieder während des gesamten Films.

Das ist eines seiner Probleme.

Ein anderes ist, dass Ruben Fleischer nie den richtigen Rhythmus findet. „Venom“ ist das ruckelige filmische Äquivalent zu einem missglückten Versuch, Heavy Metal mit Hip Hop zu verbinden. Mal wird zu viel, mal zu wenig, mal an den falschen Stellen geschnitten. Und immer ist es zu laut.

Lautstärke ist bei den Actionszenen kein Problem. Und die sind, auch wenn sie fast alle nachts spielen, gelungen. Es gibt, zwischen Faustkämpfen und Schießereien, eine ausführliche „Bullitt“-Reminiszenz. Diese Szenen zeigen auch, wie Brock und Venom zunehmend eine Einheit werden.

In diesem Zusammenhang sind die Momente, in denen Brock sich an Venom anpasst, gelungen. Denn diese Symbiose wird in Brocks Apartment und einem Nobelrestaurant von einem irrem Verhalten begleitet.

Die Gespräche zwischen Brocks und Venom bringen etwas Deadpool-Humor in den Film.

Aber für einen Film, vor allem für einen Film, der ein Auftakt zu weiteren Filmen sein soll, ist das zu wenig. Während die anderen Superhelden alle eine Mission haben, die über viele Geschichten trägt, fehlt Venom genau diese Mission. Er will eigentlich nur Menschen essen.

Venom“ bewegt sich damit im erzählerisch im Fahrwasser von älteren Comicverfilmungen, wie „Catwoman“, und „Die Mumie“, dem missglückten Auftakt des „Dark Universe“. Nur ohne all den erzählerischen Ballast von Ideen und Figuren, die vielleicht in einem der späteren Filme wichtig werden. 

Kommen wir zum Abschluss zu den beiden Abspannszenen, die zu einem Marvel-Film dazugehören, die teilweise schon in diversen Vorberichten angedeutet wurden und die in diesem Fall eine besondere Stellung haben. In der ersten Post-Credit-Szene trifft Tom Hardy bei einem Besuch in einem Hochsicherheitsgefängnis auf den in einer Hannibal-Lecter-Zelle sitzenden von Woody Harrelson gespielten Cletus Kasady. Das erwähne ich, weil es Gerüchte um seine Rolle gab und er selbst schon darüber sprach. In „Venom“ hat er nur ein Cameo. Im nächsten „Venom“-Film soll die Rolle größer sein. Die zweite Szene ist ein Animationsfilm, der für „Spider-Man: A new Universe“ wirbt. Der ebenfalls von Sony produzierte Trickfilm startet in Deutschland am 13. Dezember 2018 und er hat, was im Film auch explizit gesagt wird, nichts mit „Venom“ zu tun.

Venom (Venom, USA 2018)

Regie: Ruben Fleischer

Drehbuch: Scott Rosenberg, Jeff Pinkner, Kelly Marcel, Will Beall (nach einer Geschichte von Jeff Pinkner und Scott Rosenberg, basierend auf dem von Todd McFarlane und David Michelinie erfundenem Marvel-Charakter)

mit Tom Hardy, Michelle Williams, Riz Ahmed, Scott Haze, Reid Scott, Jenny Slate, Woody Harrelson, Stan Lee (sein übliches Cameo)

Länge: 113 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Venom“

Metacritic über „Venom“

Rotten Tomatoes über „Venom“

Wikipedia über „Venom“ (deutsch, englisch)