Neu im Kino/Filmkritik: George Miller erzählt „Furiosa: A Mad Max Saga“

Mai 23, 2024

Es heißt, „Furiosa: A Mad Max Saga“ erzähle die Vorgeschichte zu dem vorherigen „Mad Max“-Film „Fury Road“ und der damals von Charlize Theron gespielten einarmigen Kriegerin Imperator Furiosa. In „Furiosa“ wird sie von Anya Taylor-Joy gespielt und das ist schon auf den ersten Blick verständlich. Denn dieses Mal steht eine deutlich jüngere Furiosa im Mittelpunkt des Films, der kein Biopic ist und die Vorgeschichte, verstanden als eine zusammenhängende Abfolge von Ereignisse, bestenfalls höchst kryptisch erzählt. „Furiosa“ ist, mit einem Zeitsprung von fünfzehn Jahren gegen Ende des Films, eine Zusammenstellung mehrerer kurzer Geschichten, von denen nur einige für ihre Entwicklung vom Kind zur Kriegerin mehr oder weniger wichtig sind.

Regisseur und „Mad Max“-Erfinder George Miller unterteilt seinen neuesten Film in fünf Kapitel, die ohne große Mühen als fünf ungefähr gleich lange Kurzfilme gesehen werden können. Nur die letzten beiden Kapitel sind etwas stärker miteinander verknüpft. Das Ergebnis ist eine zweieinhalbstündige Kompilation, in der eine Kämpferin, über die wir ziemlich wenig erfahren, im Mittelpunkt steht.

Die besseren Teile des Films konzentrieren sich auf die ohne lange Erklärungen verständliche Action. Ein Laster mit einer wertvollen Fracht wird angegriffen. Eine Ölraffinerie wird angegriffen. Furiosa greift ihre Peiniger an, flüchtet, tötet sie. Die Welt, in der diese Geschichten spielen, ist aus den vorherigen „Mad Max“-Filmen bekannt: es ist eine Wüstenlandschaft, in der sich Stämme und Clans bekämpfen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Essen ist knapp. Noch knapper ist Benzin. Das wird trotzdem von den von ihren kostümierten Fahrern in Handarbeit umgestalteten Autos und Motorrädern in rauen Mengen verplempert.

Einige wichtige Handlungsorte, Figuren und Fahrzeuge sind bereits aus „Fury Road“ bekannt. Das war in den ersten drei „Mad Max“-Filmen mit Mel Gibson in der Titelrolle nicht so. Sie kümmern sich nicht weiter um so etwas wie Kontinuität. Da steht jeder Film für sich.

Der erste „Mad Max“-Film, der einfach „Mad Max“ heißt, spielt in einer dystopischen Zukunft, die sich kaum von der damaligen Realität unterscheidet. Erst in dem zweiten „Mad Max“-Film „Mad Max 2 – Der Vollstrecker“ entwirft George Miller eine postapokalyptische Welt, in der die Gesellschaft, wie wir sie kennen, zerstört ist Benzin ist Mangelware. Das einzige Gesetz, das akzeptiert wird, ist das Recht des Stärkeren. Ein darüber hinausgehendes World Building fand nicht statt. Für die Action, die geboten wurde, war es auch nicht nötig. et

In „Furiosa“ ist das etwas anders und gerade dieses World Building ist der Schwachpunkt des Films. Denn je mehr Miller versucht, die von ihm entworfene Welt zu erklären, umso unsinniger wird sie. Die wenigen Modernisierungen, die Miller am Filmanfang vornimmt, sind, weil es dann kein „Mad Max“-Film wäre, schnell vergessen. In diesen Minuten zeigt er Furiosa als Kind in ihrer Welt. Der Grüne Ort der vielen Mütter ist eine grüne Oase unbekannter Größe mit Windrädern und Solaranlagen. Die Menschen scheinen dort, jedenfalls soweit diese Welt gezeigt wird, friedlich zusammen zu leben. Als eine brutale Bikerbande aus dem Wasteland (aka Ödland aka Wüste) diese Welt betritt, entdecken sie Furiosa, entführen sie und der restliche Film spielt in der in den achtziger Jahren etablierten „Mad Max“-Welt, die für diesen Film recycelt wird. Die damalige Technik und die Ängste der siebziger und frühen achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bestimmen das Bild. Computer gibt es noch nicht. Die Ölkrise, der Kalte Krieg, die Angst vor einem Atomkrieg und die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise und eine No-Future-Haltung bestimmten das Denken. Da war Mad Max der Mann der Stunde. Heute ist das alles ziemich anachronistisch.

Aber die Action in der Wüste ist schon ziemlich spektakulär und immer dann gut, wenn nichts erklärt wird. Das passiert ziemlich oft. Dass die rudimentären Plots bekannt sind, stört nicht weiter. Es geht, wie in einem Western vor allem um die Variation bekannter Versatzstücke. Nur dass dieses Mal eine Frau die Protagonistin ist. Sie kämpft gegen den Bösewicht Dementus (Chris Hemsworth), dessen Männer sie aus dem Paradies ihrer Kindheit entführten. Sie fährt mit „Mad Max“-Ersatz Praetorian Jack (Tom Burke) einen LKW durch die Wüste und kämpft gegen die Männer, die sie auf abenteuerlich umgebauten Motorrädern und anderen Fahrzeugen angreifen und dabei höchst fotogen sterben. Sie kämpfen in einer Ölraffinerie gegen eine Überzahl Angreifer und demolieren sie mit vereinten Kräften.

Und Max Rockatansky, besser bekannt als Mad Max, ist auch dabei. Gespielt wird er dieses Mal nicht von Mel Gibson oder Tom Hardy, sondern von Jacob Tomuri.

Furiosa: A Mad Max Saga (Furiosa: A Mad Max Saga, Australien/USA 2024)

Regie: George Miller

Drehbuch: George Miller, Nico Lathouris

mit Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Alyla Browne, Lachy Hulme, Nathan Jones, Charlee Fraser, Elsa Pataky, Jacob Tomuri

Länge: 149 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Furiosa: A Mad Max Saga“

Metacritic über „Furiosa: A Mad Max Saga“

Rotten Tomatoes über „Furiosa: A Mad Max Saga“

Wikipedia über „Furiosa: A Mad Max Saga“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von George Millers „Mad Max: Fury Road“ (Mad Max: Fury Road, Australien/USA 2015)

Meine Besprechung von George Millers „Three Thousand Years of Longing“ (Three Thousand Years of Longing, USA/Australien 2022)

Meine Besprechung von George Miller/Mark Sexton/Nico Lathaoris/Tristan Jones/Riccardo Burchiellis „Mad Max: Fury Road“ (Mad Max: Fury Road – Max 1 – 2; Mad Max: Fury Road – Furiosa 1; Mad Max: Fury Road – Nux & Immortan Joe 1, 2015) (Comic-Vorgeschichte zum Film)


Neu im Kino/Filmkritik: „Wo die Lüge hinfällt“ gibt es Liebe

Januar 19, 2024

Die erste Begegnung ist fantastisch. Der berühmte Funke springt sofort über zwischen Bea (Sydney Sweeney) und Ben (Glen Powell). Der Morgen danach ist ein Desaster. Zuerst schleicht Bea sich aus Bens Wohnung. Dann muss sie hören, wie Ben vor seinem besten Freund Pete (GaTa) über sie herzieht. Danach will Bea, die nur einen kleinen Teil des Gesprächs belauschte, nichts mehr von Ben wissen. Währenddessen fragt Ben sich, warum er nichts mehr von Bea hört.

Ein halbes Jahr später treffen sie sich wieder. In Sydney soll die Hochzeit von Beas Schwester und Petes Schwester stattfinden. In den Monaten seit ihrer ersten Begegnung ist aus dem frühmorgendlichem Missverständnis abgrundtiefer Hass geworden. Ihre gegenseitige Abneigung ist so groß, dass sie die Hochzeitsfeierlichkeiten gefährden könnten. Deshalb und weil sie offensichtlich füreinander bestimmt sind, versuchen das Brautpaar, deren Eltern und Beas und Bens Freunde sie zusammenzubringen.

Das führt zu einigen peinlichen Situationen. Und etwas Spaß. Denn Bea und Ben haben die Absichten der anderen schnell durchschaut. Trotzdem spielen sie für die anderen ein heftig verliebtes, hemmungslos turtelndes Paar. Am Anfang ist das für sie der einfachste Weg, unbeschadet durch das Wochenende und die Anforderungen und Wünsche der anderen, wozu auch frühere Liebschaften von Bea und Ben gehören, zu kommen. Gleichzeitig ahnen alle anderen, dass Bea und Ben das Liebespaar nur spielen. Aber sie sind überzeugt, dass Bea und Ben ein Liebespaar werden. Denn was sich liebt das neckt sich.

Dieser von William Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ (Much Ado About Nothing) inspirierte Liebesreigen schöner Menschen ohne finanzielle Probleme findet vor sonniger Postkartenkulisse statt. Es gibt etwas Herzschmerz, etwas Comedy, gut aufgelegte Schauspieler und für US-amerikanische RomCom-Verhältnisse erstaunlich viel nackte Haut. In den notorisch prüden USA gab es für diese jugendgefährdenden Momente ein R-Rating. Bei uns ist der Liebesfilm ab 0 Jahre freigegeben. Und das ist eine überraschend niedrige, aber vollkommen okaye Freigabe.

Regisseur Will Gluck, der vorher die beiden „Peter Hase“-Filme inszenierte, inszenierte seinen neuen Film ziemlich straff entlang des von ihm und Ilana Wolpert geschriebenen Drehbuchs. Das verschont uns vor länglichen Improvisationen des Ensembles, die die Geschichte für nichts und wieder nichts verlangsamen.

In der mild selbstironischen RomCom „Wo die Lüge hinfällt“ vergeht die Zeit ziemlich schnell und angenehm. Das liegt vor allem an den beiden gut aussehenden, überaus sympathischen Hauptdarsteller, die prächtig miteinander harmonisieren. Die Konventionen des Genres werden erfüllt und es gibt ein, zwei kleine Neuerungen, wie dass hier zwei Frauen heiraten oder die Eltern Joints rauchen.

RomCom-Fans sollte „Wo die Lüge hinfällt“ gefallen. Und wer danach in Sydney Sweeney verknallt ist, kann sie in den kommenden Wochen in zwei gänzlich anderen Filmen bewundern.

Am 8. Februar startet das sehenswerte, auf einem wahren Fall basierende, minimalistische Drama „Reality“. Sidney Sweeney spielt überzeugend die titelgebende Whistleblowerin Reality Winner.

Eine Woche später, am 14. Februar, startet „Madame Web“, ein Marvel-Film und der vierte Film in Sony’s Spider-Man Universe. In dem Superheldenfilm spielt Sweeney Spider-Woman Julia Carpenter.

Wo die Lüge hinfällt (Anyone but You, USA 2023)

Regie: Will Gluck

Drehbuch: Will Gluck, Ilana Wolpert

mit Sydney Sweeney, Glen Powell, Alexandra Shipp, GaTa, Hadley Robinson, Michelle Hurd, Dermot Mulroney, Darren Barnet, Rachel Griffiths, Bryan Brown, Charlee Fraser, Joe Davidson

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Wo die Lüge hinfällt“

Metacritic über „Wo die Lüge hinfällt“

Rotten Tomatoes über „Wo die Lüge hinfällt“

Wikipedia über „Wo die Lüge hinfällt“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Will Glucks „Annie“ (Annie, 2014)