Neu im Kino/Filmkritik (kurz): Heftige „Beating Hearts“ zwischen Liebes- und Gangsterfilm

März 27, 2025

In den 80er Jahren treffen sich Clotaire und Jackie in Nordfrankreich. Der 17-jährige Clotaire ist ein aus einem Problembezirk kommender Halbstarker, der statt die Schulbank zu drücken, mit seinen Freunden vor der Schule posiert und eine Karriere als Verbrecher anvisiert. Die 15-jährige Jackie ist eine neue, strebsame Schülerin. Sie kommt aus einem gutbürgerlichen Haus und lässt sich von ihm und seinen Jungs nicht einschüchtern. Sofort verliebt er sich in die schlagfertige Schönheit. Auch sie verliebt sich in ihn.

Während sie immer mehr Zeit miteinander verbringen, rutscht er immer weiter ins kriminelle Milieu ab. Als er für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird, trennen sich ihre Wege.

Zehn Jahre später wird er entlassen. Die inzwischen 25-jährige Jackie ihr eigenes bürgerliches Leben. Der 28-jährige Ex-Sträfling besucht sie nicht, sondern versucht sein eigenes Leben auf die Reihe zu bekommen und dabei einige alte Rechnungen begleichen.

Und mehr soll, nachdem ich jetzt fast den gesamten Film verraten habe, verraten werden. „Beating Hearts“ ist der neue Film von Gilles Lellouche, der vor allem für die nette Komödie „Ein Becken voller Männer“ bekannt ist. Sein neuester, fast drei Stunden langer Film ist dagegen ein wild pulsierendes Drama, das gerade bei den in den 80er Jahren spielenden Szenen einen starken „Betty Blue“-Vibe verströmt. Auch später befolgt Lellouche das „Mehr ist mehr“-Prinzip. Aber die vielen Szenen, in denen Jackie und Clotaire nach Clotaires Gefängnisaufenthalt getrennt ihr Leben leben, sind größtenteils langweilige Zeitfüller bis sie sich endlich wieder begegnen und ihre Beziehung wieder aufnehmen.

Trotzdem ist „Beating Hearts“ ein insgesamt gelungener, keine Exzesse scheuender Liebesfilm und Gangsterfilm.

Beating Hearts (L’Amour ouf, Frankreich/Belgien 2024)

Regie: Gilles Lellouche

Drehbuch: Gilles Lellouche, Audrey Diwan, Ahmed Hamidi

LV: Neville Thompson: Jackie Loves Johnser OK?, 1997

mit Adèle Exarchopoulos, François Civil, Mallory Wanecque, Malik Frikah, Alain Chabat, Benoît Poelvoorde, Vincent Lacoste, Élodie Bouchez, Karim Leklou

Länge: 161 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Beating Hearts“

AlloCiné über „Beating Hearts“

Metacritic über „Beating Hearts“

Rotten Tomatoes über „Beating Hearts“

Wikipedia über „Beating Hearts“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Gilles Lellouches „Ein Becken voller Männer“ (Le grand bain, Frankreich 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die drei Musketiere – D’Artagnan“ will mitspielen

April 13, 2023

https://www.youtube.com/watch?v=xD6BuGi9I2Q

Jetzt fechten sie wieder für den König und, angesichts der vielen Verfilmungen von Alexandre Dumas‘ Roman kann man sich fragen, ob die Welt wirklich einen weiteren „Die drei Musketiere“-Film benötigt. Die bekanntesten und immer noch beliebtesten Verfilmungen sind George Sidneys „Die drei Musketiere“ (USA 1948) und Richard Lesters Zweiteiler „Die drei Musketiere“ (Panama 1974) und „Die vier Musketiere – Die Rache der Milady“ (Panama 1975). Außerdem gibt es unzählige weitere Verfilmungen der bekannten Vorlage, die inzwischen vergessen sind.

Und dann gibt es noch Bertrand Taverniers „D’Artagnans Tochter“ (Frankreich 1994), die im Film von Sophie Marceau als muntere Kämpferin gespielt wird. Die Mantel-und-Degen-Komödie hat zwar nichts mehr mit dem Roman von Dumas zu tun, aber sie ist äußerst kurzweilig, viel zu unbekannt und der Grund, warum Martin Bourboulon das Angebot einer Neuverfilmung von Dumas‘ Roman akzeptierte. Sein Vater war einer der Produzenten von Taverniers Film und er durfte als Jugendlicher das Set besuchen.

Jetzt konnte Martin Bourboulon seinen eigenen Mantel-und-Degen-Film drehen.

Die Story hat er nicht grundlegend verändert. Wieder geht es um D’Artagnan (François Civil), einen vor Selbstvertrauen strotzendem Burschen aus der Gascogne, der in Paris ein Mitglied der legendären Musketiere werden möchte. Doch zuerst muss er sich mit drei Männern herumschlagen, denen er in den übervollen Gassen der Hauptstadt innerhalb weniger Minuten auf die Füße trat und die ihn nacheinander zum Duell herausforderten. Es sind, was D’Artagnan nicht weiß, die Musketiere Athos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmaï) und Aramis (Romain Duris).

Noch bevor sie in einem Waldstück mit dem ersten Duell beginnen können, werden sie von Kardinal Richelieus Männern gestört – und Regisseur Martin Bourboulon nutzt die Gelegenheit für eine große, ungeschnittene, nicht enden wollende Actionszene. Bis zum Abspann folgende weitere sparsam geschnittene Kampfszenen.

Nach diesem wilden Kampf hat D’Artagnan sich den Respekt der drei Musketiere verdient. Sie nehmen ihn in ihre elitäre Gruppe auf.

Schnell werden sie in einen Komplott gegen den König, den sie beschützen sollen, verwickelt. 1627 ist die politische Situation unübersichtlich. Frankreich und England bekriegen sich. Evangelen und Katholen ebenso. Es wird munter hinter dem Rücken des Königs intrigiert. Treibende Kräfte sind dabei Kardinal Richelieu (Éric Ruf) und die geheimnisvolle Milady de Winter (Eva Green).

Martin Bourboulon, zuletzt „Eiffel in Love“, verzichtet in seiner Interpretation der klassischen Geschichte auf Modernismen, Ironisierungen und Aktualisierungen, die andere Regisseure bei ihren Verfilmungen historischer Stoffe vornehmen. Zum Bespiel indem die Musik aus Rocksongs besteht. Teilweise werden diese Songs, neu arrangiert, vor Publikum auf höfischen Gesellschaften gespielt. Oder indem moderne Gegenstände, die es damals noch lange nicht gab, im Bild auftauchen. Bourboulon verzichtet darauf. Er inszenierte einen bewusst altmodischen Mantel- und Degenfilm, der so auch schon für fünfzig Jahren hätte entstehen können. Und er nimmt sich viel Zeit. Wie einige ältere Versionen der Geschichte erzählt er sie in zwei Teilen. Der zweite Teil „Die drei Musketiere – Milady“ soll am 14. Dezember 2023 in Deutschland starten.

Eben diese Entscheidung führt zu einigen Längen. Die Geschichte wird jetzt in ungefähr vier Stunden erzählt. Dabei hätten sie sie auch als einen konzentriert in, sagen wir mal 150 Minuten erzählten Abenteuerfilm erzählen können. Jetzt ziehen sich einige Duelle gefühlt endlos hin. Milady de Winter geht auf einem Maskenball ebenfalls gefühlt endlos durch die Feiernden. Das Leben am Hof des Königs hätte nicht so ausführlich geschildert werden müssen. Und natürlich ist dieser erste Teil (mit seiner Abspannszene) vor allem die Vorbereitung des zweiten Teils, in dem die tapferen drei Musketieren (die eigentlich vier Musketiere sind) gegen die böse Milady de Winter kämpfen. Im ersten Teil hat sie nur eine Nebenrolle.

Doch das sind eher kleinere Einwände gegen einen unterhaltsamen, traditionsbewussten, starbesetzten Abenteuerfilm.

Die drei Musketiere – D’Artagnan (Les trois mousquetaires: D’Artagnan, Deutschland/Frankreich 2023)

Regie: Martin Bourboulon

Drehbuch: Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière

LV: Alexandre Dumas: Les trois mousquetaires, 1843/44 (Die drei Musketiere)

mit François Civil, Vincent Cassel, Romain Duris, Pio Marmaï, Eva Green, Louis Garrel, Vicky Krieps, Lyna Khoudri, Jacob Fortune-Lloyd, Eric Ruf, Marc Barbé, Patrick Mille

Länge: 121 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Die drei Musketiere – D’Artagnan“

Moviepilot über „Die drei Musketiere – D’Artagnan“

Allociné über „Die drei Musketiere – D’Artagnan“

Rotten Tomatoes über „Die drei Musketiere – D’Artagnan“

Wikipedia über „Die drei Musketiere – D’Artagnan“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Martin Bourboulons „Eiffel in Love“ (Eiffel, Frankreich/Deutschland 2021)


Neu im Kino/Filmkritik: Für Cédric Klapisch ist „Das Leben ein Tanz“ voller Möglichkeiten

September 10, 2022

Elise Gautier ist jung. Sie tanzt durch das Leben. Als Balletttänzerin. Und sie steht kurz vor dem großen Durchbruch. Da sieht sie während einer Aufführung von „La Bayadère“ (Die Tempeltänzerin), wie ihr Freund sie mit einer anderen Tänzerin betrügt. Kurz darauf stürzt sie auf der Bühne unglücklich. Sie verletzt sich am Knöchel.

Ihre Ärztin empfiehlt ihr eine zweijährige Auszeit. In dieser Zeit kann die Verletzung am Knöchel vollständig heilen. Elise will diesen Ratschlag nicht akzeptieren. Sie ist jetzt 26 Jahre. Sie muss jetzt tanzen. In zwei Jahren, mit dann fast dreißig Jahren, ist sie zu alt.

Trotzdem und notgedrungen, weil sie im Moment kaum gehen, geschweige denn Tanzen kann, nimmt sie eine Auszeit. Der Koch Loïc und seine Freundin nehmen sie mit zu einem in der Bretagne liegendem Künstlerwohnheim. Dort hilft sie ihnen etwas beim Kochen und beobachtet die anderen Künstler, die in der Herberge einige Zeit verbringen. Unter anderem ein Tanzensemble, das nicht klassisches Ballett, sondern modernes Ballett tanzt.

Es ist die renommierte (real existierende) Hofesh Shechter Dance Company. Sie probt ihr Stück „Political Mother: The Choreographer’s Cut“. Hofesh Shechter bietet Elise an, mit ihnen zu tanzen.

1961. Das ist wahrscheinlich die erstaunlichste Zahl bei Cédric Klapischs neuem Film „Das Leben ein Tanz“. 1961 wurde Klapisch geboren. Er ist jetz in dem Alter, in dem andere Regisseure Filme über Eltern und ihre Probleme mit ihren erwachsenen Kindern oder über den Tod des geliebten Partners und die darauf folgende Trauer oder über das Ende des Arbeitslebens und den Ruhestand erzählen. Es sind Filme für Gleichaltrige, die die Jahre bis zu ihrer Beerdigung zählen und in denen sie sich wehmütig an ihre Jugend erinnern.

Nicht so bei Cédric Klapisch. Sein Film ist durch und durch jugendlich. Er versprüht die Kraft und den Optimismus der Jugend. Es geht darum, Chancen zu ergreifen und seinem Leben eine neue Richtung geben.

Gleichzeitig ist „Das Leben ein Tanz“ ein fulminanter Ballettfilm. Zuerst porträtiert Klapisch ausführlich die Welt des klassischen Balletts. Mit vielen Balletttänzern. Auch Elise wird von einer Tänzerin gespielt. Marion Barbeau ist seit 2018 ist Erste Tänzerin des

Balletts der Opéra National de Paris. „Das Leben ein Tanz“ ist ihr Schauspieldebüt. Danach, in dem Künstlerhotel, zeigt Klapisch eine ganz andere, von ihm ebenfalls geliebte Art des Balletts. Elise, die auf das klassische Ballett schwört, lehnt das moderne Ballett als mindere Tanzform zunächst heftig ab. Dann beobachtet sie das Ensemble, wird zum Mittanzen eingeladen und tanzt, zunächst zögernd, mit. Klapisch verlässt sich in den Szenen darauf, dass das Zeigen des modernen Tanzes auch beim Zuschauer ausreicht, um zu verstehen, wie Elise ihre Meinung ändert und was sie im modernen Ballett entdeckt. Außer der Freude, sich wieder bewegen zu können. Mit Mehdi, in den sie sich auch verliebt.

Neben den ausführlich gezeigten Tanzszenen, umgibt Klapisch Elise von einem Ensemble sympathischer Figuren. Das sind, vor allem, Loïc, der sie bekocht, sich immer wieder heftig mit seiner Freundin streitet und versöhnt, die Herbergsmutter Josiane, deren Talent darin besteht, Künstlern einen Ort für Kreativität zu geben, Elises verständnisvoller New-Age-Psychotherapeut Yann, der unsterblich in Elise verliebt ist und die seine Gefühle ignoriert, und Elises Vater, der als Witwer mit drei erwachsenen Töchtern, immer noch an erster Stelle Anwalt und Büchernarr ist.

Das macht „Das Leben ein Tanz“ zu einer wunderschönen Liebeserklärung an das Ballett und einem lebensbejahendem und witzigem Musical.

Das Leben ein Tanz (En Corps, Frankreich 2022)

Regie: Cédric Klapisch

Drehbuch: Cédric Klapisch, Santiago Amigorena

mit Marion Barbeau, Hofesh Shechter, Denis Podalydès, Muriel Robin, Pio Marmaï, François Civil, Souheila Yacoub, Mehdi Baki

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Das Leben ein Tanz“

AlloCiné über „Das Leben ein Tanz“

Rotten Tomatoes über „Das Leben ein Tanz“ (aktuell noch keine Kritiken)

Wikipedia über „Das Leben ein Tanz“

Meine Besprechung von Cédric Klapischs „Einsam Zweisam“ (Deux moi, Frankreich 2019)


TV-Tipp für den 3. April: Frank

April 2, 2020

One, 21.00

Frank (Frank, Irland/Großbritannien 2014)

Regie: Lenny Abrahamson

Drehbuch: Jon Ronson, Peter Straughan

LV: Jon Ronson: Oh Blimey! (Reportage, The Guardian, 2006)

Möchtegernmusiker Jon wird als Keyboarder der legendären Avantgardeband „Soronprfbs“ engagiert und das Mitglied einer sehr seltsamen Gemeinschaft. Angeführt wird sie von dem mehr als seltsamen Frank.

Das ist der Film, in dem Michael Fassbender als Bandleader Frank während des gesamten Films eine Pappmaché-Maske trägt.

„Frank“ ist ein herrlich schrulliger Film mit einem liebevollen Blick auf gesellschaftliche Außenseiter, die sich in einer Band einen eigenen, gut funktionierenden Schutzraum geschaffen haben.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Michael Fassbender, Domhnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal, Scott McNairy, Francois Civil, Carla Azar

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Facebook-Seite zum Film
Moviepilot über „Frank“
Metacritic über „Frank“
Rotten Tomatoes über „Frank“
Wikipedia über „Frank“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jon Ronsons “Männer, die auf Ziegen starren” (The men who stare at Goats, 2004)

Meine Besprechung von Jon Ronsons “Die Psychopathen sind unter uns – Eine Reise zu den Schaltstellen der Macht” (The Psychopath Test – A Journey through the Madness Industry, 2011)

Meine Besprechung von Lenny Abrahamsons „Frank“ (Frank, Irland/Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Lenny Abrahamsons „Raum“ (Room, Irland/Kanada 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Einsam Zweisam“ und am Ende…

Dezember 19, 2019

Mélanie Brunet (Ana Girardot) und Rémy Pelletier (François Civil) leben in Paris im18. Arrondissement Tür an Tür. Trotzdem laufen sie immer aneinander vorbei, was in einer Großstadt nicht ungewöhnlich ist. Umgekehrt kennt man schnell die Menschen, die den gleichen Bus benutzen, die Verkäufer und Security-Mitarbeiter in den Geschäften, die Postboten und auch die Drogensüchtigen und Obdachlosen. Der Kontakt endet meistens schon vor einem wieder erkennendem und begrüßendem Kopfnicken.

Weil „Einsam Zweisam“ ein Spielfilm ist und weil es ein französischer Spielfilm ist, weiß man schon in den ersten Filmminuten (ach, eigentlich genügt ein Blick auf das Plakat), dass Mélanie und Rémy füreinander bestimmt sind und sie sich spätestens am Filmende begegnen werden.

Bis dahin zeichnet Cédric Klapisch („… und jeder sucht sein Kätzchen“, „L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr“, „Der Wein und der Wind“) ein äußerst feinfühliges Doppelporträt von zwei schüchternen Menschen und des Stadtviertels, zu dem sie nur zum Schlafen und Einkaufen bei dem gut vernetzten und etwas bauernschlauem Chef eines kleinen Lebensmittelgeschäfts. Weitere Lebenshilfe erhalten Rémy und Mélanie, die beide in einer Depression stecken, von ihren Therapeuten, die auch etwas miteinander verbindet.

Klapisch erzählt in seinem herzerwärmendem Drama die Geschichte vor dem ersten Zusammentreffen, das auch der Beginn einer Liebe sein kann. Es ist, nachdem im Kino die traditionellen Weihnachtsfilme von den Disney-Filmen („Star Wars“!) vertrieben wurden, ein herzerwärmender Weihnachtsfilm ohne den oft unerträglichen Nikolaus-Christkind-Enkel-Kitsch älterer Weihnachtsfilme.

Einsam Zweisam (Deux moi, Frankreich 2019)

Regie: Cédric Klapisch

Drehbuch: Santiago Amigorena, Cédric Klapisch

mit François Civil, Ana Girardot, Camille Cottin, François Berléand, Simon Abkarian, Eye Haidara, Rebecca Marder

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Einsam Zweisam“

AlloCiné über „Einsam Zweisam“

Rotten Tomatoes über „Einsam Zweisam“

Wikipedia über „Einsam Zweisam“


Neu im Kino/Filmkritik: „So wie du mich willst“, bin ich nicht

August 8, 2019

Es beginnt harmlos mit einer fast schon jugendlich unbedarften und unschuldigen Mischung aus Eifersucht und Neugierde. Denn der jüngere Freund von Claire Millaud hat gerade keine Zeit. Er will lieber mit seinem neuen Zimmergenossen Alex zusammen sein. Am Telefon lässt Ludo sich denkbar ungeschickt verleugnen. Also legt Claire ein Facebook-Profil an und gibt sich als 24-jährige Clara Antunès aus. Dabei ist Claire schon in den Fünfzigern und in Paris Universitätsprofessorin. Sie befindet sich in einer gesellschaftlichen, sozialen und auch ökonomischen Position, in der man sagt, sie habe es nicht nötig, sich in sozialen Netzwerken mit einem Fake-Profilen herumzutummeln.

Als Clara schickt sie eine Freundschaftsanfrage an Alex. Der reagiert darauf. Es entspinnt sich eine elektronische Freundschaft. Doch dann will Alex die verständnisvolle und nach den Fotos gut aussehende Claire, in die er sich inzwischen verliebt hat, treffen.

Safy Nebbou erzählt in seiner sich sehr ernst nehmenden, auf Camille Laurens‘ Roman basierenden Charakterstudie die Geschichte auf mehreren Zeit- und Realitätsebenen. So erzählt Claire ihrer Psychologin in einer Rahmenhandlung diese Geschichte von ihrer falschen elektronischen Identität und ihrer Liebe zu Alex. Dabei ist unklar, wie unzuverlässig Claire als unzuverlässige Erzählerin ist. Denn wenn bei ihr seelisch alles in bester Ordnung wäre, wäre sie nicht schon länger in psychologischer Behandlung. Außerdem scheint die Beziehung zu Alex kein glückliches Ende genommen zu haben.

Juliette Binoche spielt die geschiedene, zweifache Mutter und Literaturdozentin, die für eine Sex-Beziehung einen jüngeren Liebhaber hat, gewohnt überzeugend. Wobei rätselhaft bleibt, warum Claire sich so triebhaft zu jüngeren Männern hingezogen fühlt, anstatt sich mit einem etwa gleichaltrigem Mann zu treffen. Wobei natürlich auch Männer, wie Claires Ex-Mann, jüngere Freundinnen haben und warum sollte eine Frau nicht aus den gleichen Gründen eine Beziehung zu einem jüngeren Mann haben?

Mit zunehmender Laufzeit wird allerdings auch deutlich, dass Claire eine skrupellos manipulierende und lügende Stalkerin ist.

Weil diese Entwicklung schnell absehbar ist und die Figuren zu eindimensional sind, – eigentlich sind bis auf Claire alle Figuren Staffage, die sie nach Belieben inszeniert -, wird „So wie du mich willst“ schnell zu einem Vexierspiel, das davon lebt, dass vor allem Juliette Binoches Gesicht ausführlich in Großaufnahmen gezeigt wird.

Wer also gut hundert Minuten das Gesicht von Juliette Binoche ansehen will, wird von „So wie du mich willst“ begeistert sein.

So wie du mich willst (Celle que vous croyez, Frankreich 2019)

Regie: Safy Nebbou

Drehbuch: Saly Nebbou

LV: Camille Laurens: Celle que vous croyez, 2016

mit Juliette Binoche, Francois Civil, Guillaume Gouix, Charles Berlin, Nicole Garcia, Marie-Ange Casta, Jules Houplain

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Moviepilot über „So wie du mich willst“

AlloCiné über „So wie du mich willst“

Rotten Tomatoes über „So wie du mich willst“

Wikipedia über „So wie du mich willst“ (deutsch, englisch, französisch)

Berlinale über „So wie du mich willst“


TV-Tipp für den 26. März: Frank

März 26, 2018

WDR, 23.20

Frank (Frank, Irland/Großbritannien 2014)

Regie: Lenny Abrahamson

Drehbuch: Jon Ronson, Peter Straughan

LV: Jon Ronson: Oh Blimey! (Reportage, The Guardian, 2006)

Möchtegernmusiker Jon wird als Keyboarder der legendären Avantgardeband „Soronprfbs“ engagiert und das Mitglied einer sehr seltsamen Gemeinschaft, angeführt.

Das ist der Film, in dem Michael Fassbender als Bandleader Frank während des gesamten Films eine Pappmaché-Maske trägt.

Frank“ ist ein herrlich schrulliger Film mit einem liebevollen Blick auf gesellschaftliche Außenseiter, die sich in einer Band einen eigenen, gut funktionierenden Schutzraum geschaffen haben.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung der heutigen TV-Premiere.

mit Michael Fassbender, Domhnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal, Scott McNairy, Francois Civil, Carla Azar

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Facebook-Seite zum Film
Film-Zeit über „Frank“
Moviepilot über „Frank“
Metacritic über „Frank“
Rotten Tomatoes über „Frank“
Wikipedia über „Frank“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jon Ronsons “Männer, die auf Ziegen starren” (The men who stare at Goats, 2004)

Meine Besprechung von Jon Ronsons “Die Psychopathen sind unter uns – Eine Reise zu den Schaltstellen der Macht” (The Psychopath Test – A Journey through the Madness Industry, 2011)

Meine Besprechung von Lenny Abrahamsons „Frank“ (Frank, Irland/Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Lenny Abrahamsons „Raum“ (Room, Irland/Kanada 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Frank“, das Genie unter der Maske

August 30, 2015

Dass „Frank“ es doch noch in unseren Kinos gezeigt wird (wobei der DVD-Start schon für den 30. Oktober angekündigt ist), ist schon eine kleine, freudige Überraschung. Immerhin hatte der Musikfilm bereits im Januar 2014 seine Premiere auf dem Sundance-Festival. In England startete er am 9. Mai 2014. Die schrullige Komödie wurde allgemein abgefeiert und erhielt einige Preise. Aber von einer deutschen Veröffentlichung war nichts zu hören. Bis jetzt. Dabei sollte doch allein schon der Hinweis, dass Everbody’s Darling Michael Fassbender die Hauptrolle spielt, für Interesse sorgen.
Fassbender spielt Frank, einen genialen, aber auch seltsamen Musiker. Sein Gesicht verbirgt er hinter einem riesigen Pappmaché-Kopf, auf dem ein immer leicht erstaunt wirkendes, kindlich naives Gesicht gemalt ist und die von ihm geleitete Band „Soronprfbs“ ist zwar unter Alternative-Fans beliebt, aber kommerziell vollkommen erfolglos. Außerdem hat die Band genialer Dilletanten ein ständiges Keyboarder-Problem. Der letzte wurde nach einem erfolglosen Suizid-Versuch ins Krankenhaus eingeliefert.
Jon (Domhnall Gleeson), ein introvertierter Möchtegern-Musiker, der seine banalen Alltagsbeobachtungen mit Keyboardklängen abschmeckt, wird als Ersatz-Keyboarder angeheuert. Frank ist von ihm begeistert. Er lädt ihn zu einer Aufnahmesession ein, die nicht, wie Jon erwartet, im Studio um die Ecke an einem Nachmittag, sondern in einer einsam an einem irischen See gelegenen Hütte ist und die achtzehn Monate dauert, in der die Band, die aus merkwürdigen Gestalten und fragilen Beziehungen besteht, dank der ungefragten Social-Media-Arbeit von Jon zu einem Auftritt bei dem Indie-Festival „South by Southwest“ in Austin, Texas führt, was den Durchburch bedeuten könnte.
„Frank“ spielt zwar in der Gegenwart, aber die Musik und die Anspielungen kommen dann doch aus der Vergangenheit. Der Film basiert nämlich sehr lose auf einer Reportage von Jon Ronson, die er und Peter Straughan stark bearbeiteten. Wie schon bei ihrer Bearbeitung von Ronsons Sachbuch „Männer, die auf Ziegen starren“. Denn Ronsons Reportage „Oh Blimey“ ist über Frank Sidebottom, ein von dem verstorbenen Komiker Chris Sievey 1984 erfundener Kunstcharakter, dessen wahre Identität zunächst unbekannt war. Frank Sidebottom tourte Ende der Achtziger und in den Neunzigern durch England, hatte zahlreiche Fernsehauftritte und es gab einen Comicstrip mit ihm. Eine Zeit lang spielte Ronson in Sidebottoms Band Keyboard.
Dieser Charakter, bzw. die Idee eines genialen Musiker, der immer mit einem Pappmaché-Kopf auftritt und einer ihn bewundernden Band, wurde dann in die Gegenwart transferiert und eine neue Geschichte erfunden, bei der das Wissen um die Ursprünge eher stört. Denn „Frank“ ist kein Biopic und von ‚wahren Ereignissen‘ ist er auch nicht inspiriert. Dafür sind die Änderungen dann zu groß.
Trotzdem wirkt Lenny Abrahamsons Film immer wie ein aus der Zeit gefallener Bastard, bei dem die modernen Elemente eher stören. Denn Franks Musik, die absurde Heldenvereherung seiner Mitmusiker für ihn und seine Suche nach dem perfekten Ton als Teil der nur in seinem Kopf vorhandenen depressiven Symphonie und die monatelange Aufnahmesession in einer einsam gelegenen Hütte atmen in jeder Sekunde den depressiven Geist der achtziger Jahre, inclusive dem vom Punk kommenden Hang zum Dilletantismus und einen unbedingten Experimentierwillen.
So nennen die Macher den manisch-depressiven Singer/Songwriter Daniel Johnston, der seit den frühen Achtzigern Platten veröffentlicht, und Captain Beefheart, ein Frank-Zappa-Mitmusiker, der in den frühen Siebzigern seine großen Erfolge hatte (wobei er über Kultstatus nie hinauskam), als Inspiration für ihre Musik.
Sie hätten auch die Residents nennen können. Die bereits 1969 gegründete Band wurde mit seltsamen Cover-Versionen und Aktionen zwischen Musik und Kunst bekannt (naja, ebenfalls primär Kultstatus). Die Musiker halten ihre Identität immer noch geheim und sie treten immer maskiert auf.
Jons deprimierend eintönige, mit spartanischen Keyboarklängen zu Songs verarbeitete Alltagsbeobachtungen erinnern dann an Depeche Mode, eine 1980 gegründete Synthie-Pop-Band, die lange Zeit auf Gitarren verzichtete.
Trotzdem ist „Frank“ ein herrlich schrulliger Film mit einem liebevollen Blick auf gesellschaftliche Außenseiter, die sich in einer Band einen eigenen, gut funktionierenden Schutzraum geschaffen haben.

Frank - Plakat

Frank (Frank, Irland/Großbritannien 2014)
Regie: Lenny Abrahamson
Drehbuch: Jon Ronson, Peter Straughan
LV: Jon Ronson: Oh Blimey! (Reportage, The Guardian, 2006)
mit Michael Fassbender, Domhnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal, Scott McNairy, Francois Civil, Carla Azar
Länge: 95 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Facebook-Seite zum Film
Film-Zeit über „Frank“
Moviepilot über „Frank“
Metacritic über „Frank“
Rotten Tomatoes über „Frank“
Wikipedia über „Frank“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jon Ronsons “Männer, die auf Ziegen starren” (The men who stare at Goats, 2004)

Meine Besprechung von Jon Ronsons “Die Psychopathen sind unter uns – Eine Reise zu den Schaltstellen der Macht” (The Psychopath Test – A Journey through the Madness Industry, 2011)